TE Vwgh Beschluss 2021/1/13 Ra 2020/05/0036

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Veröffentlicht am 13.01.2021
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Niederösterreich
L82000 Bauordnung
L82003 Bauordnung Niederösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
BauO NÖ 2014 §48
BauO NÖ 2014 §48 idF 2018/053
BauO NÖ 2014 §6 Abs2
BauO NÖ 2014 §6 Abs2 Z2
BauO NÖ 2014 §6 Abs2 Z3
BauRallg
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
B-VG Art144 Abs1
MRK Art6
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/05/0037
Ra 2020/05/0038
Ra 2020/05/0039
Ra 2020/05/0040
Ra 2020/05/0041

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. der H E in K, 2. der Dr. H W in M, 3. des J A in M, 4. der H B in W, 5. des Dr. H S in K und 6. der E S in K, alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 9. April 2019, LVwG-AV-236/002-2018, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde K; mitbeteiligte Partei: I GmbH in K, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 und der Stadtgemeinde K Aufwendungen in der Höhe von € 553,20, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution, zu ersetzen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit Bescheid des Stadtamtes der Stadtgemeinde K. vom 12. April 2017 wurde der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Büro- und Laborgebäudes samt Tiefgarage, Zufahrt und 5 PKW-Stellplätzen, sowie für geringfügige Geländeveränderungen und die Errichtung von Außenanlagen auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG M. G. erteilt.

5        Mit Bescheid vom 14. November 2017 gab der Stadtrat der Stadtgemeinde K. der dagegen von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Berufung insofern Folge, als die Baubewilligung entsprechend der im Berufungsverfahren erfolgten Antragsmodifikation erteilt wurde.

6        Mit Erkenntnis vom 9. April 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die gegen den Berufungsbescheid erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (1.) und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (2.).

7        Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 28. November 2019, E 1665/2019-11, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichthof zur Entscheidung abtrat.

8        Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende außerordentliche Revision, die unter Punkt „4. Revisionspunkte“ Folgendes ausführt:

„Die Revisionswerber erachten sich durch das angefochtene Erkenntnis in folgenden subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt:

a.   in ihrem Recht auf Schutz der Revisionswerber vor Gefährdungen ihrer Gesundheit durch das gegenständliche Vorhaben;

b.   in dem Recht der Revisionswerber auf Schutz vor unzumutbaren Belästigungen durch das gegenständliche Vorhaben, insbesondere in Form von Lärm, Licht, Luftschadstoffen und Erschütterungen;

c.   und somit letztlich in ihrem Recht, dass das gegenständliche Vorhaben bzw die geplante Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei aus den vorgebrachten Gründen nicht genehmigt und damit auch nicht errichtet und betrieben wird.

Die Revisionswerber erachten sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihren oben aufgezählten gesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten verletzt, wobei das Erkenntnis sowohl an Rechtswidrigkeit des Inhalts als auch Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften leidet.

Darüber hinaus erachten sich die Revisionswerber in der Nichteinhaltung der Bestimmungen der NÖ Bauordnung, welche subjektiv öffentliche Rechte enthält verletzt. Weiters erachten sie sich in der Durchführung eines fairen Verfahrens gemäß Art 6 EMRK verletzt, da es zu keiner ausreichenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Revisionswerber gekommen ist.“

9        Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten.

10       Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet (vgl. VwGH 14.11.2018, Ra 2017/06/0217 und 0218, mwN). Die Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses, aber auch der Zulässigkeit einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof hat daher im Rahmen des Revisionspunktes zu erfolgen und sich auf das dort geltend gemachte Recht zu beschränken (vgl. VwGH 15.5.2020, Ra 2019/05/0316 bis 0322, mwN).

11       Wird der Revisionspunkt unmissverständlich behauptet, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 22.6.2020, Ra 2020/05/0074, mwN).

12       Mit der von den revisionswerbenden Parteien geltend gemachten Verletzung im „Recht, dass das gegenständliche Vorhaben bzw die geplante Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei aus den vorgebrachten Gründen nicht genehmigt und damit auch nicht errichtet und betrieben wird“ sowie im Recht auf Einhaltung der „Bestimmungen der NÖ Bauordnung, welche subjektiv öffentliche Rechte enthält“ wird nicht dargelegt, in welchen konkreten subjektiven, einem Nachbarn etwa durch die NÖ Bauordnung 2014 eingeräumten Rechten die revisionswerbenden Parteien verletzt seien (vgl. etwa nochmals VwGH 22.6.2020, Ra 2020/05/0074, oder auch 29.1.2020, Ra 2019/05/0311, und 25.7.2019, Ra 2018/05/0235 bis 0245, jeweils mwN). Bei der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften handelt es sich weiters nicht um die Geltendmachung eines Revisionspunktes, sondern um die Behauptung von Aufhebungsgründen (vgl. für viele etwa VwGH 12.6.2020, Ra 2018/05/0201, mwN). Gleiches gilt für das Vorbringen, es sei zu keiner ausreichenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Revisionswerber gekommen. Wenn sich die revisionswerbenden Parteien darüber hinaus in ihrem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK verletzt erachten, übersehen sie, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung einer Verletzung dieses Rechtes gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht berufen ist (vgl. etwa VwGH 5.5.2020, Ra 2020/07/0031, oder auch 3.12.2019, Ra 2019/02/0214, jeweils mwN).

13       Es verbleibt somit als tauglicher Revisionspunkt das „Recht auf Schutz der Revisionswerber vor Gefährdungen ihrer Gesundheit durch das gegenständliche Vorhaben“ sowie das Recht „auf Schutz vor unzumutbaren Belästigungen in Form von Lärm, Licht, Luftschadstoffen und Erschütterungen“, und die Revisionszulassungsbegründung ist nur insoweit zu prüfen (vgl. dazu nochmals VwGH 15.5.2020, Ra 2019/05/0316 bis 0322 oder auch 21.5.2019, Ra 2019/20/0121, jeweils mwN).

14       Sowohl zu der behaupteten Verletzung des Rechtes auf Schutz der Revisionswerber vor Gefährdungen ihrer Gesundheit durch das gegenständliche Vorhaben, als auch des Rechtes auf Schutz vor unzumutbaren Belästigungen in Form von Lärm, Luftschadstoffen und Erschütterungen enthält die Zulässigkeitsbegründung der Revision kein Vorbringen, weshalb sie sich insofern bereits deshalb als unzulässig erweist. Es fehlt in diesem Zusammenhang die Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem von den revisionswerbenden Parteien dieser konkret zu Grunde gelegten Sachverhalt und der darauf basierenden rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, die den Verwaltungsgerichtshof erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt (vgl. etwa VwGH 1.8.2019, Ra 2017/06/0192, mwN).

15       Soweit die revisionswerbenden Parteien darüber hinaus eine Verletzung im Recht auf Schutz vor unzumutbaren Belästigungen durch Licht behaupten, ist auf Folgendes hinzuweisen:

16       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. VwGH 23.11.2016, Ra 2016/05/0023, oder auch 15.5.2020, Ra 2019/06/0033, jeweils mwN).

17       Die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte sind in § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung 2014 taxativ aufgezählt (vgl. dazu bereits das zur identen Regelung der NÖ BauO 1996 ergangene hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2012, 2012/05/0052 bis 0054, mwN).

18       Ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht kommt in Bezug auf Immissionen nur im Hinblick auf jene Immissionen in Frage, die in § 48 NÖ Bauordnung 2014 taxativ aufgezählt sind. Nur diese Belästigungen hat die Baubehörde zu prüfen; hinsichtlich anderer Immissionen kommt entweder ein anderes Verwaltungsverfahren oder der Zivilrechtsweg in Betracht (vgl. dazu nochmals VwGH 23.11.2016, Ra 2016/05/0023, mwN).

19       § 48 der im Revisionsfall anzuwendenden NÖ Bauordnung 2014 in der Fassung LGBl. Nr. 53/2018 sieht einen Schutz vor Emissionen durch eine allfällig vom beantragten Bauvorhaben ausgehende Lichteinwirkung, wie ihn die revisionswerbenden Parteien offenbar vor Augen haben, nicht vor

(„§ 48 Immissionsschutz

Emissionen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase und Erschütterungen, die originär von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen Menschen weder in ihrem Leben oder ihrer Gesundheit gefährden noch örtlich unzumutbar belästigen. [...]“),

sodass diesbezüglich eine Rechtsfrage im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B-VG von den revisionswerbenden Parteien nicht aufgeworfen werden kann und das dazu erstattete Zulässigkeitsvorbringen ins Leere geht. Dies gilt auch in Bezug auf die in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensmängel, weil Verfahrensrechte immer nur so weit reichen, als materielle Rechte verletzt sein können (vgl. etwa VwGH 22.1.2019, Ra 2018/05/0287, mwN). Wenn die revisionswerbenden Parteien im Zusammenhang mit einer behaupteten „Lichtverschmutzung“ durch die Beleuchtung der geplanten Bauwerke und Zufahrtswege die Bestimmung des § 6 Abs. 2 Z 3 NÖ Bauordnung 2014 ins Treffen führen, verkennen sie damit den Inhalt der genannten Bestimmung, welche nach ihrem insoweit klaren Wortlaut unter den dort genannten Voraussetzungen dem Schutz der Belichtung der Hauptfenster der (künftig) zulässigen Gebäude der Nachbarn (also im vorliegenden Fall der revisionswerbenden Parteien) sowie deren bestehender bewilligter Hauptfenster dient, nicht jedoch eine Immissionsschutzbestimmung hinsichtlich behaupteter „Lichtverschmutzung“ durch ein beantragtes Bauvorhaben darstellt.

20       Die Revision erweist sich damit bereits aus den genannten Gründen als unzulässig und war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

21       Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 13. Jänner 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Belichtung Belüftung BauRallg5/1/3 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020050036.L00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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