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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des S S O in G, vertreten durch Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2020, I405 2235424-1/4E, betreffend insbesondere Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste erstmals im Jahr 2003 in das Bundesgebiet ein und stellte unter anderer Identität einen Asylantrag, der am 5. Mai 2009 rechtskräftig abgewiesen wurde. Er reiste aus dem Bundesgebiet aus und kehrte am 16. Februar 2013 auf Grund eines Visums D zurück. In der Folge erhielt er Aufenthaltstitel, zuletzt einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ nach § 46 Abs. 1 Z 2 NAG mit Gültigkeit bis zum 22. September 2018.
2 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 7. März 2019 wurde der Revisionswerber wegen Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) sprach daraufhin mit Bescheid vom 18. August 2020 aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde; gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde unter einem eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen, und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria zulässig sei. Weiters wurde gemäß § 53 Abs. 1 und 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.
4 Das Bundesverwaltungsgericht stellte über die eingangs wiedergegebene Verurteilung hinaus fest, dass der Revisionswerber auch schon während seines ersten Aufenthalts in Österreich im Jahr 2003 drei Mal nach dem Suchtmittelgesetz verurteilt worden sei, und zwar einmal zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten, dann zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten und schließlich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Der letzten Verurteilung vom 7. März 2019 sei zugrunde gelegen, dass der Revisionswerber im Zeitraum 12. bis 23. April 2018 in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge Cannabiskraut als Bestimmungstäter eingeführt und als unmittelbarer Täter anderen überlassen habe. Der Revisionswerber werde außerdem verdächtigt, während seiner Inhaftierung das Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger begangen zu haben.
5 Allein auf Grund der letzten Verurteilung sei der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG verwirklicht. Das zugrunde liegende Verhalten entspreche nicht den „Grundinteressen der österreichischen Bevölkerung auf Ruhe, Ordnung und Sicherheit“. Da der Revisionswerber noch in Strafhaft angehalten werde, habe sich ein Gesinnungswandel auf Grund eines Wohlverhaltens in Freiheit noch nicht zeigen können.
6 Bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht, dass der Revisionswerber mit einer in Österreich aufenthaltsberechtigten ghanaischen Staatsangehörigen verheiratet sei und mit ihr drei (2008, 2011 und 2014 geborene) Kinder habe. Er sei aber vor seiner Inhaftierung keiner geregelten Tätigkeit nachgegangen, sondern habe Notstandshilfe bezogen. Das Familienleben könne bereits durch die Strafhaft des Revisionswerbers nicht mehr „vollzogen“ werden; der Kontakt beschränke sich auf Besuche seiner Frau in der Haftanstalt. Ein finanzielles oder anders gelagertes Abhängigkeitsverhältnis sei nicht ersichtlich; die Ehefrau des Revisionswerbers gehe einer Beschäftigung als Pflegehelferin nach. Es sei dem Revisionswerber aber nicht verwehrt, nach Ablauf des Einreiseverbots bei Erfüllung der aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren. Auch unter Beachtung des Kindeswohls lägen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die eine Verletzung des Art. 8 EMRK erkennen ließen, zumal der Kontakt zwischen dem Revisionswerber und den Kindern seit seiner Inhaftierung in seiner Intensität schon erheblich abgeschwächt sei. Die allfälligen nachteiligen Folgen würden nicht schwerer wiegen als das staatliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verhinderung strafbarer Handlungen. Zu berücksichtigen sei auch, dass telefonischer und postalischer Kontakt mit der Familie auch von Nigeria aus gewahrt werden könne. Weiters wären zumindest Besuche in Nigeria möglich. Insgesamt überwögen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet.
7 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt vor, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, indem es bei seiner Interessenabwägung nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass der Revisionswerber insgesamt über zehn Jahre legal in Österreich aufhältig gewesen sei und hier drei Kinder habe. Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen des Fremden an einem Verbleib in Österreich auszugehen.
11 Diesem Vorbringen ist zum einen entgegen zu halten, dass die zitierte Rechtsprechung zwar auch für Fälle eines einmalig für wenige Monate unterbrochenen Inlandsaufenthaltes maßgeblich ist (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0185, Rn. 13, mwN); bei einer - wie hier - mehrjährigen Unterbrechung des Inlandsaufenthalts ist aber nicht mehr von einer vergleichbaren Vedichtung der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen wie bei einem durchgehenden Aufenthalt von mehr als zehn Jahren.
12 Zum anderen hat der Verwaltungsgerichtshof schon vielfach ausgesprochen, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können; dazu zählt insbesondere auch das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rn. 13, mwN).
13 Das Bundesverwaltungsgericht ist daher nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Sowohl die Interessenabwägung mit dem Ergebnis einer hinzunehmenden Trennung der Familienangehörigen als auch die Gefährdungsprognose erweisen sich im Hinblick auf die schwere Suchtmittelkriminalität des Revisionswerbers als nicht unvertretbar (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit einer Revision unter dem Gesichtspinkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, Rn. 7, mwN).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210528.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021