TE Vwgh Beschluss 2021/1/29 Ra 2020/22/0141

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §2 Abs2
NAG 2005 §2 Abs2 Z1
NAG 2005 §60 Abs1 Z2
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des M M, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 12. März 2020, VGW-151/004/14774/2019-12, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde des Revisionswerbers, eines serbischen Staatsangehörigen, betreffend seinen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels „Selbständiger“ gemäß § 60 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nach Durchführung einer Verhandlung mit einer hier nicht relevanten Maßgabe ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

In der rechtlichen Beurteilung führte das VwG aus, der Revisionswerber habe nicht beweisen können, dass er keine Niederlassungsabsicht habe. Allein aus der Tatsache, dass er über zwei Gewerbeberechtigungen verfüge, die er durchgehend ausübe, sei die Niederlassungsabsicht gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 NAG zu erkennen. Die selbständige Tätigkeit des Revisionswerbers bestehe unstrittig seit Jänner 2015, weshalb von einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit nicht die Rede sein könne. Auch der Umstand, dass der Revisionswerber eigenen Angaben zufolge in zwei bis drei Jahren nach Serbien zurückkehren wolle, ändere daran nichts, weil er im vorangegangenen Verfahren im Juni 2017 bereits angegeben habe, er wolle nur noch ein bis zwei Jahre in Österreich bleiben; mittlerweile seien zweieinhalb Jahre vergangen und er wolle weitere zwei bis drei Jahre im Bundesgebiet bleiben. Auch unter diesem Gesichtspunkt könne nicht von einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit gesprochen werden. Darüber hinaus werde bezweifelt, dass der Revisionswerber in zwei bis drei Jahren ausreichend Geld gespart haben werde, um sich - eigenen Angaben zufolge - in Serbien selbständig machen zu können. Der Revisionswerber halte sich jährlich lediglich zwei Wochen sowie weiters zwei- bis dreimal für etwa vier Tage in Serbien auf und arbeite ansonsten seit Dezember 2014 in Österreich sieben Tage pro Woche. Aufgrund der zweifelsfrei gegebenen Niederlassungsabsicht des Revisionswerbers sei der Aufenthaltstitel gemäß § 60 NAG nicht zu erteilen gewesen.

5        Der Revisionswerber rügt in der Zulässigkeitsbegründung zunächst ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung hinsichtlich der Beurteilung der Niederlassungsabsicht.

6        Nach der Definition des § 2 Abs. 2 NAG ist die Niederlassung der tatsächlich oder zukünftig beabsichtigte Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht (Z 1), der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen (Z 2) oder der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit (Z 3). Gemäß Abs. 3 leg. cit. gilt der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 12) nicht als Niederlassung im Sinne des Abs. 2. § 60 Abs. 1 Z 2 NAG sieht vor, dass Drittstaatsangehörigen eine Aufenthaltsbewilligung als Selbstständiger ausgestellt werden kann, wenn sie sich zur Durchführung einer bestimmten selbständigen Tätigkeit vertraglich verpflichtet haben und diese Verpflichtung länger als sechs Monate bestehen wird.

7        Die Frage, ob der Revisionswerber im gegenständlichen Fall als niedergelassen im Sinn des § 2 Abs. 2 NAG anzusehen ist, stellt eine Einzelfallbeurteilung dar. Ein Aufgreifen derartiger von den Verwaltungsgerichten entschiedener Einzelfälle durch den Verwaltungsgerichtshof ist im Revisionsmodell nur dann vorgesehen, wenn die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet wurden und somit eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern (vgl. dazu etwa VwGH 27.2.2018, Ra 2018/01/0052, Rn. 10, mwN).

8        Das VwG berücksichtigte bei seiner Beurteilung im Einzelfall den Umstand, dass der Revisionswerber über zwei Gewerbeberechtigungen verfügt, die er seit Jänner 2015 durchgehend ausübt, und schloss daraus, dass von einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit nicht die Rede sein könne. Mit dem Hinweis auf VwGH 17.9.1991, 821, 822/77, ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen. Diese Entscheidung betrifft die Auslegung des Begriffes „Auswanderung“ nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz. Dieser ist mit dem im vorliegenden Fall auszulegenden § 2 Abs. 2 NAG nicht vergleichbar. Im Übrigen war der Aufenthalt des Revisionswerbers auch nicht durch die berufliche Tätigkeit bedingt (vgl. VwGH 17.9.1991, 90/08/0173, betreffend die Stationierung eines Militärdienstleistenden). Der Umstand, dass die Familie des Revisionswerbers in seinem Haus in Serbien lebt, steht der Annahme, dass sein Aufenthalt in Österreich dem Zweck der Begründung eines Wohnsitzes im Sinn des § 2 Abs. 2 Z 1 NAG oder der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit dient, nicht entgegen.

9        Die Entscheidung des VwG ist jedenfalls unter Beachtung des Kalküls einer grundsätzlichen Rechtsfrag betreffend Einzelfallbeurteilungen nicht als unvertretbar anzusehen.

10       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020220141.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten