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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §18 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y vertreten durch Mag. Nikolaus Rast und Mag. Mirsad Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2020, W215 2155257-1/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am 22. Jänner 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit einer Bedrohung durch die Al-Shaabab begründete.
2 Mit Bescheid vom 11. April 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 20.12.2019, Ra 2019/01/0431-0433, mwN).
8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe dem Fluchtvorbringen in einer unrechtmäßigen Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit abgesprochen, obwohl es durch Recherche vor Ort möglich gewesen wäre, die Authentizität des Vorbringens zu überprüfen. Das plausible und detaillierte Vorbringen des Revisionswerbers sei in seinem Kern gleichgeblieben. Die Abweichungen, die das BVwG als entscheidungswesentlich einstufe, seien in der Gesamtschau marginal. Der Revisionswerber befinde sich bereits seit über fünf Jahren im Bundesgebiet und weise eine durchaus gute Integration auf. Das BVwG weiche von der Rechtsprechung ab, ohne die Unterschiede für seine diametrale Entscheidung zu begründen.
9 Soweit sich die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit gegen die der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten zu Grunde liegenden beweiswürdigenden Erwägungen wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 19.11.2020, Ra 2020/14/0192 bis 0196, mwN).
10 Das BVwG setzte sich - nach Durchführung einer Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte - mit dem Vorbringen zu den Gründen seiner Flucht auseinander und sprach diesem in nicht unschlüssiger Weise die Glaubwürdigkeit ab. Dabei stützte es sich in seinen umfassenden Erwägungen nicht auf bloß unwesentliche Abweichungen in seinen Angaben, sondern auf eine Häufung von Widersprüchen, insbesondere im Zusammenhang mit dem behaupteten Motiv des vorgebrachten Angriffs durch die Al-Shaabab, nämlich der Stellung des Vaters des Revisionswerbers als Imam, und den Ereignissen nach der behaupteten Tötung des Vaters. Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, dass das BVwG die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte.
11 Wenn in der Revision das Unterbleiben weiterer Ermittlungen durch Recherche vor Ort gerügt wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Solchen Fragen kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (vgl. VwGH 3.9.2020, Ra 2020/14/0385, mwN). Derartiges legt der Revisionswerber nicht dar. Zudem besteht ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens des Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht (vgl. wiederum VwGH 3.9.2020, Ra 2020/14/0385, mwN).
12 Das BVwG hat zudem in einer Alternativbegründung darauf verwiesen, dass dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mogadischu offen stünde. Die Revision zeigt auch dazu nicht auf, dass diese Beurteilung fallbezogen an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit leide.
13 Soweit die Revision die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung erfolgte Interessenabwägung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz anspricht, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 7.10.2020, Ra 2020/14/0414, mwN).
14 Das BVwG berücksichtigte im Rahmen der Interessenabwägung die fallbezogen entscheidungswesentlichen Umstände, darunter auch die Dauer des Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet von knapp über fünfeinhalb Jahren und seine Integrationsbemühungen. Die privaten Interessen erachtete es jedoch als durch den unsicheren Aufenthaltsstatus relativiert, weshalb die öffentlichen Interessen an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens überwögen. Dass die Interessenabwägung unvertretbar wäre, zeigt die Revision nicht auf.
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 2. Februar 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020140488.L00Im RIS seit
08.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021