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L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des W in D, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 25. Jänner 1995, Zl. VI/1-1468/21-1994, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: Dr. Karl und Dr. Franziska K in D), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Berufung hinsichtlich des Wirtschaftsgebäudes mit Fahrsilo Folge gegeben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 28. März 1988 und vom 15. April 1988 begehrte der Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer 800 m2 großen Halle zur Rinder- und Schweinehaltung samt Fahrsilo (Wirtschaftsgebäude) sowie einer rund 280 m2 großen Einstellhalle für landwirtschaftliche Maschinen. Seine Parzellen Nr. 473/2, 474/1 und 474/2 liegen nordöstlich am Weg Nr. 513 in einem Gebiet mit der Widmung "Grünland - landwirtschaftlich genutzt". Der kürzeste Abstand des geplanten Wirtschaftsgebäudes zum Weg beträgt 100 m. Südwestlich dieses Weges und westlich versetzt befindet sich der normal zum Weg Nr. 513 angelegte Sonnenweg, an dessen beiden Seiten Bauparzellen situiert sind. Der kürzeste Abstand des geplanten Wirtschaftsgebäudes zur nächsten Bauparzelle Nr. 593/3 beträgt rund 140 m, zur nächsten tatsächlich bebauten Parzelle Nr. 593/67 178 m und zur mit einem Wohnhaus bebauten Parzelle der Ehegatten Dr. K 247 m.
In der Bauverhandlung vom 18. Juli 1988 brachten die Mitbeteiligten vor, daß eine Geruchsbelästigung zu befürchten sei. Weiters werde Gesundheitsgefährdung durch Krankheitserreger, etwa Insekten oder Ratten, erwartet. Alle weiteren bei der Verhandlung anwesenden Anrainer (offenbar Bewohner der S-Gasse), darunter die Ehegatten Sch., schlossen sich den Einwendungen der Mitbeteiligten an. Nach Einholung verschiedener Sachverständigengutachten erteilte der Bürgermeister mit Bescheid vom 25. August 1988 die begehrte Baubewilligung; der umfangreiche Auflagenpunkt 14 sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, damit die Geruchs- und Staubbelästigung das ortsübliche bzw. zumutbare Ausmaß nicht überschreitet. Zu den Einwendungen wurde in der Begründung des Baubewilligungsbescheides ausgeführt, daß bei Einhaltung eines Abstandes der Abluftöffnungen des Stalles von etwa 150 m zu den nächstgelegenen nachbarlichen Fenstern von Wohnräumen und Einhaltung der vorgeschriebenen Maßnahmen keine Geruchsbelästigung, die das ortsübliche bzw. zumutbare Ausmaß überschreite, zu erwarten sei.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung verwiesen die Mitbeteiligten insbesondere auf die zu erwartende Geruchsbelästigung, machten aber auch raumordnungsrechtliche Bedenken geltend. P. und E. Sch. schlossen sich in ihrer Berufung im wesentlichen der Berufung Dr. K. an.
Während zwei weiters erhobene Berufungen mit Bescheiden des Gemeinderates vom 13. März 1989 wegen Verspätung zurückgewiesen wurden, wurden die Berufungen Dr. K. und Sch. mit Bescheid vom 13. März 1989 als unbegründet abgwiesen. Aus Anlaß der Berufung ordnete der Gemeinderat jedoch zusätzliche Auflagen an.
Während P. und E. Sch. die Berufungsentscheidung unbekämpft ließen, erhoben die Mitbeteiligten Vorstellung. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 30. Mai 1990 wurde der Vorstellung der Mitbeteiligten Folge gegeben, der Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 13. März 1989 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat verwiesen. Die Vorstellungsbehörde stellte sich auf den Rechtsstandpunkt, sie sei verpflichtet, jede Rechtswidrigkeit, gleichgültig ob sie geltend gemacht worden ist oder nicht, aufzugreifen, soferne damit in Rechte des Vorstellungswerbers eingegriffen werde. Tragender Aufhebungsgrund war, daß die Vorstellungswerber in ihrem Recht auf Einhaltung der Widmungskategorie verletzt worden seien. Gemäß § 20 Abs. 4 Raumplanungsgesetz seien Baumaßnahmen im Grünland zulässig, wenn sie für die der Flächenwidmung entsprechende Nutzung notwendig seien. In den vorliegenden landwirtschaftlichen Sachverständigengutachten fänden sich keine ausreichenden Erläuterungen dahingehend, warum zur Bewirtschaftung der gegenständlichen Grundstücke die Errichtung eines Wirtschaftsgebäudes sowie einer Einstellhalle und eines Fahrsilos erforderlich sein sollen. Daß die gegenständliche Baumaßnahme im Hinblick auf den bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb und seine beengte Lage erforderlich sei, könne nicht als ausreichend dafür angesehen werden, daß eine Ausnahme im Sinne des § 20 Abs. 4 Raumplanungsgesetz gerechtfertigt wäre. Es liege keine ausreichende Begründung dafür vor, daß die Baumaßnahme für die landwirtschaftliche Nutzung der Grünfläche notwendig wäre. Die Vorstellungswerber seien daher in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf die Einhaltung der Widmungskategorie verletzt worden.
Die gemäß der Verordnung LGBl. Nr. 97/1991 nunmehr zuständige Baubehörde erster Instanz (Bezirkshauptmannschaft Mattersburg) leitete am 26. März 1992 den Akt zur Erledigung der aufgrund des Aufhebungsbescheides offenen Berufung der belangten Behörde als Baubehörde zweiter Instanz weiter.
Die belangte Behörde holte in der Folge mehrere agrartechnische und medizinische Sachverständigengutachten ein, in denen es im wesentlichen um die Frage der zu erwartenden Geruchsbelästigung ging. Von der Landwirtschaftskammer wurden mehrere Stellungnahmen abgegeben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Mitbeteiligten hinsichtlich der Einstellhalle nicht, wohl aber hinsichtlich des Wirtschaftsgebäudes Folge gegeben und die diesbezüglich begehrte Baubewilligung versagt. Auf die Frage, ob das Vorhaben im Sinne des § 20 Abs. 4 Raumplanungsgesetz notwendig sei, wurde nicht mehr eingegangen. Als erwiesen wurden die eingangs dargelegten Abstände angenommen und aufgrund der vom landwirtschaftlichen und medizinischen Amtssachversändigen abgegebenen Gutachten festgestellt, daß sich unter günstigsten Bedingungen ein Schutzabstand von mindestens 186 m ergebe. Gemäß § 86 Abs. 1 der burgenländischen BauO müßten aber landwirtschaftliche Betriebsbauten unbeschadet sonstiger Abstandsvorschriften von Straßen und fremden Gebäuden soweit entfernt sein, daß sie für die Bewohner keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung verursachen. Gegenüber den Mitbeteiligten würde dieser Abstand zwar gewahrt werden, die nächstgelegene bebaute Parzelle Nr. 593/67 liege aber nur 180 m vom Stall entfernt und befinde sich daher innerhalb dieses Abstandes. Der geplante Stall weise also keine hinreichende Entfernung zum Wohngebiet auf, weshalb die Bewilligung zu versagen gewesen sei.
Gegen den abweisenden Spruch dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bauwerbers. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, daß die belangte Behörde ausschließlich - obwohl sie in der Einleitung ihrer Entscheidung auf "zahlreiche" Berufungen verweist, die allerdings nicht aktenkundig sind - über die Berufung der Mitbeteiligten entschieden hat, obwohl nach der Aktenlage aufgrund des aufhebenden Vorstellungsbescheides vom 30. Mai 1990 auch die Berufung Sch. nach wie vor unerledigt ist.
Für das zu bebauende Grundstück besteht die Widmung Grünland - landwirtschaftliche Nutzung. Auf die Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes besitzt der Nachbar nach § 94 Abs. 2 der Burgenländischen Bauordnung (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 11/1994; im folgenden:
BO) nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht, doch ist ein solches dann anzunehmen, wenn die bestimmte Widmungskategorie auch einen Immissionsschutz gewährleistet. Allerdings ist nach § 16 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1969 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 32/1997, im folgenden: RPlG) mit der Widmung "Grünfläche" kein Immissionsschutz verbunden. Auch aus § 20 dieses Gesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 61/1990 läßt sich kein Immissionsschutz der Nachbarn im Grünland ableiten (hg. Erkenntnis vom 26. November 1991, Zl. 91/05/0132).
Hinsichtlich der Grünlandbebauung hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, daß die Vorschriften, die die Zulässigkeit der Bebauung des Grünlandes an die Erforderlichkeit des Bauwerkes für die landwirtschaftliche Nutzung binden, keine Merkmale enthalten, durch die das räumliche Naheverhältnis (zu Nachbarn) berührt werde. Derartige Vorschriften dienen ausschließlich dem öffentliche Interesse und es hat der Nachbar keinen Rechtsanspruch auf Einhaltung dieser Widmung (vgl. die Nachweise bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, 252, zur durchaus vergleichbaren Rechtslage in Niederösterreich, Steiermark und Kärnten).
Entgegen dieser Auffassung hat die Vorstellungsbehörde in dem die Baubewilligung aufhebenden Bescheid vom 30. Mai 1990 einen Rechtsanspruch des Nachbarn auf Einhaltung der Grünlandwidmung bejaht und die Aufhebung darauf gestützt, daß die Vereinbarkeit mit den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 RPlG nicht geprüft worden sei.
Da es der Beschwerdeführer unterließ, diese Vorstellungsentscheidung zu bekämpfen, kommt dem tragenden Aufhebungsgrund Bindungswirkung für das weitere Verfahren vor den Baubehörden, aber auch vor dem Verwaltungsgerichtshof zu (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Dezember 1985, Zl. 85/05/0098, BauSlg. Nr. 600). Die belangte Behörde hat sich offenbar, weil sie von einem anderen Versagungsgrund ausgegangen ist, mit der Frage der Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 RPlG nicht auseinander gesetzt.
Keine bindende Rechtsansicht wurde jedoch in jenem Vorstellungsbescheid zu der tatsächlich ein Nachbarrecht begründenden Bestimmung des § 86 Abs. 1 BO ausgesprochen. Nach dieser Bestimmung müssen Stallungen, Düngerstätten, Silos und dergleichen von Straßen und fremden Gebäuden, unbeschadet der sonstigen Abstandsvorschriften, so weit entfernt sein, daß sie für die Straßenbenützer und Bewohner keine das ortsübliche Maß übersteigende Belästigungen verursachen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt im Erkenntnis vom 17. September 1996, Zl. 96/05/0105, ausgesprochen, daß jene Bestimmung, anders als im Falle des durch einzelne Widmungs- und Nutzungsarten eingeräumten Immissionsschutzes, grundsätzlich keinen absoluten, zu einer Versagung des Bauvorhabens führenden Immissionsschutz des Nachbarn normiert. Die Baubehörde habe aber jene Anordnungen zu treffen, die Belästigungen der Nachbarn, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, hintanhalten. Der Verwaltungsgerichtshof gelangte damals zu einer Aufhebung des Bescheides, mit dem der Vorstellung gegen eine im Instanzenzug erteilte Baubewilligung keine Folge gegeben worden war, weil nicht geklärt worden sei, ob der projektgemäß ausgeführte Pferdestall samt Miststätte an der Grundstücksgrenze der Grundstücke der beschwerdeführenden Nachbarn keine unzumutbaren Geruchs-, Lärm- und Insektenbelästigungen im Sinne des § 86 Abs. 1 BO entfalte, sodaß es eines ergänzenden Gutachtens eines agrartechnischen Sachverständigen darüber bedurfte, welche von den beschwerdeführenden Nachbarn rechtzeitig geltend gemachten Belästigungen an der Grenze ihrer Grundstücke entstünden.
Im vorliegenden Fall wurde mit Bescheid des Bürgermeisters vom 25. August 1988 die Baubewilligung erteilt; die belangte Behörde hatte über die Berufung der Mitbeteiligten zu entscheiden. Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan, daß die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde im Falle einer beschränkten Parteistellung, wie sie für den Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nach den österreichischen Bauordnungen typisch ist, auf jenen Themenkreis eingeschränkt ist, in dem dieser Partei ein Mitspracherecht zusteht.
Dies hat die belangte Behörde offenbar verkannt, wenn sie feststellte, daß sich das Gebäude der Mitbeteiligten zwar rund 60 m außerhalb des Schutzabstandes befinde, daß aber die Baubewilligung deswegen zu versagen sei, weil das emittierende Vorhaben "vom Wohngebiet" zuwenig weit entfernt sei. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde auch unbebaute Grundstücke (Nr. 593/4 und 593/5) aufzählte, obwohl § 86 Abs. 1 BO nur die Entfernung von Straßen und Gebäuden erfaßt, zeigte sie nicht auf, inwieweit in die subjektiv-öffentlichen Rechte der Mitbeteiligten eingegriffen wurde. Die Mitbeteiligten sind aber nicht befugt, die Interessen der Eigentümer der im Schutzbereich befindlichen bebauten Parzellen wahrzunehmen. Die Berufungsbehörde hatte aufgrund der Berufung eines Nachbarn nicht zu prüfen, ob allenfalls andere Nachbarn belästigt werden können. Allein wegen der Berufung des nach den Feststellungen nicht belästigten Nachbarn durfte sie nicht mit einer Versagung der von der Baubehörde erster Instanz erteilten Baubewilligung vorgehen, weshalb sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastete.
Die belangte Behörde wird daher im Rahmen ihrer Prüfungsbefugnisse über die Berufung der Mitbeteiligten - allerdings unter Bedachtnahme auf die Vorgaben des Vorstellungsbescheides vom 30. Mai 1990 - neuerlich zu entscheiden haben.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Planung Widmung BauRallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995050079.X00Im RIS seit
03.05.2001