TE OGH 2021/1/19 18ONc5/20k

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Veröffentlicht am 19.01.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Dr. Veith, die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und Mag. Painsi als weitere Richter in der Schiedsrechtssache der Antragstellerin (schiedsbeklagte Partei) M***** GmbH, *****, gegen die Antragsgegnerin (schiedsklagende Partei) N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Horst Pechar, Rechtsanwalt in Weiz, wegen Ablehnung der Schiedsrichter Mag. M*****, Dr. E***** und Univ.-Prof. Dr. M***** (§ 589 Abs 3 ZPO), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Ablehnung der Schiedsrichter Mag. M*****, Dr. E***** und Univ.-Prof. Dr. M***** wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            Zwischen den Streitteilen ist seit Juni 2019 ein Schiedsverfahren anhängig, wobei der Senat gemäß § 587 ZPO mit Beschluss vom 20. 12. 2019 zu GZ 18 ONc 3/19i-5 Univ.-Prof. Dr. M***** zum Schiedsrichter bestellte. Daneben besteht das Schiedsgericht aus Mag. M***** als Vorsitzendem und Dr. E***** als weiterer Schiedsrichterin.

[2]            Die anwaltlich nicht vertretene Beklagte brachte mit Eingaben vom 28. 6. 2020, 20. 8. 2020, 11. 10. 2020 und 12. 10. 2020 Ablehnungsanträge gegen das gesamte Schiedsgericht ein. Sie stützte ihre Anträge zusammengefasst auf verfahrensrechtliche Fehlleistungen des Schiedsgerichts hinsichtlich Fragen zur Zustellung, Anleitung und zur formellen Verfahrensführung. Insbesondere warf sie dem Schiedsgericht vor, die geübte Form der Zustellung per E-Mail entspreche nicht den gesetzlichen Formerfordernissen.

[3]            Mit Beschluss vom 12. 11. 2020 wies das Schiedsgericht diese Ablehnungsanträge ab. Es verneinte mit näherer Begründung das Vorliegen von Verfahrensverstößen und auch eine Bevorzugung oder Benachteiligung einer der Parteien.

[4]            Mit einer Eingabe vom 20. 11. 2020 lehnte die Schiedsbeklagte die drei Schiedsrichter neuerlich ab; dies „unter Einbeziehung der bisherigen Ablehnungsgründe“ mit der Begründung, das Schiedsgericht habe ihr entgegen mehrmaliger Aufforderungen, dies zu unterlassen, erneut ein E-Mail unter einer E-Mail-Adresse geschickt, die offenkundig ein Verteiler sei.

[5]            Mit Beschluss vom 23. 11. 2020 wies das Schiedsgericht (auch) diesen Ablehnungsantrag ab.

[6]            Mit dem am 10. 12. 2020 beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Ablehnungsantrag begehrte die Schiedsbeklagte als (fortan so bezeichnete) Antragstellerin, über die im Beschluss des Schiedsgerichts vom 12. 11. 2020 behandelte Ablehnung der drei Schiedsrichter zu entscheiden. Die Antragstellerin wiederholte dabei im Wesentlichen die in den Eingaben vom 28. 6. 2020, 20. 8. 2020, 11. 10. 2020 und 12. 10. 2020 geltend gemachten Ablehnungsgründe. Dieser Ablehnungsantrag ist Gegenstand des beim Obersten Gerichtshof zu AZ 18 ONc 4/20p anhängigen Verfahrens.

[7]            Mit dem am 21. 12. 2020 beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Ablehnungsantrag begehrt die Antragstellerin, über die im Beschluss des Schiedsgerichts vom 23. 11. 2020 behandelte Ablehnung der drei Schiedsrichter zu entscheiden. Die Antragstellerin wiederholt dabei im Wesentlichen den in der Eingabe vom 20. 11. 2020 geltend gemachten Ablehnungsgrund. Dieser Ablehnungsantrag ist Gegenstand dieser Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

[8]            Der Ablehnungsantrag vom 21. 12. 2020 ist zurückzuweisen.

[9]            1. Der geltend gemachte Ablehnungsgrund kann die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter schon abstrakt nicht begründen. Wegen der Unbegründetheit des Antrags sind weitere Verfahrensschritte (Einholung von Äußerungen, sonstige Erhebungen) durch den Senat nicht erforderlich. Auch wenn man (wie im Folgenden) die Richtigkeit der Vorwürfe unterstellt, wäre daraus noch keine Befangenheit des Schiedsgerichts abzuleiten (in diesem Sinn jüngst 18 ONc 3/20s).

[10]           2. Ein Schiedsrichter kann nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken, oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt (§ 588 Abs 2 ZPO).

[11]           2.1 Der Gesetzestext des § 588 ZPO idF des SchiedsRÄG 2006 verweist zwar – anders als die Bestimmung des früheren § 586 ZPO – nicht mehr auf die Regeln über die Befangenheit und die Ausgeschlossenheit von Richtern staatlicher Gerichte (§§ 19 f JN). Ungeachtet dessen sind die Gründe für die Ablehnung staatlicher Richter – unter spezieller Berücksichtigung der Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit – weiterhin als Richtlinien heranzuziehen (18 ONc 1/19w mwN; 18 ONc 3/20s).

[12]            2.2 Nach der Rechtsprechung zur Befangenheit und Ausgeschlossenheit von Richtern (§§ 19 f JN) sollen Ablehnungsregeln den Parteien nicht die Möglichkeit bieten, sich eines ihnen nicht genehmen Richters zu entledigen (RIS-Justiz RS0046087; RS0109379). Dennoch ist bei der Prüfung der Unbefangenheit eines Richters iSd § 19 JN im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen (RS0045949; RS0109379; RS0046052 [T12]). Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss, auch wenn der Richter tatsächlich unbefangen sein sollte, oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RS0109379 [T4, T7]; RS0046052 [T10]).

[13]           2.3 Eine unsachgemäße Prozessleitung und prozessuale Fehler begründen aber für sich nicht den Anschein der Voreingenommenheit (18 ONc 2/19t; 18 ONc 3/20s je mwN). Selbst wenn die vom Ablehnungswerber thematisierten prozessualen Entscheidungen oder Anordnungen des Schiedsgerichts tatsächlich als falsch und/oder ihre Prozessleitung als unsachgemäß anzusehen wären, würde dieser Umstand daher (für sich genommen) noch keine Ablehnung rechtfertigen. Anderes könnte nur für schwerwiegende Verfahrensverstöße (18 ONc 3/14g; 18 ONc 2/19t mwN) oder eine (dauerhafte und wesentliche) Bevorzugung bzw Benachteiligung einer der Parteien gelten (18 ONc 3/20s mwN).

[14]           3. Mit dem behaupteten Ablehnungsgrund werden weder ein schwerwiegender Verfahrensverstoß noch eine dauerhafte und wesentliche Benachteiligung der Antragstellerin aufgezeigt.

[15]           3.1 Die Antragstellerin macht als Ablehnungsgrund geltend, dass das Schiedsgericht trotz wiederholter Aufforderung, dies zu unterlassen, und trotz der Kenntnis, dass E-Mails kein ZPO-konformes Kommunikationsmittel seien, weiter E-Mails an den Verteiler inhabung@*****.at verschickt habe.

[16]           3.2 In dem Umstand, dass das Schiedsgericht mit der Antragstellerin über diese E-Mail-Adresse kommuniziert hat, ist keine Befangenheit zu erblicken. Das gilt nicht nur für den Zeitraum bis zu den (ua) mit der nicht ZPO-konformen Zustellung begründeten ersten Ablehnungsanträgen und der Entscheidung des Schiedsgerichts darüber (vgl 18 ONc 4/20k). Auch die im neuerlichen Ablehnungsantrag beanstandete Übermittlung zweier weiterer E-Mails (am 12. 11. 2020 bzw 19. 11. 2020) an diese E-Mail-Adresse weckt keine berechtigten Zweifel an der Unparteilichkeit der Schiedsrichter. Die Antragstellerin führte und führt auf ihren Schriftsätzen an das Schiedsgericht und an den Obersten Gerichtshof diese E-Mail-Adresse nach wie vor selbst an. Die Antragstellerin behauptet auch nach wie vor nicht, dass sie dadurch von Mitteilungen des Schiedsgerichts ausgeschlossen war. Auch der Vorwurf, dass das Schiedsgericht vertrauliche Schreiben an die als Verteiler erkennbare E-Mail-Adresse versandt habe, kann die Befangenheit nicht begründen, konnte das Schiedsgericht doch, wie es das in seinem Beschluss vom 23. 11. 2020 zum Ausdruck brachte, davon ausgehen, dass die Gestaltung der bekannt gegebenen E-Mail-Adresse als „Verteiler“ in der Disposition der Antragstellerin liegt.

[17]            4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der von der Antragstellerin geltend gemachte Ablehnungsgrund nicht vorliegt. Der Ablehnungsantrag ist daher zurückzuweisen.

Textnummer

E130678

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:018ONC00005.20K.0119.000

Im RIS seit

18.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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