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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §63 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des A und der M K in Ö, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 13. Juni 1996, Zl. 04-15/35-96/2, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: S in Ö), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 15. Februar 1996 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Liezen der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung ihres Gastgewerbebetriebes in der Betriebsart "Cafe" unter Vorschreibung von Auflagen. Die von den Beschwerdeführern dagegen erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Steiermark mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 13. Juni 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 356 Abs. 3 und § 359 Abs. 4 GewO 1994 als unzulässig zurück. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, die Berufung der Beschwerdeführer habe folgenden Wortlaut:
"Sie haben uns mit der Kundmachung vom 5.12.1995 mit der GZ.: 4.1. - L 29-89 zu einem gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren für einen Gastgewerbebetrieb in der Betriebsart "Cafe" mit technischen Einrichtungen eingeladen und zu sonst nichts anderem. Wir haben Ihnen im Schreiben vom 11.12.1995 mitgeteilt, daß eine Diskothek oder ein Tanzcafe für uns nicht in Frage kommt, daher ist der Punkt 3.2.7. des Gutachtens Seite 14 nicht richtig, daß es sich um eine Diskothek handelt (Somit ein Gastronomiebetrieb der Geräuschstufe II).
Ein "Cafe" hat auch keine Tanzfläche. Weiters hat der Sachverständige nicht bedacht, daß sich der Schall in der Nacht anders verhält als bei Tag, und zu uns keine Emissionen aus dem Gastbetrieb kommen dürfen (Auskunft Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Rechtsabteilung 3, Lärmschutz, Landhausgasse 7).
Es ist einem Nachbarn sicher nicht zumutbar, daß der Schall einer menschlichen Stimme Tag und Nacht auf sein Fenster trifft, bzw. dauernd und unnötigerweise Tag und Nacht vor seinem Fenster spricht. Wenn der Sachverständige 91 dB erlaubt, wird der Konsenswerber auch dauernd 91 dB betreiben.
Zu Seite 11 Punkt 2.5 ist zusammenfassend zu sagen, daß die Gewerbebehörde in ihrem Bescheid GZ.: 4.1 - L 29-89 für dieses Betriebsobjekt 7 KFZ-Abstellplätze auf eigenem Grund vorgeschrieben hat. Im Baubescheid Zahl 131-9Li7-1999 sind laut Lageplan genügend Parkplätze auf eigenem Grund vorhanden, aber leider wurde bis zu heutigem Tag kein einziger Parkplatz (Beilage 1 Baubescheid) errichtet. Somit ist auch der Parkplatz nicht geregelt.
Als Altanlage kann das Tanzcafe oder die Diskothek sicher nicht bezeichnet werden, da Sie in ihrem Bescheid
GZ.: 4.1-L29-89 einem Tanzcafe oder einer Diskothek keine Folge geleistet haben. Ich glaube, es ist nicht richtig, Anrainer nicht davon in Kenntnis zu setzen, wenn ein Bescheid vom Landeshauptmann aufgehoben wird. Wir ersuchen Sie um Zusendung einer Ablichtung des Bescheides des Landeshauptmannes.
Ein weiterer Entsagungsgrund für ein Tanzcafe und Diskothek ist, daß das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Rechtsabteilung 3 mit dem Bescheid GZ.: 03-12.10.04-96/8 nach dem Baurecht zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Ö verwiesen hat. Ein für uns wesentlicher Grund für die Entsagung der Baubewilligung für ein Tanzcafe oder eine Diskothek ist die Tatsache, daß sich der Konsenswerber weigert, gewisse Auflagen oder Baubescheide von sich aus zu vollziehen.
Die Behörden wissen schon lange, aufgrund von zahlreichen Anzeigen, daß die Zustände der illegalen Diskothek S unzumutbar sind. Wie Sie selber festgestellt haben, müßte der Konsenswerber etliches in Ordnung bringen, um ein "Cafe" anstandslos führen zu können, Sie wissen auch, daß der Konsenswerber nicht gewillt ist, seine Sperrstunde einzuhalten; er überzieht oft bis 6 oder 7 Uhr morgens.
Seit der Verhandlung am 18.12.1995 hat uns der Konsenswerber mit seiner Musikanlage die gesamten Feiertage terrorisiert. Im heurigen Fasching haben wir den absoluten Spitzenwert von 102 dB um 2.30 Uhr morgens an unserem Außenfenster vor unserem Schlafzimmer gemessen.
Auch wenn seitens der Behörde der Autolimiter richtig eingemessen wird, wird sich der Konsenswerber nicht daran halten.
Er wird die Musikanlage sofort austauschen. Wir sind der Meinung, wenn jemand ein "Cafe" betreiben will, sollte er vorher seine Auflagen erfüllen und erst dann seinen Betrieb betreiben.
Wir ersuchen Sie, bis zur Erfüllung der Auflagen den Betrieb zu schließen."
Der Landeshauptmann habe daraufhin die Beschwerdeführer eingeladen, das Berufungsvorbringen näher auszuführen, da die Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes, wie es die Gewerbeordnung für die Erhebung rechtsrelevanter Einwendungen für notwendig erachte, nicht in eindeutiger Weise entnommen werden könne. Es sei daraufhin eine ergänzende Stellungnahme der Beschwerdeführer eingelangt, die in der Begründung des angefochtenen Bescheides ebenfalls wörtlich wiedergegeben wird. Nach Darstellung des Inhaltes der Bestimmungen des § 66 Abs. 4 AVG, des § 356 Abs. 3, Satz 1, GewO 1994 und des § 359 Abs. 4 leg. cit. führte der Landeshauptmann sodann aus, dem gesamten Vorbringen lasse sich auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme der Beschwerdeführer die Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes nicht entnehmen. Dies jedoch wäre nach der Bestimmung der Gewerbeordnung Voraussetzung dafür, daß sich die Behörde inhaltlich mit diesen Einwendungen auseinanderzusetzen habe. Eine Einwendung im Sinne der Gewerbeordnung liege lediglich dann vor, wenn die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht werde. Dem Vorbringen müsse jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet werde und welcher Art dieses Recht sei. Das subjektiv-öffentliche Recht, dessen Verletzung der Nachbar behaupte, müsse auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Die Verletzung von Rechtsvorschriften, die ausschließlich öffentlichen Interessen dienten, könne von Nachbarn nicht im Rahmen der Parteistellung geltend gemacht werden. Der Landeshauptmann gelange insgesamt zur Ansicht, den Beschwerdeführern gehe es nicht darum, den Betrieb der gegenständlichen gastgewerblichen Betriebsanlage zu verhindern, weil sie sich unzumutbar belästigt oder gefährdet fühlten, sondern es sei deren Eingabe offensichtlich vielmehr von der Sorge getragen, der Genehmigungswerber werde sich nicht an die erteilten Auflagen und den maßgeblichen Sachverhalt, wie dieser im Bescheid seinen Niederschlag gefunden habe, halten. Eine solche Befürchtung könne aber nicht zu einer Versagung der Genehmigung führen. Es sei vielmehr Aufgabe der Gewerbebehörde erster Instanz, für die Einhaltung der Auflagen und des maßgeblichen Sachverhaltes zu sorgen. Die Nichterrichtung von sieben Abstellplätzen falle in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinde. Solche Parkplätze könnten im gewerberechtlichen Verfahren aus rechtlichen Gründen nicht vorgeschrieben werden, da der Vollzug der damals in Geltung gestandenen
Stmk. Garagenordnung Aufgabe der Baubehörde, somit der Gemeinde, gewesen sei. Zum behaupteten Austausch der Musikanlage sei festzuhalten, dieser Einwand gehe deshalb ins Leere, weil die Behörde ein konkretes Projekt, nämlich jenes, das eingereicht und Gegenstand der Verhandlung gewesen sei, zu beurteilen gehabt habe und dieses konkrete Projekt mit dem nunmehr bekämpften Bescheid genehmigt worden sei. Erfolge nachträglich eine Änderung des genehmigten Projektes, etwa durch Austausch der Musikanlage, so bedeute das den Betrieb eines nicht genehmigten Anlagenteiles. Auch der Einwand, seit dem Jahre 1991 werde die gegenständliche gastgewerbliche Betriebsanlage ohne jegliche Genehmigung betrieben, bedeute nicht die Behauptung einer Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Der mitbeteiligten Partei wurde die von ihr erstattete Gegenschrift zur Verbesserung zurückgestellt; sie wurde von der mitbeteiligten Partei nicht wieder vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach dem gesamten Vorbringen in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes tragen die Beschwerdeführer vor, ihrer Berufung sei eindeutig die Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes, das auf einen der im § 74 GewO 1994 genannten Tatbestände (unzumutbarer Lärm) abgestellt sei, zu entnehmen. Das übrige Beschwerdevorbringen befaßt sich mit der meritorischen Berechtigung der erhobenen Berufung.
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Ein solcher liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn die Eingabe erkennen läßt, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1985, Slg. N. F. Nr. 11.864/A). Für die Beurteilung, ob ein Berufungsantrag begründet ist, ist aber nicht wesentlich, daß die Begründung auch stichhältig ist. Auch eine - aus objektiver Sicht - unzutreffend begründete Berufung vermag die Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels nicht zu bewirken (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 96/04/0200).
Für die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Berufung eines Nachbarn gegen einen in einem Verfahren betreffend eine Betriebsanlage ergangenen Bescheid müsse eine Einwendung im Sinne der Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes enthalten, bietet das Gesetz keine Grundlage. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde enthält nämlich die Gewerbeordnung keine die Bestimmung des § 63 Abs. 2 AVG ersetzende oder modifizierende Anordnung.
Dem Berufungsschriftsatz der Beschwerdeführer ist bei verständiger Würdigung zweifelsfrei zu entnehmen, daß sie sich gegen die mit dem erstbehördlichen Bescheid erteilte gewerberechtliche Genehmigung der Änderung der in Rede stehenden Betriebsanlage wenden und die Abweisung des diesbezüglichen Antrages der mitbeteiligten Partei anstreben. Es ist auch deutlich erkennbar, mit welchen Argumenten sie dieses Begehren begründen zu können meinen. Damit enthält dieser Schriftsatz aber entsprechend der oben dargestellten Rechtslage einen begründeten Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996040159.X00Im RIS seit
20.11.2000