Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der Gemeinde Meiningen, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 30. Jänner 1996, Zl. VIb-221/553-97, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren nach § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: W Gesellschaft m.b.H. & Co. KG in A), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides wurde der mitbeteiligten Partei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 27. Dezember 1996 u.a. die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung (Umstellung und Erneuerung) ihrer Betriebsanlage erteilt. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 30. Jänner 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 355 und 359 Abs. 4 GewO 1994 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, in der Berufung der Beschwerdeführerin werde als Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. geltend gemacht, die Beschwerdeführerin sei weder zur mündlichen Verhandlung erster Instanz geladen noch von deren Inhalt und den außerhalb dieser Verhandlung eingeholten Sachverständigengutachten in Kenntnis gesetzt worden. Es sei ihr damit in rechtswidriger Weise die Möglichkeit entzogen worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Auch lasse der angefochtene Bescheid eine ausreichende Begründung vermissen. Diese erschöpfe sich in einer formelhaften Ausführung, der Spruch stütze sich auf das Ergebnis der kommissionellen Verhandlung, der bereits eine eingehende Prüfung des weiteren Kiesabbaues vorangegangen sei. Auch stütze sich der erstbehördliche Bescheid auf weit mehr als zwei Jahre alte Gutachten, die nicht dem heutigen Stand der Technik entsprächen und den aktuellen, inzwischen geänderten Verhältnissen nicht gerecht würden. Die inhaltliche Rechtswidrigkeit des erstbehördlichen Bescheides werde in der Berufung damit begründet, daß der Bescheid keinerlei Rücksicht darauf nehme, daß das Grundwasserfeld der Unteren Ill eines der größten Trinkwasservorkommen Vorarlbergs beinhalte, aus welchem die Beschwerdeführerin ihren Trinkwasserbedarf zum weitaus überwiegenden Teil aus über 300 privaten Hausbrunnen abdecke und dem auch überregionale Bedeutung zukomme. Die durch die Anlagen der mitbeteiligten Partei hervorgerufenen Auswirkungen auf dieses Grundwasserfeld seien in keiner Weise beleuchtet bzw. gewürdigt worden. Im gegebenen Zusammenhang werde, so habe die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung schließlich ausgeführt, darauf hingewiesen, daß die bereits bestehende Kiesverarbeitungs- und Aufbereitungsanlagen zu ölartigen Rückständen bei der benachbarten Gärtnerei und zu spürbarer Beeinträchtigung des Grundwassers geführt habe. Diesem Berufungsvorbringen hielt der Landeshauptmann entgegen, aus § 355 GewO 1994 gehe klar hervor, daß der Gemeinde im Rahmen eines gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahrens grundsätzlich nur ein Anhörungsrecht zustehe, das die Gemeinde aber nicht berechtige, gegen einen ergangenen Betriebsanlagenbescheid rechtswirksam eine Berufung einzubringen. Lediglich in denjenigen Fällen, in denen die Gemeinde selbst als Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 berührt sei, stehe ihr, sofern sie im erstinstanzlichen Verfahren durch Erhebung von auf § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 leg. cit. gestützten Einwendungen Parteistellung erlangt habe, grundsätzlich das Berufungsrecht zu. Da die Beschwerdeführerin in der Berufung selbst nicht von einer Nachbarstellung in diesem Sinn ausgehe bzw. eine solche der Berufung zugrunde lege und eine Nachbarstellung der Beschwerdeführerin im erwähnten Sinn aus den vorgelegten Akten und Unterlagen nicht hervorgehe, stehe ihr ein Berufungsrecht gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 nicht zu. Davon abgesehen sei die Beschwerdeführerin (durch einen im einzelnen dargestellten Sachverhalt) sehr wohl von der erstbehördlichen Verhandlung verständigt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf richtige Anwendung der Bestimmungen der Gewerbeordnung sowie in dem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren und damit in ihrem aus den Bestimmungen der Gewerbeordnung und den Bestimmungen des AVG ableitbaren Recht auf sachliche Behandlung ihrer Berufung verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes hält sie der Begründung des angefochtenen Bescheides entgegen, sie habe in der Berufungsschrift sehr wohl darauf hingewiesen, Parteistellung nach der Gewerbeordnung zu genießen, da sie selbst als Nachbar berührt sei. Außerdem werde in der Berufungsschrift eingehend erläutert, daß aus Sicht des Grundwasserschutzes - die Beschwerdeführerin decke ihren Trinkwasserbedarf zum weitaus überwiegenden Teil über 300 private Hausbrunnen aus dem größten Grundwasservorkommen Vorarlbergs ab - die Hintanhaltung jeglichen Schmutzeintrages in das offene Grundwasser und die Verhinderung einer Grundwassererwärmung unterhalb der Baggerseen primäre Forderung sei. Weiters habe die Beschwerdeführerin in der Berufung ausgeführt, durch die intensiven und großflächigen Naßbaggerungen der mitbeteiligten Partei sei das Grundwasser auf einer Fläche von mehreren Hektar offengelegt worden, sodaß ungeschützt Luft- und andere Schadstoffe in das Grundwasser eindringen könnten. Es liege auf der Hand, daß dadurch eine Erwärmung des Grundwassers eintrete und durch z.B. illegales Baden, Waschen und Versenken von Kraftfahrzeugen, durch Müllablagen etc. eine weitere Verschmutzung des Grundwassers zu befürchten sei und auch durch die geplante Einbringung des Waschschlammes in den See dramatische Auswirkungen auf die Qualität des Grundwassers zu erwarten seien. Schließlich habe sie in der Berufung auch darauf hingewiesen, im Bescheid der Erstbehörde sei unberücksichtigt geblieben, daß durch den Recyclingbetrieb, das Asphaltaufbruchlager und die Zwischenlagerung von Rohstoffen zu befürchten sei, daß seefremdes Material bzw. seefremde Schadstoffe in das Grundwasser gelangten. Auf Grund dieses Berufungsvorbringens sei von der grundsätzlichen Nachbarstellung der Beschwerdeführerin auszugehen. Selbst wenn, was aber bestritten werde, die Beschwerdeführerin in einem näher bezeichneten Zeitraum die Kundmachung der Erstbehörde betreffend die Anberaumung einer kommissionellen Verhandlung ausgehängt und samt einer von ihr erstellten Ladungsliste an die Erstbehörde retourniert hätte, sei es unzulässig, von einer Präklusion der in der Berufungsschrift vorgebrachten rechtserheblichen Einwendungen auszugehen. Dies einerseits deshalb, weil in der Kundmachung der Erstbehörde von einem Kiesabbau und von der Einleitung von Waschschlamm in den See keine Rede gewesen sei und darüber hinaus nach Durchführung der mündlichen Verhandlung die Stellungnahme der Beschwerdeführerin, das wasserbautechnische Gutachten, das fischereibiologische Gutachten, die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates abgewartet und vor Erlassung des Bescheides auch Parteiengehör gewährt werden sollte, der Beschwerdeführerin aber weder die Stellungnahme aufgetragen, noch die ausständigen Gutachten zur Kenntnis gebracht worden seien. Die Präklusion habe somit zumindest in bezug auf den Kiesabbau und die Einleitung des Waschschlammes in den See nicht eintreten können, weil der tatsächliche Gegenstand der Augenscheinsverhandlung diesbezüglich nicht mit dem in der Kundmachung angeführten Gegenstand übereingestimmt habe. Außerdem sei der Beschwerdeführerin in rechtswidriger Weise die Möglichkeit genommen worden, zu den nach Schluß der Verhandlung eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und darauf basierende Einwendungen zu erheben.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind (unter anderem, Z. 5), eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
Nach § 355 GewO 1994 ist die Gemeinde im Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage zum Schutz der öffentlichen Interessen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 im Rahmen ihres Wirkungsbereiches zu hören. § 340 Abs. 2 gilt sinngemäß.
Gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. sind im Verfahren zur Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder zur Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage unbeschadet des folgenden Satzes nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert wart, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.
Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 steht im Verfahren betreffend Betriebsanlagen das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Wie schon die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1996, Zlen. 95/04/0171 bis 0173) und von der Beschwerdeführerin unbekämpft dargelegt hat, läßt sich eine Parteistellung der Beschwerdeführerin als Gemeinde nicht aus § 355 GewO 1994 ableiten. Es kommt ihr Parteistellung daher nur bei Erfüllung der im § 356 Abs. 3 normierten Tatbestandsvoraussetzungen zu.
Wie der Verwaltungsgerichtshof hiezu in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, liegt eine die Parteistellung vermittelnde Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muß auf eine oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994 genannten Tatbestände abgestellt sein. Die Erlangung der Parteistellung durch den Nachbarn im Sinne des § 356 Abs. 3 leg. cit. setzt daher das Vorliegen derart qualifizierter Einwendungen voraus; ein lediglich allgemein gehaltenes, nicht auf die konkreten Verhältnisse des Beteiligten abgestelltes Vorbringen stellt aber schon begrifflich keine Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne des Rechtsbegriffes einer Einwendung dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, Zl. 96/04/0240).
Im vorliegenden Fall kommt unbestritten als Einwendung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 allein ihr Vorbringen in der Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid in Betracht. Dieses Vorbringen ist aber in jener Form, wie es in der Beschwerde behauptet wird, nicht geeignet, den oben genannten Anforderungen an eine Einwendung im Rechtssinn gerecht zu werden, nimmt doch die Beschwerdeführerin darin lediglich ganz allgemein auf die Verhältnisse in ihrem Gemeindegebiet Bezug, ohne darzutun, inwiefern sie dadurch in ihren, ihr als Nachbarin im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechten beeinträchtigt wird.
Wurden aber solcherart - selbst unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens - von der Beschwerdeführerin geeignete Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 nicht erhoben, so vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Rechtsansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe in dem zugrunde liegenden gewerberechtlichen Verwaltungsverfahren Parteistellung nicht erlangt, weshalb ihr auch das Recht der Berufung nicht zustehe, auch ohne Prüfung der Frage, ob das Berufungsvorbringen noch als rechtzeitig im Sinne des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 anerkannt werden kann, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Gewerberecht Nachbar RechtsnachfolgerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997040054.X00Im RIS seit
20.11.2000