Entscheidungsdatum
02.12.2020Norm
AlVG §1 Abs1 litaSpruch
W145 2200340-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1) XXXX , SVNR XXXX , und 2) XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid der (vormals:) Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) vom 22.05.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 22.05.2018, Zl. XXXX , stellte die (vormals:) Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse, im Folgenden: belangte Behörde) fest, dass Frau XXXX (im Folgenden: Erstbeschwerdeführerin) bei XXXX , Kleintransporte, XXXX Wien, XXXX (im Folgenden: Zweitbeschwerdeführer), in der Zeit vom 11.02.2014 bis 13.08.2014 und vom 12.10.2015 bis 30.04.2016 in keinem die Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und die Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) begründenden Beschäftigungsverhältnis stand.
Die am 10.02.2014 erstattete Anmeldung ab 11.02.2014, die am 11.12.2014 erstattete Abmeldung mit 13.08.2014, die am 12.10.2015 erstattete Anmeldung ab 12.10.2015 und die am 28.04.2016 erstattet Abmeldung mit 30.04.2016 wurde abgelehnt.
2. Mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde vom 22.06.2018 beantragten die rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid zu beheben, in eventu den Bescheid aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuweisen.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin beim Zweitbeschwerdeführer in den betreffenden Zeiträumen als kaufmännische Angestellte beschäftigt und als solche auch bei der belangten Behörde angemeldet gewesen sei. Die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben seien vom Zweitbeschwerdeführer ordnungsgemäß abgeführt und die Gehälter auf das Konto der Erstbeschwerdeführerin ausgezahlt worden.
3. Mit Schreiben vom 04.07.2018 legte die belangte Behörde die verfahrensgegenständliche Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
4. Mit Beschluss vom 15.10.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Abteilung W 145 neu zugewiesen.
5. Mit Schreiben vom 08.05.2015 teilte die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführer die Vollmachtsauflösung mit. Dieser Umstand wird durch den Mail-Verkehr von RA XXXX und der zuständigen Richterin in diesem Verfahren bestätigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Zweitbeschwerdeführer ist Inhaber des Unternehmens XXXX , Kleintransporte, mit der (im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemeldeten) Adresse in XXXX Wien, XXXX .
1.2. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Ehefrau des Zweitbeschwerdeführers mit der (im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemeldeten) Adresse in XXXX Wien, XXXX .
1.3. Zwischen der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführerin wurde im Zeitraum von 11.02.2014 bis 13.08.2014 und 12.10.2015 bis 30.04.2016 kein Dienstverhältnis begründet. Die Erstbeschwerdeführerin war in diesen Zeiträumen nicht Dienstnehmerin des Zweitbeschwerdeführers; es bestand keine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit.
1.4. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich bezogen auf den beschwerdegegenständlichen Zeitraum bei den Anmeldungen und Abmeldungen der Erstbeschwerdeführerin als Dienstnehmerin im Unternehmen des Zweitbeschwerdeführers um Scheinanmeldungen handelte.
1.5. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 06.06.2017, Zl. XXXX , der Wiener Gebietskrankenkasse wurde festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin ab 01.12.2016 bei dem Zweitbeschwerdeführer in keinem die Vollversicherungspflicht und die Arbeitslosenversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis steht. Die am 30.11.2016 erstattete Anmeldung ab 01.12.2016 wurde abgelehnt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Sachverhaltsdarstellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Das Bundesverwaltungsgericht legt einerseits den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde, da dieser schlüssig und nachvollziehbar ist und diese ein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, in dem den Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben wurde, ihre Vorbringen zu erstatten und ihre Standpunkte darzulegen.
2.2. Zunächst ist auszuführen, dass die Beschwerdeführer weder im Verfahren erster Instanz noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen sind. Bereits das verwaltungsbehördliche Verfahren hat sich generell als schwierig gestaltet. Ein im Zuge des Verfahrens betreffend den rechtskräftigen Bescheid vom 06.06.2017 erstellter Aktenvermerk der belangten Behörde hält fest, dass die Erstbeschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme (welche ohne Dolmetscher möglich war) zunächst auf die ihr gestellten Fragen nicht antworten wollte, dann per Textnachricht den Zweitbeschwerdeführer zu Hilfe rief und dieser bei der Befragung anwesend sein wollte. Die Erstbeschwerdeführerin wurde in der Folge alleine einvernommen. Im Anschluss wurden dem Zweitbeschwerdeführer Fragen zu dem Beschäftigungsverhältnis seiner Frau gestellt, worauf der sehr ungehalten reagierte und geschrien hat. Desweiteren wollte er die Niederschrift nicht unterschreiben, tat dies dann doch und verlangte auch Richtigstellungen in der Niederschrift seiner Frau.
Im Zuge des gegenständlichen Verfahrens wurden die Beschwerdeführer am 23.08.2017 zu einer Auskunftserteilung geladen. Wie im Aktenvermerk dazu festgehalten wurde, erschienen die Beschwerdeführer und brachten vor plötzlich einen Dolmetscher für Rumänisch zu brauchen. Zu den geforderten Unterlagen gab der Zweitbeschwerdeführer an, dass sein Steuerberater auf Urlaub war, und er die Unterlagen postalisch an die belangte Behörde übermitteln soll. Auf Nachfrage der belangten Behörde bei der betreffenden Steuerberatungskanzlei wurde mitgeteilt, dass diese nicht geschlossen hatte und der Zweitbeschwerdeführer auch keine Unterlagen angefordert habe. Bereits hier zeigt sich die mangelnde Mitwirkung der Beschwerdeführer. In weiterer Folge wurde von der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Einvernahme am 05.09.2017 die Stundenaufzeichnungen und Kopien der Dienstverträge vorgelegt. Als der Zweitbeschwerdeführer nach den geforderten Unterlagen gefragt wurde antwortete er: „Habe ich mit, aber nicht alles“. Nach der Aufforderung, er möge diese Unterlagen vorlegen, hat er das verweigert und die Abteilung verlassen (AV der belangten Behörde vom 05.09.2017).
Zu einer Befragung des Zweitbeschwerdeführers kam es lediglich im Verfahren betreffend den rechtskräftigen Bescheid vom 06.06.2017. Im erstinstanzlichen Verfahren über den beschwerdegegenständlichen Zeitraum war der Zweitbeschwerdeführer zur Abgabe einer Niederschrift am 05.09.2017 geladen (nachdem der erste Termin am 23.08.2017 mangels Dolmetschers nicht stattfinden konnte). Hierbei gab der Zweitbeschwerdeführer Folgendes an: „Ich gebe heute keine Auskunft. Ich muss meine Frau nach Hause bringen das Kind schreit seit drei Stunden, es muss gestillt werde. Ich möchte einen neuen Termin, alles ist möglich“. Diese Verhalten des Zweitbeschwerdeführers ist, wie von der belangten Behörde in einem Aktenvermerk festgehalten, nicht nachvollziehbar, weil den Beschwerdeführern das Datum der Einvernahme durchaus länger bekannt war. Es stellt sich hierbei natürlich die Frage, warum der Zweitbeschwerdeführer keine Angaben über das Dienstverhältnis mit der Erstbeschwerdeführerin machen möchte.
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde den Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11.08.2020 mitgeteilt, dass beabsichtigt wird eine mündliche Verhandlung durchzuführen und die Beschwerdeführer ladungsfähige Adressen der Zeugen (der Schwester und Mutter des Zweitbeschwerdeführers und der Mutter der Erstbeschwerdeführerin) bekannt geben sollen. Dieser Aufforderung sind die Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Für 01.10.2020 wurde eine Verhandlung anberaumt und den Beschwerdeführern die Ladung mit Zustellnachweis zugestellt. Am 25.09.2020 meldeten sich die Beschwerdeführer telefonisch und teilten mit, dass sie sich die nächsten drei Wochen in Rumänien aufhalten und daher nicht zur Verhandlung kommen können. Die Beschwerdeführer wurden aufgefordert, die Gründe für die Abwesenheit schriftlich dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen. Am selben Tag langte eine E-Mail ein, in der die Beschwerdeführer mitteilen, dass die Eltern krank und die Schwester im achten Monat schwanger seien und die Verhandlung bis Mai 2021 verschoben werden soll. In weiterer Folge wurde die Verhandlung am 28.09.2020 abberaumt und den Beschwerdeführern mit Zustellnachweis zugestellt. Der Erstbeschwerdeführerin wurde die Abberaumung am 30.09.2020 um 08:16 eigenhändig und dem Zweitbeschwerdeführer am 30.09.2020 um 08:17 eigenhändig zugestellt. Nach Angaben der Beschwerdeführer vom 25.09.2020 hätten sie sich schon in Rumänien befinden müssen. Daher ist es nicht nachvollziehbar, weshalb sie einen Tag vor der geplanten Verhandlung Schriftstücke eigenhändig an ihrer Adresse in Österreich entgegennehmen. Die Beschwerdeführer haben über das gesamte Verfahren hinweg keine Mitwirkung gezeigt und sich durch falsche Angaben dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht entzogen.
2.3. Zur Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführer
Im Rahmen des beschwerdegegenständlichen Verfahrens wurden die Beschwerdeführer von der belangten Behörde einvernommen. Im Rahmen der Einvernahme gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sich der Arbeitsplatz immer in XXXX Wien, XXXX befunden und sie die Arbeiten immer von 8 bis 16 Uhr erledigt hätte. Zum Beweis dafür legte sie computergeschriebene Arbeitsaufzeichnungen vor, welche die Zeiträume Februar 2014 bis inkl. August 2014 und Oktober 2015 bis April 2016 dokumentieren. Diese Zeitaufzeichnungen vermitteln den Eindruck als wären sie vorgeschrieben worden, um den Eindruck zu erwecken, dass die angegebene Wochenstundenzahl erbracht wurde. Auffällig erscheint dabei, dass an jedem einzelnen Tag dieser Aufzeichnungen strickt die Uhrzeit 8 bis 16.30 Uhr angeben ist. Nicht an einem Tag ist der Arbeitsbeginn auch nur um eine Viertelstunde abweichend. Auch finden sich Eintragungen am Staatsfeiertag, den 26.10.2015 und am 24.12.2015 und am 31.12.2015. Wenn davon ausgegangen wird, dass die Erstbeschwerdeführerin auch an Weihnachten gearbeitet hätte, dann ist es nicht lebensnah, dass sie an diesem Tag auch acht Stunden Arbeitsleistung erbracht hat, zumal es üblich ist, wenn überhaupt, am 24.12. längstens bis frühen Nachmittag zu arbeiten. An den Tagen 27.06.2014, 16.11.2015 und 25.03.2016 findet sich der Eintrag „Feiertag“, welcher nachträglich handschriftlich korrigiert wurde und die Arbeitszeit 8 bis 16.30 Uhr eingefügt wurde. In Summer erwecken die Zeitaufzeichnungen nicht den Anschein einer tatsächlichen Wiedergabe der erbrachten Leistung, sondern sollen lediglich den Anschein erwecken als wäre die geforderte Wochenstundenanzahl erbracht worden. Das vorgelegte Beweismittel ist nicht glaubhaft.
Befragt zu ihrer genauen Tätigkeit, gab die Erstbeschwerdeführerin lediglich an, sie habe Rechnungen geschrieben. Welche wisse sie nicht und man solle den Zweitbeschwerdeführer fragen. Es reiche, wenn sie sage, dass sie gearbeitet hat. Es ist nicht glaubhaft und nachvollziehbar, dass die Erstbeschwerdeführerin über eine Tätigkeit, die sie immerhin über Monate gemacht hat und diese angeblich 40 Stunde in der Woche, keine nähere Auskunft geben kann. Die Angabe, dass sie Rechnungen geschrieben habe, ist sehr allgemein und vage und daher nicht glaubhaft, dass sie überhaupt eine Tätigkeit für den Zweitbeschwerdeführer verrichtet hat.
Befragt nach den räumlichen Gegebenheiten, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr Büro an ihrem Wohnort gewesen sei. Dieser würde aus zwei Zimmern bestehen. Ein Schlaf-/Wohnraum und ein Büro in dem sie gearbeitet habe. Auf die Frage wer auf ihre damals 2,5 Jahre und 1,5 Jahre alten Kinder aufgepasst habe, gab sie an, dass ihre Schwester, ihre Mutter und ihre Schwiegermutter immer abwechselnd auf die Kinder in der Wohnung aufgepasst hätten. Es ist absolut nicht glaubhaft und lebensnah, dass die Erstbeschwerdeführerin bei dieser räumlichen Situation und zwei Kindern und zumindest einer weiteren Person in der Wohnung der Arbeitstätigkeit in dem Ausmaß wie sie angegeben hat und tagtäglich deckungsgleichen Beginnzeiten und Endzeiten, nachgehen konnte.
Die Erstbeschwerdeführerin hat weiters einen Angestelltendienstvertrag vom 12.10.2015 und einen Angestelltendienstvertrag vom 11.02.2014 abgeschlossen zwischen dem Zweitbeschwerdeführer als Arbeitgeber und der Erstbeschwerdeführerin als Angestellte vorgelegt. Punkt 6 „Anfangsbezug“ lautet wie folgt: „Alle Entgeltzahlungen erfolgen monatlich im nachhinein auf das von der/vom Angestellten namhaft zu machende Konto, soweit der Arbeitgeber nicht Barauszahlungen vornimmt. Die Zahlung allfällig variabler Entgeltbestandteile erfolgt mit der Abrechnung des Folgemonats.“ Aus den vorgelegten Überweisungsaufträgen des Zweitbeschwerdeführers ergibt sich, dass sowohl der Lohn von Februar 2014 als auch März 2014 erst am 29.04.2014 angewiesen wurden. Das Entgelt von April 2014 wurde am 22.05.2014, von Juni 2014 am 22.07.2014 und von August 2014 am 19.09.2014 überwiesen. Dieses Vorgehen weist darauf hin, dass der Zweitbeschwerdeführer durch willkürliches Überweisen des angeblichen Gehalts den Eindruck eines Angestelltenverhältnisses vermitteln wollte.
Wie auch schon von der belangten Behörde ausgeführt, waren überlappend mit der Erstbeschwerdeführerin einige Personen als Arbeiter und eine Person als Angestellte im Unternehmen des Zweitbeschwerdeführers angemeldet. In ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde, gab die Beschwerdeführerin an, sie habe alleine gearbeitet und konnte auf Nachfrage auch keine Namen anderer Dienstnehmer nennen. Wie sich aus den im Akt aufliegenden Versicherungsdatenauszügen vom 18.05.2018 ergibt, waren in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen jeweils eine andere Person mit demselben Nachnamen wie die Beschwerdeführer überlappend mit der Erstbeschwerdeführerin im Unternehmen des Zweitbeschwerdeführers gemeldet. Wie auch schon die belangte Behörde ausgeführt hat, ist es nicht glaubhaft und nachvollziehbar, dass der Erstbeschwerdeführerin diese Personen unbekannt gewesen sind.
Zu einer Befragung des Zweitbeschwerdeführer kam es nicht, das er meinte, er muss seine Frau, die Erstbeschwerdeführerin, nach Hause bringen.
Die Erstbeschwerdeführerin vermochte keine schlüssigen Angaben über ihre Tätigkeit bei dem Zweitbeschwerdeführer machen, daraus folgt aus der Summe aller Ermittlungsergebnisse, dass die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich nicht für den Zweitbeschwerdeführer in dessen Unternehmen tätig gewesen ist.
2.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn besondere beziehungsweise außergewöhnliche Umstände dies rechtsfertigen (vgl. EGMR 05.09.2002, Speil/Österreich, Appl. 42057/98, VwGH 17.09.2009, 2008/07/0015). Derartige außergewöhnliche Umstände hat der EGMR etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, die ausschließlich rechtliche oder ihn hohem Maße technische Fragen aufwerfen, als gegeben erachtet. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahme der Parteien als angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller, Appl. 55.853/00).
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages – welchen die Beschwerdeführer nicht stellten – von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, das die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und der Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1985, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl. Nr. 83 vom 30.03.2010, S. 389 entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall haben sich die Beschwerdeführer, wie bereits oben ausgeführt, dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht entzogen. Das von der belangten Behörde durchgeführte Beweisverfahren reichte aus, um den Sachverhalt als geklärt anzusehen. Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts
Gemäß Art. 130 Abs. 1. Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsbehörden über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die (vormalig:) Wiener Gebietskrankenkasse.
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetz bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anders bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts
§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarere verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“
Die zentrale Regelung der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:
„28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“
Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.
3.4. Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.4.1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG unterliegen die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung, wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach dem § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gelten jedenfalls Personen, die mit Dienstleistungsscheck (DLSG), BGBl. I Nr. 45/2005, entlohnt werden. (…)
Gemäß § 539a Abs. 1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betragungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB. Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Nach Abs. 3 ist ein Sachverhalt so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre.
Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, handelte es sich bei den Anmeldungen der Erstbeschwerdeführerin im Unternehmen des Zweitbeschwerdeführers um Scheinanmeldungen, um eine Versicherungspflicht auszulösen. Es lag in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen kein Dienstverhältnis iSd § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt vor.
3.4.2. Wertung der Email Eingabe der Beschwerdeführer
Nach § 1 BVwG-EVV ist E-Mai keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen im Sinne dieser Verordnung. Gemäß § 1 BVwG-EVV kann die von den Beschwerdeführern am 25.09.2020 eingelangte Email nicht gewertet werden.
3.4.3. Mitwirkungspflicht der Partei
Gemäß § 39 Abs. 2 hat die Behörde von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Nach Rechtsprechung des VwGH vom 19.06.2018, Ra 2018/03/0021, trifft grundsätzlich die Behörde die Pflicht zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes; diese kann nicht auf die Partei abgewälzt werden. Die Pflicht der amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes kann jedoch dort eine Grenze finden, wo eine Partei die ihr obliegende Mitwirkung trotz der ihr gebotenen Möglichkeit unterlässt. So wird es nach der Rechtsprechung nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde in diesem Fall keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern diese Unterlassung gemäß § 45 Abs.2 und § 46 AVG in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht.
Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt haben die Beschwerdeführer an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt. Sie haben trotz Aufforderung Unterlagen nicht vorgelegt und haben sich auch der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entzogen. Somit wurde die gegenständliche Entscheidung auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse getroffen.
Aufgrund all dieser Erwägungen war die Beschwerde abzuweisen.
3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an derartiger Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Schlagworte
Dienstverhältnis falsche Angaben Mitwirkungspflicht Pflichtversicherung Scheinanmeldung Versicherungspflicht wahrer wirtschaftlicher GehaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W145.2200340.1.00Im RIS seit
17.02.2021Zuletzt aktualisiert am
17.02.2021