TE Bvwg Beschluss 2020/12/21 W187 2237702-1

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Veröffentlicht am 21.12.2020
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Entscheidungsdatum

21.12.2020

Norm

BVergG 2018 §12 Abs1
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §344 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W187 2237702-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der Bietergemeinschaft bestehend aus der AAAA , und der BBBB , vertreten durch Dr. Christian FINK, Rechtsanwalt, Salztorgasse 2/15, 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „MED CAMPUS – Technische Betriebsführung HBK Modul 1, Modul 2 und Anatomie“ der Auftraggeberin Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 2, 8036 Graz, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, vom 14. Dezember 2020 beschlossen:

A)

Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Antrag der Bietergemeinschaft bestehend aus der AAAA . und der BBBB , das Bundesverwaltungsgericht möge, „eine einstweilige Verfügung gemäß §§ 350 ff BVergG für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen, mit welcher im gegenständlichen Verhandlungsverfahren ‚MED CAMPUS – Technische Betriebsführung HBK Modul 1, Modul 2 und Anatomie‘ (Bekanntmachung im EU-Amtsblatt am 31.03.2020 zu 2020/S 064153279) der Medizinische Universität Graz die Zuschlagserteilung untersagt wird“, gemäß §§ 350 Abs 1, 351 Abs 1, 3 und 4 BVergG 2018 statt.

Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Auftraggeberin Medizinische Universität Graz für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren „MED CAMPUS – Technische Betriebsführung HBK Modul 1, Modul 2 und Anatomie“, den Zuschlag zu erteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang

1. Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2020 beantragte die Bietergemeinschaft bestehend aus der AAAA , und der BBBB , vertreten durch Dr. Christian FINK, Rechtsanwalt, Salztorgasse 2/15, 1010 Wien, in der Folge Antragstellerin, die Nichtigerklärung Zuschlagsentscheidung, die Akteneinsicht, die Ausnahme von der Akteneinsicht in den eigenen Teilnahmeantrag, die eigenen Angebote und alle von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen, das Durchführen einer mündlichen Verhandlung, die Rücküberweisung allenfalls zu viel bezahlter Pauschalgebühren, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben und den Ersatz der Pauschalgebühr. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren „MED CAMPUS – Technische Betriebsführung HBK Modul 1, Modul 2 und Anatomie“ der Auftraggeberin Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 2, 8036 Graz, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH, Bartensteingasse 2, 1010 Wien.

1.1 Nach Darstellung der Bezeichnung der Auftraggeberin, führt die Antragstellerin zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags aus. Die Antragstellerin erachtet sich in ihrem Recht auf Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens verletzt, Insbesondere erachtet sie sich in ihrem Recht auf Einhaltung der Festlegungen in den Verfahrensunterlagen, auf Durchführung einer rechtskonformen Bestbieterermittlung, auf rechtskonforme Dokumentation der Angebotsprüfung, auf Bekanntgabe einer vollumfänglich nachvollziehbaren Zuschlagsentscheidung, auf Zuschlagserteilung, auf Wahrung der Vergabegrundsätze (insbesondere des Wettbewerbsgrundsatzes) im Rahmen der Verfahrensabwicklung und auf Durchführung eines Vergabeverfahrens im Einklang mit den vergaberechtlichen Bestimmungen verletzt. Nach Darstellung des Sachverhalts führt sie zur Rechtwidrigkeit im Wesentlichen wie folgt aus.

1.2 Die Zuschlagsentscheidung sei im Wesentlichen rechtswidrig, weil sie nicht alle erforderlichen Informationen enthalte, um bereits zu Beginn der Stillhaltefrist abschätzen zu können, inwiefern ein Nachprüfungsantrag Aussicht auf Erfolg habe. Die Angebotsprüfung sei nicht gänzlich abgeschlossen worden. Angesichts des Zeitverlaufs sei fraglich, inwiefern das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin einer vertieften Angebotsprüfung unterzogen worden sei. Die Kommissionsbeurteilung bzw die betreffende offengelegte verbale Begründung finde teils nicht Deckung im vorgelegten Zuschlagssystem und korrespondiere zum Teil nicht mit den Angebotsinhalten der Antragstellerin. Es bestünden ernsthafte Zweifel, dass ein Interessenkonflikt im Hinblick auf die fachliche Verfahrensbegleitung und die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin gemäß § 26 BVergG ausgeschlossen werden könne. Schließlich sei zu hinterfragen, ob der Vorgabe des § 114 Abs 10 BVergG bis zur Zuschlagsentscheidung tatsächlich entsprochen worden sei. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin habe unreflektiert (?) stets alle Punkte zugesprochen bekommen und der Antragstellerin seien entgegen den Angebotsinhalten Punkte vorbehalten worden. Durch das System der „Referenzierung“ verringere sich der Punkteabstand bei den Qualitätskriterien signifikant.

1.3 Bei der Zuschlagsentscheidung handle es sich um eine Bringschuld des Auftraggebers. Der nicht zum Zug gekommene Bieter müsse zu Beginn der Stillhaltefrist über jene Informationen verfügen, die er für einen allfälligen Nachprüfungsantrag benötige. Die Antragstellerin vermisse die konkrete Zusammensetzung der konkreten Beurteilungskommission. Dies wiege besonders schwer, weil angesichts des offenkundigen Naheverhältnisses zwischen der fachlichen Verfahrensbegleitung und der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin erhebliche Zweifel am Nichtvorliegen eines Interessenkonflikts bestünden. Aus Sicht der Antragstellerin sei demzufolge die Zuschlagsentscheidung bereits alleine wegen der fehlenden Offenlegung der Kommissionszusammensetzung, die ein Nachvollziehen der Punktevergabe verunmögliche, nichtig zu erklären.

1.4 Auch hochpreisige Angebote seien vertieft zu prüfen. Es stelle sich die Frage, ob dies beim Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin stattgefunden habe. Es sei auch zu hinterfragen, ob alle Bieter bei der Angebotsprüfung gleich behandelt worden seien.

1.5 Die Punktevergabe samt verbaler Begründung sei für die Antragstellerin nicht nachvollziehbar. Im Subkriterium „Aufbauorganisation und Stellvertreterregelung“ habe die Antragstellerin entgegen der verbalen Begründung der Zuschlagsentscheidung die vermisste Schnittstelle sowohl im Konzept zur Aufbauorganisation als auch unter dem Titel „Zusammenarbeit“ anschaulich dargestellt. Auf die Rollenverteilung sei in den Aufklärungs- und Verhandlungsgesprächen sowie dem Hearing umfassend eingegangen worden. Entsprechende Fragen der Auftraggeberin seien unterblieben. Zum Aufbau des Know-Hows sei ein Objektleiter-Stellvertreter vor Ort und ein wöchentlicher Austausch mit dem kaufmännischen Projektleiter vorgesehen. In der Ausschreibung sei die Sicherstellung der Profession „Brandschutzbeauftragter“ in der Rufbereitschaft nicht vorgesehen. Eine Konformitätserklärung sei ausdrücklich in der Ausschreibung vorgesehen und solle den Auftraggeber zusätzlich absichern.

Im Subkriterium „Personalressourcen“ entsprächen die angebotenen Ressourcen den Mindestanforderungen und seien nachweislich höher als der Benchmark und daher für die Erfüllung des Leistungsbilds vollständig geeignet. Im Konzept der Aufbauorganisation werde sowohl ein Dienstplan für 2023 als auch ein Dienstplan für 2014 dargestellt. Die Leistungsanforderungen verschöben sich lediglich von der „Inbetriebnahme und Start-Up-Phase“ in Richtung Regelbetrieb Modul 2 und Anatomie. Die Ressourcen für die kaufmännische Projektleitung entsprächen der gängigen Praxis und stünden daher in vollem Einklang zu den Anforderungen aus dem Leistungsbild.

Im Subkriterium „Schlüsselpersonal“ sei dargelegt, dass der vorgesehene technische Objektleiter die Betriebsführung in der UZK Wien erbracht habe. Wenn die Auftraggeberin moniere, dass eine vergleichbare Erfahrung des technischen Objektleiters im Bereich Personalführung nicht dargestellt sei, sei zu entgegnen, dass diese dem ausgeschriebenen Leistungsbild nicht zu entnehmen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Kommission anmerke, dass eine Routine bzw Harmonie in der Zusammenarbeit der Schlüsselpersonen erst aufgebaut werden müsse.

Der „Ermessenskorridor“ der Kommission bei der Beurteilung sei durch die bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen vorgegeben. Werde dieser verlassen, werde das Gebot der Sachlichkeit verlassen.

1.6 Die fachliche Verfahrensbegleitung befinde sich in einer Kundenbeziehung zur in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin. Der vergaberechtlich zu wahrende objektive Anschein sei im Hinblick auf das definitive Nicht-Vorliegen eines Interessenkonflikts jedenfalls nicht gewahrt.

1.7 Durch eine Indiskretion im Sommer 2020 sei die Antragstellerin mit der Kenntnis des „Marktes“ über ihre Beteiligung am gegenständlichen Vergabeverfahren konfrontiert worden. Die nunmehrige Bekanntgabe der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin in der bekämpften Zuschlagsentscheidung lasse diese Indiskretion durchaus in einem anderen Licht erscheinen.

1.8 Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass sie diese für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens begehre. Als Begründung für die einstweilige Verfügung werde der gesamte oben angeführte Sachverhalt zur Bescheinigung vorgebracht und die rechtlichen Ausführungen zum Inhalt des Provisorialbegehrens erhoben. Die Untersagung sei zwingend erforderlich, weil der Auftraggeber mit der Zuschlagserteilung unumkehrbare Tatsachen schaffen könne. In der Regel sei eine einstweilige Verfügung zu erlassen. Das Interesse auf Beseitigung der Vergabeverstöße überwiege bei Weitem gegenüber allfälligen nachteiligen Folgen einer derartigen Maßnahme für den Auftraggeber. Der Antragstellerin drohe bei der Zuschlagserteilung an einen Mitbieter der Entgang des Auftrages. Der Antragstellerin drohe der Eintritt des genannten Schadens. Sie wäre zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen, was zu einer erheblichen Erschwerung führe. Es seien keine besonderen Interessen des Auftraggebers ersichtlich, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprächen. Jeder umsichtige Auftraggeber müsse die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei seiner Zeitplanung berücksichtigen. Es bestehe ein öffentliches Interesse an der Zuschlagserteilung an den tatsächlichen Bestbieter. Besondere öffentliche Interessen, die für eine Fortführung des Vergabeverfahrens vor der rechtskräftigen Sachentscheidung sprechen könnten, seien nicht ersichtlich.

2 Am 17. Dezember 2020 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren.

3. Am 18. Dezember 2020 legte die Auftraggeberin die Unterlagen des Vergabeverfahrens vor.

4 Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2020, beim Bundesverwaltungsgericht am 21. Dezember 2020 eingelangt, nahm die Auftraggeberin zu dem Nachprüfungsantrag Stellung und übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht einen Zugang zum elektronischen Vergabeakt. Darin bringt sie nach einer Darstellung des Projekts und des Sachverhalts zu den behaupteten Vergabeverstößen im Wesentlichen wie folgt vor:

4.1 Die Zuschlagsentscheidung enthalte alle in § 143 BVergG vorgesehen Informationen. Die Bewertung der subjektiven Zuschlagskriterien durch die Bewertungskommission sei entsprechen den Festlegungen der Ausschreibung vorgenommen und – soweit vorgesehen nachvollziehbar verbal begründet worden. Die Kommission habe sich intensiv mit den einzelnen Merkmalen der Angebote auseinandergesetzt.

4.2 Die Zusammensetzung der Bewertungskommission sie der Bietergemeinschaft zu Beginn des Präsentationstermins mitgeteilt worden. Die Antragstellerin hätte auch danach fragen können. Die namentliche Offenlegung der Mitglieder der Bewertungskommission sei nicht erforderlich.

4.3 Es habe eine gesetzeskonforme Angebotsprüfung stattgefunden. Das Angebotspreis des für den Zuschlag vorgesehenen Angebots weise keine Auffälligkeiten auf und liege nahe an der Kostenschätzung der Auftraggeberin. Eine vertiefte Angebotsprüfung des Angebots der Antragstellerin habe unterbleiben können, weil es für den Zuschlag nicht in Betracht komme. Die Antragstellerin sei nicht zu einer höheren Preisgestaltung angehalten, sondern mehrfach auf die Wichtigkeit eines angemessenen und den Leistungsanforderungen entsprechenden Ressourceneinsatzes hingewiesen worden.

4.4 Da Zuschlagsschema enthalte detaillierte und klare Festlegungen zu den einzelnen Zuschlagskriterien und zum Vorgang der Bewertung. Sie sei bestandsfest. In den Subkriterien 1 bis 3 beurteile die Bewertungskommission den durch das jeweilige Angebot im jeweiligen Subkriterium erreichten Erfüllungsgrad nach einer in Punkt 1.3.2 in Kapitel B vorgesehenen Skala. Die Bewertungskommission begründe ihre Entscheidung kurz und zusammenfassend. Dies sei nach der Rechtsprechung aus ausreichend.

Nach der Rechtsprechung komme einer Bewertungskommission ein weites Ermessen zu. Die objektive/materielle Richtigkeit einer subjektiven Angebotsbewertung durch eine Bewertungskommission sein inhaltlich nicht überprüf- bzw bekämpfbar. Der Auftraggeber verfüge über einen weiten Spielraum bei der Beurteilung zu berücksichtigender Gesichtspunkte. Maßstab sei, ob die Bewertungskommission die Vorgaben der Ausschreibung eingehalten habe und ihre Bewertung nicht unplausibel sei.

Die Bewertungskommission sei am 30. November 2020 zusammengetreten und habe die eingereichten Angebote qualitativ bewertet. Der Spruch der Bewertungskommission sei objektiv zu interpretieren und auf Vorliegen von Ermessensfehlern zu beurteilen.

4.5 Das Angebot der Antragstellerin sei im Subkriterium „Aufbauorganisation und Stellvertreterregelung mit der zweitbesten von fünf „Noten“ bewertet worden. Diese sei bereits dann zu vergeben, wenn keine „volle“ Erfüllung vorliege. Dem Spruch der Bewertungskommission seien einige Kritikpunkte zu entnehmen, weshalb diese Bewertung gerechtfertigt sei. Beim Thema „Schnittstelle zwischen den Bietergemeinschaftsmitgliedern“ könnten aufgrund der Besetzung fast aller Positionen mit Mitarbeitern beider Mitglieder der Bietergemeinschaft Schnittstellenthemen entstehen, beispielsweise hinsichtlich der Dienst- und Urlaubseinteilung, der rechtlichen und fachlichen Weisungsketten, der Arbeitsmittel und -methode etc. Die Antragstellerin habe nicht dargestellt, wie diese in der täglichen Arbeit bewältigt werden könnten.

Zur Thema „Rolle der Projektleitung“ sei anzumerken, dass die Bewertungskommission möglicherweise anmerke, dass der vorgesehene Einsatz des kaufmännischen Projektleiters sowohl inhaltlich als auch quantitativ eher gering seien während maßgelbliche Aufgaben im Bereich der Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer beim technischen Objektleiter lägen.

Zur „Absicherung des Know-How des OL“ sei anzumerken, dass die Bewertungskommission möglicherweise anspreche, dass zwar ein Objektleiter Stellvertreter vorgesehen sei, dass aber dieser auch als Brandschutzbeauftragter tätig sein solle und dass nicht näher dargelegt sei, wie eine Absicherung des aufgebauten Know-Hows erfolgen solle.

Auch wenn kein vertraglicher Anspruch darauf bestehe, dass Mitarbeiter in der Rufbereitschaft über die Ausbildung eines Brandschutzbeauftragten verfügten, so möge es dennoch aus Sicht der Bewertungskommission wünschenswert bzw vorteilhaft sein.

Die Kritik der Bewertungskommission betreffend die „Konformitätserklärung“ beziehe sich offensichtlich nicht auf die im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Konformitätserklärungen des Auftragnehmers, sondern auf vom Bieter vorgeschlagene Erklärungen bzw Bestätigungen des Auftraggebers.

4.6 Im Subkriterium „Personalressourcen“ liege kein Ermessensfehler der Bewertungskommission vor. Der von der Antragstellerin vorgesehene Mitarbeitereinsatz entspreche den Mindestanforderungen, liege ab er rund 30 bis 40 % unter den Schätzungen der Auftraggeberin und unterhalb des Ressourceneinsatzes im Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin. In der Praxis wären rund vier Personen Vollzeitäquivalente weniger für die Leistungserbringung vor Ort. So sei naheliegend, dass die Bewertungskommission einen „eher niedrigen Ressourceneinsatz“ konstatiert habe.

Die Gebäude würde erst errichtet und der Regelbetrieb beginne im Jahr 2023. Aufgrund der Übernahme und der Einregulierung sowie der Adaptierungen im Zuge der Besiedelung sei eine „Aufwandspitze“ in den Jahren 2023 und 2024 zu erwarten. Diese sei aus der Ressourcenplanung der Antragstellerin nicht ableitbar.

Zum Kritikpunkt 2 „Ressourcen für kaufmännische Projektleitung als gering beurteilt“ sei anzumerken, dass der vorgesehene kaufmännische Projektleiter sich mit 84 Stunden pro Quartal oder 20 % seiner Arbeitszeit dem gegenständlichen Projekt widme. Das unterscheide sich von anderen Bietern, die dafür zwischen 150 und 300 Stunden pro Quartal vorsähen.

4.7 Im Subkriterium „Schlüsselpersonal“ sei das Angebot der Antragstellerin mit der zweitbesten Note bewertet worden. Dem Spruch der Bewertungskommission seien mehrere Kritikpunkte zu entnehmen.

Die Stellungnahme der Bewertungskommission stelle offensichtlich darauf ab, dass die Erfahrung des technischen Objektleiters in den letzten Jahren ihren Schwerpunkt im „Bereich der Rolle einer Vermieterin“ gehabt habe.

Der technische Objektleiter führe das Team der Mitarbeiter des Auftragnehmers vor Ort. Es liege sohin auf der Hand, dass die Bewertungskommission aufzeige, dass der Von der Antragstellerin vorgesehene technische Objektleiter keine „entsprechend umfassende bzw. mit den gegenständlichen Anforderungen vergleichbare Erfahrung […] im Bereich Personalführung“ habe.

Zur „Routine in der Zusammenarbeit der Schlüsselpersonen“ mache die Bewertungskommission offensichtlich eine Randbemerkung, die nicht in die Bewertung einbezogen worden sei.

4.8 Auch die Auswahl der an der Ausschreibung mitwirkenden Fachleute werde – so sie nicht rechtzeitig bekämpft werde – bestandsfest. Der Geschäftsführer der CCCC habe an allen Verhandlungs- und Aufklärungsgesprächen teilgenommen. Die Antragstellerin habe nie darauf hingewiesen, dass sie Bedenken über die Unbefangenheit der CCCC habe. Es liege kein Hinweis auf einen Interessenkonflikt vor. Die Auftraggeberin habe keinerlei Kenntnis über einen Vorgang wie die Indiskretion der Verfahrensbeteiligung der Antragstellerin an dem gegenständlichen Vergabeverfahren. Die Antragstellerin habe die Auftraggeberin nicht davon in Kenntnis gesetzt. Die Antragstellerin habe keinen Verstoß gegen § 114 Abs 10 BVergG gesetzt. Die Antragstellerin habe diesen Verstoß im Sommer 2020 nicht gerügt.

4.9 Die Auftraggeberin beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die Anträge der Antragstellerin zurück-, in eventu abzuweisen und Ausnahmen von der Akteneinsicht. Sie spricht sich nicht gegen eine einstweilige Verfügung in der Dauer von sechs Wochen aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1 Die Medizinische Universität Graz schreibt unter der Bezeichnung „MED CAMPUS – Technische Betriebsführung HBK Modul 1, Modul 2 und Anatomie“ einen Dienstleistungsauftrag über die technische Betriebsführung mit den CPV-Codes 50700000-2 – Reparatur und Wartung von Einrichtungen in Gebäuden, 71315000-9 – Haustechnik und 50800000-3 – Diverse Reparatur- und Wartungsdienste in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestangebotsprinzip aus. Der geschätzte Auftragswert liegt zwischen dem Zehn- und Zwanzigfachen des Schwellenwerts für vier Jahre. Vergebende Stelle ist die Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH. Die Bekanntmachung der Ausschreibung erfolgte in Österreich per Kerndaten am 29. März 2020 zur Zahl 76011-11 und unionsweit im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 31. März 2020 zur Zahl 2020/S 064-153279. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.2 Die Auftraggeberin öffnete die Erstangebote am 27. August 2020, die Letztangebote am 24. November 2020 jeweils ohne Beisein von Vertretern der Bieter. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.3 Am 4. Dezember 2020 teilte die Auftraggeberin allen Bietern über die Vergabeplattform die Zuschlagsentscheidung zugunsten der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin mit. (Angaben der Auftraggeberin; Zuschlagsentscheidung in den Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.4 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch die Rahmenvereinbarung abgeschlossen. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.5 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von € 19.440. (Verfahrensakt)

2. Beweiswürdigung

2. Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte und Unterlagen der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Anzuwendendes Recht

3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG, BGBl I 2013/10, idF BGBl I 2019/44 lauten:

„Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“

3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 220/119, lauten:

„Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) …

Beschlüsse

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

…“

3.1.3 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idF BGBl II 2019/91, lauten:

„Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.

(2) …

Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Zuständigkeit

§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1.         zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2.         zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) …

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1.         er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2.         ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(2) …

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:
1.         die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
2.         eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,
3.         die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
4.         die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
5.         die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
6.         die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(3) …

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.

Verfahrensrechtliche Bestimmungen

§ 352. (1) Parteien des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung sind der Antragsteller und der Auftraggeber. Soweit eine zentrale Beschaffungsstelle ein Vergabeverfahren oder Teile eines Vergabeverfahrens als vergebende Stelle durchführt, tritt sie als Partei des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung an die Stelle des Auftraggebers. Der Auftraggeber kann, soweit die zentrale Beschaffungsstelle an seine Stelle tritt, dem Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung als Nebenintervenient beitreten; §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 ZPO sind sinngemäß anzuwenden. Wird ein Vergabeverfahren von mehreren Auftraggebern gemeinsam durchgeführt, so bilden die in der Ausschreibung genannten Auftraggeber eine Streitgenossenschaft im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Bestimmungen der §§ 14 und 15 ZPO sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unverzüglich, längstens jedoch binnen 10 Tagen nach Einlangen des Antrages zu entscheiden. Musste der Antrag zur Verbesserung zurückgestellt werden, ist über ihn längstens binnen 15 Tagen zu entscheiden. Die Frist ist gewahrt, wenn die Erledigung an alle Parteien nachweislich vor ihrem Ablauf abgesendet wurde.

(3) …“

3.2 Zu Spruchpunkt A) –Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Medizinische Universität Graz. Die Medizinische Universität Graz ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 (st Rspr zu Universitäten zB BVwG 31. 1. 2014, W139 2000171-1/34E; 22. 5. 2020, W187 2230981-1/3E; 19. 6. 2020, W273 2231776-1/2E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 7 BVergG 2018. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 3 BVergG 2018, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG 2018 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.

3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 327 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit d B-VG ist sohin gegeben.

3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen.

3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages

3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung beabsichtigt ist. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher – bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 – Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und eine Zuschlagserteilung ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E).

3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens und der Zuschlagserteilung.

3.3.2.3 Die Auftraggeberin spricht sich nicht gegen eine einstweilige Verfügung mit einer Dauer der Maßnahme von sechs Wochen aus.

3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).

3.2.2.5 Öffentliche Interessen, die eine sofortige Zuschlagserteilung erforderlich machen würden, machte die Auftraggeberin nicht geltend. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin nahm zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht Stellung. Dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine anderen öffentlichen Interessen ersichtlich.

3.2.2.6 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und die Zuschlagserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin, ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags ist die Auftraggeberin verpflichtet, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Rechtsmittelrichtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor. Die Rechtmäßigkeit der Prüfung und Bewertung der Angebote sowie der Durchführung des Vergabeverfahrens kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden, vielmehr ist sie Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103-BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8).

3.2.2.7 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

3.2.2.8 Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 329 Abs 3 BVergG die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).

3.2.2.9 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Wenn die Auftraggeberin nun eine Befristung von sechs Wochen ab der Erlassung der einstweiligen Verfügung begehrt, ist dem zu entgegnen, dass zu erwarten ist, dass das Bundesverwaltungsgericht innerhalb dieser Frist entscheiden wird, und das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 jederzeit über Antrag oder von Amts wegen über die Dauer der einstweiligen Verfügung neu entscheiden kann. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).

3.2.2.10 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

3.3 Zu Spruchpunkt B) – Nichtzulassung der Revision

3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138; 30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254; 29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Angebotsbewertung Ausschreibung Bewertungskommission Bietergemeinschaft Dauer der Maßnahme Dienstleistungsauftrag einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist gelinderes Mittel gelindeste Maßnahme Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren Nachvollziehbarkeit Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung öffentliche Interessen öffentlicher Auftraggeber Provisorialverfahren Punktevergabe Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren vertiefte Angebotsprüfung wirtschaftliche Interessen Zuschlagsverbot für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W187.2237702.1.00

Im RIS seit

17.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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