TE Vfgh Erkenntnis 1995/9/25 B1635/95, B1636/95, B1637/95, B1638/95

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Veröffentlicht am 25.09.1995
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

EMRK Art8
AufenthaltsG §6 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch die Abweisung von Anträgen auf Verlängerung bereits abgelaufener Sichtvermerke aufgrund der Annahme der Notwendigkeit der Antragstellung vom Ausland aus; kein Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller; verfassungskonforme Auslegung hinsichtlich der Zulässigkeit einer Antragstellung vom Inland aus in bestimmten Fällen geboten

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den jeweils angefochtenen Bescheid in dem durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 21.600 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführer, Ehegatten und ihre beiden minderjährigen Kinder, sind slowakische Staatsangehörige, welche seit 1987 in Österreich leben; die Viertbeschwerdeführerin wurde 1992 in Wien geboren.

Am 19. Mai 1994 beantragten die Beschwerdeführer die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nachdem mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Februar 1994 der Verlust des Asyls festgestellt worden war.

2. Mit den vier im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 5. April 1995 wurden diese Anträge unter Berufung auf §6 Abs2 iVm §13 bzw. hinsichtlich der Viertbeschwerdeführerin auf §4 Abs4 iVm §3 Abs1 Aufenthaltsgesetz - AufG, BGBl. 466/1992, idF vor der Novelle BGBl. 351/1995 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten die Frist zur Antragstellung eines Verlängerungsantrages versäumt und deshalb einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vom Ausland aus stellen müssen, weshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen und auf das Vorbringen der Beschwerdeführer - auch im Zusammenhang mit ihren persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen sei.

3. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der insbesondere die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des jeweils angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte - ohne weitere Darlegungen - die Abweisung der Beschwerde.

II. Der vorliegende Beschwerdefall entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen der Beschwerdesache B 1611-1614/94. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf die Entscheidungsgründe seines am 16. Juni 1995 gefällten Erkenntnisses B 1611-1614/94 hinzuweisen, aus dem sinngemäß auch für diesen Beschwerdefall folgt, daß die Beschwerdeführer durch die bekämpften Bescheide, welche die Bestimmung des ersten Satzes des §6 Abs2 AufG (idF vor der Novelle BGBl. 351/1995) auf bereits mehr als 8 Jahre bzw. seit der Geburt in Österreich lebende Fremde anwenden, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) verletzt wurden. Die Bescheide waren sohin aufzuheben.

III.        Die Kostenentscheidung

gründet sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer von 3.600 S enthalten.

IV.                                 Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1635.1995

Dokumentnummer

JFT_10049075_95B01635_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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