Entscheidungsdatum
22.01.2021Norm
BVergG 2018 §327Spruch
W131 2236159-2/36E
W131 2236159-2/4E
1. BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Vorsitzenden, durch die fachkundige Laienrichterin Dr´a Ilse POHL als Beisitzerin der Auftraggeberseite und durch den fachkundigen Laienrichter Mag Matthias WOHLGEMUTH als Beisitzer der Auftragnehmerseite betreffend das Nachprüfungsverfahren zur Anfechtung der Wahl der Direktvergabe (eventualiter zur Anfechtung der Aufforderung zur Angebotslegung in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung), eingeleitet durch die anwaltlich vertretene Antragstellerin (= ASt) XXXX im Vergabeverfahren der anwaltlich vertretenen Auftraggeberin Österreichische Post AG (= AG) mit der Bezeichnung "Überbrückungsvergabe – Winterdienst Logistikzentren“ folgenden Beschluss:
A)
Das ruhende Verfahren zur Verfahrenszahl W131 2236159-2 wird gemäß § 353 Abs 4 BVergG eingestellt.
B)
Die Revision gegen die Mitteilung der formlosen Einstellung des Nachprüfungsverfahrens ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
2. BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst weiters durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Einzelrichter iZm dem Nachprüfungsverfahren zur Anfechtung der Wahl der Direktvergabe (eventualiter der Anfechtung der Aufforderung zur Angebotslegung in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung) im Vergabeverfahren der anwaltlich vertretenen Auftraggeberin Österreichische Post AG (= AG) mit der Bezeichnung "Überbrückungsvergabe – Winterdienst Logistikzentren“ über die Pauschalgebührenersatzbegehren der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (= ASt) XXXX folgenden Beschluss:
A)
Die Pauschalgebührenersatzbegehren werden abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Die ASt verfasste im Oktober 2020 einen Nachprüfungsantrag wider eine Überbrückungsvergabe bei den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 im Vergabeverfahren gemäß Entscheidungskopf und verband diesen Antrag mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (= eV).
Die Überbrückungsvergabe, die bei der Gerichtsabteilung W131 streithängig wurde, erfolgte auftraggeberseitig deshalb, weil in einem Hauptvergabeverfahren - streithängig bei der Gerichtsabteilung W139 - für einen Rahmenvertrag mit längerer Dauer eine erste Zuschlagsentscheidung zurückgenommen worden war und eine neue Zuschlagsentscheidung mit gesonderter Bekämpfbarkeit noch zu erlassen war.
2. Im gegenständlichen Überbrückungsvergabeverfahren wurde per eV die Zuschlagserteilung bis ersten Dezember 2020 erlaubt und danach verboten.
3. Im Hauptvergabeverfahren wurde keine Zuschlagssperre per eV erlassen, maW das eV - Begehren abweislich erledigt, und danach - in diesem Nachprüfungsverfahren von W131 nicht mehr substantiiert bestritten - der Zuschlag für den Rahmenvertrag bei der Hauptvergabe bei den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 erteilt.
4. Mit der OZ 21 des Verfahrensakts gestand die ASt vorerst die Zuschlagserteilung bis 01.12.2020 zu.
Mit der Eingabe OZ 26, dort Rz 3, spricht die ASt davon, dass der Zuschlag im Hauptvergabeverfahren bei Fortsetzung des Nachprüfungsverfahrens betreffend das Hauptvergabeverfahren (- hg bei der Gerichtsabteilung W139 geführt -) als Feststellungsverfahren rückwirkend beseitigt werden könnte.
Damit hat die ASt eine Zuschlagserteilung auch betreffend das Hauptvergabeverfahren und damit insgesamt auf Basis der aktuellen Sach- und Rechtslage zugestanden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Verfahrensgang wird mit den darin festgehaltenen Vergabeverfahrenstatsachen als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.
Darüber hinaus ist festzustellen wie folgt:
Dass derzeit von einer Zuschlagserteilung im Haupt- und im Überbrückungsvergabeverfahren auszugehen ist, wurde nicht substantiiert bestritten und ist auch sonst nicht zweifelhaft, sondern entspricht dem Sachvortrag der Parteien.
Weiterführungsanträge betreffend die Nachprüfungsanträge betreffend Hauptvergabe und Überbrückungsvergabe gemäß § 353 Abs 4 BVergG langten bislang beim BVwG nicht fristgerecht ein, obwohl nach den Schriftsatzerklärungen der Auftraggeberin bis inkl November 2020 entsprechende Zuschlagserteilungen stattfanden.
Die Antragstellerin hat damit im hier gegenständlichen Nachprüfungsverfahren betreffend die Überbrückungsvergabe auch nicht teilweise obsiegt.
2. Beweiswürdigung
Der Verfahrensgang und die sonstigen Feststellungen ergeben sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der Verfahrensakten W131 2236159-1, -2 und -3 (und auch W139 2236731-1, 2 und 3).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Betreffend den 1. Beschluss des Senats über die Einstellung gemäß § 353 Abs 4 BVergG ist vorerst auf den § 328 BVergG und auf die Entscheidung des VfGH zu E4474/2018 zu verweisen. Die in § 353 Abs 4 BVergG genannte - formlose - Einstellung ist in der iSv VfGH E 4474/2018 taxativen Liste des - aktuell - § 328 BVergG, BGBl I 2018/65, mit den dort aufgezählten Einzelrichterzuständigkeiten, nicht enthalten.
Wenn nunmehr der VwGH insb zu Zl Fr 2014/20/0047 nach Beschwerdezurückziehung förmliche und bekämpfbare Einstellungsbeschlüsse verlangt und diese förmliche Einstellung, der Verfahrensklarheit, von welcher Verfahrenssituation das Verwaltungsgericht ausgeht, dient, ist nach hier vertretener Auffassung gemäß Art 2 StGG und § 7 ABGB der § 353 Abs 4 BVergG dahin zu interprtieren und anzuwenden, dass auch hier förmlich und anfechtbar gegenüber den Verfahrensparteien entschieden wird, dass das BVwG im jeweiligen Fall davon ausgeht, dass keine weiteren gerichtlichen Verfahrensschritte mehr unternommen werden sollen.
In insoweit teleologisch reduzierender Interpretation hinderte daher das Wort "formlos" in § 353 Abs 4 BVerG das BVwG nicht, gegenständlich durch den Senat mit einem anfechtbaren Beschluss die Einstellung zu beschließen; dies zumal die Frage der schon oder nicht erfolgten Zuschlagserteilung eine Frage ist, die naturgemäß verschieden gesehen werden kann.
Mangels fristgerechten Weiterführungsantrags gemäß § 353 Abs 4 BVergG was daher nach unstrittiger Zuschlagserteilung einzustellen.
Zur grundsätzlichen telologischen Rechtsanwendung im Zuständigkeitsbereich siehe insoweit zB VfGH B 1843/02 ua. Zur (nur) subsidiären Feststellungskompetenz iZm der (Nichtigkeit der) Zuschlagserteilung durch einen eigenen [Bescheid] siehe VfGH B 2037/99.
3.2. Betreffend den 2. Beschluss über die Pauschalgebührenersatzbegehren hatte gegenständlich nach dem Wortlaut des § 328 BVerG der Einzelrichter zu entscheiden.
3.3. Die Verfahrenseinstellung im 1. Beschluss war auszusprechen, da nach dem Parteivorbringen von der Zuschlagserteilung auszugehen war und kein fristgerechter Weiterführungsantrag gemäß § 353 Abs 4 BVergG eingebracht worden ist.
3.4. Die Abweisung gemäß dem 2. Beschluss war auszusprechen, weil die ASt mit ihrem Nachprüfungsantrag nicht obsiegt hat und gleichzusetzend auch nicht in einem gemäß § 353 Abs 4 nach Zuschlagserteilung fortgesetzten Feststellungsverfahren obsiegt hat. Gemäß § 341 Abs 1 und Abs 2 Z 1 BVergG ist aber das Obsiegen mit dem Nachprüfungsantrag (bzw ein wertungsmäßig gleicher Obsiegenssachverhalt bei Fortsetzung gemäß § 353 Abs 4 BVergG) - auch im Bereich des Pauschalgebührenersatzes für die eV - Pauschalgebühren - eine Tatbestandsvoraussetzung, die gegenständlich nach Einstellung des Nachprüfungsverfahrnes nicht mehr eintreten kann.
3.5. Teilweise Zulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.5.1. Die Revision betreffend den 1. Beschluss über die Einstellung war durch den Senat zuzulassen, weil noch keine Rsp des VwGH zur grundsätzlichen Frage vorliegt, ob die Einstellung gemäß § 353 Abs 4 BVergG in Form eines anfechtbaren Beschlusses oder in einer anderen Rechtsform zu ergehen hat.
3.5.2. Die Revision betreffend den 2. Beschluss über die Abweisung der gegen die Auftraggeberin gerichteten Pauschalgebührenersatzbegehren war durch den Einzelrichter nicht zuzulassen, weil insoweit gemäß § 341 BVergG eine eindeutige Rechtslage im Punkte des Obsiegens als Ersatzvoraussetzung vorliegt. Bei eindeutiger Rechtslage ist eine Revision unzulässig, siehe zB VwGH Zlen Ra 2014/03/0028 und Ro 2014/07/0053.
Schlagworte
Direktvergabe Einstellung Einstellung des (Beschwerde) Verfahrens formlos formlose Einstellung Mitteilung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren Revision zulässig Überbrückungsleistung Verfahrenseinstellung Vergabeverfahren Wahl des VergabeverfahrensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W131.2236159.2.00Im RIS seit
17.02.2021Zuletzt aktualisiert am
17.02.2021