Entscheidungsdatum
29.01.2021Norm
BVergG 2018 §12 Abs1Spruch
W273 2238848-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Einzelrichterin über den Antrag der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. XXXX sowie 2. XXXX vertreten durch CHG Czernich Haidlen Gast & Partner Rechtsanwälte GmbH, Bozner Platz 4, 6020 Innsbruck, betreffend das Vergabeverfahren „6020 Innsbruck, Kaiserjägerstraße 8, Sicherheitszentrum Tirol – Sanierung und Erweiterung - Baumeisterarbeiten“ der Auftraggeberin ARE Austrian Real Estate GmbH, Trabrennstraße 2b
1020 Wien, vertreten durch die vergebende Stelle Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Trabrennstraße 2c, 1020 Wien:
A)
Dem Antrag das Bundesverwaltungsgericht möge „der Auftraggeberin mittels einstweiliger Verfügung untersagen, bis zur Entscheidung über den unter Punkt I. gestellten Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidung den Zuschlag bei sonstiger Nichtigkeit der XXXX zu erteilen“ wird stattgegeben.
Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der ARE Austrian Real Estate GmbH für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im gegenständlichen Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schriftsatz vom 21.01.2021 stellte die Bietergemeinschaft bestehend aus 1. XXXX sowie 2. XXXX vertreten durch CHG Czernich Haidlen Gast & Partner Rechtsanwälte GmbH, Bozner Platz 4, 6020 Innsbruck (im Folgenden „die Antragstellerin“) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung im Vergabeverfahren „6020 Innsbruck, Kaiserjägerstraße 8, Sicherheitszentrum Tirol – Sanierung und Erweiterung - Baumeisterarbeiten“ (im Folgenden auch „das Vergabeverfahren“) der ARE Austrian Real Estate GmbH, Trabrennstraße 2b 1020 Wien (im Folgenden auch „Auftraggeberin“) vertreten durch die vergebende Stelle Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Trabrennstraße 2c, 1020 Wien. Die Antragstellerin beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge der Antragstellerin Akteneinsicht gewähren, eine mündliche Verhandlung durchführen und die Zuschlagsentscheidung im Vergabeverfahren, nämlich die Absichtserklärung, dass der Zuschlag der XXXX (im Folgenden auch „die präsumtive Zuschlagsempfängerin“) erteilt werden soll, für nichtig erklären und der Auftraggeberin auftragen, der Antragstellerin die Kosten für den Nachprüfungsantrag zu ersetzen. Die Antragstellerin verband ihren Antrag auf Nichtigerklärung mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch ersichtlich.
1.1. Die Antragstellerin bringt zusammengefasst vor, die Bewertung des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin anhand des Zuschlagskriteriums 3 „Personalreferenz Bauleiter“ sei rechtswidrig, das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei gemäß § 141 Abs 1 1 Z 7 BVergG 2018 auszuscheiden gewesen und in eventu für den Fall dass ein anderer als der ursprünglich genannte Bauleiter im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin namhaft gemacht worden sei, sei die Bewertung des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin anhand des Zuschlagskriteriums 3 „Personalreferenz Bauleiter“ fehlerhaft.
2. Mit Schreiben vom 21.01.2021 verständigte das Bundesverwaltungsgericht die Auftraggeberin und die im Nachprüfungsantrag genannte präsumtiven Zuschlagsempfängerin von der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens und dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
3. Mit Schreiben vom 25.01.2021 erteilte die Auftraggeberin die Allgemeinen Auskünfte zum Vergabeverfahren und legten die Unterlagen des Vergabeverfahrens in Form eines elektronischen Zugangs zum Vergabeportal vor. Die Auftraggeberin verzichtete auf eine Stellungnahme zum Vorbringen der Antragstellerin betreffen die einstweilige Verfügung. Die Auftraggeberin nahm zum Antrag auf Akteneinsicht Stellung und beantragte, bestimmte Informationen des Vergabeverfahrens zum Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Bieter von der Akteneinsicht durch die Antragstellerin auszunehmen.
4. Die Antragstellerin entrichtete insgesamt EUR 9.723,-- an Pauschalgebühren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die ARE Austrian Real Estate GmbH, Trabrennstraße 2b
1020 Wien (im Folgenden „die Auftraggeberin“) schrieb unter der Bezeichnung „6020 Innsbruck, Kaiserjägerstraße 8, Sicherheitszentrum Tirol – Sanierung und Erweiterung - Baumeisterarbeiten“ einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich aus. Die Ausschreibung wurde am 08.10.2020 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter der GZ 2020/S197-473521 veröffentlicht. Die Auftraggeberin führt ein offenes Verfahren nach dem Bestbieterprinzip durch. Der geschätzte Auftragswert beträgt EUR XXXX Das Vergabeverfahren wird elektronisch geführt. Vergebende Stelle ist die Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Trabrennstraße 2c, 1020 Wien (Vergabeakt, allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin).
1.2. Die Namen und Angebotssummen ohne Umsatzsteuer der Bieter lauten (Vergabeakt, allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin):
XXXX
XXXX
XXXX
1.3. Die Mitteilungen der Zuschlagsentscheidung wurden am 14.01.2021 an alle Bieter versandt (Vergabeakt, allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin). Die an die Antragstellerin versandte Zuschlagsentscheidung lautete auszugsweise (Vergabeakt):
„…Sehr geehrte Damen und Herren, wir geben bekannt, dass der Zuschlag im oben angeführten Vergabeverfahren an XXXX erteilt werden soll. Die Vergabesumme beträgt EUR XXXX (zuzügl. gesetzl. USt). Die XXXX wurde mit ihrem Angebot entsprechend den in der Ausschreibung festgelegten Zuschlagskriterien mit einer Gesamtpunkteanzahl von 100 als Bestbieter ermittelt.
…
Wir ersuchen um Verständnis, dass Ihr Unternehmen aufgrund der Ergebnisse der sachverständigen Angebotsprüfung und dem sich daraus ergebenden Ranking nicht ausgewählt werden konnte. Die Stillhaltefrist gemäß § 144 BVergG 2018 endet am 24.01.2021.
…“
(Vergabeakt).
1.4. Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt (Vergabeakt, Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberinnen).
1.5. Die Antragstellerin entrichtete EUR 9.723,-- an Pauschalgebühren.
2. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung
3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zur Zulässigkeit des Antrages
3.1.1. Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 328 Abs 1 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über den oben wiedergegebenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1.2. Auftraggeberin ist die ARE Austrian Real Estate GmbH. Sie ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 (zB BVwG 14. 4. 2014, W138 2003084-1/15E; 28. 8. 2014, W138 2009787-2/16E; 17. 9. 2015, W123 2112177-1/21E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 5 BVergG. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018 in der Fassung der Kundmachung des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend die von der Europäischen Kommission festgesetzten Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren ab 1. Jänner 2020 (BGBl II. Nr. 358/2019), sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt. Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Da das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Die Zuschlagsentscheidung ist eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 15 lit a sublit aa) BVergG 2018.
3.1.4. Die Auftraggeberin versandte die Zuschlagsentscheidung an alle Bieter am 14.01.2021 und gab in der Zuschlagsentscheidung an, dass die Stillhaltefrist am 24.01.2021 enden würde. Bei den Fristen zur Einbringung von Nachprüfungsanträgen handelt es sich um verfahrensrechtliche Fristen, die nach dem AVG zu berechnen sind (Reisner in Heid/Reisner/Deutschmann/Hofbauer, BVergG 2018 § 343 Rz 3; § 333 BVergG 2018).
Gemäß § 32 Abs 1 AVG wird bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.
Der Tag der Mitteilung der Zuschlagserteilung war somit die Berechnung der 10-tägigen Stillhaltefrist des § 343 Abs 1 BVergG 2018 nicht einzurechnen. Die Frist endete nach Tagen berechnet daher am 24.01.2021. Der 24.01.2021 war ein Sonntag. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (§ 33 Abs 2 AVG). Der letzte Tag der Stillhaltefrist war daher im vorliegenden Fall der 25.01.2021.
Der Nachprüfungsantrag wurde im Hinblick auf § 343 Abs 1 BVergG somit jedenfalls rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.
3.1.4. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe entrichtet (§ 340 Abs 1 Z 1, 3 und 4 BVergG iVm §§ 1 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018).
3.2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages
3.2.1. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ergeben sich aus § 351 BVergG 2018, der lautet:
„Erlassung der einstweiligen Verfügung
§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.
(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.“
3.2.2. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Erteilung des Zuschlags beabsichtigt ist.
Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens der frustrierten Aufwendungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren und im Erhalt des Auftrags auch für die Verwendung als Referenzprojekt.
Das Interesse der Auftraggeberinnen besteht in der raschen Abwicklung des Vergabeverfahrens und in der Erteilung des Zuschlags. Die Auftraggeberin sah von einer Stellungnahme zum Vorbringen der Antragstellerin betreffend die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab.
Bei der Interessenabwägung ist auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208- 1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich, dass von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).
3.2.3. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht zu prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Richtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor.
Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin vorgebrachten Rechtswidrigkeiten in Bezug auf die die Zuschlagserteilung (Rechtswidrige Bewertung des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin anhand des Zuschlagskriteriums 3 „Personalreferenz Bauleiter“, Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei auszuscheiden, in eventu fehlerhafte Bewertung des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin anhand des Zuschlagskriteriums 3 „Personalreferenz Bauleiter“) zutreffen und sie an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen könnte. Die von der Antragstellerin vorgebrachten Gründe für die Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung sind jedenfalls inhaltlich zu prüfen. Diese Fragen können angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103- BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8).
Die Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass die Interessen der Antragstellerin an der Beseitigung der geltend gemachten Rechtswidrigkeiten, der Abwendung des drohenden Schadens und der Beteiligung an einem rechtskonform geführten Vergabeverfahren gegenüber den Interessen der Auftraggeberinnen an der raschen Erteilung des Zuschlags überwiegen. Öffentliche Interessen, die eine sofortige Zuschlagserteilung erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich und wurden von der Auftraggeberin auch nicht vorgebracht.
3.2.4. Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.
Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E). Der Antrag gerichtet auf Untersagung der Zuschlagserteilung an die präsumtive Zuschlagsempfängerin ist als Antrag auf Untersagung der Zuschlagserteilung zu verstehen, zumal eine andere Vorgehensweise durch die Auftraggeberin vergaberechtlich nicht in Betracht kommt.
3.2.5. Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt im Gegensatz zu den Vorgängerbestimmungen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist.
Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, weil die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen können und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum festgesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die im gegenständlichen Fall herangezogene Rechtsprechung ist unter der rechtlichen Beurteilung zu A) zitiert.
Schlagworte
Angebot ausschreibungswidrig Angebotsbewertung Ausscheidensentscheidung Ausschreibung Bauauftrag Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist gelindeste Maßnahme gelindestes Mittel Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen öffentlicher Auftraggeber Provisorialverfahren Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren wirtschaftliche Interessen Zuschlagsverbot für die Dauer des NachprüfungsverfahrensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W273.2238848.1.00Im RIS seit
17.02.2021Zuletzt aktualisiert am
17.02.2021