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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; keine hinreichende Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten des EASO zu Personen, die lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt habenRechtssatz
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nimmt zunächst darauf Bezug, dass der Beschwerdeführer über Berufserfahrung als Schweißer verfügt (wobei er dieser Tätigkeit im Iran als Minderjähriger nachgegangen ist). Es unterlässt es jedoch diesbezüglich zu prüfen, inwieweit der Beschwerdeführer damit über eine solche Berufserfahrung verfügt, die begründet vermuten lässt, dass er sich auch in seiner konkreten Rückkehrsituation selbst erhalten kann. Darüber hinaus bezieht sich das BVwG auf die Sozialisierung des Beschwerdeführers in seiner afghanischen Familie (im Iran) und die Tatsache, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen jungen, arbeitsfähigen Mann handle, der der Landessprache mächtig sei und zwar über keine Schulbildung verfüge, jedoch in Österreich durch eine grundlegende Alphabetisierung in deutscher und englischer Sprache sowie durch den Erwerb rudimentärer Computerkenntnisse seine Lernfähigkeit gezeigt habe.
Wenn das BVwG auf dieser Basis den Schluss zieht, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif in zumutbarer Weise zur Verfügung stehe und daran die Herausforderungen bei einer Rückkehr von Menschen, die nie in Afghanistan gelebt haben, insbesondere im Zusammenhang mit fehlenden sozialen Netzwerken, nichts ändern würden, nimmt es eine so qualifiziert fehlerhafte Beurteilung des dargestellten Sachverhaltes, insbesondere der EASO Country-Guidance vom Juni 2018 (bzw 2019) vor, dass der Fehler in die Verfassungssphäre reicht:
Nach der maßgeblichen Berichtslage müssen nämlich zu den vom BVwG festgestellten Umständen für Rückkehrer wie den Beschwerdeführer, der seit dem frühen Kindesalter außerhalb Afghanistans gelebt hat, qualifizierte Umstände, insbesondere im Hinblick auf Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person sowie Bildungs- und Berufserfahrung einschließlich Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans, hinzutreten, um von einer im Hinblick auf Art2 und Art3 EMRK zumutbaren Rückkehrsituation ausgehen zu können. Rückkehrer, die nie, nur im Kleinkindalter oder nur sehr kurze Zeit selbst in Afghanistan gelebt haben, stehen nämlich gegenüber solchen, die in Afghanistan aufgewachsen sind, bei der Sicherung ihrer grundlegenden existenziellen Bedürfnisse vor besonders kritischen Herausforderungen, mit denen sich die Behörde und das BVwG auseinanderzusetzen haben.
Solche Umstände liegen jedoch im Hinblick auf den Beschwerdeführer, der weder über ein Unterstützungsnetzwerk in Afghanistan noch über eine besondere Ausbildung oder eine entsprechende Berufserfahrung verfügt, die seine Selbsterhaltungsfähigkeit in Afghanistan nahelegen, nach den Feststellungen und Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis nicht vor. Das BVwG geht vielmehr von einem Personenprofil des Beschwerdeführers aus, das sich auf alleinstehende, gesunde Männer im erwerbsfähigen Alter bezieht, die in Afghanistan aufgewachsen sind, und lässt dieses auch für die maßgebliche Situation des Beschwerdeführers, der allerdings im Iran aufgewachsen ist, ausreichen. Damit verkennt es aber die spezifische Situation, wie sie sich für den Beschwerdeführer als Rückkehrer nach Afghanistan im Neuansiedlungsgebiet Mazar-e Sharif ergibt, in qualifizierter Weise.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E2273.2020Zuletzt aktualisiert am
16.02.2021