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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; mangelhafte Auseinandersetzung mit den Länderberichten des EASORechtssatz
Aus dem Bericht des EASO betreffend Personen, die außerhalb Afghanistans geboren wurden bzw lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, geht hervor, dass für diese Personengruppe eine innerstaatliche Fluchtalternative dann nicht ohne weiteres in Betracht komme, wenn am Zielort der aufenthaltsbeendenden Maßnahme kein Unterstützungsnetzwerk für die konkrete Person vorhanden sei, das sie bei der Befriedigung grundlegender existenzieller Bedürfnisse unterstützen könnte, und dass es einer Beurteilung im Einzelfall unter Heranziehung der folgenden Kriterien bedürfe: Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person bzw Verbindungen zu Afghanistan, sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nennt diese Kriterien und auch die E v 12.12.2019, E3369/2019, kommt jedoch zu dem Schluss, dass dem Beschwerdeführer - im Einklang mit den EASO-Richtlinien - eine Rückkehr nach Mazar-e Sharif möglich sei. Dabei verkennt es, dass kein einziges der genannten Kriterien erfüllt ist. Der Beschwerdeführer verfügt über kein Unterstützungsnetzwerk in Afghanistan, hat keine Ortskenntnis, keine Verbindungen zu Afghanistan, spricht lediglich Farsi (nicht aber zB Dari), hat keine Berufsausbildung und noch nie gearbeitet. Er hat auch keine Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans bewiesen. Dass in Einklang mit den Länderberichten bei Rückkehrern, die in anderen Staaten geboren wurden oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, nach den EASO-Richtlinien bestimmte Kriterien zu beachten sind, wurde vom VfGH bereits ausgesprochen.
Das BVwG widerspricht sich auch insofern selbst, als es zuerst darlegt, dass es "eine Begründung anzustellen [hat], auf Grund welcher, außergewöhnlicher Umstände es dem Beschwerdeführer (der entweder außerhalb Afghanistans geboren wurde oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt hat) dennoch möglich sein könnte, nach Afghanistan zurückzukehren", in der Folge aber ausspricht, dass "keine außergewöhnlichen Umstände vor[liegen], die einer Verbringung des Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif entgegenstehen".
Die Entscheidung des BVwG erweist sich somit schon aus diesen Gründen im Hinblick auf die Beurteilung einer dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr drohenden Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art2 und Art3 EMRK als verfassungswidrig. Mit Blick auf die dargestellte Berichtslage und die wiedergegebene Rechtsprechung bedarf es daher im fortgesetzten Verfahren einer - mit den Länderberichten im Einklang stehenden - Begründung, auf Grund welcher außergewöhnlichen Umstände es dem Beschwerdeführer, der seit seiner Geburt bis zur Ausreise im Iran lebte, dennoch möglich sein könnte, nach Afghanistan zurückzukehren, ohne dass er in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art2 EMRK auf Leben sowie gemäß Art3 EMRK, weder der Folter, noch erniedrigender oder unmenschlicher Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, verletzt wird.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E2142.2020Zuletzt aktualisiert am
16.02.2021