Norm
PVG §2 Abs1Schlagworte
Antragsberechtigung von PV; Wählergruppen nicht antragsberechtigt; PVO; Antrag für Wählergruppe eines namentlich genannten PVO-Mitglieds; Freizeitgewährung für PV; Freistellung von PV; Aufgaben nach PVG; Freizeit und Freistellung nicht für fraktionelle Tätigkeiten; Kriterien für Freistellung; Aufteilung der Freistellungen; weiter Gestaltungsspielraum; Stärkeverhältnis; Funktionen; Arbeitsbelastung; Befangenheit; unrichtige Zusammensetzung von PVO; Rechtswidrigkeit der Beschlüsse bei unrichtiger ZusammensetzungText
A 7-PVAB/20
Bescheid
Die Personalvertretungsaufsichtsbehörde (PVAB) hat durch ihre Mitglieder Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI als Vorsitzende sowie Dr.in Anita PLEYER als Vertreterin des Dienstgebers und Dr. Wolfgang SETZER als Vertreter der Dienstnehmer/innen über den Antrag des Mag. A (Antragsteller) vom 16. März 2020, die Geschäftsführung des Zentralausschusses beim *** (ZA) wegen behaupteter gesetzwidriger Aufteilung einer Dienstfreistellung zu jeweils 50 v.H. an ihn als stellvertretenden ZA-Vorsitzenden und den Schriftführer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen, gemäß § 41 Abs. 1 und 2 PVG entschieden:
1. Der Antrag wird mangels Gesetzwidrigkeit des Beschlusses des ZA zu TOP 5 (Freistellungen) seiner Sitzung vom 19. Februar 2020, mit dem eine gänzliche Dienstfreistellung auf den Antragsteller als stellvertretender ZA-Vorsitzender und den ZA-Schriftführer zu je 50 v.H. aufgeteilt wurde, abgewiesen.
2. Von Amts wegen wird festgestellt, dass der ZA in seiner Sitzung (Telefonkonferenz) vom 30. März 2020, in der die Stellungnahme an die PVAB beschlossen wurde, wegen Befangenheit des daran teilnehmenden Antragstellers gesetzwidrig zusammengesetzt war, weshalb die Beschlussfassung in dieser Sitzung in gesetzwidriger Geschäftsführung erfolgte.
Begründung
Mit E-Mail vom 16. März 2020 übermittelte der Antragsteller seinen Antrag vom selben Tag an die PVAB, weil die Beschlussfassung über die Aufteilung einer Dienstfreistellung an ihn und den Schriftführer jeweils zur Hälfte seiner Meinung nach entgegen den Vorgaben des § 25 Abs. 4 PVG erfolgt wäre.
Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der ZA besteht aus vier Mitgliedern, von denen zwei Mandate auf die (stimmenstärkste) Wählergruppe „X“ und zwei Mandate auf die Wählergruppe „Y“ entfallen.
Die Vorsitzende und der Schriftführer gehören der Wählergruppe „X“ an.
Dem ZA stehen nach § 25 Abs. 4 PVG zwei Dienstfreistellungen zu.
In der ZA-Sitzung vom 15. Jänner 2020 wurde zu TOP 5 (Freistellungen) der Tagesordnung dieser Sitzung beschlossen, die ZA-Vorsitzende durch Inanspruchnahme einer der beiden Freistellungen zur Gänze vom Dienst freizustellen.
Nach ergebnisloser Diskussion über die Verteilung der weiteren Freistellung wurde auf Antrag der ZA-Vorsitzenden ein Ersuchen an die Dienstbehörde um Aufstockung der Dienstfreistellungen um eine halbe Dienstfreistellung (20 Wochenstunden) über die gesetzliche Freistellung hinaus beschlossen.
Dieser Antrag des ZA wurde dem Generalsekretär des Ressorts mit Schreiben vom 17. Jänner 2020 übermittelt, von diesem mit Schreiben vom 22. Jänner 2020 jedoch abgelehnt.
In der Sitzung des ZA vom 19. Februar 2020 wurde zu TOP 5 (Freistellungen) der Tagesordnung dieser Sitzung von den Mandataren der „Y“ beantragt, die weitere gänzliche Freistellung dem Antragsteller zuzuerkennen.
Dieser Antrag wurde vom ZA abgelehnt und zu TOP 5 (Freistellungen) beschlossen, dem Antragsteller und dem ZA-Schriftführer die weitere gänzliche Freistellung je zur Hälfte (im Ausmaß von 20 Wochenstunden) zuzuerkennen.
Der Antragsteller erblickt in dieser Aufteilung eine nicht dem Gesetz entsprechende Aufteilung. Beide Fraktionen hätten dieselbe Anzahl von Mandaten im ZA. Die Arbeit für die Bediensteten im Rahmen der Personalvertretungstätigkeit sei daher für beide Wählergruppen gleich groß. Die Funktion eines Schriftführers in einem kleinen ZA wäre eine Formalfunktion, die mit keinem übermäßigen Arbeits- oder Vorbereitungsaufwand verbunden sei, der eine derart starke fraktionelle Begünstigung der stimmenstärksten Wählergruppe rechtfertigen könne. Die „X“ habe zusätzlich auch eine Unterstützung im ZA-Sekretariat. Deshalb wäre eine Aufteilung der beiden Freistellungen auf den Antragsteller und die ZA-Vorsitzende wesentlich korrekter aufgrund der gegebenen Situation als der dreimal höhere Freistellungsanteil der „X“. Dadurch sei dem Antragsteller jegliche fraktionelle Arbeit für das Team „Y“ nur sehr schwer bzw. nicht in dem Ausmaß möglich, wie es bei einer der Mandatsverteilung angemessenen und fairen Aufteilung gerecht wäre.
Da der Antragsteller dem ZA als Mitglied (stellvertretender Vorsitzender) angehört und ihm die vorstehenden aktenkundigen Sachverhaltselemente - wie auch dem Antragsvorbringen zweifelsfrei zu entnehmen ist - daher ebenso wie dem ZA bekannt sind, war eine Vorgangsweise gemäß § 45 Abs. 3 PVG nicht erforderlich und hatte daher aus Gründen der Raschheit des Verfahrens und der Verfahrensökonomie zu unterbleiben.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht somit fest.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 41 Abs.1 PVG sind antragsberechtigt an die PVAB Personalvertretungsorgane (PVO) und Personen, die die Verletzung ihrer Interessen durch gesetzwidrige Geschäftsführung eines Personalvertretungsorgans (PVO) behaupten. Zu den Personen zählen auch die Mitglieder eines PVO, weil diese einen Anspruch auf gesetzmäßige Geschäftsführung des PVO im Innenverhältnis haben, sofern sie die bekämpfte Entscheidung nicht mitgetragen haben, etwa durch Zustimmung zu diesem Beschluss.
Nicht antragsberechtigt an die PVAB nach § 41 Abs. 1 PVG sind die in einem PVO vertretenen Wählergruppen, denen keine Rechtspersönlichkeit zukommt, weil Rechtspersönlichkeit nach PVG nur die Gesamtheit der von einem ZA vertretenen Bediensteten besitzt (§ 3 Abs. 5 PVG). Da Wählergruppen nach PVG keine juristischen Personen sind, besitzen sie keine Antragslegitimation iSd § 41 Abs. 1 PVG. Den in einem PVO vertretenen Wählergruppen kommt auch nicht die Stellung eines PVO zu, die in § 3 Abs. 1 PVG taxativ aufgezählt sind.
Der Antragsteller brachte den Antrag für die im ZA vertretene Wählergruppe „Y“ bei der PVAB ein, die sich durch den bekämpften Beschluss des ZA in ihren den Wählergruppen in § 25 Abs. 4 PVG gewährten Rechten verletzt sieht, obwohl der Wählergruppe keine Parteistellung im Verfahren vor der PVAB zukommt.
Nach ständiger Rechtsprechung der PVAK, an der auch die PVAB unverändert festhält, ist ein solcher Antrag jedoch dann, wenn er von einem namentlich genannten Mitglied eines PVO gefertigt wurde, als Antrag dieser Person zu werten (PVAK vom 13. März 1979, A 1-PVAK/79).
Der Antragsteller ist Mitglied des ZA, hat den Antrag namentlich gefertigt und gegen den von ihm mit seinem Antrag bekämpften Beschluss gestimmt.
Seine Antragsberechtigung ist gegeben.
Zu Spruchpunkt 1
Nach § 25 Abs. 4 erster Satz PVG ist u.a. den Personalvertreter/innen (PV) die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten notwendige freie Zeit zu gewähren. Nach § 25 Abs. 4 zweiter Satz PVG sind bei mehr als 700 wahlberechtigten Bediensteten zwei gänzliche Dienstfreistellungen im Bereich des ZA zu verfügen. Daraus erhellt ohne jeden rechtlichen Zweifel, dass jede Freistellung von der Arbeitsleistung nach PVG für die Erfüllung der Aufgaben der gesetzlichen Personalvertretung nach PVG in Anspruch zu nehmen ist und nicht etwa (auch) für fraktionelle Tätigkeiten. Daran vermag die Erwähnung der Wählergruppen in § 25 Abs. 4 letzter Satz PVG nichts zu ändern, weil es sich dabei nur um ein zusätzliches Kriterium für die Aufteilung der Freistellungen handelt.
Nach § 25 Abs. 4 letzter Satz PVG ist bei der Freistellung von ZA-Mitgliedern auf das Stärkeverhältnis der Wählergruppen und auf die auszuübenden Funktionen Bedacht zu nehmen. Diese Bestimmung wurde durch die 2. Dienstrechtsnovelle 2003 in das PVG aufgenommen.
„Eine grundlegende Änderung der Rechtslage wurde aber durch diese Novellierung, über deren Ziele den Gesetzesmaterialien keine verwertbaren Hinweise entnommen werden können, nicht bewirkt. Im Sinne der eben wiedergegebenen Ausführungen konnte schon bisher das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht unbeachtet bleiben. Schon bisher war aber auch unstrittig, dass der besondere Arbeitsanfall, der sich aus der Wahrnehmung der Personalvertretungsfunktion ergibt, als wichtiges Kriterium für die Willensentscheidung des ZA zu werten ist. Die ausdrückliche Nennung des Stärkeverhältnisses der Wählergruppen als eines von zwei gleichrangigen Kriterien muss allerdings im Sinne einer stärkeren Betonung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gewertet werden. Dies ändert aber nichts daran, dass nach wie vor die – ebenfalls ausdrücklich angeordnete – Berücksichtigung der auszuübenden Funktionen Entscheidungen ermöglicht, die – ohne dass damit das Verhältnismäßigkeitsprinzip völlig außer Acht bleibt – das Stärkeverhältnis der Wählergruppen nicht im Verhältnis eins zu eins wiederspiegeln.“ (PVAK 25. April 2005, A 2-PVAK/05).
Aus dem Gesagten folgt, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip nur eines der maßgebenden Kriterien darstellt, ein mindestens ebenso maßgebendes Kriterium aber die Arbeitsbelastung darstellt, weshalb ein Abgehen vom Verhältnismäßigkeitsprinzip nur im Hinblick auf die besondere Arbeitsbelastung bestimmter Funktionäre möglich ist.
Im vorliegenden Fall ist nur die Gesetzmäßigkeit der Verteilung der zweiten gänzlichen Freistellung durch den ZA in seiner Sitzung vom 19. Februar 2020 strittig. Die erste gänzliche Freistellung wurde in der ZA-Sitzung vom 15. Jänner 2020 einvernehmlich der Vorsitzenden zuerkannt.
Eine Aufteilung der Freistellungen nach Funktionen kann grundsätzlich nicht als unzulässig angesehen werden. Der Gesetzgeber räumt dem ZA bei seiner Willensbildung nach § 25 Abs. 4 PVG einen weiten Gestaltungsspielraum ein. Aufgrund dieses weiten Gestaltungsspielraums kann nach der Rechtsprechung eine Rechtsverletzung nur im Exzessfall vorliegen, nämlich dann, wenn die vom ZA getroffene Entscheidung im Widerspruch zu § 2 Abs. 1 und 2 PVG steht und jede sachliche Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des strittigen Einzelfalles entbehrt (VwGH Zl. 97/12/0273). Der Verwaltungsgerichtshof hat zu den Freistellungen auch festgestellt, dass eine nicht im Verhältnis der Mandate erfolgte Zuteilung von Dienstfreistellungen dann gerechtfertigt ist, wenn die Grundsätze des § 2 Abs. 1 und 2 PVG respektiert wurden und nicht jede Auseinandersetzung mit der Problematik des Falles fehlt (VwGH vom 27.11.1995, B 1120/93 und 13.12.1995, B 2001/92). Weiters, dass die Maßstäbe des § 2 Abs. 2 PVG auch Entscheidungen des ZA zulassen, die von der rein numerischen Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht unerheblich abweichen. Ein maßgebliches Kriterium für die Willensentscheidung des ZA gemäß § 25 Abs. 4 PVG ist auch der besondere Arbeitsanfall (Arbeitsbelastung), die sich aus der Wahrnehmung der Personalvertretungsfunktion ergibt, sowie besondere Kenntnisse und Erfahrungen, die der betreffende Personalvertreter aufgrund seiner bisherigen (auch beruflichen) Tätigkeit erworben hat und die ihn zur Erfüllung der Aufgaben gemäß § 2 Abs. 2 PVG besonders qualifiziert erscheinen lassen (VwGH vom 17.02.1999, Zl. 97/12/0273). Nach seinem gesetzlichen Auftrag des § 25 Abs. 4 letzter Satz PVG hat der ZA für jede/n für eine Freistellung in Betracht kommende/n Personalvertreter/in die Voraussetzungen zu prüfen, zwischen mehreren in Betracht kommenden Personen unter Berücksichtigung der in jedem Einzelfall vorliegenden Umstände abzuwägen und eine nachvollziehbare sachlich begründete Entscheidung über die bei der Zentralstelle zu beantragenden Freistellungen zu treffen (PVAB 31. Juli 2015, A 7-PVAB/15, mwN).
Im vorliegenden Fall wurde die zweite gänzliche Freistellung vom ZA auf zwei Ausschussfunktionäre im Verhältnis von je 50 v.H. aufgeteilt. Sowohl dem Antragssteller in seiner Funktion als stellvertretender ZA-Vorsitzender als auch dem Schriftführer wurde mit dem im gegenständlichen Verfahren bekämpften Beschluss des ZA vom 19. Februar 2020 je eine Freistellung von 20 Wochenstunden zugesprochen.
Dem/Der ZA-Vorsitzenden und der/dem ZA-Schriftführer/in werden durch das PVG und die PVGO vielfältige Aufgaben zugewiesen. Diese beziehen sich nicht nur auf die Sitzungen, sondern auch auf die Vorbereitung der Sitzungen, die Behandlung des Schriftverkehrs, die Erstellung von Sitzungsprotokollen und sonstigen Schriftstücken, um nur einige dieser Aufgaben explizit anzuführen. Die Aufgaben des stellvertretenden ZA-Vorsitzenden nach PVG erschöpfen sich in der Vertretung des/der ZA-Vorsitzenden im Verhinderungsfall, sind also nicht ständig von dem mit dieser Funktion betrauten Mitglied des ZA wahrzunehmen. Allen Funktionären im ZA ist gemein, dass sie zusätzlich zur Ausübung ihrer Funktionen die gesetzlichen Aufgaben eines Ausschussmitgliedes wie alle anderen ZA-Mitglieder wahrzunehmen haben.
Aus dieser Sach- und Rechtslage folgt, dass die Arbeitsbelastung des Schriftführers im ZA ohne Zweifel höher als jene des stellvertretenden ZA-Vorsitzenden anzusetzen ist, zumal, anders als vom Antragsteller ins Treffen geführt, Tätigkeiten als Fraktionsvorsitzender einer im ZA vertretenen wahlwerbenden Gruppe für die Zuteilung von Freistellungen von keiner rechtlichen Relevanz sind. Gleiches gilt für die Bedienstete/n, die dem ZA zur Bewältigung der anfallenden Kanzleiaufgaben gemäß § 29 Abs. 1 PVG zur Verfügung zu stellen sind, welcher Regelung gleichfalls keine rechtliche Auswirkung auf Freistellungen iSd § 25 Abs. 4 PVG zukommt.
Die Aufteilung der zweiten gänzlichen Freistellung je zur Hälfte auf den Antragsteller und den Schriftführer in ihrer Funktion aus Ausschussfunktionäre erfolgte daher im Einklang mit den Vorgaben des § 25 Abs. 4 PVG, auch wenn damit nach Auffassung der PVAB eine Bevorzugung des stellvertretenden Vorsitzenden, dessen Aufgaben nach PVG erst im Verhinderungsfall der Vorsitzenden schlagend werden, gegenüber dem Schriftführer, der nach PVG und der PVGO auch außerhalb der ZA-Sitzungen ständig Aufgaben zu erfüllen hat, verbunden ist. Die Aufteilung der zweiten gänzlichen Freistellung je zur Hälfte auf „X“ und „Y“ entspricht überdies in vollem Umfang dem Stärkeverhältnis dieser beiden Wählergruppen im ZA.
Aber selbst bei Einbeziehung der Zuteilung der ersten gänzlichen Freistellung an die ZA-Vorsitzende wäre von keiner gesetzwidrigen Aufteilung der Freistellungen auszugehen, weil sie auf die Funktionäre im ZA verteilt wurden und die Arbeitsbelastung der Vorsitzenden durch Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben nach dem PVG und der PVGO, wie auch aus dem einstimmigen diesbezüglichen Beschluss des ZA vom 15. Jänner 2020 konkludent, aber unmissverständlich erhellt, ohne jeden Zweifel höher als die Arbeitsbelastung der übrigen Ausschussfunktionäre bei der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben nach PVG anzusehen ist.
Da die Aufteilung der Freistellungen durch den ZA im Einklang mit den Vorgaben des § 25 Abs. 4 PVG erfolgte, bestand auch kein Anlass, den Beschluss des ZA zu TOP 5 (Freistellung) seiner Sitzung vom 19. Februar 2020 als gesetzwidrig aufzuheben.
Zu Spruchpunkt 2
Nach § 41 Abs. 1 PVG hat die PVAB die Aufsicht über die Personalvertretungsorgane (PVO) auf Antrag oder von Amts wegen wahrzunehmen.
Dem Wesen der Aufsicht über die Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung von Selbstverwaltungskörpern entspricht es, dass sie nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen wahrzunehmen ist. Die Aufsicht ist damit Amtspflicht der Aufsichtsbehörde und steht nicht in deren Ermessen (Schragel, PVG, § 41, Rz 16, mwN). Die PVAB hat zu prüfen, ob ein von ihr festgestellter Sachverhalt Anhaltspunkte für die Annahme gesetzwidriger Geschäftsführung durch das belangte PVO bietet. Die amtswegige Prüfung einer bestimmten Geschäftsführungsmaßnahme ist einzuleiten, wenn auch nur Zweifel daran bestehen, ob die Geschäftsführung rechtmäßig war. Zieht eine Rechtswidrigkeit jedoch keine wesentlichen Folgen nach sich, kann die Aufsichtsbehörde von der Einleitung eines Verfahrens absehen.
Im vorliegenden Fall war der ZA bei seiner Beschlussfassung über die Stellungnahme an die PVAB im gegenständlichen Verfahren unrichtig zusammengesetzt. Dies hat zur Folge, dass ein unzuständiges Organ über eine bestimmte Angelegenheit entschieden hat. Die Wahrung der Zuständigkeitsregelungen zählt zu den grundlegenden Prinzipien eines jeden Rechtsstaates, weshalb deren Missachtung wesentliche Folgen nach sich zieht und die PVAB von Amts wegen vorzugehen hatte.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AVG haben sich Verwaltungsorgane in Sachen, an denen sie selbst beteiligt sind, der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen. Eine entsprechende Bestimmung im PVG fehlt, doch sind nach ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte und der Personalvertretungsaufsicht die wesentlichsten Grundsätze des AVG auf jedes Verwaltungshandeln anzuwenden. Daher ist ein/e Personalvertreter/in von der Mitwirkung an der Geschäftsführung des PVO, dem er/sie angehört, in eigener Sache ausgeschlossen und an der Ausübung seiner/ihrer Funktion gemäß § 22 Abs. 3 PVG verhindert.
Im Personalvertretungsrecht muss allerdings differenziert werden. Aufgabe der PV ist es gerade, unter Beachtung der Grundsätze des § 2 Abs. 1 zweiter Satz und des § 2 Abs. 2 PVG die beruflichen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Interessen der Bediensteten zu wahren und zu fördern. Dazu gehören selbstverständlich auch die Interessen der PV selbst, die ja aus dem Kreis der zum PVO wahlberechtigten Bediensteten (§ 15 Abs. 5 PVG) stammen müssen. Soweit PV nur – auch - ihre eigenen Interessen im Rahmen ihrer Interessenvertretungsaufgabe mitvertreten, erfüllen sie Aufgaben, zu denen sie berufen sind und können hiervon nicht ausgeschlossen werden. Ist ein/e PV hingegen allein unmittelbar Betroffene/r in einer zur Beschlussfassung anstehenden Angelegenheit (beispielsweise als Bewerber/in um eine ausgeschriebene Funktion bzw. Planstelle, als Mitglied eines PVO, gegen das der Dienstgeber disziplinäre Maßnahmen setzen möchte, etc.), sodass durch diese persönlichen Umstände eine objektive und sachliche Entscheidung nicht erwartet werden kann, ist er/sie von der Mitwirkung an der Entscheidung des PVO ausgeschlossen und an der Ausübung seiner/ihrer Funktion bei der Geschäftsführung des PVO gemäß § 22 Abs. 3 PVG verhindert.
Im vorliegenden Fall geht es um die Freistellung des Antragstellers, die von ihm als zu gering bekämpft wird, und seinen deshalb bei der PVAB eingebrachten Antrag. Es steht daher außer jedem rechtlichen Zweifel, dass die Beschlussfassung im PVO über die Stellungnahme des ZA zu diesem Antrag an die PVAB den Antragsteller unmittelbar - „in eigener Sache“ - betrifft.
Der Antragsteller war daher wegen Befangenheit an der Entscheidung des ZA über die Stellungnahme an die PVAB in dieser seiner eigenen Sache ausgeschlossen und an der Ausübung seiner Funktion verhindert. Dennoch hat er an der ZA-Sitzung vom 30. März 2020 (Telefonkonferenz) teilgenommen.
Ein DA ist unrichtig (gesetzwidrig) zusammengesetzt, wenn an der Abstimmung ein (befangener) Personalvertreter mitwirkt, von dem eine unbeeinflusste Entscheidung nicht erwartet werden kann. Es ist unvermeidlich, dass PV gehemmt sein können, ihre wahre Meinung kundzutun, wenn ein Debattenbeitrag in Gegenwart eines unmittelbar betroffenen PV geleistet und über ihn abgestimmt werden muss. Es genügt daher nicht, dass sich ein vom Gegenstand eines TOP unmittelbar betroffener PV nur an Debatte und Abstimmung nicht beteiligt. Er darf vielmehr an der Sitzung bei Behandlung des ihn betreffenden TOP überhaupt nicht teilnehmen. Ist der/die Vorsitzende selbst betroffen, hat er die Angelegenheit sofort seinem Stellvertreter zu übergeben (Schragel, PVG, § 22, Rz 29, mwN; PVAB 3. September 2014, A 31-PVAB/13; PVAB 18. Juni 2018, A 6-PVAB/18, mwN; PVAB 6. Mai 2019, A 8-PVAB/19, mwN). Die unrichtige Zusammensetzung eines Kollegialorgans belastet die von ihm in gesetzwidriger Zusammensetzung gefassten Beschlüsse mit Rechtswidrigkeit (PVAB 6. März 2019, A 1-PVAB/19, mwN).
Da der Antragsteller trotz gegebener Befangenheit an der ZA-Sitzung vom 30. März 2020 teilnahm und sich an der Debatte und der Beschlussfassung beteiligte, war der ZA bei dieser Sitzung unrichtig (gesetzwidrig) zusammengesetzt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Hinweis
Nach § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes (Art. 16 des 2. COVID-19-Gesetzes, BGBl. I Nr. 16/2020), wird die Frist zur Einbringung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht bei der PVAB bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnt mit 1. Mai 2020 neu zu laufen.
Wien, am 6. April 2020
Die Vorsitzende:
Sektionschefin i.R. Prof.in Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:PVAB:2020:A7.PVAB.20Zuletzt aktualisiert am
16.02.2021