TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/9 G313 2227733-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.06.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.06.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §51 Abs1
NAG §53
NAG §55 Abs3

Spruch


G313 2227733-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX ,
StA. Schweiz, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurde die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm. § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 22.01.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die BF ist schweizerische Staatsangehörige.

1.2. Sie ist seit Ende September 2017 im Bundesgebiet mit Nebenwohnsitz gemeldet, hält sich seither in Österreich auf, und hat am 29.01.2018 eine Anmeldebescheinigung zwecks „Ausbildung“ beantragt.

1.3. Die BF studiert nachweislich seit Oktober 2017 am XXXX und wird voraussichtlich im Juni 2021 ihr Studium erfolgreich beenden.

Zum XXXX studium zugelassen wurde sie nachweislich im März 2018.

In einer vorgelegten Abschrift der Studiendaten von Dezember 2019 scheint vorwiegend die Note 1 und bei ein paar Gegenständen die Note 2 auf.

Die BF hat während ihres Studiums im Oktober 2019 mit dem XXXX in XXXX einen XXXX arbeitsvertrag geschlossen.

1.4. Die BF legte einen Versicherungsschein einer privaten schweizerischen Versicherung vor. Danach verfügt die BF über eine Kranken- und Unfallversicherung, und zusätzlich über eine Reiseversicherung.

1.5. Die BF ist in Österreich sozial integriert und hat sowohl aus ihrer Verwandtschaft als auch aus ihrem sonstigen sozialen Umfeld Bezugspersonen im Bundesgebiet, wobei sie vor allem in Zusammenhang mit ihrem Schauspielstudium in XXXX zahlreiche Sozialkontakte knüpfen konnte.

Eine Integration der BF in kultureller Hinsicht liegt ebenso vor.  

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zur Person der BF und ihren individuellen Verhältnissen:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2.2. Die Feststellung zur Nebenwohnsitzmeldung der BF im Bundesgebiet beruht auf einem Zentralmelderegisterauszug und die Feststellung zu ihrem Antrag auf Ausstellung einer Anmeldescheinigung ergab sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister.

2.2.3. Dass die BF seit Oktober 2017 am XXXX studiert und ihr Studium voraussichtlich im Juni 2021 beenden wird, wurde am 20.12.2019 seitens des XXXX büros des XXXX – Institut für XXXX – Universität für XXXX bestätigt (AS 99).

Dass die BF während ihres Studiums im Oktober 2019 mit dem XXXX in XXXX einen XXXX arbeitsvertrag geschlossen hat, ergab sich aus dem diesbezüglich vorgelegten Vertrag (AS 105).

2.2.4. Dass die BF von ihrer Mutter finanzielle Unterstützung erhält, ergab sich aus deren „Unterhaltserklärung“ vom 12.03.2018, die BF finanziell zu erhalten, verfüge die BF doch über keine sonstigen Einkünfte und sei sie Vollzeitstudentin an der Universität in XXXX (AS 101).

2.2.5. Dass die BF über eine private Kranken- und Unfallversicherung verfügt (mit Gültigkeit von 01.01.2020 bis 31.12.2020), ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Die BF brachte in Ihrer Beschwerde vor:

„Namentlich verfüge ich über eine Kranken- und Unfallversicherung der (…). Diese umfasst die obligatorische gesetzliche Grundversicherung inklusive Unfalldeckung mit der Kostendeckung für die ambulante und stationäre Behandlung sowie überdies eine Ergänzungsversicherung (Zusatzversicherung) für ambulante und stationäre Behandlung mit weltweit betraglich unbegrenzter Deckung. Der Deckungsumfang umfasst auch alle erforderlichen Krankentransporte zum nächstgelegenen Arzt oder nächstgelegenen geeigneten Spital, Nottransporte, Such- und Rettungskationen zur Rettung oder Bergung und die Repatriierung einschließlich der Bergung und Überführung im Todesfall. Der Versicherungsschutz dieser Kranken- und Unfallversicherung ist umfassend und gilt weltweit, sohin auch in Österreich.

Darüber hinaus verfüge ich noch über eine zusätzliche Reiseversicherung (…), die weltweit (und unlimitiert) alle Kosten der ambulanten ärztlichen Behandlung und der stationären Behandlung im Spital sowie die Kosten von anerkannten Heilanwendungen, Medikamenten, Analysen, Zahnbehandlungen, Such-, Rettungs- und Bergungsaktionen einschließlich des Rücktransports an den Wohnort und der Überführung im Todesfall deckt, soweit diese Kosten nicht bereits in der obligatorischen Grundversicherung Deckung finden.“

In der vorgelegten Versicherungsbestätigung von Jänner 2020, in welcher darauf hingewiesen wurde, dass die Versicherung bei Notfällen weltweit gilt, die Kosten der versicherten Person nach Vorlage der detaillierten Originalrechnung zurückerstattet werden, die Rückerstattung nur an eine Kontaktadresse in der Schweiz oder auf ein Schweizer Bankkonto erfolgt und Rückerstattungen ins Ausland nicht möglich sind, scheint u.a. Folgendes auf:

„Obligatorische Grundversicherung

Kostendeckung für ambulante und stationäre Behandlung, bis max. zum doppelten Tarif des Wohnkantons in der Schweiz.

Ergänzungsversicherung

Kostendeckung für ambulante und stationäre Behandlungen

Ambulant: 90%, weltweite betraglich unbegrenzte Deckung

Stationär: 100%, weltweite betraglich unbegrenzte Deckung

Kostenbeteiligung Obligatorische Grundversicherung
CHF (…) pro Kalenderjahr
Ergänzungsversicherung
10% für ambulante Leistungen
Kein Selbstbehalt bei stationären Leistungen“

Demzufolge sind von der privaten Krankenversicherung nur 90% der ambulanten Leistungen gedeckt und fallen die Kosten für 10% der ambulanten Leistungen an die BF (AS 127).

Mit der von der BF zusätzlich abgeschlossenen Reiseversicherung mit Gültigkeit von 25.09.2019 bis 24.09.2020 sollen diejenigen Kosten, die nicht bereits durch die obligatorische schweizerische Krankenversicherung (KVG) gedeckt sind, bezahlt werden, darunter sowohl ärztliche Behandlungen, unlimitiert, als auch stationäre Behandlungen im Spital, unlimitiert.

Demnach sind von der privaten Versicherung der BF für die Dauer der Gültigkeit der Reiseversicherung alle, auch die in der obligatorischen Grundversicherung nicht enthaltenen Kosten, abgedeckt. Eine Reiseversicherung verfolgt jedoch einen anderen Zweck als eine Krankenversicherung. In der vorgelegten „Bestätigung Deckung Reiseversicherung“ von Jänner 2020 (AS 129) wurde u.a. auch festgehalten:

„Die Leistungen der Reiseversicherung werden längstens bis zu 120 Tage ab Erkrankungs- bzw. Unfalltag ausgerichtet. Maßgeblich für einen Leistungsanspruch sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVG) für die Reiseversicherung gemäß Ihrer Police.“

Es kann demnach nicht von einem umfassenden Krankenversicherungsschutz ausgegangen werden.

Einen solchen kann die BF mittels der vorgelegten Schweizerischen Krankenversicherungskarte KVG, auf der Rückseite mit Europäischer Krankenversicherungskarte betitelt, offenbar nicht geltend machen.

2.2.6. Die Feststellung zur sozialen Integration der BF im Bundesgebiet beruht auf ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben in der Beschwerde:

„Ein ganzer Zweig meiner Familie lebt seit ehedem in Österreich. Aufgrund meines dauerhaften Aufenthalts seit dem Jahre 2017 verfüge ich hier bereits über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis mit mannigfachen sozialen Bindungen.“

Bezüglich einer kulturellen Integration der BF in Österreich wurde in der Beschwerde angeführt:

„Meine kulturelle Integration muss überhaupt außer Zweifel stehen, zumal ich schon aufgrund meines Studiums am XXXX engstens im kulturellen Leben des Landes vernetzt bin, wozu auch mein Engagement am XXXX dient.“

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Der mit „Ausweisung“ betitelte § 66 FPG idgF lautet:

„§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Der mit „Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate“ betitelte § 55 FPG lautet:

„§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) (…)

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.

Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:

„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1.         in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2.         für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3.         als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(…).“

Der mit „Anmeldebescheinigung“ betitelte § 53 NAG lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 53. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1.         (…);
2.         nach § 51 Abs. 1 Z. 2: Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz;
3.         nach § 51 Abs. 1 Z. 3: Nachweise über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz sowie eine Erklärung oder sonstige Nachweise über ausreichende Existenzmittel;

(…).“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(…).“

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergab sich Folgendes:

Die BF hat Nachweise erbracht – über ihr in Österreich nachgegangenes Schauspielstudium und über ausreichende Existenzmittel, hat doch die Mutter der BF, nachweislich eine leitende Beamte in der Schweiz, der BF in einer Unterhaltserklärung von März 2018 finanziellen Unterhalt zugesichert.

Die BF erbrachte auch Nachweise über einen privaten schweizerischen Kranken-, Unfall- und Reiseversicherungsschutz.

Was eine umfassende Krankenversicherung ist, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 07.12.2016, Zl. Fl2015/22/0001-7 beschieden. Der Leistungsumfang wurde im Wesentlichen damit festgelegt, dass dieser von der gesetzlichen Pflichtversicherung nicht erheblich abweichen darf.

Im gegenständlichen Fall, in dem von der obligatorischen Grundversicherung nicht abgedeckte Kosten von der von der BF zusätzlich abgeschlossenen Reiseversicherung abgedeckt werden sollen, kann nicht von einem umfassenden Krankenversicherungsschutz iSv § 51 Abs. 2 Z. 3 NAG ausgegangen werden, kann die BF einen solchen doch mit ihrer Schweizerischen bzw. Europäischen Krankenversicherungskarte nicht allein, sondern nur vorübergehend unter Inanspruchnahme ihrer zusätzlichen Reiseversicherung geltend machen.

Wegen Fehlens einer in § 51 Abs. 1 Z. 3 NAG kumulativ geforderten Voraussetzung für eine drei Monate überschreitende unionsrechtliche Aufenthaltsberechtigung kann der BF eine solche nicht zukommen.

Die Erlassung einer Ausweisung nach § 66 Abs. 1 FPG war daher grundsätzlich zulässig.

Da die BF

?        nach ihrer Einreise in Österreich Ende September 2017 noch innerhalb der in § 53 Abs. 1 NAG angeführten viermonatigen Frist am 29.01.2018 einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung zwecks Ausbildung gestellt hat,

?        bereits seit Oktober 2017, seit nunmehr mehr als zweieinhalb Jahren, in XXXX ihrem XXXX studium nachgeht, und dies mit sehr gutem Erfolg, wie aus ihren Noten 1 und 2 in einer vorgelegten Abschrift ihrer Studiendaten hervorgeht, die BF während ihres Studiums im Oktober 2019 mit dem XXXX einen XXXX arbeitsvertrag abgeschlossen hat, wonach sie im Rahmen von fallweisen Beschäftigungen ab 11.10.2019 zu Vorstellungen samt Vorbereitungszeit ( XXXX ) sowie etwaigen Umbesetzungs- und Wiederaufnahmeproben herangezogen werden konnte, die BF somit zielstrebig ihr Studium in XXXX verfolgt, was auch aus der vorgelegten Bestätigung über ihren voraussichtlichen Studienabschluss im Juni 2021 hervorgeht,

?        die BF sich vor allem in Zusammenhang mit ihrem Studium in Österreich gut sozial integrieren konnte, sie auch Bezugspersonen aus ihrer Verwandtschaft in Österreich hat, und

?        auch eine starke kulturelle Integration in Österreich aufweist,

wird im gegenständlichen Fall unter Berücksichtigung aller individuellen Umstände die Erlassung einer Ausweisung gegen die BF für nicht gerechtfertigt bzw. unter Berücksichtigung der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Gesichtspunkte für unverhältnismäßig befunden.

Es wird der gegenständlichen Beschwerde daher Folge gegeben und Spruchpunkt I. mit der gegen die BF erlassenen Ausweisung und der nachfolgende Spruchpunkt II., womit der BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt wurde, somit der gesamte angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Ausweisung Ausweisung aufgehoben ersatzlose Behebung Integration Krankenversicherung Privat- und Familienleben Studium Unfallversicherung Unterhaltsanspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2227733.1.00

Im RIS seit

16.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten