Entscheidungsdatum
08.09.2020Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Spruch
W247 2173974-1/18E
W247 2173980-1/14E
W247 2173976-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, unvertreten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.06.2020, zu Recht:
A)
I.) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.06.2020, zu Recht:
A)
I.) Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III., erster Satz, des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.
II.) Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III., zweiter und dritter Satz, des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., iVm. § 9 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., auf Dauer unzulässig ist.
III.) Gemäß §§ 54 und 55 Abs. 2 iVm. 58 Abs. 2 Asylgesetz wird XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
IV.) Der Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
3.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, gesetzlich vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.06.2020, zu Recht:
A)
I.) Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III., erster Satz, des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.
II.) Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III., zweiter und dritter Satz, des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., iVm. § 9 Abs. 3 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., auf Dauer unzulässig ist.
III.) Gemäß §§ 54 und 55 Abs. 1 iVm. 58 Abs. 2 Asylgesetz, sowie § 10 Abs. 2 Z 3 Integrationsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2017, idgF., wird XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
IV.) Der Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beschwerdeführenden Parteien (BF1-BF3) sind ukrainische Staatsangehörige. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist muslimischen Glaubens und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2), sowie der Drittbeschwerdeführer (BF3), sind Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind geschieden und Eltern des minderjährigen Drittbeschwerdeführers (BF3).
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführenden Parteien (BF1-BF3) reisten am 13.09.2014 unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag ihre Anträge auf internationalen Schutz, zu welchen der BF1 und die BF2 am 14.09.2014 vor der Landespolizeidirektion XXXX erstbefragt, sowie am 21.06.2017 (BF2) und am 28.08.2017 (BF1) vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX , jeweils im Beisein eines den Beschwerdeführern einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH niederschriftlich einvernommen wurden.
2. Der BF1 brachte im Rahmen seiner Erstbefragung am 14.09.2014 vor, dass er in Aserbaidschan geboren, jedoch ukrainischer Staatsangehöriger sei. Seine Eltern, sowie zwei Brüder und drei Schwestern würden noch in Aserbaidschan leben. Seine Ex-Ehefrau und sein Sohn aus erster Ehe würden noch in XXXX , der Ukraine, leben. Er sei mit seiner (zweiten) Frau und mit dem gemeinsamen Kind nach Österreich gekommen. Zuletzt hätte er in XXXX , im Bezirk XXXX in der Ukraine gewohnt. Den Entschluss zur Ausreise habe er vor ca. einem Monat gefasst und am 12.09.2014 habe er seinen Herkunftsstaat illegal in Richtung Europa verlassen. Er sei ohne Reisedokument ausgereist, seinen ukrainischen Reisepass hätte er vor ca. 3 Monaten verloren. Am 11.09.2014 sei er gemeinsam mit seiner Frau und seinem Kind von XXXX nach XXXX und von dort mit dem Zug nach XXXX gefahren. Am 13.09.2014 habe er in XXXX am Bahnhof einen Schlepper kennen gelernt, der sie in einem Kleinbus nach XXXX gebracht habe. Aus XXXX seien sie mit dem Taxi hierher (Anm.: XXXX ) gefahren. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab er an, dass in XXXX , wo er mit seiner Familie die letzten 8 bis 9 Jahre gelebt habe, Krieg herrsche, weshalb sie die Ukraine hätten verlassen müssen. Er komme ursprünglich aus Aserbaidschan und seine Frau aus Armenien, doch dorthin könnten sie nicht zurück. Er sei vor 20 Jahren schon einmal mit XXXX , geb. XXXX , verheiratet gewesen. Vor ca. 8 Jahren habe er seine zweite Ehefrau, XXXX , geheiratet. Vor 2 Jahren hätten sie sich scheiden lassen, seien nun jedoch wieder zusammen. Wenn er mit seiner Frau zurück nach Armenien ginge, würden ihn die Menschen dort umbringen und umgekehrt. Zwischen Armeniern und Aserbaidschanern gäbe es immer Krieg. Bei einer Rückkehr in seine Heimat hätte er Angst um sein Leben.
3. Die BF2 brachte im Rahmen ihrer Erstbefragung am 14.09.2014 vor, dass sie in Aserbaidschan geboren, jedoch ukrainische Staatsangehörige sei. Ihre Eltern, sowie ihr erster Ehemann seien bereits verstorben. Sie habe noch eine Tochter, geb. XXXX , die in der Nähe von Moskau lebe. Einer ihrer Brüder lebe in der Ukraine, der andere in der Russischen Föderation. Ihr geschiedener Ehemann und ihr Sohn würden mit ihr in XXXX leben. Zuletzt habe sie in XXXX , im Bezirk XXXX in der Ukraine gewohnt. Den Entschluss zur Ausreise habe sie vor ca. einem Monat gefasst und am 12.09.2014 habe sie ihren Herkunftsstaat illegal in Richtung Europa verlassen. Sie sei ohne Reisedokument ausgereist, ihren ukrainischen Reisepass hätte ihr geschiedener Ehemann vor ca. 3 oder 4 Monaten verloren. Am 11.09.2014 sei sie gemeinsam mit ihrem geschiedenen Ehemann und ihrem Sohn von XXXX nach XXXX und von dort mit dem Zug nach XXXX gefahren. Am 13.09.2014 habe ihr Ex-Ehemann in XXXX am Bahnhof einen Schlepper kennen gelernt, der sie in einem Kleinbus nach XXXX gebracht habe. Aus XXXX seien sie mit dem Taxi hierher (Anm.: XXXX ) gefahren. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe gab sie an, dass sie seit 1992 in der Ukraine wohne und seit 1997 ukrainische Staatsangehörige sei. In XXXX , wo sie mit ihrem Ex-Ehemann und ihrem Sohn die letzten Jahre gelebt habe, herrsche derzeit Krieg, weshalb sie die Ukraine verlassen hätten. Nach Aserbaidschan könnten sie nicht, dort müsse sie um ihr Leben fürchten und umgekehrt könnten sie nicht nach Armenien, weil dort ihr Ex-Ehemann um sein Leben fürchten müsse. Sie sei in Aserbaidschan geboren, habe wegen des Krieges Aserbaidschan jedoch verlassen müssen und sei nach Armenien zurückgekehrt. Im Jahr 1992 sei sie in die Ukraine gereist, weil sie einen Ukrainer geheiratet habe, der jedoch 2002 verstorben sei. Seitdem lebe sie in der Ukraine. 2005 habe sie ihren zweiten Ehemann geheiratet, XXXX , sie hätten sich 2008 wieder scheiden lassen, würden jetzt jedoch wieder zusammenleben. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat habe sie Angst um ihr Leben und das ihrer Familie, weil in der Ukraine Krieg herrsche.
4. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 28.08.2017 vor dem BFA, gab der BF1 zusammenfassend an, dass er zu 80% invalide sei. Er habe zwei Herzinfarkte gehabt und hätte 5 Bypässe. Seit Jahren stehe er unter Stress. Die Probleme habe er seit ca. 15 Jahren und die erste Operation hätte vor etwa 10 Jahren stattgefunden. Er sei in der Ukraine unter ständiger ärztlicher Beobachtung gestanden und sei alle 6 Monate für 3 Wochen im Krankenhaus gewesen, wo er Infusionen mit XXXX bekommen hätte. Er habe gewollt, dass die Ärzte hier auch dieses Medikament bestellen. Es seien noch andere Medikamente beigemischt worden. Seit seiner ersten Bypassoperation sei er immer wieder im Krankenhaus für diese Behandlung gewesen. 13 Jahre lang habe er in der Stahlindustrie gearbeitet, wobei er Schüsseln mit flüssigem Metall mit dem Kran hochgehoben habe, wovon er Osteochondrose bekommen habe. Dagegen sei er auch mehrmals in der Ukraine im Krankenhaus behandelt worden, dann sei er als Invalide 3. Grades eingestuft worden. Er habe auch Probleme mit dem Gedächtnis, er denke das habe mit dem Stress zu tun und befinde sich derzeit in ärztlicher Behandlung. Bei sich habe er immer das Medikament Nitroglycerin. Der BF spreche Russisch, gut Aserbaidschanisch und nicht so gut Ukrainisch. Er sei Staatsangehöriger der Ukraine, gehöre der Volksgruppe der Aserbaidschaner und dem muslimischen Glauben an. Er sei geschieden, insgesamt sei er 2 Mal verheiratet gewesen und habe ein Kind. XXXX , geb. am XXXX , sei sein Adoptivsohn, den er im Alter von vier Monaten aus dem Krankenhaus geholt habe. Damals sei er mit XXXX , geb. XXXX , verheiratet gewesen, sie habe keine Kinder bekommen können. Vor drei Monaten habe sein Adoptivsohn noch mit der Mutter in XXXX gelebt. Von seiner Ex-Frau (Anm.: der BF2) habe er sich vor 7-8 Jahren scheiden lassen. Sie seien dann jedoch wieder zusammengekommen, hätten sich aus unerklärlichen Gründen jedoch in Österreich im Jahr 2015 wieder getrennt. Er stehe in Kontakt mit dem gemeinsamen Sohn (Anm.: dem BF3) und unterstützte ihn, soweit er könne. Zwischen ihm und seiner Ex-Frau gäbe es keine Unstimmigkeiten. Auch in Österreich hätten sie zusammengelebt, bis die Tochter seiner Ex-Frau, XXXX , vor ca. 2 Jahren nach Österreich gekommen sei. Sie sei nach 3-4 Monaten wieder ausgereist und habe nicht gewollt, dass er mit seiner Ex-Frau zusammenlebe. Zuvor habe er mit seiner Ex-Ehefrau keine Streitigkeiten gehabt. In der Ukraine sei sie zu den Zeugen Jehovas gegangen, damit sei der BF1 nicht einverstanden gewesen. Er sehe den gemeinsamen Sohn, der in XXXX auf die Welt gekommen sei und dort den Kindergarten besucht habe, am Wochenende, das funktioniere reibungslos. Der BF sei in Aserbaidschan geboren, dort würden alle seine Verwandten leben und er habe dort 1982 eine 10-jährige Schule abgeschlossen. 1983 bis 1985 habe er der Armee im Gebiet XXXX , XXXX gedient und sei danach in die Stadt XXXX umgezogen, wo er von 1985 bis 1987 in einem Stahlwerk gearbeitet habe. Danach sei er nach XXXX geschickt worden um dort zu studieren, womit er 1987 begonnen habe. Abgeschlossen habe er sein Studium 1995 oder 1996. Er habe zum Fernstudium gewechselt, damit er nebenbei arbeiten könne. Von 1990 bis 2003 habe der BF1 in einem Stahlwerk gearbeitet. Im Anschluss habe er als selbständiger Sportinstruktor gearbeitet, wobei er Hilfstätigkeiten ausgeführt habe. Der BF sei im Besitz eines ukrainischen Führerscheins und hatte zwei Autos, die er beide verkauft habe. 3 oder 4 Monate vor seiner Ausreise sei sein Auto aufgebrochen worden, dabei habe er Geld, seine Geburtsurkunde und seinen Pass verloren. Einen neuen Pass ausstellen zu lassen, habe er zeitlich nicht mehr geschafft. Den Vorfall habe er jedoch bei der Polizei in XXXX angezeigt. Vor seiner Ausreise sei er selbständig gewesen und habe zwischen 1.000 und 3.000 USD/Monat verdient. Er habe Frässcheiben geschliffen, wobei er das Equipment von Firmenpleiten ersteigert, restauriert und weiterverkauft habe. Seine Eltern seien über 80 und würden in Aserbaidschan leben, wie seine drei Schwestern und seine beiden Brüder, die alle verheiratet seien und alle, bis auf eine Schwester, Kinder hätten. Im August 2014, nach dem Umsturz, hätte er zum ersten Mal daran gedacht, seinen Herkunftsstaat zu verlassen. Seine selbständige Tätigkeit habe er im Mai aufgegeben, weil die Geschäfte schlecht liefen. Im August 2014 habe er Waren aus XXXX nach XXXX bringen wollen. Er habe ausgemacht dort einen Teil seines Werkzeuges zu verkaufen. Der Wert seines gesamten Warenbestandes habe ca. 70.000 USD betragen. Die transportierte Ware, die ihm weggenommen worden sei, habe einen Wert von etwa 45.000 bis 50.000 USD gehabt. Er habe ca. 8 Kontrollposten der Ukrainer und der Separatisten passiert. In XXXX hätten zwei Polizisten und vier Militärs mit Maschinengewähren bei einem Kontrollposten sein Fahrzeug überprüft. Sie hätten alle Autos, nicht nur seines, überprüft und seine Ware ausgeladen. Der BF habe danach seine Dokumente zurückgewollt. Sie hätten ihm nur seinen Führerschein zurückgegeben und dann einen Offizier, der die Ware und Dokumente betrachtet habe, geholt. Der Offizier habe dann gesagt, dass er aus XXXX komme und ihm Fragen gestellt, wie er zu den Separatisten stehe, wie viel Geld und Waren er ihnen überlassen hätte. Die Ware sei dann konfisziert und für den Krieg verwendet worden. Es sei ein ukrainischer Posten und kein Posten der Separatisten gewesen. Die letzten drei Jahre habe er in XXXX an der bereits angegebenen Adresse gewohnt. Es sei ein vierstöckiges Gebäude in Hanglage mit zwei Zimmern, einer Küche, einem Bad, WC und einem Balkon, das ihm gehöre. Derzeit würden irgendwelche Leute in der Wohnung wohnen.
Hinsichtlich seiner Fluchtgründe brachte er vor, dass in XXXX zum Zeitpunkt seiner Ausreise Krieg geherrscht habe, weshalb sie die Ukraine verlassen hätten. Ihm sei fast alles weggenommen worden, keiner habe ihm zuhören wollen. Nach dem Vorfall mit der Ware, habe er Anzeige erstatten wollen, es habe jedoch Gesetzlosigkeit geherrscht. Polizisten hätten gesagt, sie könnten nicht helfen, würden aber jemanden holen. Sie hätten gesagt, es würde jemand von der SBU kommen. Es sei auch jemand gekommen, der ihn verhört habe und ihn zu seinen Verbindungen zu den Separatisten gefragt habe. Sie hätten ihn ausgezogen und nach Abdrücken gesucht, die man vom ständigen Tragen eines Gewehres bekomme. Er sei dort 3 Stunden gewesen und am Ende wäre ihm gesagt worden, dass er seine Ware vergessen solle, diese würde für Militäroperationen genutzt werden. Die beiden von der SBU hätten rote Dienstausweise gehabt und hätten ihn wieder gehen lassen. Das sei in XXXX gewesen, wobei er anschließend nach Hause gefahren sei. Übernachtet habe er in XXXX , das sei gegen 22 Uhr gewesen und es habe Ausgangssperre geherrscht. Nach XXXX seien es noch 40 km gewesen und er habe das Auto stehen gelassen, um Übernachtungsmöglichkeiten zu finden. Es habe Krieg geherrscht und die Stadt sei beschossen worden. Er habe keine Übernachtungsmöglichkeit finden können, die Leute hätten Angst gehabt und ihn nicht aufgenommen, weil sie gedacht hätten, dass man denken könnte, sie würden einen Separatisten verstecken. Er sei zu seinem Auto zurückgegangen am nächsten Morgen und habe er Leichen gesehen. Bei einer Rückkehr würde er um sein Geld und seine Waren kämpfen. Die Beamten hätten gesagt das nächste Verhör würde 8-10 Stunden dauern, das werde er ohne Medikamente nicht überstehen und er würde sterben. Er sei nicht in der Lage in einem Verein tätig zu sein, besuche aber trotzdem einen Deutschkurs, derzeit auf dem Niveau A2 und die Prüfung sei Ende September 2017. Der BF lebe von der Grundversorgung und sei nicht berufstätig.
5. Die BF2 gab bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 21.06.2017 an, dass es ihr gesundheitlich gut gehe und sie weder in ärztlicher Behandlung sei, noch Medikamente nehme. Sie spreche Russisch, Armenisch und Ukrainisch könne sie verstehen. Deutsch spreche sie auch gut, zumindest könne sie das, was sie sagen möchte, rüberbringen. Sie sei Staatsangehörige der Ukraine und gehöre der Volksgruppe der Armenier und den Zeugen Jehovas an. 2005 habe sie XXXX geheiratet, 2007 seien sie wieder geschieden worden und sie habe zwei Kinder, XXXX (Anm.: BF3) und XXXX , geb. XXXX . Ihre Tochter sei ukrainische Staatsangehörige, lebe in Russland und sei Managerin eines Friseursalons. Die BF2 sei in XXXX geboren, hätte von 1992 bis 2014 in der Ukraine gelebt und 1997 die ukrainische Staatsangehörigkeit bekommen. Im März 1992 habe sie XXXX in XXXX und 2005 den BF1 ebendort geheiratet. Ihr Sohn habe in der Ukraine die Vorschule besucht. Ihre Tochter habe den Kindergarten, die Schule und die Universität besucht. 2013 oder 2014 habe sie die Universität der angewandten Kunst in XXXX abgeschlossen. Bis zu ihrem 15. Lebensjahr habe die BF2 in Aserbaidschan gelebt, als der Krieg 1988 ausgebrochen sei, seien sie nach Armenien geflüchtet und 1992 sei sie in die Ukraine gezogen. Ihre Eltern seien armenische Staatsangehörige. Ihre Dokumente seien ca. 2 Jahre vor ihrer Ausreise aus dem Auto ihres Mannes gestohlen worden. Sie habe von 1981-1991 die Hauptschule absolviert, aber keine Berufsausbildung. Sie habe vor der Schwangerschaft mit ihrem Sohn ca. 1 Jahr in einem Lebensmittellager mit angeschlossenem Lebensmittelgeschäft gearbeitet. Vor ihrer Ausreise habe sie in demselben Geschäft als Buchhalterin gearbeitet, sei jedoch am 30.04.2014 gekündigt worden. Danach habe sie im Sommer noch ein oder zwei Monate bei einem Gemüsestand am Markt gearbeitet. Ihre Eltern seien verstorben, ihre Brüder würden zusammen in Russland arbeiten, seien verheiratet und einer hätte eine Tochter. Die Familie eines Bruders würde in XXXX leben. Sie habe noch Tanten und Onkel in Armenien, einer ihrer Onkel würde in Russland leben. Im September 2014 als sich Bombenanschläge auch in ihre Region verlagerten und ihr Mann gesagt habe „wir müssen weg“, habe sie zum ersten Mal daran gedacht ihren Herkunftsstaat zu verlassen. Sie hätten schon zum ersten Mal an Ausreise gedacht, als der Krieg noch weit weg gewesen sei und sie die Bomben weit entfernt gehört hätten. Als die Fenster gezittert hätten, hätten sie sich entschlossen auszureisen. Die letzten drei Jahre vor ihrer Ausreise sei sie in XXXX , XXXX Oblast, aufhältig gewesen. Dabei handle es sich um eine 41m², zwei Zimmer Wohnung, die dem BF1 gehöre. Kontakt zu ihrem Ex-Ehemann habe sie nur mehr, wenn ihr Kind ihn besuchen wolle. Wegen ihrer Religion habe sie im Herkunftsstaat keine Probleme gehabt, jedoch mit ihrem Mann. Dieser habe gesagt, die BF2 dürfe in die Kirche gehen, aber nicht zu den Zeugen Jehovas.
Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe brachte sie vor, dass einer der wichtigsten Gründe der aufflammende Krieg gewesen sei, sowie die Erinnerungen an den Krieg in Aserbaidschan in ihrer Kindheit. Bei einer Rückkehr in die Ukraine fürchte sie, Bombenanschläge in der Nähe ihrer Stadt. XXXX seien jetzt von der Ukraine unabhängig, die Währung dort sei der Rubel. Es würden russische Gesetze gelten, weshalb die Zeugen Jehovas nicht akzeptiert seien. Ein weiterer Grund sei ihr Ex-Mann, der BF1. Nach der Scheidung habe sie bei ihrem Bruder gelebt, obwohl sie dort nicht lange habe bleiben wollen. Seine Familie habe gewollt, dass sie gehe, weshalb sie zu ihrem Ex-Mann zurückgekehrt und sie wieder zusammengekommen seien. Anschließend sei sie von ihm schwanger geworden und er habe ihr verboten zu den Versammlungen der Zeugen Jehovas zu gehen. Als sie Zeugen Jehovas gegrüßt habe, sei er aggressiv geworden und habe sie geschlagen. Als sie ihn habe verlassen wollen, habe er gesagt: „Du kannst gehen wohin du willst, aber der Sohn bleibt bei mir“. 2015, als sie in Österreich gewesen seien, habe sie ihn dann verlassen, da sie ihn in der Ukraine nicht verlassen hätte können, weil es ihr finanziell nicht möglich gewesen sei. Sie habe in der Ukraine in einem Zentrum für Frauenrechte angerufen. Dort hätten sie gemeint, sie solle zur Polizei gehen. Das habe sie nicht gemacht, weil das nichts gebracht hätte. Sie sei auch 2012 nach XXXX gefahren und habe versucht dort Fuß zu fassen. Sie sei jedoch 2 Mal von den Vermietern betrogen worden, weshalb sie ihren Mann habe bitten müssen sie abzuholen, sonst wären sie obdachlos gewesen. Was sie jetzt in der Ukraine erwarten würde, wisse sie nicht. Sie hätte dort keine Unterkunft. In Österreich gehe sie zu Versammlungen der Zeugen Jehovas, davor habe sie die Kurse der Baptisten für Flüchtlinge besucht. Zu den Zeugen Jehovas sei sie 1998 gekommen. Ihr Mann habe ihr verboten dorthin zu gehen, weshalb sie bis 2008 nicht dort gewesen sei. Erst hier, 2015, habe sie wieder angefangen. Sie lebe von der Grundversorgung und arbeite derzeit nicht. Sie würde in Zukunft jedoch arbeiten wollen. In der Ukraine wäre sie Bedrohungen von Seiten ihres Mannes ausgesetzt, weil er dort viele Bekannte habe, die sich an ihr rächen und ihr ihren Sohn wegnehmen könnten. Er habe dort viele Bekannte, möglicherweise müsse er zurückkehren. Er habe ihr hier schon mit dem Jugendamt gedroht.
Der minderjährige BF3 wurde aufgrund seines kindlichen Alters nicht einvernommen.
Der BF1 brachte erstinstanzlich folgende Unterlagen in Vorlage:
? Ukrainischer Personalausweis;
? Konvolut an Kopien mehrerer Medikamente;
? Prüfungszeugnis A1 des ÖIF vom 14.12.2016 über die bestandene Prüfung;
? Teilnahmebestätigung von 27.03.2017 des Vereins XXXX , über die Teilnahme an einem Deutschkurs A2/1 von 30.01.2017 bis 27.03.2017;
? Teilnahmebestätigung vom 20.06.2017 des Vereins XXXX , über die an einem Deutschkurs A2/1 von 21.04.2017 bis 20.06.2017;
? Teilnahmebestätigung vom 12.03.2015 des Vereins XXXX , über die Teilnahme an einem Deutschkurs für AsylwerberInnen – Stufe 1 von 20.01.2015 bis 12.03.2015;
? Teilnahmebestätigung vom 09.12.2015 des Vereins XXXX , über die an einem Deutschkurs für AsylwerberInnen – Stufe 1 von 19.10.2015 bis 09.12.2015;
? Teilnahmebestätigung vom 06.12.2016 des Vereins XXXX , über die Teilnahme an einem Deutschkurs Stufe A1/2 von 10.10.2016 bis 06.12.2016;
? Teilnahmebestätigung vom 30.05.2016 des Vereins XXXX , über die Teilnahme an einem Deutschkurs für AsylwerberInnen – Stufe 2 von 04.04.2016 bis 30.05.2016;
? Teilnahmebestätigung vom 09.03.2016 des Vereins XXXX , über die an einem Deutschkurs für AsylwerberInnen – Stufe 1 von 18.01.2016 bis 09.03.2016;
? Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX vom 11.01.2016 betreffend den Gesundheitszustand;
? Therapieplan der XXXX GKK betreffend den BF1 vom 16.12.2014;
? Therapieplan der XXXX GKK betreffend den BF1 vom 20.10.2015;
? Konvolut an Befunden von Dr. XXXX vom 05.08.2015;
? Ärztliche Bestätigung von Dr. XXXX vom 15.12.2015;
? Ärztliche Bestätigung von Dr. XXXX vom 03.06.2015;
? Ärztliche Bestätigung von Dr. XXXX vom 09.12.2015;
? Ärztliche Bestätigung von Dr. XXXX 06.10.2014;
? Arztbrief des AKH XXXX betreffend des stationären Aufenthalts vom 03.06.2015;
? Ambulanzbefund vom 04.07.2015 des KH XXXX ;
? Medizinische Unterlagen in ukrainischer Sprache;
? Labor Befund vom 04.07.2015;
? Arztbrief vom 05.08.2015 von Dr. XXXX ;
? Befund vom 07.11.2014 der Radiologie XXXX ;
? Arbeitsbuch auf Ukrainisch;
? Pensionsausweis auf Ukrainisch;
? Diplom der Metallurgie-Akademie auf Ukrainisch;
? Schulabschlusszeugnis für 10 Klassen auf Ukrainisch;
? Schreiben vom 19.01.2016 des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX betreffend das Sachverständigengutachten vom 11.01.2016;
? Ärztliche Bestätigung vom 07.01.2016 von Dr. XXXX ;
? Arztbrief vom 17.05.2017 des Dr. XXXX ;
? Bestätigung vom 26.08.2017 des Herrn XXXX ;
? Überweisungsschein vom 04.09.2017 des Dr. XXXX in die Nuklearmedizin
? Inlandsreisepass samt Übersetzung;
Die BF2 brachte erstinstanzlich folgende Unterlagen in Vorlage:
? Ukrainischer Personalausweis;
? Heiratsurkunde mit Übersetzung;
? Scheidungsurkunde mit Übersetzung;
? Geburtsurkunde auf Ukrainisch;
? Arbeitsbuch auf Ukrainisch;
? ÖSD Karte über die bestandene Prüfung auf Sprachniveau A2;
? Teilnahmebestätigung vom 03.08.2016 des „ XXXX “ an der Grundkompetenz Deutsch B1 von 18.05.2016 bis 03.08.2016;
? Teilnahmebestätigung vom 12.03.2015 des Vereins XXXX über die Teilnahme an einem Deutschkurs für AsylwerberInnen – Stufe 1 von 20.01.2015 bis 12.03.2015;
? Teilnahmebestätigung vom 06.12.2016 des Vereins XXXX über die Teilnahme an einem Deutschkurs – Stufe A2/2 von 11.10.2016 bis 06.12.2016;
? Prüfungszeugnisse über das Bestehen der Sprachprüfung auf dem Nivea A1 und A2 vom 11.11.2016 und vom 15.12.2016;
? Bestätigung vom 14.06.2017 über ihre Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas;
? ÖSD Zertifikat der BF2 hinsichtlich der bestandenen Sprachprüfung Niveau A2 vom 17.01.2017;
? ÖIF Prüfungszeugnis A2 vom 15.12.2016; ÖIF-Prüfungszeugnis A1 vom 11.11.2016;
? Bestätigung vom 16.06.2017 des Gewaltschutzzentrum XXXX ;
? Übersetzung des ukrainischen Inlandsreisepasses;
? Ukrainische Steuerkarte vom 16.05.2006 samt Übersetzung;
? Bestätigung der Caritas über die ehrenamtliche Tätigkeit;
? Diverse Unterstützungsschreiben;
Für den BF3 wurden erstinstanzlich folgende Unterlagen in Vorlage gebracht:
? Geburtsurkunde samt Übersetzung;
? Beobachtungen der Klassenlehrerin vom 07.10.2017;
? Kurzbericht der Direktorin der VS;
? Schulnachricht der VS Schuljahr, 2016/17;
? Jahresinformation der VS, Schuljahr 2016/17;
? Schulbesuchsbestätigung VS, Schuljahr 2015/16;
? Schulnachricht VS, Schuljahr 2015/16;
? Schulbesuchsbestätigung Vs, Schuljahr 2015/16;
? Urkunde vom 08.07.2016 der VS;
? Ehrenurkunde vom 11.901.2016 der VS;
6. Mit ergänzender Stellungnahme, beim BFA eingelangt am 11.09.2017, brachte der BF1 im Wesentlichen vor, dass die Person, die mit ihm am 28.08.2017 das Interview vor dem BFA geführt habe, die Stimme gegen ihn erhoben und ihn gezwungen habe ein Schriftstück in ukrainischer Sprache zu unterschreiben, welches weder er, die Referentin des BFA, noch der Dolmetscher ausreichend verstanden hätten. Die Referentin habe sich geweigert ihm den Sinn des Dokuments zu erklären und habe sie auf unterschiedliche Weise, auch mit Drohungen gefordert, dass er dieses Dokument unterschreiben solle. Das habe den BF1 zu einem nervlichen Zusammenbruch gebracht und Stress für sein Herz ausgelöst, weshalb sich im Laufe der folgenden Tage sein Gesundheitszustand verschlechtert habe. Die Mitarbeiter der SBU, die er bei seiner Einvernahme erwähnt habe, hätten ihn gefoltert als er sich an das BFA mit der Bitte um Hilfe gewandt habe. Sie hätten ihm auch gedroht ihn wieder zu foltern, sollte er sich an andere Stellen in der Ukraine wenden, um seine Rechte zu verteidigen. In diesem Zusammenhang verweist der BF auf einen UNO Bericht aus 2016, wonach die SBU unbegrenzte Macht besäße, weitgreifende Befugnisse in der Ukraine habe, Menschenrechte verletzte, Menschen foltere und sie an gesetzwidrigen Orten festhalte, wobei die Mitarbeiter der SBU dafür keinerlei Verantwortung trügen. Er sei bereits Folterungen, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlungen, sowie Todesdrohungen von Seites der SBU, MWD und Soldaten der ukrainischen Armee ausgesetzt gewesen. Er sei Invalide und habe bereits zwei Herzinfarkte gehabt, ein dritter führe bei Menschen zum Tod. Er schaffe es nicht mehr jene Schikanen zu überleben, könne und wolle nicht in die Ukraine zurück. Er lebe seit drei Jahren in Angst zu sterben, wenn er in die Ukraine geschickt werden sollte und habe Angst um das Leben seines Sohnes und seiner Frau. Im August 2014 habe ihm die ukrainische Regierung, durch die ukrainische Armee (WSU) und Mitarbeiter der MWD am Kontrollposten XXXX Ware im Wert von 45.000 bis 50.000 USD weggenommen. Dabei hätten sie gesagt, dass es für die Antiterroroperation sei. SBU und MWD hätten sich geweigert in dieser Sache zu ermitteln und ihn zu schützen. Als er sich an die Polizei gewandt habe, hätten diese sich geweigert eine Anzeige entgegen zu nehmen. Es seien Mitarbeiter der SBU in das Polizeirevier gekommen, hätten ihn in ein Zimmer gebracht und 3 Stunden befragt. Sie hätten wissen wollen, wie er zu den Separatisten stehe, hätten ihn gezwungen sich auszuziehen, über seine Invalidität gelacht und ihm verwehrt seine Medikamente zu nehmen und Wasser zu trinken. Sie hätten gesagt, dass sie sehen wollen würden, wie lange es ein Invalide in einer Stresssituation, ohne Medikamente und Wasser aushalte. Sie würden mit einem Invaliden, den niemand brauche, ein Experiment durchführen. Sie hätten den BF1 bis zu einem Herzanfall gebracht und anschließend gesagt, er solle diesen Vorfall vergessen sowie sich an niemanden in XXXX wenden, weil er mit seinem Gesundheitszustand beim nächsten Verhör sterben könne. Er hätte verstanden, dass er aus diesem Land ausreisen müsse, wenn er und seine Familie überleben wollten.
6.1. Mit Aktenvermerk vom 13.09.2017 führte die belangte Behörde aus, dass in Anschluss an die Asyleinvernahme eine HRZ-Befragung durchzuführen gewesen sei, weil keinerlei Asylrelevanz des Fluchtvorbringens während der Einvernahme hervorgekommen sei. Diese Vorgangsweise stehe im Einklang mit einer Weisung der Teamleiterin. Während der vorangehenden Einvernahme des BF1 im Asylverfahren seien ihm sämtliche Belehrungen rückübersetzt worden. Die HRZ Befragung bestehe im Ausfüllen eines entsprechenden Formulars. Dem BF1 sei erklärt worden, dass er dieses ausfüllen müsse, weil im Falle einer negativen Entscheidung ein Reisedokument benötigt werde, da kein Auslandsreisepass vorliege. Dies sei von der Referentin drei Mal erklärt worden. Dennoch habe der BF1 das Ausfüllen und Unterschreiben verweigert, weshalb die Referentin ihn auf seine Mitwirkungspflicht aufmerksam gemacht habe. Aus Rücksicht auf seine Erkrankung sei die Diskussion nach dem dritten Erklärungsversuch nicht fortgeführt worden. Da der BF1 angemerkt habe, er kenne sich nicht aus, weil das Formular auf Ukrainisch sei und er das nicht gut verstehe, habe die Referentin einen Ausdruck der deutschen Version für die Ukraine angefertigt und den Dolmetscher angewiesen dieses auf Russisch zu übersetzen. Dennoch habe der BF1 sich geweigert das Formular auszufüllen. Eine Niederschrift der Nichtmitwirkung sei angefertigt und vorgelegt worden, wobei er sich auch geweigert habe diese zu unterschreiben.
7.1. Mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde (BFA) vom 21.09.2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
7.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer und zur Lage in ihrem Herkunftsstaat und führte rechtlich aus, dass die Ausführungen zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft gewesen seien bzw. diese keine Asylrelevanz hätten. Es hätte keine Verfolgung im Konventionssinn glaubhaft gemacht werden können. Des Weiteren könnten sich die Beschwerdeführer als ukrainische Staatsangehörige, jederzeit in einem anderen Teil der Ukraine niederlassen. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass den Beschwerdeführern im Falle der Rückkehr eine Verfolgung drohen würde.
7.3. Beweiswürdigend führte das BFA in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen aus, dass deren Fluchtgründe nicht glaubhaft dargelegt werden konnten und dass die Behauptung, die BF2 könne ihren Glauben in der Ukraine nicht frei ausleben, widerlegt sei.
7.4. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hätten. Es ergebe sich auch keine Gefährdungslage nach § 8 AsylG und erscheint eine Rückkehr in die Ukraine zumutbar und gerechtfertigt. Zudem stünde ihnen eine innerstaatliche Fluchtalternative offen.
7.5. Demnach – so die belangte Behörde – könnten die von den Beschwerdeführern behaupteten Fluchtgründe nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus führen. Aus deren Vorbringen sei nichts ersichtlich, das im Falle ihrer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Es seien im Verfahren keine Ansatzpunkte einer fortgeschrittenen Integration der Beschwerdeführer in Österreich hervorgekommen, zwar hätten sie Deutschkurse besucht und Zertifikate vorgelegt, würden sich jedoch weder vereinsmäßig betätigen, noch gingen sie einem Erwerb nach. Aus diesen Gründen überwiege das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber dem privaten Interesse der Beschwerdeführer an einem Verbleib in Österreich, sodass eine Rückkehrentscheidung zulässig wäre.
8. Mit Verfahrensanordnung vom 22.09.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
9.1. Mit fristgerecht am 11.10.2017 eingebrachten Schriftsatz vom 09.10.2017, wurde für den BF1 durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA, zugestellt am 26.09.2017, in vollem Umfang erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF1 wohlbegründete Furcht aufgrund der Vorkommnisse, der Demütigung und Drohungen in seinem Heimatstaat unter anderem wegen der ihm unterstellten politischen Gesinnung verfolgt zu werden, vorgebracht habe. Die belangte Behörde hätte dem BF den Status des Asylberechtigten zuerkennen müssen. Die Behörde habe unterlassen in wesentlichen Punkten ordentlich zu ermitteln. Die Feststellung der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des BF1 basiere auf unschlüssiger Beweiswürdigung und mangelhafter Sachverhaltsermittlung und verletzte § 60 AVG. Bei gesetzmäßiger Führung des Ermittlungsverfahrens hätte sie das Vorbringen zu entscheidungsrelevanten Tatsachen erhoben und dem BF1 nach mängelfreier Beweiswürdigung die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen müssen. Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens habe das BFA eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen. Der Annahme der belangten Behörde stehe entgegen, dass die Behörde einerseits angebe, dem Vorbringen des BF1 Glauben zu schenken, andererseits behaupte sie, dem Vorbringen sei kein Glaube zu schenken. Die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens begründe sie damit, dass der BF erst nach erfolgter Rückübersetzung angegeben habe, er sei von Mitarbeitern des SBU verhört worden. Das würde nicht stimmen. Wie aus dem Protokoll S. 11 des Bescheides hervorgehe, sei bereits bei der erstmaligen Schilderung der Fluchtgründe das Verhör durch den ukrainischen Geheimdienst angegeben worden. Bei der Rückübersetzung sei lediglich die Zahl der Kontrollposten korrigiert worden. Die Folter habe darin bestanden, dass der BF1 während der Zeit seines Verhörs gedemütigt worden sei und weder trinken noch lebenswichtige Medikamente zu sich nehmen habe dürfen. Daraus ergebe sich noch kein gesteigertes Vorbringen, da der BF1 diese Angaben auch bei seiner Einvernahme getätigt habe. Die Stellungnahme unterstreiche nur sein Vorbringen. Anzumerken sei, dass der BF1, nicht wie im Bescheid fälschlich angeführt, einen Herzinfarkt erlitten habe, sondern einen Schlaganfall. Er habe sowohl in der Stellungnahme, als auch seiner Einvernahme angegeben, dass er 3-4 Stunden verhört worden sei und keine Medikamente bekommen habe. Es handle sich auch hier um kein gesteigertes Vorbringen, welches die Glaubwürdigkeit des BF beeinträchtigen könne. Der eigene Reisepass des BF1 sei ihm vor 2-3 Monaten aus dem Auto gestohlen worden. Wenn die Behörde bei sofortiger Korrektur der Größe des Grundstücks der Eltern des BF1 Rückschlüsse auf seine Glaubwürdigkeit ziehe, sei dies nicht nachvollziehbar. Auch die beschriebene „eindeutige Körpersprache“ sei völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Zudem lasse ein Grinsen, das sich auf die Lebensumstände der Eltern beziehe, keine Schlüsse auf Unglaubwürdigkeiten zu. Bereits zu Beginn habe der BF1 angegeben, dass er an Gedächtnisstörungen leide, darauf sei die Behörde in keinem Punkt eingegangen. Er verfüge auch in keinem Teil der Ukraine über Verwandtschaft. Wenn die Behörde ausführt, es befänden sich dort die Ex-Frau und der Adoptivsohn des BF1, sei dazu auszuführen, dass er keinen Kontakt mit ihnen pflege. Dazu sei der BF1 auch nie befragt worden und würden sich alle Verwandten in Aserbaidschan befinden. Wie die Behörde darauf komme, dass der BF1 im Falle seiner Rückkehr durch Geldtransferdienste seiner Verwandten in Aserbaidschan finanzielle Unterstützung erhalten könne, sei unerklärlich. Die Behörde gehe davon aus, der BF1 könne von seiner Pension in der Ukraine leben, ohne ermittelt zu haben, wie viel diese ausmache und, ob er davon leben könne. Sie würdige auch in keinster Weise die Angaben des BF1, wonach seine Wohnung von Separatisten beschlagnahmt worden sei. Außerdem verkenne sie, dass der SBU ihn verdächtige in Verbindung mit Separatisten zu stehen, weshalb ihn eine Verfolgung seiner Interessen als Eigentümer der beschlagnahmten Waren, erneut in das Visier des Geheimdienstes rücken würde, von dem ihm weitere Folter angedroht worden sei. Daher gerate der BF1 in eine ausweglose Lage, die jede Existenzgrundlage entziehe. Dass die Fluchtgeschichte nachvollziehbar sei, sei auch den Länderfeststellungen zu entnehmen, wonach auf S. 32 und 36 ausgeführt werde, dass es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen durch den SBU komme, speziell werde von Folter, Verschwindenlassen, willkürlicher Inhaftierung berichtet, insbesondere wenn das Opfer verdächtigt werde pro-separatistisch eingestellt zu sein. Obwohl Folter laut Verfassung und Gesetzen in der Ukraine verboten sei, gäbe es Berichte, dass Sicherheitsbehörden solche Praktiken anwenden. Die belangte Behörde habe weder den Sachverhalt ordentlich ermittelt, noch das Vorbringen unter ausreichender Berücksichtigung aktueller, fallbezogener Länderberichte gewürdigt. Sie habe keine gebotene ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens des BF1 vorgenommen. Das Vorbringen des BF sei wahr und nachvollziehbar, wie auch den Länderfeststellungen zu entnehmen sei. Bei richtiger Beurteilung hätte die Behörde dem Asylantrag stattgeben und feststellen müssen, dass der BF Flüchtling sei. Es würden auch keine Ausschlussgründe nach Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK vorliegen. Bei einer Rückkehr würde der BF1 in eine lebensbedrohliche Notlage geraten. Diesbezüglich habe die Behörde keinerlei Ermittlungen getätigt und lediglich unschlüssige Vermutungen angestellt, die bereits widerlegt worden seien. Der BF1 wohne im Krisengebiet, ihm sei jede Existenzgrundlage genommen worden, seine Wohnung sei beschlagnahmt worden und er habe keine Verwandten, die ihn unterstützten würden. Seine Pension sei völlig unzureichend und er sei aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigung nicht arbeitsfähig. Die Behörde habe sich mit dem Vorbringen des BF1, wenn überhaupt, nur oberflächlich auseinandergesetzt und vorgefertigte nicht passende Textbausteine verwendet, weshalb der Bescheid bereits aus diesem Grund rechtswidrig sei. Zudem sei die Gesundheit und das Leben des BF gefährdet. Der BF sei herzkrank und bereits mehrmals am Herzen operiert worden. Eine Rückkehrentscheidung würde einen unzulässigen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen. Der BF besuche regelmäßig Deutschkurse, habe viele österreichische Freunde und interessiere sich für die österreichische Geschichte. Es seien auch Verfahrensfehler unterlaufen, nämlich das Recht auf Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens und dem Recht auf klage Begründung des Bescheides. Beantragt wurde von Beschwerdeseite, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG – gegebenenfalls nach berichtigender Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts – den oben bezeichneten Bescheid zur Gänze aufheben und dem BF Asyl gemäß § 3 AsylG gewähren; 2.) dem BF für den Fall der Abweisung der Beschwerde gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkennen und Spruchpunkt III. aufheben, in eventu; 3.) feststellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 VFA-VG unzulässig ist und daher die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 Abs. 1 AsylG vorliegen und ihm daher gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen ist, in eventu; 4.) gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen; 5.) gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
9.2. Mit für die BF2 und den BF3 gleichlautendem fristgerecht am 11.10.2017 eingebrachten Schriftsatz vom 10.10.2017, wurde durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter für die BF2 und den BF3 gegen die gegenständlichen Bescheide des BFA, zugestellt am 27.09.2017, in vollem Umfang Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF aus der Ostukraine, aus XXXX kommen würden und vor den Kriegszuständen geflüchtet seien. Zusätzlich sei die BF2 der ständigen Bedrohungen und massiver Gewalt durch ihren Ex-Mann unterlegen, mit dem sie zwar gemeinsam das Land verlassen, von dem sie sich aber nunmehr endgültig getrennt habe. Da die Misshandlungen durch ihn schon kurz nach der Eheschließung begonnen hätten, habe sie sich 2007 von ihm scheiden lassen. Aus einer Notlage heraus, weil sie bei ihrem Bruder nicht länger habe wohnen können und von Obdachlosigkeit bedroht gewesen sei, sei sie zu ihm zurückgekehrt. Die Misshandlungen hätten sich fortgesetzt. Ein Grund sei auch das Bekenntnis der BF2 zum Glauben der Zeugen Jehovas gewesen, welches vom BF1 nicht akzeptiert und zum Anlass genommen worden sei, sie massiv zu schlagen, unter anderem auf den Kopf und den Rücken. Misshandlungen hätten regelmäßig ein bis zwei Mal pro Monat stattgefunden. Beleidigungen und Demütigungen hätten an der Tagesordnung gestanden. Der BF1 habe ihr auch mehrfach gedroht, durch seine Misshandlungen eine Fehlgeburt zu verursachen. Die Verbalangriffe hätten sich in Österreich fortgesetzt, zudem seien Drohungen hinzugekommen, der BF2 ihren Sohn wegzunehmen, sowie Drohungen mit Gewalt. Mit Unterstützung der Caritas und einer Wohnmöglichkeit, sei der BF2 schließlich die endgültige Trennung gelungen. Die Verfolgungsgefahr durch den BF1 sei stets aktuell und habe auch er einen negativen Asylbescheid bekommen. Der BF2 drohe bei einer Rückkehr massive Gewalt und Rache bis hin zum Umbringen durch den BF1, sowie die Entziehung ihres Kindes, den BF3. Ihm drohe ebenfalls Entführung und Gewalt. In der Ukraine bestehe dagegen keinerlei effektiver und tatsächlicher Schutz. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe den BF nicht zur Verfügung, da sie überall gefunden werden könnten, andererseits Leute aus der Region XXXX in der übrigen Ukraine mit Diskriminierungen zu rechnen hätten und daher nirgends Fuß fassen könnten. Der BF2 und dem BF3 sei daher Asyl zu gewähren. Wie aus den Länderberichten hervorgehe, sei die Region XXXX nach wie vor Krisenregion. Der Konflikt habe sich erneut verschärft und werden dabei Auszüge aus den Länderberichten zitiert. Mangels jeglicher sozialer Absicherung, weil sich die gesamte Familie der BF2 nicht in der Ukraine befinde, würde die BF2 und der BF3 in eine existenzielle Notlage geraten, weshalb ihr subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen wäre. Die BF2 habe auch bereits zahlreiche Integrationsunterlagen vorgelegt, die von der Behörde nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Sie habe mehrere Deutschkurse absolviert, könne sich problemlos im Alltag, sowie den Lehrerinnen ihres Sohnes, Nachbarn und bei Arztbesuchen auf Deutsch verständigen. Zudem habe sie von Beginn an bei der Caritas ehrenamtlich gearbeitet. Auch als Zeugin Jehovas sei sie sehr engagiert bei der Religionsausübung und besuche regelmäßig deren Gottesdienst sowie sonstige Treffen und gehe aktiv der Tätigkeit des Predigens nach. Dadurch habe sie soziale Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen. Der BF3 besuche die Volksschule in XXXX und habe dort bereits große Fortschritte, sowohl beim Erlernen der deutschen Sprache, als auch bei der Integration gemacht. Die Rückkehrentscheidung im Fall der BF2 und des BF3 würde daher einen unzulässigen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen. Wäre die Behörde ihrer amtswegigen Verpflichtung zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes nachgekommen, so hätte sie feststellen müssen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG vorliegen und den BF daher eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz von Amts wegen zu erteilen gewesen wäre. Die Behörde habe es trotz Vorbringens der BF2 unterlassen, Ermittlungen zu ihrer konkreten Situation und, ob effektiver und tatsächlicher Schutz für alleinstehende Frauen in der Ukraine bestehe, die sich von ihren gewalttätigen Männern getrennt hätten. Die belangte Behörde hätte jedenfalls überprüfen müssen, ob eine einstweilige Verfügung nach den §§ 382b oder 382e EO erlassen hätte werden können. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz sei jedenfalls erforderlich, damit die BF2 vor Verfolgungshandlungen ihres Ex-Mannes in der Ukraine geschützt werde. Dabei bestehe bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch und sei kein Ermessen einzuräumen. Beantragt wurde von Beschwerdeseite, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) die hier angefochtenen, oben bezeichneten Bescheide zur Gänze zu beheben und den BF Asyl zu gewähren, in eventu; 2.) falls ihnen kein Asyl gewährt werde, den BF den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Ukraine zuzuerkennen und den Spruchpunkt III. aufzuheben, in eventu; 3.) den BF den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ von Amts wegen zu erteilen, in eventu; 4.) festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und daher festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG vorliegen und den BF daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG von Amts wegen zu erteilen ist; 5.) den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben und zur Durchführung eines erneuten Verfahrens und Erlassung eines Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 und/oder 4 VwGVG an das Bundesamt zurückzuweisen; und jedenfalls 6.) zur gebotenen Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.
10. Die Beschwerdevorlagen vom 18.10.2017 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsgericht am 19.10.2017 ein.
11.1 Mit Schriftsatz vom 03.03.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführern aktuelle Feststellungen zur Situation in ihrem Herkunftsstaat (Länderinformationsblatt Ukraine, Gesamtaktualisierung vom 29.05.2019, letzte Kurzinfo eingefügt am 30.08.2019) und wurde ihnen Gelegenheit eingeräumt, dazu innerhalb von 10 Tagen hg. einlangend Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern die Ladung für die mündliche Verhandlung am 26.03.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt. Die Verhandlung wurde mit Schriftsatz vom 16.03.2020 aufgrund der Coronavirus-Pandemie abberaumt.
11.2. Mit Schriftsatz vom 12.03.2020 beantragte die BF2 vor dem BVwG von ihrem Ex-Mann getrennt befragt zu werden.
11.3. Mit Schriftsatz vom 18.05.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführern aktuelle Feststellungen zur Situation in ihrem Herkunftsstaat (Länderinformationsblatt Ukraine, Gesamtaktualisierung vom 29.05.2019, letzte Kurzinfo eingefügt am 30.08.2019) und wurde ihnen Gelegenheit eingeräumt, dazu innerhalb von 10 Tagen hg. einlangend Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern die Ladung für die mündliche Verhandlung am 22.06.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
12. Am 22.06.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter der Beiziehung eines den Beschwerdeführern einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurden und an welcher diese auch teilnahmen. Der BF1 und die BF2 wurden dazu, wie von der BF2 beantragt, getrennt einvernommen.
Die Niederschrift lautet auszugsweise:
Befragung der BF2:
„RI: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort, Ihre Staatsbürgerschaft, sowie Ihren Wohnort in der Ukraine an dem Sie sich vor Ihrer Ausreise aufgehalten haben.
BF2: Mein Name ist XXXX . Ich bin am XXXX geboren in Aserbaidschan , in XXXX . Ich war verheiratet und habe, mehr als 20 Jahre in der Ukraine gelebt, in der Stadt XXXX , Gebiet von der Stadt XXXX . Ich bin ukrainische Staatsbürgerin.
RI: Schildern Sie mir bitte von wann bis wann Sie in welchem Land gelebt haben, wie oft und mit wem Sie verheiratet waren, wie viele Kinder Sie haben, welche wo wohnhaft sind.
BF2: Bis 1988 habe ich in XXXX gelebt. In dem Moment gab es den Karabagh Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien. Ich bin Armenierin von der Volksgruppe. Von Aserbaidschan bin ich nach Armenien gezogen, im Dezember 1988 mit meinen Eltern und meinen Geschwistern. Bis 1992 war ich dort, habe die Schule abgeschlossen und geheiratet. Ich habe XXXX geheiratet, seine Eltern waren ukrainischer und russischer Abstammung, sein Vater war Russe und seine Mutter Ukrainerin. Wir sind 1992 in die Ukraine gezogen. Er ist 2002, im Juli gestorben. Aus dieser Ehe haben wir eine Tochter. Sie heißt XXXX , sie ist 27 Jahre alt. Sie hat auch dort gelebt mit uns, in XXXX . Sie ist 2014 zu ihrer Tante nach Russland gefahren und ich hatte schon eine andere Familie. Die zweite Ehe war mit XXXX . 2005 haben wir geheiratet und 2007 haben wir uns wieder geschieden. 2009 kam unser Sohn auf die Welt. Wir sind alle zusammen geblieben in XXXX .
RI: Als Sie 2005 nochmal geheiratet haben, wo lebte zu dieser Zeit Ihre Tochter XXXX ?
BF2: Meine Tochter war mit uns. Mein neuer Mann war sehr aggressiv und meine Tochter ist zu ihrer Großmutter gezogen. Sie hat die Familie verlassen, wegen meines zweiten Ehemanns. Das war ungefähr ein halbes Jahr nach der Hochzeit.
RI: Sie haben sich 2007 scheiden lassen, haben aber weiter zusammengelebt?
BF2: Nach der Scheidung habe ich meinen eigenen Wohnraum nicht gehabt und ich bin zu meinem Bruder gezogen.
RI: Was geschah weiter?
BF2: Ich musste zurück zu meinem Exmann, weil ich habe mit meinem Bruder gelebt in der Wohnung der Schwiegermutter des Bruders und diese Schwiegermutter hat angedeutet, dass für mich kein Platz da ist. Ich hatte keine Arbeit und keine eigene Wohnung, und musste daher zurück zu meinem Exmann Hr. XXXX . Ich habe mit meinem Exmann abgesprochen, dass ich kurzfristig oder für eine bestimmte Zeit bei ihm wohnen kann, bis ich eine neue Arbeit oder Wohnung habe.
RI: Wie ging es weiter?
BF2: Er hat mich zu ihm gelassen und es kam so, dass wir gemeinsam gelebt haben und dann kam unser Sohn zur Welt.
RI: Das heißt, Sie blieben dann durchgängig bei Ihrem Exmann, bis Sie die Ukraine verlassen haben?
BF2: Ja.
RI: In der Zeit war das eine eheähnliche Beziehung?
BF2: Ich musste es aushalten. Ich kann nicht sagen, dass das eine gute Beziehung war, aber ich musste es erdulden.
RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volksgruppe- oder Sprachgruppe gehören Sie an?
BF2: Ich weiß nicht, wohin ich gehöre, aber von der Nationalität bin ich Armenierin und spreche Russisch.
RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Und wenn ja, welcher?
BF2: Ich bin Zeugin Jehovas.
RI: Seit wann sind Sie Zeugin Jehovas?
BF2: Seit 1998.
RI: Sind Sie seitdem Mitglied oder haben Sie sich nur dafür interessiert?
BF2: 1997 habe ich mit dem Unterricht begonnen und 1998 wurde ich offiziell als Mitglied anerkannt.
RI: Wann sind Sie das erste Mal mit den Zeugen Jehovas in Kontakt gekommen?
BF2: Ursprünglich habe ich dafür immer Interesse gehabt, aber die ganzen Religionsbücher waren in altslawischer Sprache geschrieben und diese Bücher kann man sehr schwer verstehen. Die Zeitschriften von den Zeugen Jehovas waren klar und logisch und die haben mich interessiert und wie es üblich ist, auf der Straße wurde ich von einer Frau angesprochen.
RI: Wann war das ca.?
BF2: Im Herbst 1997. Das war der erste Kontakt.
RI: Seit Sie in Österreich sind, sind Sie hier auch bei den Zeugen Jehovas Mitglied in einer Gemeinde und wenn ja, seit wann?
BF2: Es gab zwei Episoden. Seit 2016 bin ich offizielles Mitglied bei einer Zeugen Jehovas Gemeinde in Österreich. Die zweite ist, als ich mit meinem Exmann gelebt habe, wurde ich immer verfolgt und es wurde mir verboten, bei den Zeugen Jehovas zu sein. Ich wurde von meinem Exmann geschlagen in der Ukraine und er hat mir verboten, zu den Zeugen Jehovas zu gehen. Das war nicht einmalig, das kam öfters vor. Wenn er z.B. die Zeitschrift von den Zeugen Jehovas gesehen hat, oder er mich zufällig neben einer Person gesehen hat, wurde das der Grund für die Aggressivität. In Österreich war ich schon weg von ihm.
RI: Wenn Ihr Ex-Ehegatte, der BF1, Ihnen verboten hat, zu den Zeugen Jehovas zu gehen, war es Ihnen dann ab Eheschließung überhaupt möglich, Ihren Glauben bei den Zeugen Jehovas auszuüben?
BF2: Vor der Ehe, hat er nichts dagegen gehabt, dass ich