TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/2 W247 2217500-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2020
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Entscheidungsdatum

02.11.2020

Norm

AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

1.) W247 2217500-1/17E

2.) W247 2217495-1/9E

3.) W247 2217497-1/9E

4.) W247 2229632-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , alle StA. Ukraine und vertreten durch die XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 27.02.2019, Zl. XXXX , 2.) vom 27.02.2019, ZI. XXXX , 3.) vom 27.02.2019, ZI. XXXX und 4.) vom 10.02.2020, ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.10.2020, zu Recht:

A)

I.) In Erledigung der Beschwerden gegen die Spruchpunkte II. der angefochtenen Bescheide wird 1.) XXXX und 2.) XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, sowie 3.) XXXX und 4.) XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat UKRAINE zuerkannt.

II.) Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX und 4.) XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Die beschwerdeführenden Parteien (BF1-BF4) sind ukrainische Staatsangehörige und dem orthodoxen Glauben zugehörig. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) ist die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin (BF2), sowie des Drittbeschwerdeführers (BF3) und des Viertbeschwerdeführers (BF4).

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) reiste mit ihrer Tochter, der Zweitbeschwerdeführerin (BF2) spätestens am 13.07.2017 illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag für sich und ihre Tochter, als gesetzliche Vertreterin, Anträge auf internationalen Schutz, zu welchem die BF1 am 13.07.2017 vor der Landespolizeidirektion XXXX erstbefragt, sowie am 10.10.2017 und 19.02.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX , jeweils im Beisein eines der BF1 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH bzw. UKRAINISCH niederschriftlich einvernommen wurde. Die BF2 wurde aufgrund ihres kindlichen Alters nicht einvernommen.

2. Die BF1 brachte im Rahmen ihrer Erstbefragung am 13.07.2017 vor, dass ihr Vater bereits verstorben sei, sie im Herkunftsstaat jedoch noch über ihren Bruder verfüge. Mit ihr gereist sei ihre mj. Tochter und würde ihre Mutter, an einem ihr unbekannten Ort, in der EU leben. Zuletzt habe sie im Herkunftsstaat in XXXX gelebt. Den Entschluss zur Ausreise habe die BF1 im Jahr 2016 gefasst, ausgereist sei sie am 07.07.2017 mit verschiedenen Verkehrsmitteln und per Anhalter. Sie sei ohne Reisepass ausgereist, habe jedoch einmal einen gehabt, dieser sei inzwischen ungültig. Auf ihrem Weg sei sie durch Ungarn gereist, ein bestimmtes Reiseziel habe sie nicht gehabt. Ein weißer Kleinbus habe sie schließlich von Ungarn nach Österreich gebracht. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe gab sie an, dass ihr verstorbener Vater in XXXX ein kleines Autohandelsunternehmen gehabt habe. Am 22.05.2016 sei ihr Vater verunglückt und am 24.05.2016 begraben worden. Danach sei ihre Mutter von Leuten angerufen worden, wobei sie den Schaden für das Unfallauto hätte bezahlen sollen. Sie wisse das nicht sicher, denn die Leute hätten nur mit ihrer Mutter gesprochen. Am 26.05.2016 habe ihre Mutter zu ihr gesagt, sie sollten nach Wien reisen, was sie auch taten. An diesem Tag hätten sie gesehen, dass das Geschäft ihrer Mutter brenne. Als sie an die ungarische Grenze XXXX gekommen seien, sie hätten damals Pässe und ungarische Visa gehabt, habe der Fahrer gesagt, er nehme nur die BF1, oder ihre Mutter mit. Da die Tochter der BF1, die BF2, damals noch beim geschiedenen Mann der BF1 gewesen sei, sei die BF1 zurückgekehrt und ihre Mutter sei alleine weitergereist. Seither habe sie von ihrer Mutter nichts mehr gehört. Sie habe danach ca. ein Jahr in XXXX gelebt und in einem Haushalt mitgeholfen. Aus Angst, die Männer würden auch von ihr Geld verlangen, habe auch die BF1 ihr Land verlassen. Bei einer Rückkehr habe sie zwar keine Angst, sie wolle jedoch nicht mehr zurück. Für die BF2 würden dieselben Fluchtgründe gelten.

3. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 10.10.2017 vor dem BFA, gab die BF1 zusammenfassend an, dass sie und ihre Tochter gesund seien. Ihre Muttersprache sei Ukrainisch, sie spreche auch Russisch, aber nicht so gut. Aufgewachsen sei sie in der Westukraine. Dokumente habe sie keine und könne auch keine vorlegen. Sie sei in XXXX geboren, ukrainische Staatsangehörige, der ukrainischen Volksgruppe, dem orthodoxen Glauben zugehörig und geschieden. Wo ihre Mutter sei, wisse sie nicht. Sie sollte in Österreich sein, aber Kontakt habe sie mit ihr keinen. Sie habe noch einen Bruder, der seit eineinhalb Jahren im Krieg im Osten der Ukraine sei, zu ihm habe sie auch keinen Kontakt. Sie habe bis auf ihre Mutter, keine weiteren Verwandten in Österreich. Sie versuche Deutsch zu lernen und beschäftige sich mit ihrer Tochter. Soziale Kontakte zu Österreichern habe sie nicht, sie wohne in XXXX und lebe von der Grundversorgung. Weitere Kurse, eine Schule, Vereine oder eine Universität besuche sie nicht. Im Heimatland habe sie die Grundschule besucht und eine Lehre als Buchhalterin angefangen. Ihre Mutter habe nicht gearbeitet und sei arbeitslos gewesen. Zuletzt habe sie in XXXX im Dorf XXXX zusammen mit ihrer Mutter gewohnt. Am 10.07.2017 habe sie ihr Heimatland verlassen, wofür sie EUR 1.500 von ihrem Ersparten bezahlt habe. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe gab sie an, sie habe niemanden in der Ukraine und sie wolle ihre Mutter finden. Was passiere, wenn sie zurückreisen würde, wisse sie nicht. Die Entscheidung zur Ausreise habe sie gemeinsam mit ihrer Mutter getroffen. Ihre Mutter habe es geschafft, sie damals noch nicht. Ihr Vater sei Autohändler in XXXX gewesen und habe am 22.05.2016 einen Autounfall gehabt, bei dem er verunglückt sei. Die zweite Unfallpartei habe dann Geld von ihrer Mutter verlangt. Sie habe das Land verlassen, weil sie Angst gehabt habe, das Geld würde auch von ihr verlangt werden. Den Unfallgegner kenne sie nicht und sie habe selbst nie Kontakt zu diesem gehabt. In dem Jahr, in dem sie mit ihrer Tochter in der Ukraine verblieben sei, habe sie auch keinen Kontakt zu ihm gehabt. Ihr geschiedener Mann befinde sich auch seit einem halben Jahr im Krieg. Bei einer Rückkehr befürchte sie, dass auch von ihr Geld verlangt werde könnte und sie habe Angst vor diesen Leuten.

4. Der BF3 wurde am im Bundesgebiet nachgeboren und stellte die BF1, als seine gesetzliche Vertreterin, für ihn am 26.09.2018 schriftlich einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei die BF1 für den BF3 keine eigenen Fluchtgründe geltend machte.

5. Bei ihrer erneuten Einvernahme vor dem BFA am 19.02.2019 gab sie im Wesentlichen an, dass sie und ihre Kinder gesund seien und sie seit 2015 geschieden sei. Ihr geschiedener Mann, sei der Vater ihrer Tochter, sie habe jedoch keinen Kontakt zu ihm. Der Vater ihres im Bundesgebiet geborenen Sohnes, sei Afghane, zu dem sie ebenfalls keinen Kontakt habe. Er sei in Italien gewesen. Als das Kind geboren worden sei, habe er sich in Österreich aufgehalten, sei im Anschluss aber wieder verschwunden. Er heiße XXXX , den Nachnamen kenne sie nicht. Er habe in Österreich bereits eine negative Entscheidung, aber ein italienisches Visum, soweit sie wisse. Ihr Sohn sei am in XXXX geboren und habe dieselben Fluchtgründe, wie sie. Bei einer Rückkehr in die Ukraine hätte sie keine Bleibe. Nach dem Tod ihres Vaters, sei ihr und ihrer Mutter das Haus weggenommen worden, da ihr Vater Schulden gehabt habe. Ihr Vater habe in XXXX ein Business gehabt und bei Privatpersonen einen Kredit aufgenommen. Als er gestorben sei, habe der Kredit nicht zurückbezahlt werden können. Mit ihrer Mutter, , die sich in Wien befinde, habe die BF1 nur selten Kontakt. Die Mutter der BF1 sei Asylwerberin, sie wisse jedoch nicht, welchen Status sie habe. Ihren Reisepass habe die BF1 nicht mehr. Im Heimatland lebe noch ihr Bruder, er befinde sich jedoch im Krieg. In Österreich habe sie, bis auf ihre Mutter, keine weiteren Verwandten. In Österreich beschäftige sie sich mit ihren Kindern und lerne Deutsch. Soziale Kontakte zu Österreichern habe sie keine, Deutsch könne sie nur sehr wenig. Sie habe keine sozialen Kontakte oder Freunde. Am 12.02.2019 habe sie mit einem Deutschkurs begonnen, derzeit wohne sie in XXXX und lebe von der Grundversorgung. Die BF1 sei im Bundesgebiet wegen eines Diebstahls in einem Geschäft angezeigt worden. Im Heimatland habe sie nach der Berufsschule ihre Tochter bekommen, sie sei gelernte Buchhalterin. Seit ihrer letzten Einvernahme habe sich in Bezug auf ihre Fluchtgründe nichts geändert. Bei einer Rückkehr fürchte sie sich vor den Menschen, denen ihr verstorbener Vater Geld geschuldet habe und die ihnen zur Tilgung der Schulden das Haus weggenommen hätten. Diese Leute hätten ihr am 26.05.2017 gedroht sie umzubringen oder ihr ihre Tochter wegzunehmen. Das Haus sei ihnen vor einem halben Jahr weggenommen worden, das sei ihr von der Ehefrau ihres Bruders erzählt worden. Die Tür sei mit einer Plombe gesichert worden, sodass man das Haus nicht betreten könne. Bei der Ehefrau ihres Bruders könne sie jedoch nicht wohnen, weil sie nur eine kleine Wohnung und keinen Platz habe. Der Sohn ihres Bruders sei 7 Jahre alt und mit ihrer Schwägerin habe sie ca. alle 3 Monate Kontakt.

Die BF1 brachte erstinstanzlich folgende Unterlagen für sich und ihre Kinder in Vorlage:

?        Kopie der Geburtsurkunde des BF3, ausgestellt am 24.09.2018;

?        ZMR-Auszug betreffend den BF3 vom 24.09.2018;

?        Kopie der Aufenthaltsberechtigungskarte der BF1, Nr. XXXX ;

?        Kopie der Aufenthaltsberechtigungskarte des BF3, Nr. XXXX ;

?        Kopie der Geburtsurkunde des BF4, ausgestellt am 15.01.2019;

?        ZMR-Auszug betreffend den BF4 vom 18.01.2020;

?        Bericht des Landesklinikums XXXX vom 13.01.2020 betreffend der Geburt des BF4;

?        Aufenthaltsbestätigung des Landesklinikums XXXX vom 13.01.2020 betreffend die BF1;

?        ZMR-Auszug betreffend die BF1 und den BF3 vom 05.02.2019;

6. Der BF4 wurde am im Bundesgebiet nachgeboren und stellte die BF1 für diesen am 21.01.2020 schriftlich einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei sie für den BF4 keine eigenen Fluchtgründe geltend machte.

7.1. Mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde (BFA) vom 27.02.2019 (BF1-BF3) bzw. vom 10.02.2020 (BF4) wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

7.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer und zur Lage in ihrem Herkunftsstaat und führte rechtlich aus, dass die Ausführungen der BF zu den Fluchtgründen keine Asylrelevanz hätten. Eine Schutzunfähigkeit bzw. - unwilligkeit des Herkunftsstaates habe nicht festgestellt werden können. Es hätte keine Verfolgung im Konventionssinn glaubhaft gemacht werden können. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass den Beschwerdeführern im Falle der Rückkehr eine reale Gefahr einer Konventionsverletzung drohen würde. Eine Rückkehr sei der BF mit ihren Kindern zuzumuten. Sie verfüge über soziale Anknüpfungspunkte in der Ukraine und könnte Unterstützung bekommen. Es sei ihr zuzumuten mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und mit Unterstützung der Angehörigen den Lebensunterhalt zu sichern.

7.3. Beweiswürdigend führte das BFA in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen aus, dass die BF1 von einer persönlichen Bedrohung erstmals in ihrer Einvernahme vor dem BFA am 19.02.2019 zu berichten wusste und verschiedene Versionen zur Bedrohungssituation angegeben habe. Zunächst hätte sie berichtet, der Unfallgegner hätte Geld von ihrer Mutter verlangt, dann behauptete sie, dass ihre Mutter wegen der Schulden ihres Vaters bei Privatpersonen bedroht worden wäre. Anscheinend wisse sie gar nicht, warum Geld von ihrer Mutter verlangt worden sei.

7.4. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hätten. Es ergebe sich auch keine Gefährdungslage nach § 8 AsylG und erscheint eine Rückkehr in die Ukraine zumutbar und gerechtfertigt.

7.5. Demnach – so die belangte Behörde – könnten die von den Beschwerdeführern behaupteten Fluchtgründe nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus führen. Aus deren Vorbringen sei nichts ersichtlich, das im Falle ihrer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Es seien im Verfahren keine Ansatzpunkte auf vorliegende und besonders gewichtige private Interessen an einem Verbleib in Österreich hervorgekommen. Anhaltspunkte für eine Integrationsverfestigung seien nicht ersichtlich. Aus diesen Gründen überwiege das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber dem privaten Interesse der Beschwerdeführer an einem Verbleib in Österreich, sodass eine Rückkehrentscheidung zulässig wäre.

8. Mit Verfahrensanordnung vom 27.02.2019 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

9. Mit für die BF1-BF3 gleichlautendem fristgerecht am 26.03.2019 eingebrachten Schriftsatz vom 26.03.2019, wurde durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter für alle Beschwerdeführer Beschwerde gegen die gegenständlichen Bescheide des BFA, zugestellt am 04.03.2019, hinsichtlich der Spruchpunkte II., IV., V. und VI. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für die Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren mangelhaft gewesen sei, da sie ihrer gemäß §§ 37, 39 Abs. 2 AVG bestehenden, in § 18 Abs. 1 AsylG konkretisierenden Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht nachgekommen sei. Insbesondere habe sie nicht durch eigene Ermittlungsschritte daraufhin gewirkt, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht würden, welche zur Begründung des Antrags notwendig erscheinen. Die im Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig und teilweise unrichtig bzw. veraltet. So werde nichts zur Situation der alleinstehenden Frauen angeführt. Die Berichte seien durchwegs ein Jahr veraltet und würden Feststellungen zu den neuesten Entwicklungen fehlen, wohlgleich der Behörde diese aufgrund expliziten Parteivorbringens, bekannt sein hätten müssen. Zudem würden die Länderberichte von der schlechten Qualität und mangelnder Leistung in Hinblick auf die (medizinische) Versorgung und im Sozialsystem der Ukraine berichten. Auch die beweiswürdigenden Feststellungen der Behörde würden auf einer unschlüssigen und aktenwidrigen Beweiswürdigung, sowie einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung beruhen und würden § 60 AVG verletzen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, aktuelle und vollständige Länderberichte zu recherchieren, schon allein deshalb habe keine mängelfreie Beweiswürdigung erfolgen können. Bei gesetzmäßiger Führung des Ermittlungsverfahrens, hätte keine Rückkehrentscheidung erlassen werden dürfen. Die Bedrohung habe nicht im Jahr 2017, sondern im Jahr 2016 stattgefunden. Diesbezüglich, sei es hier offensichtlich zu einer kleinen Unschärfe gekommen. Aufgrund ganz natürlicher Unschärfen bedingt durch den Dolmetschprozess und die nicht wortwörtlich zu erfolgende Protokollierung sei nicht ausgeschlossen, dass dieser Fehler protokolliert worden sei. Bei Vornahme einer ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Vorbringens, wobei die Auseinandersetzung mit den Länderberichten nötig sei, könne mit dieser geringfügigen Unschärfe die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführer nicht schlüssig begründet werden. Bezüglich der angeblich unterschiedlichen Versionen des Vorbringens sei anzuführen, dass die BF1 bei ihrer ersten Einvernahme auf Russisch einvernommen worden sei, sie Ukrainisch allerdings deutlich besser verstehe. Aus diesem Grund sei es zu einem Missverständnis gekommen. Der Vater der BF1 sei ums Leben gekommen und habe Schulden für sein Business aufgenommen, welche von den Gläubigern verlangt würden. Die BF1 nehme an, dass die Schulden nicht endgültig getilgt seien und sie weiterhin Probleme mit den Gläubigern bekommen würde. Des Weiteren sei anzumerken, dass die Mutter der BF1 mit den Gläubigern telefoniert habe und die Familie bedroht worden sei. Ferner seien auch zwei Männer einmal bei ihnen in der Siedlung gewesen und hätten bedrohlich nach dem Geld gefragt. Die BF1 habe die Männer zwar gesehen, zu diesen jedoch keinen Kontakt gehabt, weil ihre Mutter mit ihnen gesprochen habe. Somit habe die BF1 einige Details nennen können. Die Behörde berücksichtige auch ihre eigenen Länderberichte unzureichend. So würden diese ausführen, dass auch am Arbeitsmarkt Probleme bestünden sowie Miet- und Betriebskosten massiv gestiegen seien. Die BF1 habe vorgebracht, dass sie Angst habe obdachlos zu werden, insbesondere ohne Haus und ohne hinreichende Versorgung und Unterstützung. Die Unterstützung alleinstehender Personen sei auch nicht dergestalt eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere, wenn man den Durchschnittslohn, ca. EUR 206, und das Existenzminimum von alleinstehenden Personen, EUR 59, miteinander vergleiche. Sozialleistungen und Renten würden zwar regelmäßig bezahlt, seien jedoch größtenteils sehr niedrig. Dies würde die Ängste der BF1 bestätigen. Die Beschwerdeführer könnten mit keiner Unterstützung Verwandter rechnen. Der Bruder der BF1 sei im Krieg und seine Frau habe nur eine winzige Wohnung und komme gerade selbst über die Runden. Die BF1 könne als alleinstehende Frau mit zwei Kindern ohne unterstützungsfähiges Netz und ohne entsprechende Versorgung durch den Staat ihr Leben nicht finanzieren. Ferner müsse sie noch mit Konsequenzen der Gläubiger rechnen und es sei anzunehmen, dass die die Schulden tilgen solle, was der BF1 keineswegs möglich sein werde. Die beweiswürdigenden Überlegungen seien offensichtlich von einer negativen Entscheidungstendenz geleitet gewesen, in sich unschlüssig, nicht nachvollziehbar und somit zur ordentlichen Bescheidbegründung iSd stRsp des VwGH ungeeignet. Zum Beweis dafür werde der Antrag auf neuerliche Einvernahme der BF1 und Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ergebe sich eine äußerst schwierige Lage für die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr. Es sei offensichtlich, dass den BF1-BF4 die (medizinische) Versorgung und die Unterstützung nicht zukommen könne und sie weiterhin bei der Unterkunftnahme, wie von den BF vorgebracht, Probleme hätten, ohne ausreichende Unterstützung vom Staat und ohne Unterstützungsnetzwerk. Unter diesen Umständen könne eine wirtschaftliche Existenzgrundlage für die BF1-BF4 nicht geschaffen werden. Im Falle einer Rückkehr könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführer in eine aussichtslose Lage geraten würden, insbesondere im Hinblick auf die Probleme mit den Gläubigern. Hätte die Behörde ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, hätte sie den BF den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Auch der Eingriff in das schützenswerte Privatleben der BF sei als unverhältnismäßig zu qualifizieren und daher auf Dauer unzulässig. Die BF würden sich seit Juli 2017 in Österreich befinden. Der BF3 sei sogar in Österreich geboren worden. Gerade das Alter (bei Einreise) sei in Hinblick auf die Aufenthaltsdauer besonders zu gewichten. Die BF1 habe auch ihre Mutter in Österreich. Außerdem seien die BF bemüht sich zu integrieren und gehe die BF1 einmal pro Woche in einen Deutschkurs. Die BF2 gehe in die Schule in XXXX und spreche schon recht gut Deutsch. Sie habe einige Freundinnen, gehe schwimmen und singen. Die Rückkehrentscheidung hätte sohin für dauerhaft unzulässig erklärt werden müssen.

Beantragt wurde von Beschwerdeseite, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) jedenfalls eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG durchführen, 2.) den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes II. beheben und den BF1-BF4 den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG Abs. 1 Z 1 zuerkennen, in eventu 3.) den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes III. aufheben bzw. dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung aufgehoben, die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und den BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilen; in eventu 4.) den angefochtenen Bescheid – im angefochtenen Umfang – ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

Spruchpunkt I. und III. der Bescheide der BF1-BF3 erwuchsen in Folge dessen am 02.04.2019 in Rechtskraft.

Für den BF4 wurde fristgerecht am 06.03.2020 mit Schriftsatz vom selben Tag, durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA, zugestellt am 13.02.2020, hinsichtlich der Spruchpunkte II., IV., V. und VI. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den BF4 günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, eingebracht. Im Wesentlichen wird darin auf die Beschwerde der BF1-BF3 verwiesen und ebenso beantragt das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) jedenfalls eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG durchführen, 2.) den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes II. beheben und den BF1-BF4 den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG Abs. 1 Z 1 zuerkennen, in eventu 3.) den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes III. aufheben bzw. dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung aufgehoben, die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und den BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilen; in eventu 4.) den angefochtenen Bescheid – im angefochtenen Umfang – ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

Spruchpunkt I. und III. des Bescheides des BF4 erwuchs in Folge dessen am 13.03.2020 in Rechtskraft.

10. Die Beschwerdevorlagen vom 10.04.2019 (BF1-BF3), sowie vom 13.03.2020 (BF4) und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsgericht am 15.04.2019 (BF1-BF3), sowie am 13.03.2020 (BF4) ein.

11. Am 05.10.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter der Beiziehung eines den Beschwerdeführern einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die ukrainische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurden und an welcher diese auch teilnahmen. (Da die BF1 ( ) gemeinsam mit Ihrer Mutter ( ) geladen war, wurde ihre Mutter im VH-Protokoll als BF1 angeführt, und die Tochter ( ) als BF2).

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

„[…]RI: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort, Ihre Staatsbürgerschaft, sowie Ihren Wohnort in der Ukraine an dem Sie sich vor Ihrer letzten Ausreise aufgehalten haben.

BF2: Mein Name ist , ich bin am in der Stadt XXXX , in der Ukraine geboren. Ich bin Staatsangehörige der Ukraine. Zuletzt habe ich bei der Frau meines Bruders in der Stadt XXXX für ein Jahr gewohnt.

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volksgruppe- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF2: Ich bin Ukrainerin und meine Muttersprache ist Ukrainisch.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Und wenn ja, welcher?

BF2: Ich bin Orthodox.

RI: Haben Sie Dokumente oder Unterlagen aus der Ukraine, welche Ihre Identität beweisen? Wenn ja, welche?

BF2: Nein, habe ich nicht.

RI: Haben Sie jemals einen Reisepass besessen? Wenn ja, wo befindet sich dieser nun?

BF2: Ja, früher schon.

RI: Wo befindet dieser sich nun?

BF2: Verbrannt in der Ukraine.

RI: Wie verbrannt?

BF2: In der Ukraine hatten wir zwei Geschäfte. Eines war ein Autoservice in der Stadt XXXX , das andere war ein kleines Geschäftslokal, das mit ukrainischen Stickereien handelte. Nach dem Unfalltod meines Vaters wurden wir bedroht. Man hat uns aufgefordert, den Kredit, welcher mein Vater genommen hat, zurückzuzahlen. Wir haben das aber nicht können. Dann wurde das Stickerei-Geschäft niedergebrannt. In diesem Brand ist auch mein Pass verbrannt.

RI: Bitte schildern Sie Ihren Lebenslauf. Welche Schulausbildung haben Sie abgeschlossen? Welchen Beruf haben Sie gelernt und welchen Beruf haben Sie ausgeübt? Gemeint ist, sowohl im Herkunftsland, als auch im Bundesgebiet.

BF2: Ich habe in der Ukraine neun Klassen Mittelschule absolviert, danach habe ich die Berufsschule besucht für drei Jahre und im Fach Buchhaltung abgeschlossen. Nach dem Abschluss bekam ich mein erstes Kind und habe dann nicht gearbeitet.

RI: Haben Sie einen Nachweis über den Abschluss der Berufsschule?

BF2: Nein, dieser ist in der Ukraine auch verbrannt.

RI: Sind Sie im Bundesgebiet irgendeiner weiteren Ausbildung nachgegangen oder haben Sie gearbeitet?

BF2: Nein.

RI: Welcher Art war das Geschäft Ihre Mutter im Herkunftsstaat? Welche Waren haben Sie darin verkauft und wie lange hat Ihre Mutter diese Tätigkeit ausgeübt?

BF2: Meine Mutter hat dieses Geschäft nicht lange gehabt, lediglich ein Jahr lang. Verkauft wurden dort Stickereien und Zubehör zum Sticken.

RI: Haben Sie sich außer an dem von Ihnen angegebenen, letzten Wohnort in der Ukraine auch an einem anderen Wohnort längere Zeit aufgehalten?

BF2: Ich habe in XXXX gelebt und das letzte Jahr vor meiner Ausreise in der Stadt XXXX .

RI: Welche Verwandten von Ihnen leben zur Zeit in der Ukraine und in welcher Stadt?

BF2: In der Stadt XXXX lebt mein Bruder Ivan und seine Frau bzw. ist mein Bruder jetzt in der Region XXXX und befindet sich im Krieg.

RI: Haben Sie sonstige Verwandte, die in der Ukraine leben?

BF2: Nein.

RI: Haben Sie mit diesen in der Ukraine lebenden Verwandten Kontakt? Wenn ja, wie oft?

BF2: Mit meinem Bruder habe ich vor acht Jahren zuletzt gesprochen und mit seiner Frau vor etwa zwei Jahren.

RI: Warum haben Sie keinen Kontakt?

BF2: Er ist dort ohne Telefon.

RI: An welcher Adresse in XXXX ist Ihr Bruder aufhältig?

BF2: Das weiß ich nicht.

RI: Sie haben ein Jahr dort gewohnt. Sie werden wohl die Adresse wissen?

BF2: Ich habe dort ein Jahr gewohnt, aber nach der Adresse habe ich nicht gefragt.

RI: Verfügt Ihr Bruder über ein eigenes Haus oder eine Wohnung?

BF2: Die Wohnung, wo mein Bruder und seine Frau wohnen, ist eine Ein-Zimmer-Wohnung und eine Mietwohnung.

RI: Was arbeitet Ihr Bruder im Herkunftsstaat?

BF2: Bevor mein Bruder für den Krieg einberufen wurde, war er LKW-Fahrer für Langstrecken, aber seitdem er im Krieg ist nicht mehr.

RI: Haben Sie oder Ihrer älteste Tochter Kontakt zu Ihrem Ex-Gatten? Wenn ja, wie oft?

BF2: Mein geschiedener Gatte hat mich über Facebook-Messenger vor etwa eineinhalb Jahr angerufen. Ich weiß nicht, wie er auf die Nummer kommt und er hat mich ersucht, dass ich auf Unterhalt für das Kind verzichte und ich habe abgelehnt. Seitdem habe ich keinen Kontakt zu ihm.

RI: Bekommen Sie Unterhalt vom Ex-Gatten bezahlt?

BF2: Nein. Er zahlt keinen Unterhalt. Ich habe lediglich 10 Monate lang Unterhalt bekommen, aber seit 2017 gibt es in der Ukraine ein Gesetz, nachdem die Unterhaltsverweigerer nicht ins Ausland reisen dürfen und ich glaube, dass das der Grund war, warum er angerufen hat und wollte, dass ich auf mein Recht verzichte.

RI: Wann haben Sie Ihren Ex-Gatten geheiratet und seit wann sind Sie von ihm geschieden?

BF2: Ich habe meinen geschiedenen Gatten 2010 kennengelernt. 2011 haben wir standesamtlich geheiratet und 2012 haben wir uns scheiden lassen.

RI: Wann und wo haben Sie den behaupteten Vater Ihrer beiden jüngsten Kinder kennengelernt?

BF2: Ich habe diesen Mann im November 2017 in der Stadt XXXX kennengelernt. Ich war damals in XXXX untergebracht und bin nach XXXX gefahren, um mir dort ein Handy zu kaufen. Bei dieser Gelegenheit habe ich den Vater meiner jüngsten Kinder kennengelernt.

RI: Wie lange waren Sie mit ihm zusammen und haben Sie jemals in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt?

BF2: Ich habe mit ihm nicht in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt. Er besuchte mich in der Pension.

RI: Über welchen Zeitraum waren Sie zusammen?

BF2: 2018 habe ich das Kind von ihm bekommen. Er hat dann irgendwann zu der Zeit einen negativen Bescheid bekommen und es gab eine Weile keinen Kontakt. Dann als Marian drei Monate alt war, kam er wieder zu mir in die Pension. Es gab dann Probleme in der Pension und ich habe nach XXXX umziehen müssen. Da war Marian neun Monate alt, als er wieder zu mir kam nach XXXX . Dann wurde ich schwanger und seitdem gibt es keinen Kontakt.

RI: Welchen Aufenthaltsstatus hat der von Ihnen angegebene Vater Ihrer beiden jüngsten Kinder?

BF2: Vor etwa vier Monaten gab es wieder Kontakt zu diesem Mann. Er hat mir damals mitgeteilt, dass er auf einen Bescheid wartet. Zwei Wochen später haben wir wieder miteinander telefoniert, das war ein Videochat. Bei dieser Gelegenheit hat er mir einen roten österr. Pass gezeigt und meinte, dass er jetzt einen positiven Bescheid bekommen hat.

RI: Haben Sie seitdem Kontakt zu ihm?

BF2: Ich versuchte ihm zu schreiben und anzurufen, aber er geht nicht ran. Gestern habe ich ihn angerufen, er hat abgehoben, aber nur in den Hörer geschwiegen.

RI: Wovon lebt der von Ihnen angegebene Vater Ihrer beiden jüngsten Kinder zur Zeit? Geht dieser irgendeiner Beschäftigung nach?

BF2: Das weiß ich nicht.

RI: In den vorgelegten Geburtsurkunden Ihrer beiden jüngsten Kinder ist kein Vater eingetragen. Haben Sie einen Nachweis dafür, dass der von Ihnen nun angegebene Vater auch tatsächlich der Vater Ihrer beiden jüngsten Kinder ist?

BF2: Nein.

RI: Sind Sie zurzeit verheiratet, verpartnert oder leben Sie in einer Beziehung im Bundesgebiet? Wenn ja mit wem?

BF2: Nein.

RI: Welche Verwandten von Ihnen leben außerhalb der Ukraine und wenn ja, in welchem Land/welcher Stadt?

BF2: Meine Mutter ist in Österreich.

RI: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Mutter, wenn ja, wie oft?

BF2: Wir telefonieren, aber selten. Sie arbeitet irgendwo schwarz, aber unterstützt uns nicht.

RI: Wissen Sie, wo genau Sie aufhältig ist? Haben Sie eine Adresse?

BF2: Ich weiß, dass sie irgendwo im 19. Bezirk ist. Eine Adresse habe ich nicht, ich war noch nie dort.

RI: Wie oft haben Sie Kontakt?

BF2: Manchmal einmal in der Woche, manchmal zweimal in der Woche. Wir haben vor drei Tagen gesprochen. Sie hat mich vor drei Tagen angerufen, über eine unterdrückte Nummer.

RI: Das heißt, Sie können Ihre Mutter gar nicht kontaktieren, wenn Sie dies wollen?

BF2: Nein, kann ich nicht.

RI: Laut aktuellem ZMR-Auszug ist Ihre Mutter, die BF1, seit 07.04.2020 in Österreich nicht mehr behördlich gemeldet. Aus dem ZMR-Auszug geht weiters hervor, dass sie in die Ukraine verzogen sein soll. Wieso lebt Ihre Mutter im Verborgenen im Bundesgebiet bzw. wie kommt es zu dem ZMR-Eintrag, dass sie in die Ukraine verzogen sein soll?

BF2: Das weiß ich nicht.

RI: Nachdem Sie mit Ihrer Mutter regelmäßig Kontakt haben, wissen Sie davon, ob sie zu irgendeinem Zeitpunkt in die Ukraine gegangen ist?

BF2: Meine Mutter erzählt mir gar nichts. Sie ruft mich an und fragt lediglich, wie es mir und den Kindern geht. Sonst nichts.

RI: Wenn Sie mit Ihrer Mutter regelmäßig per Telefon kommunizieren, dann halte ich es für unwahrscheinlich, dass Sie Ihre Mutter nie gefragt haben, wo sie sich aufhält oder wann sie sich das nächste Mal sehen. Was sagen Sie dazu?

BF2: Ich habe meine Mutter zwar getroffen, aber nicht an ihrer Wohnadresse. Wir sind einfach in Wien spazieren gegangen. Das letzte Mal habe ich meine Mutter vor etwa vier Monaten persönlich getroffen.

RI: Also sehen Sie sie doch regelmäßig?

BF2: Sie ruft an, wenn sie Zeit hat und dann treffen wir uns entweder in XXXX oder im XXXX . Bei diesen Treffen hat sie mir aber nicht erzählt, ob sie bereits in die Ukraine zurückgekehrt war oder ob sie das vorhat.

RI: Wie regelmäßig sehen Sie Ihre Mutter persönlich?

BF2: Jetzt gar nicht. Meine Mutter ruft mich an und sagt, dass sie keine Zeit hat und ständig arbeiten muss. Zurzeit sind wir nur in telefonischen Kontakt.

RI: Nachdem Sie mit Ihrer Mutter vor ein paar Tagen telefoniert haben, gehe ich davon aus, dass Sie ihr gesagt haben, dass heute eine Verhandlung stattfindet.

BF2: Ich habe das gesagt. Meine Mutter sagte, gut und hofft, dass alles gut verläuft.

RI: Sie wissen aber auch, dass Ihre Mutter für heute geladen war und der Rechtsvertreter hinten sitzt.

BF2: Ja, er hat mir dies gesagt.

RI an RV (BF1): Das heißt, die BF1 wusste über die Verhandlung Bescheid und hat Sie nicht kontaktiert?

RV (BF1): Ja, das heißt, wir legen die Vollmacht bezüglich der BF1 zurück.

RI: Haben Sie sonst noch Verwandte von Ihnen, die sich derzeit im Bundesgebiet aufhalten? Wie heißen Sie?

BF2: Nein.

RI: Wann sind Sie in Österreich erstmalig eingereist?

BF2: Am 07.07.2017.

RI: Wo leben Sie zurzeit im Bundesgebiet?

BF2: In XXXX im Frauenhaus.

RI: Haben Sie seit Ihrer Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 2017 auch in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union gelebt? Wenn ja, haben Sie dort auch einen Asylantrag gestellt?

BF2: Nein.

RI: Sind Sie seit Ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet im Juli 2017 wieder einmal in der Ukraine gewesen, sei es auf Besuch oder auf Urlaub?

BF2: Nein.

RI: Schildern Sie bitte Ihre Fluchtgründe.

BF2: Ich habe keine Unterkunft in der Ukraine.

RI: Wurden Sie als Person zu irgendeinem Zeitpunkt im Herkunftsstaat persönlich bedroht, misshandelt oder verfolgt?

BF2: Nein, es war nur einmal diese Sache, als das Geschäft meiner Mutter niedergebrannt wurde, aber bedroht wurde nicht ich, sondern meine Mutter.

RI: Was befürchten Sie konkret im Fall einer Rückkehr in die Ukraine?

BF2: Ich werde dort nicht überleben können. Ich werde dort kein Kindergeld für die Kinder bekommen und wenn, dann nur für Karina. Ich werde dort auch nicht die Unterstützung für meine Tochter Karina bekommen, so wie ich sie hier bekomme. Dort gibt es keine psychologische Betreuung oder Jugendämter, die sich darum kümmern. Ich werde auch nicht im Stande sein, eine Wohnung zu mieten. Ich werde dort auch keiner Beschäftigung nachgehen können.

RI: Während Sie in der Ukraine von Juli 2016 bis Juli 2017 aufhältig waren, wo haben Sie gelebt und welchen Tätigkeiten haben Sie in dieser Zeit verrichtet?

BF2: In der Zeit war ich bei der Gattin meines Bruders und habe dort gewohnt. Gearbeitet habe ich aber nicht. Es ist so, dass ich 2016 gemeinsam mit meiner Mutter versucht habe, über die Grenze zu gehen. Meine Mutter durfte weiter vereisen, ich nicht. Meine Tochter war damals bei meinem geschiedenen Mann. Ich habe dann meine Tochter abgeholt und habe, wie gesagt, bei der Frau meines Bruders gewohnt. Die Frau meines Bruders war nach einiger Zeit nicht besonders glücklich, dass ich dort wohne und dann bin ich ausgereist.

RI: Sind Sie in dieser Zeit irgendeiner Tätigkeit nachgegangen?

BF2: Nein.

RI: VORHALT: Sie haben bei Ihrer EB am 13.07.2017 auf Seite 5 angegeben: „Da meine Tochter damals noch bei meinem geschiedenen Mann war, kehrte ich zurück und meine Mutter reiste weiter. Seither habe ich von meiner Mutter nichts gehört und habe ca. ein Jahr in XXXX gelebt und habe in einem Haushalt mitgeholfen.“ Was sagen Sie dazu und zu den Abweichungen der jetzigen Aussagen?

BF2: Ja, ich habe das vergessen. Das ist die Wahrheit, was ich bei der EB angegeben habe.

RI: Das heißt, Sie haben in dem Jahr, welches Sie zwischen Juli 2016 und 2017 in der Ukraine verbracht haben, nicht bei der Frau Ihres Bruders gelebt, sondern als Haushalthilfe in XXXX , ist das richtig?

BF2: Ja.

RI: Wie konnten Sie das vergessen?

BF2: Ich habe es vergessen.

RI: War Österreich von Anfang an das Ziel Ihrer Reise?

BF2: Ja. Ich wollte meine Mutter finden.

RI: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder einem Klub in Österreich?

BF2: Nein.

RI: Haben Sie österreichische Freunde?

BF2: Nein.

RI: Haben Sie in Österreich Sprachkurse besucht?

BF2: In den zwei Unterkünften, wo ich untergebracht war, gab es keine Möglichkeit für einen Deutschkurs. In der Unterkunft in XXXX habe ich jetzt Bücher und Unterlagen bekommen und lerne auch Deutsch. Ich habe jetzt für Herbst 2021 einen Platz für einen Deutschkurs Niveau A1, damit ich ein Zertifikat bekommen kann.

RI: Sie haben keinen Sprachkurs besucht und keinen Sprachkurs abgeschlossen?

BF2: Nein.

RI (ohne Übersetzung): Wie stellen Sie sich die Zukunft in Österreich vor?

BF2 schüttelt den Kopf.

RI (ohne Übersetzung): Was machen Sie in Ihrer freien Zeit? Was sind Ihre Hobbies?

BF2 (ohne Übersetzung): Spiele mit Kinder und wenn meine Kinder schlafen, ich lernen bisschen Deutsch. Spielen, spaziere mit Kindern.

RI (ohne Übersetzung): Was haben Sie letzte Wochenende gemacht?

BF2 gibt keine Antwort.

RI: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in Österreich vor? Haben Sie vor in Österreich zu arbeiten?

BF2: Ich würde gerne einen Deutschkurs absolvieren, damit ich die Sprache besser kann. Dann möchte ich gerne die Lehre zur Köchin machen und wenn das nicht möglich ist, möchte ich als Serviererin in einem Restaurant arbeiten.

RI: Haben Sie sich schon erkundigt, welche Voraussetzungen Sie mitbringen müssen um eine Lehre als Köchin zu beginnen?

BF2: Nein.

RI: Haben Sie in Österreich einen Beruf legal ausgeübt?

BF2: Ich bin keiner bezahlten Arbeit nachgegangen, aber als ich in XXXX in der Pension unterbracht war, bin ich unentgeltlich in der Küche zur Hand gegangen.

RI: Wovon leben Sie zurzeit in Österreich?

BF2: Ich bekomme Essensgeld vom Staat.

RI: Sind Sie in Österreich straffällig geworden?

BF2: Ja, wegen Diebstahl.

RI: Verurteilt wurden Sie nicht?

BF2: Ich habe lediglich ein Schreiben bekommen, dass wenn ich innerhalb zwei Jahren nicht stehle, dann werde ich nicht verurteilt, aber, wenn ich etwas stehlen würde, würde ich verurteilt werden.

RI: Aus dem Akt geht hervor, dass Ihnen Ihre älteste Tochter, die BF3, wegen fortgesetzter Gewaltausübung durch Ihre Person im November 2019 vom Jugendamt der BH XXXX entzogen worden ist und in eine Betreuungseinrichtung verbracht wurde. Was ist hier genau vorgefallen und über welchen Zeitraum sprechen wir?

BF2: Ich habe sie ziemlich stark geschlagen. Ich möchte die Frage nicht weiter beantworten.

RI: Wie lange war Ihre älteste Tochter in dieser Betreuungseinrichtung wohnhaft?

BF2: Zwei Monate.

RI: Sind Sie auch hinsichtlich Ihrer anderen Kinder je gewalttätig geworden?

BF2: Nein.

RI: Sind Sie in Ihrem Herkunftsstaat jemals straffällig geworden?

BF2: Nein.

RI: Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Sind Sie gesund?

BF2: Ich habe Probleme mit den Beinen.

RI: Welcher Art?

BF2: Ich habe bereits einen Termin bei einem Orthopäden vereinbart. Es ist so, dass mir die Beine und Füße beim Gehen wehtun. Ich habe schon eine Röntgenzuweisung bekommen. Die Schmerzen beim Gehen begannen nach der dritten Schwangerschaft.

RI: Gibt es eine Diagnose?

BF2: Noch nicht.

RI: Nehmen Sie Medikamente?

BF2: Nein.

RI: Sind Sie in ärztlicher oder therapeutischer Behandlung?

BF2: Nein, ich wurde zum Röntgen überwiesen und dann wird man weitersehen.

RI: Sind Sie arbeitsfähig?

BF2: Ja.

RI: Geht Ihre älteste Tochter, die BF3, im Bundesgebiet zur Schule? Wenn, ja in welche Schule und welche Klasse?

BF2: In XXXX , in die Sonderschule, in die dritte Klasse „A“.

RI: Haben Sie das letzte Jahreszeugnis der BF3 mit?

RV (BF2-BF5): Ja, ich lege dieses vor.

RV legt vor, das Jahreszeugnis der BF3 vom Schuljahr 2019/20 sowie vom Schuljahr 2018/19; diese werden in Kopie zum Akt genommen.

RI: Werden Ihre zwei jüngsten Kinder von Ihnen zu Hause durchgehend betreut oder gehen diese schon in den Kindergarten bzw. Kinderkrippe?

BF2: Nein, die beiden sind noch bei mir. Das älteste Kind der zwei jungen Kinder, ist jetzt zwei Jahre alt und ab Jänner kann ich um einen Platz im Kindergarten ansuchen.

RI: In welcher Sprache kommunizieren Sie zu Hause mit Ihren Kindern?

BF2: In Ukrainisch.

RI: Hat der behauptete Vater Ihrer beiden jüngsten Kinder, die Kinder jemals gesehen?

BF2: Ja, er hat sie gesehen.

RI: Wie oft?

BF2: Marian zweimal und den jüngsten hat er einmal gesehen.

RI: Wie geht es der BF3 gesundheitlich? Ist diese gesund bzw. was fehlt ihr genau?

BF2: Hr. XXXX hat gesagt, sie kann nicht an einem Platz sitzen bleiben. Sie kann nicht geradeaus schauen. Ich weiß nicht genau, wie man das nennt.

RI: Fehlt der BF3 sonst noch etwas?

BF2: Sie hat Probleme mit der Nase, sie bekommt oft ziemlich starkes Nasenbluten. Als sie elf Monate alt war, hat mein geschiedener gatte, die BF3 immer wieder in die Luft geworfen. Einmal hat er nicht aufgepasst und sie ist zu Boden gefallen und hat sich das Nasenbein gebrochen. Wir waren auch bei einer Ärztin in XXXX . Sie hat sich die Nase meiner Tochter angeschaut und meinte, es gibt kleine Polypen. Wenn die BF3 10 Jahre alt ist, müsste man diese operieren. Es wurde auch festgestellt, dass ihre Schilddrüse vergrößert. Sie nimmt jeden Tag in der Früh Tabletten dagegen und muss alle drei Monate zur Kontrolle.

RI: Hinsichtlich BF4: Wie geht es Marian gesundheitlich?

BF2: Er ist gesund.

RI: Nimmt Marian derzeit Medikamente?

BF2: Nein.

RI: Steht er unter therapeutischer oder ärztlicher Behandlung?

BF2: Nein.

RI: Hinsichtlich BF5: Wie geht es Emil gesundheitlich?

BF2: Er ist gesund.

RI: Nimmt Emil derzeit Medikamente?

BF2: Nein.

RI: Steht er unter therapeutischer oder ärztlicher Behandlung?

BF2: Nein.

RI an RV (BF2-BF5): Haben Sie Fragen an die BF2?

RV (BF2-BF5): Hatten Sie im Zeitraum von November 2017 bis November 2019 sexuelle Kontakte zu anderen Männern als zu Ihrem behaupteten Kindesvater XXXX ?

BF2: Nein.

RV (BF2-BF5): Hätten Sie die Möglichkeit bei einer Rückkehr in die Ukraine bei Ihrer Schwägerin Unterkunft zu nehmen?

BF2: Das ist nicht möglich, die Wohnung ist sehr klein. Es ist kein Platz für uns. Die Schwägerin hat selbst ein Kind.

RV (BF2-BF5): Keine weiteren Fragen mehr, danke[…].“

12. Im Zuge der Beschwerdeverhandlung legten die Beschwerdeführer ergänzend folgende Unterlagen vor:

?        Zwei Ausdrucke der Plattform Facebook betreffend den angeblichen Kindsvater des BF3 und des BF4

?        Sozialbericht vom 29.09.2020 des XXXX ;

?        Schreiben der „ XXXX “ vom 11.02.2020;

?        Einladung zur Klettergruppe des Ambulatoriums XXXX :

?        Vereinbarung über die Unterstützung der Erziehung gemäß §§39, 44 XXXX Kinder- und Jugendhilfegesetz der XXXX vom 24.09.2020;

?        Vereinbarung über die Unterstützung der Erziehung gemäß §§39, 44 XXXX Kinder- und Jugendhilfegesetz der XXXX vom 03.07.2020;

?        Vereinbarung über die Unterstützung der Erziehung gemäß §§39, 44 XXXX Kinder- und Jugendhilfegesetz der XXXX vom 03.02.2020;

?        Vereinbarung über die Unterstützung der Erziehung gemäß §§39, 49, 50 XXXX Kinder- und Jugendhilfegesetz der XXXX vom 20.12.2019;

?        Befund der Sonographie des Halses und der Schilddrüse betreffend die BF2 vom 23.10.2019;

?        Logopädischer Bericht betreffend die BF2 vom 11.04.2018;

?        Klinisch-psychologischer Befund betreffend die BF2 vom 20.03.2018;

?        Ergotherapeutischer Bericht betreffend die BF2 vom 11.04.2018;

?        Psychologischer Befund betreffend die BF2 vom 22.06.2020;

?        Jahreszeugnis Schuljahr 2018/19 betreffend die BF2 vom 28.06.2019;

?        Jahreszeugnis Schuljahr 2019/20 betreffend die BF2 vom 03.07.2020;

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Anträge der Beschwerdeführer vom 13.07.2017 (BF1-BF2), bzw. am 26.09.2018 (BF3) und 21.01.2020 (BF4), der polizeilichen Ersteinvernahme der BF1 am 13.07.2017, der Einvernahmen der BF1 vor dem BFA am 10.10.2017 und am 19.02.2019, der für die Beschwerdeführer am 26.03.2019 (BF1-BF3), sowie am 06.03.2020 (BF4) eingebrachten Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide vom 27.02.2019 (BF1-BF3) und vom 10.02.2020 (BF4), der Einsichtnahme in die Verwaltungsakte und die von den Beschwerdeführern vorgelegten Unterlagen, der Auszüge des Zentralen Melderegisters, des Fremden- und Grundversorgungsinformationssystems, des Strafregisters der Republik Österreich, sowie nach mündlicher Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.10.2020 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.1.    Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die beschwerdeführenden Parteien (BF1-BF4) sind Staatsangehörige der Ukraine und gehören dem orthodoxen Glauben an. Die BF1 reiste mit der BF2 spätestens am 13.07.2017 illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein. Der BF3 ist am und der BF4 am in Österreich nachgeboren.

Die BF1 wurde in XXXX ( XXXX ) geboren und ist dort aufgewachsen. Wo sich die BF1 mit ihrer Tochter in ihrem letzten Jahr in der Ukraine aufgehalten hat, kann nicht festgestellt werden. Die BF1 spricht Ukrainisch auf muttersprachlichem Niveau und etwas Russisch.

Die BF1 hat in der Ukraine für 9 Jahre die Schule besucht und diese abgeschlossen. Anschließend hat sie drei Jahre die Berufsschule besucht und eine Lehre zur Buchhalterin absolviert. Die BF1 hat im Herkunftsstaat nicht gearbeitet. Sie verfügt im Herkunftsstaat über ihren Bruder, samt dessen Frau und Kind. Ihr Bruder befindet sich im Krieg in der Ostukraine, zu ihm besteht kein Kontakt. Ihre Schwägerin wohnt in XXXX in einer Einzimmerwohnung, zu ihr hat die BF1 gelegentlich Kontakt. Die Beschwerdeführer haben im Herkunftsstaat keine Bleibe und besteht keine Möglichkeit der Unterkunftnahme bei Verwandten.

Die BF1 hat 2011 den Vater der BF2 geheiratet. Seit 2012 ist sie wieder von ihm geschieden und alleinerziehend. Zum Vater der BF2 besteht kein Kontakt und erhält die BF1 von diesem für die BF2 auch keine Unterhaltszahlungen. Den Vater des BF3 und des BF4 hat die BF1 im Bundesgebiet kennengelernt. Die BF1 war weder mit ihm in einer dauerhaften Beziehung, noch hat sie mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Kontakt zu ihm bestand nur sporadisch und hat er seine Kinder nur einmal (BF4) bzw. zweimal (BF3) gesehen. Zwischendurch hat es monatelang überhaupt keinen Kontakt der BF1 zum Vater von BF3 und BF4 gegeben. Derzeit besteht auch kein Kontakt mit ihm. Dass es sich bei XXXX , um den Vater des BF3 und des BF4 handelt, kann nicht festgestellt werden.

Die BF1 ist alleinerziehend. Ihr wurde die BF2 am 12.11.2019 aufgrund von fortgesetzter Gewaltausübung entzogen und wurde diese in einer Krisenunterbringung untergebracht, sowie betreut. Am 20.12.2019 wurde die BF2 zur BF1 zurückgebracht. Von 07.01.2020 bis 31.01.2020 wurde die BF2 erneut von der Krisenunterbringung betreut, weil die BF1 aufgrund der Geburt des BF4 keine Betreuungsmöglichkeiten für die BF2 hatte. Der BF3 war von 23.12.2019 bis 10.02.2020 bei Krisenpflegeeltern in Betreuung. Die BF1 lebt mit dem BF3 seit 27.11.2019 - seit Februar 2020 auch mit BF2 und BF4 – gemeinsam in einem Frauenhaus, wobei sie vom Kinder- und Jugendhilfeträger bei der Erziehung ihrer drei Kinder und zusätzlich bei der Deckung des besonderen Erziehungs- und Förderbedarfs der BF2 unterstützt wird. Gegen die BF1 war ein Strafverfahren anhängig und wurde wegen fortgesetzter Gewaltausübung gegen sie Anklage erhoben. Das Strafverfahren endete am 29.09.2020 mit einer Diversion und der Weisung der Absolvierung einer Psychotherapie der BF1, sowie der BF2.

Die Beschwerdeführer befinden sich in Grundversorgung. Im Bundesgebiet hält sich die Mutter der BF1 im Verborgenen auf und besteht nur gelegentlich Kontakt zu ihr. Die BF1 hat keinen Deutschkurs besucht und verfügt allenfalls über rudimentäre Deutschkenntnisse. Die BF1 hat weder Hobbies, noch ist sie vereinsmäßig oder ehrenamtlich in Österreich aktiv, verfügt über keine österreichischen Freunde und ist sie im Bundesgebiet keiner sonstigen Aus-, Fort- oder Weiterbildung nachgegangen. Die BF2 besucht im Bundesgebiet die Sonderschule, war jedoch nach dem Schuljahr 2019/20 nicht aufstiegsberechtigt. Die BF2 besucht die Nachmittagsbetreuung „ XXXX “. Der BF3 und der BF4 befinden sich bei der BF1 in Betreuung.

Die kognitive Leistungsfähigkeit der BF2 ist weit unterdurchschnittlich, weshalb sie einer zusätzlichen Betreuung und Förderung bedarf. Klinisch-psychologisch ist bei der BF2 von einer Beziehungsstörung mit Enthemmung auszugehen. Sie ist im Ambulatorium XXXX aufgrund ihrer Entwicklungsverzögerung angebunden. Außerdem leidet die BF2 an einer Schilddrüsenunterfunktion, weshalb sie Medikamente nimmt und alle 3 Monate zur Kontrolle muss. Die BF1, der BF3 und der BF4 sind gesund.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat

Im Falle einer Verbringung der Beschwerdeführer (BF1-BF4) in ihren Herkunftsstaat droht diesen ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Aufgrund eines Zusammenspiels der dargestellten gesundheitlichen und familiären Faktoren kann im vorliegenden Einzelfall nicht mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die BF1 und die BF2 bei einer Abschiebung in ihre Heimat in eine als unmenschlich zu bezeichnende Lage geraten könnten.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in der Ukraine

1.4.1. Auszug aus dem Informationsblatt der Staatendokumentation vom 06.07.2020;

„Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20. Mai 2019 Präsident Wolodymyr Selenskyj (AA 6.3.2020). Beobachtern zufolge verlief die Präsidentschaftswahl am 21. April 2019 im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Auf der russisch besetzten Halbinsel Krim und in den von Separatisten kontrollierten Gebieten im Donbas fanden keine Wahlen statt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

2019 war ein Superwahljahr in der Ukraine. Am 31. März fanden die Präsidentschaftswahlen statt; Parlamentswahlen waren ursprünglich für den 27. Oktober 2019 angesetzt. Nach der Inauguration des Präsidenten Selenskyj wurde das Parlament aufgelöst. Die vorgezogenen Parlamentswahlen fanden am 21. Juli 2019 statt (GIZ 3.2020a). Selenskyjs Partei „Sluha Narodu“ (Diener des Volkes) gewann 254 von 450 Sitzen. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 50% geringer als vor fünf Jahren. Die OSZE sprach trotz des klaren Ergebnisses von einer fairen Konkurrenz. Zwar bemängelte sie fehlende Transparenz bei der Finanzierung des Wahlkampfs, insgesamt registrierten die Wahlbeobachter bei der Abstimmung allerdings keine gröberen Verstöße (FH 4.3.2020; vgl. BAMF 22.7.2019, DS 22.7.2019). Es wurden sechs Fraktionen gebildet: „Diener des Volkes“ mit 254 Sitzen, die Oppositionsplattform „Für das Leben“ mit 44 Sitzen, Europäische Solidarität (Ex-Block Poroschenko) mit 27 Sitzen, Batkivshchyna (Julia Timoschenkos Partei) mit 25 Sitzen, Holos (Stimme) mit 17 Sitzen und schließlich die aus unabhängigen Abgeordneten bestehende Fraktion „Für die Zukunft“ mit 23 Sitzen (KP 29.8.2019). Auf der Krim und in den von Separatisten kontrollierten Teilen des Donbas konnten die Wahlen nicht stattfinden; folglich wurden nur 424 der 450 Sitze im Parlament besetzt. Darüber hinaus sind rund eine Million ukrainische Bürger nicht wahlberechtigt, weil sie keine registrierte Adresse haben (FH 4.3.2020).

Die nach der „Revolution der Würde“ auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch von Präsident Poroschenko verfolgte europafreundliche Reformpolitik wird durch Präsident Selenskyj verstärkt fortgesetzt. Grundlage bildet ein ambitioniertes Programm für fast alle Lebensbereiche. Schwerpunkte liegen u.a. auf Korruptionsbekämpfung, Digitalisierung, Bildung und Stimulierung des Wirtschaftswachstums. Selenskyj kann sich dabei auf eine absolute Mehrheit im Parlament stützen. Diese Politik, maßgeblich von der internationalen Gemeinschaft unterstützt, hat über eine Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren zu einer Annäherung an europäische Verhältnisse geführt (AA 29.2.2020).

Während des ersten Jahres seiner Amtszeit war Präsident Selenskyj mit einigen Herausforderungen konfrontiert (RFE/RL 20.4.2020; vgl. Brookings 20.5.2020). Zwar liegt seine Popularität nicht mehr bei den historischen 70% Unterstützung, die er einst genoss; Umfragen zeigen jedoch, dass seine Zustimmungswerte immer noch höher sind als die aller seiner Vorgänger (RFE/RL 25.4.2020). Im März 2020 gestaltete er die Regierung um, nachdem Ministerpräsident Hon?aruk seinen Rücktritt bek

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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