TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 W211 2144099-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2020
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Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs2
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55

Spruch


W211 2144099-2/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass er zu lauten hat:

„Der Ihnen mit Bescheid vom XXXX , Zahl XXXX , zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF von Amts wegen aberkannt.“

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II.- IV. wird als unbegründet abgewiesen.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird stattgegeben und gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden nach Somalia unzulässig ist.

IV. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte VI.-VII. wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer, einem somalischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge „BFA“) vom XXXX 2016 , Zl. XXXX , der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Österreich zuerkannt. Sein Antrag auf Zuerkennung von Asyl wurde abgewiesen. Gegen letzteres wurde eine Beschwerde eingebracht, die das Bundesverwaltungsgericht mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom XXXX 2018, Zl. W237 2144099-1/17Z, abgewiesen hat. Mit Bescheid des BFA vom XXXX 2017 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX 2019 verlängert.

2. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs. 1 und 4 StGB und des Vergehens der Begünstigung nach § 299 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von (später verlängert) 5 Jahren, verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX 2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von (später verlängert) 5 Jahren, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 83 Abs. 1 StGB und nach § 83 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 87 Abs. 1 StGB, des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlung nach § 218 Abs. 1a StGB, des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 84 Abs. 4 StGB sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB nach Berufung zu einer (Zusatz-) Freiheitsstrafe von 32 Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX 2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

3. Am XXXX 2018 fand zum eingeleiteten Aberkennungsverfahren eine Einvernahme des Beschwerdeführers beim BFA statt, in deren Rahmen der Beschwerdeführer unter anderem mitteilte, gesund zu sein und keine Drogen mehr zu konsumieren. Er gehöre den Sheikhal an, und würden noch seine Mutter und seine Schwester in Galkacyo in einem Flüchtlingslager leben. Er habe auch einen Sohn, der sich bei der Kindsmutter in Somalia aufhalte. Der Beschwerdeführer wisse aber nicht, wo diese seien.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom XXXX 2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.). Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Folgende Feststellungen wurden dem Bescheid im Wesentlichen zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer sei Somalier und gehöre den Sheikhal an. Er sei in Mogadischu geboren und von dort 2014 ausgereist. Er sei in Österreich viermal rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei volljährig und gesund sowie arbeitsfähig. Ihm sei mit Bescheid vom XXXX 2016 aufgrund der seinerzeit bestandenen Sicherheits- und Versorgungslage subsidiärer Schutz zuerkannt worden. Im Herkunftsstaat hätten sich die spezifischen Verhältnisse dauerhaft geändert; die Gründe für die seinerzeitige Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten würden nicht mehr vorliegen. Die Weiterführung des Lebens in Mogadischu sei dem Beschwerdeführer möglich.

Beweiswürdigend wurde – soweit wesentlich - darauf verwiesen, dass aus den landeskundlichen Feststellungen vom XXXX 2018 hervorgehe, dass sich die Sicherheitslage in Mogadischu verbessert habe. Zudem sei die Dürrekatastrophe, die somaliaweit lange Zeit zu Versorgungsengpässen geführt habe, beendet. Daraus ergebe sich, dass sich vor allem in Mogadischu die spezifischen Verhältnisse maßgeblich und nachhaltig zum Positiven verändert hätten. Durch die Volljährigkeit, den unbedenklichen Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers werde belegt, dass er sein Leben in Mogadischu fortsetzen könne. Nachdem er auch lange Zeit in Mogadischu verbracht habe, werde davon ausgegangen, dass er dort über ein Netzwerk verfügen würde. Er habe die Schule besucht und als Lagerarbeiter und Verkäufer gearbeitet, was er im Falle einer Rückkehr wieder machen könnte.

In der rechtlichen Beurteilung führte das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer primär aus Gründen der geänderten Versorgungslage in der Hauptstadt Mogadischu und sekundär aufgrund der wiederholten Straffälligkeit der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt werde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine Familienangehörigen, und sei auch seine Integration in Österreich nicht derart ausgeprägt, als dass sie die öffentlichen Interessen am geordneten Vollzug des Fremdenwesens überwiegen könnte. Schließlich sei ein Einreiseverbot zu erlassen gewesen, wobei in Bezug auf die Dauer insbesondere auf die Tatwiederholungen verwiesen wurde.

5. Mit Schriftsatz vom XXXX 2019 erhob der Beschwerdeführer binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen alle Spruchpunkte des Bescheides und brachte darin im Wesentlichen vor, dass die aktuelle Lage und die humanitäre Situation in Somalia bis dato sehr angespannt und äußerst volatil seien. Er habe außerdem immer angegeben, über keine sozialen Kontakte in Somalia zu verfügen.

6. Schließlich mit Schreiben vom XXXX 2020 wurde der Beschwerdeführer, seine Vertretung und das BFA sowie eine Dolmetscherin für die somalische Sprache zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung geladen.

7. Am XXXX 2020 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, zu der ein Vertreter des BFA und eine Dolmetscherin für die somalische Sprache erschienen sind und der Beschwerdeführer sowie sein Vertreter über Videotelefonie aus der Justizanstalt zugeschaltet waren. Der Beschwerdeführer hatte in der Verhandlung Gelegenheit, über sein Leben in Österreich und die Verhältnisse in Somalia, soweit ihm bekannt, zu berichten.

Mit schriftlicher Stellungnahme vom XXXX 2020 brachte die Vertretung des Beschwerdeführers insbesondere vor, dass die Versorgungslage in Somalia nach wie vor prekär sei, und keine nachhaltige und dauerhafte Verbesserung der Versorgungs- und Sicherheitslage in Somalia erkannt werden könne.

8. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 87 Abs. 1 und 87 Abs. 1a StGB, des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und des Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt, und gemäß § 21 Abs. 2 StGB iVm § 435 Abs. 1 StPO die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Weiter wurde die Probezeit zur Verurteilung zu XXXX des BG XXXX auf 5 Jahre verlängert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 AsylG:

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom XXXX 2016 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, da für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Mogadischu die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung, welche den Grundsätzen der EMRK zuwiderlaufen würde, bestand, weil wirtschaftliche und soziale Anknüpfungspunkte in Mogadischu fehlten, ohne die es in der damaligen Wirtschaftslage sehr schwer in Mogadischu war, Fuß zu fassen. Die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde zuletzt mit Bescheid vom XXXX 2017 verlängert. Diese Bescheide sind rechtskräftig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die Lage in Somalia in Bezug auf Stabilität und Sicherheit wesentlich und nachhaltig gebessert hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer davon wesentlich weniger intensiv betroffen wäre, als mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2016 bzw. XXXX 2017 festgestellt.

Die Mutter und eine Schwester des Beschwerdeführers leben in einem Flüchtlingscamp in Galkacyo.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von seinem Clan ausreichenden Schutz und Hilfe zu erwarten hätte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr ein leistungsfähiges soziales Netz vorfinden würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich aus sonstigen Gründen die Lage in Somalia dahingehend wesentlich und nachhaltig gebessert hat, sodass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in der Lage sein würde, sich einen notdürftigsten Lebensunterhalt zu verschaffen.

Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts ist somit weder im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers noch in Bezug auf die allgemeine Lage in Somalia eingetreten.

1.2. Zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 AsylG:

Der Beschwerdeführer wurde zwischen Jänner 2016 und September 2019 insgesamt fünf Mal strafgerichtlich verurteilt:

1.2.1. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2016 wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs. 1 und 4 StGB und des Vergehens der Begünstigung nach § 299 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von (später verlängert) 5 Jahren, verurteilt.

1.2.2. Weiter wurde er mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX 2016 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von (später verlängert) 5 Jahren, verurteilt.

1.2.3. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 83 Abs. 1 StGB und nach § 83 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 87 Abs. 1 StGB, des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlung nach § 218 Abs. 1a StGB, des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 84 Abs. 4 StGB sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB nach Berufung zu einer (Zusatz-) Freiheitsstrafe von 32 Monaten verurteilt.

Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer sowie ein anderer sich am XXXX 2018 durch Faustschläge wechselseitig am Körper verletzt haben, wobei die Tat des Beschwerdeführers beim Versuch blieb. Kurze Zeit danach versuchte der Beschwerdeführer den anderen durch das Versetzen von Schnitten mit einem scharfkantigen Blechteil einer aufgebrochenen Aluminiumdose absichtlich schwer zu verletzen. In der Nacht zum XXXX 2017 verletzte er eine Frau in ihrer Würde, indem er ihr mit seinen Fingern gezielt ins Dekolleté griff. Weiter schlug er einen Dritten zu Boden, versetzte ihm Fußtritte gegen seinen Körper und schlug mit einem Aluhocker auf ihn ein, wodurch der Beschwerdeführer dem Dritten eine absichtlich schwere Körperverletzung zuzufügen versuchte. Am XXXX 2017 versetzte der Beschwerdeführer einem Dritten zwei Kopfstöße und führte eine blutende Wunde herbei, womit er eine schwere Körperverletzung zuzufügen versuchte. Am XXXX 2017 schlug er einen Dritten mit einer vollen Bierdose und verletzte ihn damit am Körper. Und schließlich bedrohte er am XXXX 2018 einen anderen, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht die teilweise geständige Verantwortung, den Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind und die eigenen erlittenen Verletzungen als mildernd, erschwerend jedoch das Zusammentreffen von drei Verbrechen und vier Vergehen, die einschlägige Vorstrafe und die wiederholte Tatbegehung bei anhängigem Strafverfahren. Aus spezial- und generalpräventiven Gründen bedurfte es des Vollzugs der Sanktion. Das Berufsgericht führte aus, dass auf die spätere Verurteilung vom XXXX 2018 Bedacht zu nehmen war, weshalb die mildernden Umstände des reumütigen Geständnisses und der eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit durch Alkohol zu ergänzen waren. Weiter stellte die Tatbegehung während eines anhängigen Verfahrens keinen eigenen Erschwerungsgrund dar, es sei aber der Einsatz der Aluminiumdose als erschwerend zu werten gewesen.

1.2.4. Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX 2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

1.2.5. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 87 Abs. 1 und 87 Abs. 1a StGB, des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und des Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt, und gemäß § 21 Abs. 2 StGB iVm § 435 Abs. 1 StPO die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Weiter wurde die Probezeit zur Verurteilung zu XXXX des BG XXXX auf 5 Jahre verlängert.

Demnach versuchte der Beschwerdeführer im Kontext eines Streits vor einem Lokal, des folgenden Polizeieinsatzes, des folgenden Aufenthalts in einem Krankenhaus und der anschließenden Überstellung die folgenden Personen absichtlich schwer am Körper zu verletzen: einen Justizwachebeamten durch einen wuchtigen Schlag mit einer 587,2 g schweren Reinigungsflasche auf den Kopf, sowie durch das Nehmen in den Schwitzkasten und das Einstechen mit einem Buttermesser, wobei der Justizwachebeamte eine breite Rissquetschwunde am Kopf sowie Hämatome und Abschürfungen am Rücken erlitt und außerdem mit Gewalt an einer Amtshandlung gehindert wurde, nämlich beim Organisieren einer Überstellung, Verhinderung der Flucht und Fixieren; sowie einen Dritten durch einen Schlag mit einer Weinflasche auf den Kopf, wodurch dieser Verletzungen am Kopf erlitt. Weiter versetzte der Beschwerdeführer einem anderen Justizwachebeamten einen gezielten, wuchtigen Tritt gegen den Brustbereich. Er versuchte auch, einem dritten Justizwachebeamten die Dienstwaffe zu entziehen, um sich der Fixierung durch die Beamten zu entziehen. Durch die Gewaltausübung versuchte er einen Justizwachebeamten während oder wegen der Erfüllung seiner Pflichten am Körper zu verletzen. Weiter versuchte der Beschwerdeführer einen Diplomkrankenpfleger und eine Krankenschwester durch Beißen in den Arm am Körper zu verletzen. Er bespuckte die einschreitenden Polizeibeamten und das medizinische Personal, obwohl er an Hepatitis C litt. Schließlich bedrohte er eine Gruppe von ca. 10 Personen durch Herumfuchteln mit der vollen Weinflasche, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Das Landesgericht führte unter anderem aus, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich aller Vorwürfe zurechnungsfähig war und sein Zustand einer seelischen Abartigkeit höheren Grades gleichkam. Die Gefährlichkeitsprognose war durch das neuropsychiatrische Sachverständigengutachten eine ungünstige, und waren Tatwiederholungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Mildernd wertete das Gericht das nicht reumütige Geständnis des Beschwerdeführers, dass es teilweise beim Versuch geblieben war und den abnormen Geisteszustand des Beschwerdeführers, während erschwerend die Vorstrafen herangezogen wurden, dass zahlreiche strafbare Taten gesetzt wurden, die Begehung der Taten während offener Probezeiten, die Verurteilung zu Taten der gleichen schädlichen Neigung und der rasche Rückfall, da die fraglichen Taten nach nur 4 – 5 Wochen nach seiner bedingten Entlassung passiert waren. Der Beschwerdeführer hatte zahlreiche Personen über einen längeren Zeitraum verletzt, gefährdet und bedroht und war dabei rücksichtslos vorgegangen.

1.3. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein somalischer Staatsangehöriger, der dem Clan der Sheikhal angehört und aus Mogadischu stammt. Er reiste von Mogadischu im Jahr 2014 aus Somalia aus. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Ihm wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX 2016 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

In Somalia besuchte der Beschwerdeführer die Schule und verdiente sich als Lagerarbeiter und Verkäufer einen Lebensunterhalt. Er hat in Somalia ein Kind, das bei dessen Mutter lebt, wobei der Beschwerdeführer den Aufenthaltsort seines Kindes nicht kennt. In Galkacyo, Puntland, leben seine Mutter und seine Schwester in einem Flüchtlingslager. Mit diesen steht der Beschwerdeführer in Kontakt.

Der Beschwerdeführer hält sich nunmehr bald sechs Jahr in Österreich auf. Er spricht bereits etwas Deutsch und war von XXXX 2017 bis XXXX 2018 als Küchenhilfe beschäftigt. Er befindet sich in Strafhaft.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen unter 1.1.:

Dass bzw. aus welchen Gründen dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2016 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, und dass es am XXXX 2017 den letzten Verlängerungsbescheid gab, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und insbesondere aus dem angefochtenen Bescheid (vgl. AS 269f und 373).

Dass diese beiden Bescheide rechtskräftig wurden, ergibt sich daraus, dass keine Partei gegen sie ein Rechtsmittel erhoben hat.

Dass nicht festgestellt werden kann, dass sich die Lage in Somalia in Bezug auf Stabilität und Sicherheit wesentlich und nachhaltig gebessert hat, ergibt sich aus einem Vergleich der dem Verlängerungsbescheid vom XXXX 2017 und den der aktuellen Entscheidung zugrundeliegenden Länderberichten: Ausgegangen wird gegenständlich von der Prüfung der Situation in Mogadischu – wie im angefochtenen Bescheid angedacht (vgl. zB AS 371):

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 27.06.2017 (LIB 2017) führt zur Situation in Mogadischu aus wie folgt (Hervorhebungen nicht im Original):

„Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 24.2.2016). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014, EASO 2.2016). Der Rückzug der formalen Präsenz der al Shabaab aus Mogadischu ist dauerhaft. Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Es gibt in Mogadischu keine Clanmilizen und keine Clangewalt (UKUT 3.10.2014; vgl. EGMR 10.9.2015), auch wenn einzelne Clans angeblich noch in der Lage sein sollen, Angriffe führen zu können (EASO 2.2016).

In Mogadischu gibt es eine Präsenz von AMISOM, somalischer Armee und Polizei, sowie des Geheimdienstes NISA. Die Stadt ist generell sicher, auch wenn sie von al Shabaab bedroht wird (EASO 2.2016; vgl. DIS 9.2015). Es besteht keine Angst mehr, dass in Mogadischu wieder Bürgerkrieg herrschen könnte. Seit 2011 hat sich die Sicherheitslage in der Stadt sehr verbessert. Die größte Gefahr geht heute von terroristischen Aktivitäten der al Shabaab aus. Die Hauptziele dafür sind die Regierung und die internationale Gemeinde (LI 1.4.2016). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014). Die Stadtbewohner sind normalerweise nur dann betroffen, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind (LI 1.4.2016). Jeder Stadtbürger kann sein eigenes Risiko weiter minimieren, indem er Gebiete oder Einrichtungen meidet, die klar als Ziel der al Shabaab erkennbar sind (UKUT 3.10.2014). EASO listet als angegriffene Ziel von Sprengstoffanschlägen der al Shabaab vor allem Hotels (YSL Hotel, Central Hotel, Maka al-Mukarama Hotel, Jazeera Palace Hotel, Sahafi Hotel), Restaurants, Regierungseinrichtungen und -Konvois, Stellungen und Stützpunkte von Regierungskräften und AMISOM (EASO 2.2016).

Die Halbjahre 2/2014 und 1/2015 lassen bei sicherheitsrelevanten Zwischenfällen einen Abwärtstrend erkennen, trotzdem gibt es noch wöchentlich Angriffe (BFA 10.2015; vgl. EASO 2.2016).

Der vor einigen Jahren noch gefürchtete Artillerie- und Mörserbeschuss ist drastisch zurückgegangen. In den ersten drei Quartalen 2015 kam es zu vier Feuerüberfällen auf Wardhiigleey, Xamar Weyne, Hodan, Dayniile, und das Küstengebiet von Wadajir. Lediglich letzterer war von mehr als zwei Granaten begleitet. Insgesamt scheint es für AS einerseits sehr schwierig geworden zu sein, Artillerie entsprechend einzusetzen. Andererseits scheint die Strategie von AS derzeit auch das Geringhalten von Kollateralschäden zu beinhalten (BFA 10.2015).

Handgranatenanschläge sind fast gänzlich aus der Strategie der al Shabaab ausgeschieden. Im Zeitraum Q1 2013 – Q1 2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an Handgranatenanschlägen pro Quartal noch 86; in den Quartalen Q2 2014 – Q3 2015 ist diese Zahl auf unter 15 eingebrochen. Auch die Zahlen an gezielten Attentaten und Sprengstoffanschlägen sind – vor allem im Jahr 2015 – rückläufig. Im Zeitraum Q1 2013 – Q4 2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an gezielten Attentaten 52; an Sprengstoffanschlägen 27. Vergleichsweise fallen die Zahlen in den ersten drei Quartalen 2015 geringer aus (46 und 19) – und dies, obwohl der Ramadan schon stattgefunden hat (BFA 10.2015).

Insgesamt sind die Zahlen terroristischer Aktivitäten seit einer Spitze im Q3 2013 nachhaltig eingebrochen und liegen im Jahr 2015 bei nur noch einem Drittel der Zahl. Hingegen scheint die Strategie der al Shabaab zunehmend bewaffnete Zusammenstöße als bevorzugtes Mittel zu umfassen. Betrug die Zahl der Scharmützel in den Quartalen des Jahres 2013 noch durchschnittlich 22, so stieg die Zahl im Jahr 2014 auf 36, im Jahr 2015 sogar weiter auf 44 (BFA 10.2015).

Bei der Zusammenfassung terroristischer Aktivitäten (Artillerie- und Mörserbeschuss; gezielte Attentate; Sprengstoff- und Handgranatenanschläge) im ersten Halbjahr 2015 zeigt sich, dass mehrere Bezirke massiv betroffen sind. Dies gilt für Yaqshiid, Wardhiigleey, Hawl Wadaag, Hodan, Dharkenley und Wadajir. Mäßig betroffen sind Heliwaa, Dayniile, Xamar Jabjab und Waaberi; kaum betroffen sind Karaan, Shibis, Boondheere, Xamar Weyne und die Peripherie. Aus Cabdulcasiis und Shangaani wurden keinerlei Aktivitäten vermerkt (BFA 10.2015).

In Mogadischu sind die Zahlen an terroristischen Aktivitäten und auch die Gesamtzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen innerhalb der vergangenen vier Quartale zurückgegangen. Gleichzeitig bleibt aber die Zahl bewaffneter Auseinandersetzungen mit al Shabaab konstant hoch. Während terroristische Aktivitäten relativ flächendeckend über das Stadtgebiet verstreut vorkommen, konzentrieren sich bewaffnete Zusammenstöße in einer kleinen, übersichtlichen Anzahl an Bezirken (BFA 10.2015).

Im Vergleich zu den Zahlen anderer Städte in Süd/Zentralsomalia kann festgestellt werden, dass die Situation in den o.g. mäßig, kaum oder gar nicht betroffenen Bezirken von Mogadischu wesentlich besser ist, als beispielsweise in Afgooye, Merka, Baidoa oder Kismayo. Dahingegen liegen etwa Yaqshiid, Hodan und Hawl Wadaag durchaus an der Spitze der landesweiten Skala terroristischer Gewalt. Werden noch die Zahlen bewaffneter Zusammenstöße hinzugezählt, müssen Yaqshiid, Hodan und Heliwaa vermutlich als gewaltsamste Orte Somalias bezeichnet werden. Insgesamt wird jedenfalls deutlich, dass al Shabaab in der Lage ist, fast im gesamten Stadtgebiet von Mogadischu terroristische Taten zu begehen (BFA 10.2015). Die Zahl der Angriffe ging insgesamt also zurück und diese richten sich vor allem gegen Repräsentanten der somalischen Regierung und ihre Unterstützer (LI 1.4.2016).

(BFA 10.2015; vgl. EASO 2.2016)

Es ist zu erkennen, dass al Shabaab nach wie vor in der Lage ist, über die Peripherie in Randbezirke von Mogadischu einzudringen. In militärischer Hinsicht betrifft dies Dayniile, Heliwaa, sowie Teile von Karaan, Yaqshiid und Dharkenley. Außerdem kann der Einfluss von al Shabaab in der Nacht in den schraffierten Gebieten größer werden. Die restlichen Teile von Mogadischu sind für al Shabaab vor allem auf zwei Arten erreichbar: Erstens in Form verdeckter Akteure; und zweitens in Form von großangelegten Operationen von Spezialeinheiten – sogenannte komplexe Anschläge (welche sowohl Selbstmordattentäter und ferngezündete Sprengsätze als auch eine größere Zahl an nachstoßenden Kämpfern beinhalten). Insgesamt ist jedenfalls feststellbar, dass al Shabaab in den oben blau markierten Teilen der somalischen Hauptstadt mangels permanent anwesender, sichtbarer Kampfeinheiten nur geringer Einfluss zugesprochen werden, wiewohl die Anwesenheit verdeckter Elemente und die Durchführung terroristischer Aktivitäten das Leben der Bewohner beeinflussen (BFA 10.2015).

Zur Situation in Puntland führte das LIB 2017 aus wie folgt:

Puntland ist relativ friedlich und stabil (UNHRC 28.10.2015) und von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia (AA 1.12.2015). Puntland gilt als relativ sicheres Gebiet (ÖB 10.2015).

Den Behörden von Puntland ist es in begrenztem Umfang gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 1.12.2015). Puntland kontrolliert die Regionen Bari und Nugaal, den nördlichen Teil der Region Mudug sowie kleiner Teile der Regionen Sool und Sanaag (BFA 10.2015; vgl. EASO 2.2016). Aufgrund der geringen Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen werden die von Puntland beanspruchten Regionen Bari, Nugaal und Nord-Mudug als relativ stabil eingestuft. Ausnahmen bilden die Städte Bossaso und Gaalkacyo. Aus der puntländischen Hauptstadt Garoowe wurden nur wenige Vorfälle gemeldet; die Hafenstadt Bossaso ist – auf niedrigem Niveau – konstant von kriminellen und terroristischen Vorfällen betroffen; die zwischen Puntland und der neuen Galmudug Interim Administration geteilte Stadt Gaalkacyo leidet unter einem hohen Maß krimineller, clan-basierter und terroristischer Gewalt (BFA 10.2015).

Stammesmilizen spielen eine untergeordnete Rolle (AA 1.12.2015). Trotzdem kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Clans (EASO 2.2016). Außerdem ist die Grenzziehung im Süden sowie im Nordwesten nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln führt (AA 1.12.2015).

Al Shabaab kontrolliert in Puntland keine Gebiete mehr, sondern ist nur in wenigen, schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten (AA 1.12.2015), namentlich in den Golis/Galgala-Bergen. Dabei hat sich die al Shabaab in Puntland gespalten, da sich der dortige Anführer, Abdulqadir Mumin, zum Islamischen Staat bekannt hat, während al Shabaab grundsätzlich der al Kaida die Treue hält (EASO 2.2016).

Allerdings scheint al Shabaab sich nach Norden, in Richtung Puntland, ausbreiten zu wollen (EASO 2.2016; vgl. UNHRC 28.10.2015). Puntländische Sicherheitskräfte führen Operationen und Razzien gegen Aktivitäten der al Shabaab v.a. in Bossaso, Garoowe und der Umgebung der Galgala-Berge. Es kam bisher zu zahlreichen Festnahmen. Gegen die Stellungen der al Shabaab in den Galgala-Bergen führt Puntland regelmäßig Vorstöße durch (EASO 2.2016). Zuletzt wehrten puntländische Kräfte einen Vorstoß der al Shabaab entlang der Küste effektiv ab. Der über 250 Mann starke terroristische Verband wurde komplett aufgerieben (A 4.2016).

Sporadisch kommt es zu Aktivitäten der al Shabaab (UNSC 11.9.2015), z.B. bei einem Sprengstoffanschlag auf die UN in Garoowe mit mehreren Toten und Verletzten (UNHRC 28.10.2015) oder bei kleineren Angriffen in Bossaso. Die Aktivitäten richten sich vorwiegend gegen Vertreter der internationalen Gemeinde und der Verwaltung bzw. der Sicherheitskräfte von Puntland (EASO 2.2016).

Clans:

Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).

Demgegenüber stellt sich die Situation in Mogadischu nach dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.09.2019 (LIB 2019) dar wie folgt (Hervorhebungen nicht im Original):

„Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (PGN 8.2019; vgl. BMLV 3.9.2019). Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche Mogadishu Stabilization Mission (MSM) (UNSC 5.9.2017, Abs.11) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an die 14th October Brigade übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt (BMLV 3.9.2019). Nach wie vor reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (BMLV 3.9.2019).

Für al Shabaab bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele (NLMBZ 3.2019, S.23). Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von al Shabaab in der Stadt umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen des Stadtgebiets Anschläge durchzuführen (LIFOS 3.7.2019, S.42).

Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurück erlangt (BMLV 3.9.2019). In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BMLV 3.9.2019; vgl. BFA 8.2017, S.51). Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (ICG 27.6.2019, S.5).

Sprengstoffanschläge: Im September und Oktober 2018 ging die Anzahl an Anschlägen vorübergehend zurück; dahingegen nahm in diesem Zeitraum die allgemeine Kriminalität zu (UNSC 21.12.2018, S.3f). Danach hat die Zahl an größeren Anschlägen in und um Mogadischu zugenommen (UNSC 15.8.2019, Abs.16). Es kommt regelmäßig zu Sprengstoffanschlägen oder aber zu gezielten Tötungen. Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Offizielle, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und –Gebäude sowie Soldaten von Armee und AMISOM (LIFOS 3.7.2019, S.23f). Betroffen sind Regierungseinrichtungen, Restaurants und Hotels, die von nationalen und internationalen Offiziellen frequentiert werden (BS 2018, S.9; UNSC 15.5.2019, Abs.12). Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg der Aktivitäten, fast täglich war ein Anschlag mit einem improvisierten Sprengsatz zu verzeichnen (UNSC 15.5.2019, Abs.12). Vereinzelt kommt es zu großangelegten komplexen Angriffen durch al Shabaab, so etwa am 9.11.2018 auf das Sahafi Hotel (50 Tote, darunter sieben Angreifer) (UNSC 21.12.2018, S.3f). Bei einem Selbstmordanschlag im Juli 2019 kamen u.a. der Bürgermeister von Mogadischu und drei District Commissioners ums Leben (Mohamed 17.8.2019; vgl. AJ 25.7.2019).

Zivilisten: Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Andererseits fühlen sich die Menschen von der Regierung nicht adäquat geschützt (LIFOS 3.7.2019, S.25). Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an (NLMBZ 3.2019, S.23; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.25). Diese leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden (LIFOS 3.7.2019, S.42). Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (LIFOS 3.7.2019, S.25/42; vgl. NLMBZ 3.2019, S.23) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Auch wenn Mogadischu von Sicherheitskräften und AMISOM geschützt wird, kann al Shabaab indirekt Kontrolle ausüben. Dadurch wird die Mobilität der Stadtbewohner im Alltag eingeschränkt (LIFOS 3.7.2019, S.21).

Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017, S.35).

Geographische Situation: Al Shabaab ist im gesamten Stadtgebiet präsent, das Ausmaß ist aber sehr unterschiedlich (LIFOS 3.7.2019, S.25f). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 3.9.2019). Nicht alle Teile von Mogadischu sind bezüglich Übergriffen von al Shabaab gleich unsicher. So sind z.B. jene Teile, in welche Rückkehrer siedeln (u.a. IDP-Lager) besser vor al Shabaab geschützt. IDP-Lager stellen für die Gruppe kein Ziel dar (NLMBZ 3.2019, S.24). Jedenfalls ist al Shabaab nahezu im gesamten Stadtgebiet in der Lage, verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben (BMLV 3.9.2019).

Die meisten Anschläge richten sich gegen Villa Somalia, Mukarama Road, Bakara-Markt, die Flughafenstraße und Regierungseinrichtungen. Auch Dayniile ist stärker betroffen. Gebiete, die weiter als 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegen, werden teilweise von al Shabaab kontrolliert. Vor allem Dayniile, Yaqshiid und Heliwaa werden als unsichere Gebiete erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.25f).

2018 waren die Bezirke Dayniile, Dharkenley, Hawl Wadaag und Hodan, in geringerem Ausmaß die Bezirke Heliwaa und Yaqshiid von Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2018 v.a. in den Bezirken Dharkenley, Hawl Wadaag, Hodan, in geringerem Ausmaß in Dayniile, Heliwaa, Waaberi und Yaqshiid von gegen sie gerichteter Gewalt betroffen (ACLED - siehe Tabelle weiter unten).

Auch der sogenannte Islamische Staat (IS) hat in Mogadischu Anschläge und Attentate verübt, die eigene Präsenz ausgebaut (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Vorfälle: In Benadir/Mogadischu lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,65 Millionen Menschen (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 217 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie „violence against civilians“). Bei 186 dieser 217 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 207 derartige Vorfälle (davon 177 mit je einem Toten). Die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in der Region Benadir entwickelte sich in den vergangenen Jahren folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt):

 

Vorfälle (mit Todesopfern) - gesamt

BENADIR/MOGADISCHU

2013

2014

2015

2016

2017

2018

 

Anzahl Vorfälle / Opferzahl (1/>1)

 

1

>1

1

>1

1

>1

1

>1

1

>1

1

>1

Boondheere

-

-

7

2

-

1

5

3

3

2

8

2

Cabdulcasiis

-

-

1

1

2

-

1

6

1

-

4

-

Dayniile

20

15

13

2

8

3

9

3

25

11

29

23

Dharkenley

20

4

19

4

25

5

25

7

41

6

43

7

Hawl Wadaag

35

18

19

6

26

4

9

4

15

5

52

20

Heliwaa

47

10

35

11

7

7

10

13

25

-

28

12

Hodan

38

14

49

12

22

16

24

14

40

15

47

25

Karaan

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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