Entscheidungsdatum
27.11.2020Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I422 2237243-1/5Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Flüchtlingsdienst, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 22.10.2020, Zl. 566023705/180895525, zu Recht:
A)
Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Rumänien. Sie ist seit 27.05.2015 durchgehend im Bundesgebiet mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die Beschwerdeführerin verfügt seit 30.07.2015 über eine Anmeldebescheinigung (Familienangehöriger). In Österreich lebt die Großmutter der Beschwerdeführerin und bestand bis 13.08.2020 eine Wohnsitzmeldung an derselben Adresse. Seit 13.08.2020 lebt die Beschwerdeführerin in einer teilbetreuten Einrichtung der XXXX .
Die Beschwerdeführerin wurde im Bundesgebiet vier Mal strafgerichtlich verurteilt.
Erstmals wurde sie am 19.07.2017 durch das Landesgericht XXXX zu GZ XXXX wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Wochen rechtskräftig verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 26.09.2018, XXXX wurde die Beschwerdeführerin wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs. 1 StGB und des Vergehens der versuchten Begünstigung nach den §§ 15, 299 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 15.03.2019, XXXX wurde sie wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen rechtskräftig verurteilt.
Mit Schreiben vom 30.10.2019 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, sich zu der wegen ihrer strafgerichtlichen Verurteilungen beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern und konkrete Fragen zu ihren persönlichen Verhältnissen zu beantworten. Die Beschwerdeführerin erstattete die entsprechende Stellungnahme am 02.12.2019. Angeschlossen war den Ausführungen der Beschwerdeführerin auch ein Schreiben der sozialpädagogischen Betreuungseinrichtung, in welcher sich die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt befand.
Zuletzt wurde die Beschwerdeführerin mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 13.01.2020, XXXX wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, davon 16 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt. Von 09.10.2019 bis 15.10.2019 und von 23.10.2019 bis 22.11.2019 befand sich die Beschwerdeführerin in Untersuchungshaft und wurde diese auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.
Mit ergänzendem Parteiengehör vom 25.09.2020 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin erneut zur Abgabe einer Stellungnahme zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auf. Die Beschwerdeführerin erstattete die entsprechende Stellungnahme mit Schreiben vom 12.10.2020 und führte darin zusammengefasst aus, dass sie ihre in XXXX lebenden Großeltern als ihre wahre Familie betrachten würde. In Rumänien würden zwar eine Mutter und zwei Brüder leben, es würde allerdings seit drei Jahren kein Kontakt bestehen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit der Notwendigkeit der sofortigen Durchsetzbarkeit und der sofortigen Ausreise der Beschwerdeführerin begründet. In Anbetracht der bisher verübten Straftaten der Beschwerdeführerin sei von einer hohen Rückfallwahrscheinlichkeit auszugehen, weshalb die sofortige Ausreise im Interesse der Bevölkerung geboten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen auf Durchführung einer Beschwerdeverhandlung zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens, auf Behebung des Bescheids, auf Behebung des Aufenthaltsverbotes bzw. in eventu auf Verkürzung von dessen Dauer; in eventu auf Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes. Die Beschwerdeführerin bringt dazu zusammengefasst vor, dass sich die belangte Behörde nicht im ausreichenden Maße mit der Gefahrenprognose und mit ihrem Privat- und Familienleben auseinandergesetzt habe. Zwar habe die belangte Behörde schriftliches Parteiengehör gewährt, sie hätte sich jedoch jedenfalls auch einen persönlichen Eindruck verschaffen müssen. Die Beschwerdeführerin sei von ihrer in Österreich lebenden Großmutter aufgezogen worden, habe zu dieser ein enges Verhältnis und verfüge außerdem über ein enges privates Netz, wohingegen in Rumänien kein tragfähiges soziales Netz bestehen würde. Bei einer Rückkehr nach Rumänien drohe eine Verletzung ihrer durch Art 8 EMRK gewährleisteten Rechte, sodass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sei.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2020 mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Fremdenregister (IZR). Da die Beweisergebnisse keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufweisen, erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
Die Beschwerde richtet sich (unter anderem) gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG in Form eines (Teil-)
Erkenntnisses zu entscheiden.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise der betroffenen EWR-Bürger oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise des BF geboten ist.
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.
Wie sich aus dem Verwaltungsakt und dem Beschwerdevorbringen ergibt, besteht im Bundesgebiet ein Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin. Nachdem nicht hinreichend geklärt ist, ob die Beschwerdeführerin dieses Privat- und Familienleben tatsächlich und vor allem in welcher Intensität führt, besteht bei ihrer Abschiebung nach Rumänien die Gefahr einer Verletzung ihrer nach Art 8 EMRK geschützten Rechte. Aus diesen Gründen ist Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und das Bundesverwaltungsgericht keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall ersatzlose Teilbehebung EU-Bürger EWR-Bürger gefährliche Drohung Kassation Körperverletzung Menschenrechtsverletzungen Privat- und Familienleben private Interessen Spruchpunktbehebung strafgerichtliche Verurteilung strafrechtliche Verurteilung Teilerkenntnis Unionsbürger UrkundenunterdrückungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2237243.1.00Im RIS seit
16.02.2021Zuletzt aktualisiert am
16.02.2021