TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/30 W195 2202281-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.2020
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Entscheidungsdatum

30.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W195 2202281-3/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2020, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.11.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Vorangegangenes Verfahren:

I.1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 09.04.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am 10.04.2018 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF an, am 19.03.2018 den Entschluss gefasst zu haben, sein Heimatland zu verlassen. Er sei zunächst nach Indien gereist, sodann in die Türkei geflogen und in der Folge durch unbekannte Länder nach Österreich gereist.

Nach jenen Gründen befragt, die den BF bewogen hätten, sein Heimatland zu verlassen, führte dieser aus, seit 2000 bis 2013 Sympathisant der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) gewesen zu sein. Am 03.05.2013 sei er als eingetragenes Mitglied der BNP beigetreten. Seit 2018 sei er Organisationssekretär der BNP des Gemeindeverbandes XXXX gewesen. Seit mehreren Jahren habe er an gegen die Regierung gerichtete Protesten teilgenommen. Am 08.03.2018 habe er an einer Protestkundgebung der BNP vor dem Presseklub in XXXX teilgenommen. Bei diesen Protesten hätten sie die Regierung aufgefordert, seine Parteichefin freizulassen. Diese Kundgebung sei von der Polizei gewaltsam aufgelöst worden. Sie seien davongelaufen. Es sei auch herumgeschossen worden. Der BF sei XXXX geblieben und nicht mehr nach Hause zurückgekehrt.

Am 19.03.2018 seien mehrere Polizisten zum BF nach Hause gekommen und hätten seinen Familienangehörigen mitgeteilt, dass am 18.03.2018 gegen ihn und noch drei weitere Personen ein Strafverfahren ( XXXX ) bei der Zentralpolizeistation XXXX eingeleitet worden sei. In dieser Anzeige sei dem BF ein Mordversuch zu Last gelegt worden. Er sei unschuldig. Da der BF weder Vertrauen zur Polizei noch zur Justiz habe, erwarte er kein faires Verfahren. Weitere Fluchtgründe hätte er nicht. Der BF legte ein Konvolut an kopierten Dokumenten vor.

I.1.2. Am 04.05.2018 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Dabei aufgefordert, seine persönlichen Fluchtgründe darzulegen, führte der BF aus, gegen ihn seien Anzeigen eingebracht worden. Da die Präsidentin bzw. Führungsperson der BNP, Begum Khaleda Zia, verhaftet worden sei, hätten sie vor dem XXXX protestiert. Als sie dort demonstriert/protestiert hätten, sei der Präsident XXXX namens XXXX verhaftet worden. Nicht nur er, sondern auch einige andere seien verhaftet worden, dann sei der BF von dort geflohen um der Verhaftung zu entgehen.

Es hätte schon immer wieder Probleme gegeben als BNP-Mitglied, aber es habe keine Anzeige gegen den BF gegeben. Er sei zu der Tante und dem Onkel gegangen. Am 18.03.2018 sei eine Anzeige gegen ihn beim Polizeikommissariat in XXXX erstattet worden. Am 19.03.2018 in der Früh sei die Polizei zu ihrem Haus gekommen. Sie hätten eine Kopie der Anzeige mitgehabt. Sie hätten diese der Mutter und der Frau des BF gezeigt und hätten sie dann nach dem BF gefragt. Sie seien nicht nett zu seiner Frau und zur Mutter des BF gewesen, sie hätten unter Druck wissen wollen, wo er geblieben wäre. Seine Frau habe den BF über das Handy angerufen und ihm von der Anzeige erzählt.

Nur weil er Mitglied der BNP gewesen sei, habe es immer wieder Probleme gegeben. Die machthabende Partei Awami League (im Folgenden: AL) habe immer Probleme gemacht, weil deren Mitglieder keine oppositionelle Partei haben hätten wollen. Manche Anhänger der BNP seien durch die Anhänger der AL umgebracht worden, manche seien ins Gefängnis geworfen worden. Manche hätte man einfach verschwinden gelassen. Der BF habe oft an Demonstrationen teilgenommen, auch noch zwischen 01.01.2018 und 08.03.2018. Es habe in seinem Dorf einige Male Demonstrationen gegeben, da sei er immer dabei gewesen. Am 18.03.2018 habe man Anzeige gegen den BF erstattet. Sie hätten eine Protestaktion/Demonstration veranstaltet gehabt.

Befragt, was am 08.03.2018 passiert sei, gab der BF an, um 10:00 Uhr seien sie dort beim XXXX angekommen. Viele Funktionäre, viele Mitglieder seien in einer Reihe gestanden, verschiedene Leute hätten gegen die Verurteilung der Khaleda Zia protestiert. Es hätte Ansprachen gegeben. Es seien viele Polizisten dagewesen. Gegen 11:30 seien einige Anführer der AL gekommen und hätten der Polizei befohlen, den Protest zu unterbinden. Die Polizisten hätten mit Stöcken Protestierende geschlagen, attackiert und mit „Heißwasserwerfern“ beschossen. Es sei alles durcheinandergekommen, der BF sei von dort geflohen.

Khaleda Zia sei zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der BF glaube, dass sie verfolgt worden sei und gegen sie seit 2013 Anzeigen eingebracht worden seien. Verurteilt worden sei sie, so glaube er, Anfang März 2018.

Schon 2013 habe es Probleme gegeben. Es habe Wahlen gegeben, aber die BNP habe zu einem Wahlboykott aufgerufen. Die letzte Wahl sei 2013 gewesen. Die BNP habe aber daran nicht teilgenommen.

Der BF sei seit 2001 Anhänger der BNP. Echtes Mitglied sei er 2013 geworden.

2018 sei der BF der Zuständige für Veranstaltungen geworden, eine Art Sekretär. Wenn von der Zentrale mitgeteilt worden sei, dass ein Zusammentreffen der Mitglieder und Anhänger zu organisieren wäre, dann habe der BF das zu organisieren gehabt. Wenn eine Demonstration oder ein Protest zu organisieren gewesen sei, habe das der Präsident gemacht. Der BF habe diese Position seit 03.02.2018 innegehabt.

Als die Präsidentin verurteilt worden sei, sei der BF mit anderen in XXXX gewesen. Dort hätten sie auch kleine Proteste organisiert und an dem Tag seien auch einige verhaftet worden. Das sei kurz vor dem großen Protest am 03.03.2018 gewesen.

Zirka 500 bis 600 Personen hätten an der Demonstration teilgenommen, es könne sein, dass da mehr gewesen seien, aber nicht weniger. Am 03.03.2018 hätten tausende Leute vor dem Gericht in XXXX demonstriert, auch der BF.

I.1.3 Nach der Einvernahme übermittelte der BF dem BFA weitere Schriftstücke, das BFA gab deren Übersetzung in Auftrag.

I.1.4. Mit Bescheid vom 06.07.2018, XXXX wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.1.5. Mit Schriftsatz vom 19.07.2018 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – zu diesem Zeitpunkt durch die XXXX vertretenen – BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

I.1.6. Am 25.04.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Einleitend gab der BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bekannt, dass er bei der zweiten Einvernahme des BFA nicht einwandfrei verstanden wurde, weil die Dolmetscherin nicht aus Bangladesch stammte.

In weiterer Folge führte der BF aus, dass seine Mutter als auch seine beiden verheirateten Schwestern in Bangladesch leben; ein Bruder wohne in Singapur, der älteste Bruder in Österreich seit 2005. Dieser habe danach seine Frau nach Österreich nachkommen lassen und habe mittlerweile zwei Töchter. Dies sei auch der Grund, weshalb er nach Österreich geflohen sei, weil er zu diesem Bruder einen Bezug habe. Sein Bruder habe ihn zwar darauf hingewiesen, dass eine illegale Einreise verboten sei, dennoch sei er illegal nach Österreich gekommen. Um ein Visum habe er sich nicht bemüht. Da er keine Zeit gehabt hätte, sich einen Reisepass in Bangladesch zu besorgen wäre er mit einem gefälschten Reisepass von Indien in die Türkei geflogen und von dort auf dem Landweg nach Österreich gelangt.

Er selbst sei seit 2013 verheiratet und habe zwei Söhne, geboren 2015 und 2017. Seine Familie lebe in Bangladesch. Er hatte ein Eigentumshaus, ein Großfamilienhaus. Er hatte auch eigene Grundstücke sowie ein Textilbekleidungsgeschäft und sei Großhändler gewesen. Befragt, ob der seine Familie nach Österreich nachkommen lassen würde, wurde dies dem Grund nach bejaht. Hinsichtlich der Unterstützung seiner Familie führte der BF aus, dass seine Familie nicht auf Unterstützung angewiesen sei, weil er „habe unten genug. Ich könnte mir auch von Bangladesch Geld schicken lassen und z.B. meinem Bruder geben, aber er nimmt von mir nichts, ich habe es ihm schon angeboten“.

Hinsichtlich einer versuchten Konversation auf Deutsch musste der vorsitzende Richter feststellen, dass diese mangels Verständnis und Sprachwortschatz nicht möglich war. Hinsichtlich seiner Aktivitäten in Österreich gab der BF bekannt, dass er seine Schwägerin mit den Zwillingstöchtern helfe, weil diese überfordert sei. Er habe sich auch für kostenlose Deutschkurse angemeldet, aber man müsse so lange warten. Eine Bestätigung des Vereins XXXX wurde vorgelegt.

Befragt zu seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass diese Gründe ausschließlich politische Gründe seien.

Er sei Mitglied der BNP und habe wiederholt an Demonstrationen teilgenommen. Am 08.03.2018 habe er an einer großen Demonstration mit über 100.000 Menschen vor dem XXXX teilgenommen. Diese Demonstration sei von Polizisten gewaltsam aufgelöst worden, der Parteigeneralsekretär der BNP sei festgenommen worden; schon zwei Tage vorher sei der Organisator der Veranstaltung in Haft genommen worden. Auch der Präsident der Chatra Dal, des Studentenflügels der BNP, sei inhaftiert worden.

Er selbst sei im Tumult gestürzt und habe sich Schürfwunden zugezogen; er sei zu seinem Onkel in XXXX gelaufen. Am nächsten Tag habe er erfahren, dass die Polizei ihn suche. Möglicherweise habe ihn einer der verhafteten Parteiführer genannt, möglichweise sei er fotografiert worden bei der Bushaltestelle, wo sie sich zur Fahrt XXXX versammelt hätten. Er habe mit lokalen Führern der BNP vier Busse und ca 370 Anhänger organisiert.

Jedenfalls sei er in XXXX bei seinem Onkel geblieben, weil angeblich eine Anzeige gegen ihn in der Zentralpolizeistation XXXX eingebracht worden sei. Er und vier andere hätten angeblich versucht, eine Frau zu töten. Er habe dann sein Geschäft aufgelöst und um 450.000 Taka verkauft sowie seine Flucht organisiert.

Nach Darstellung der Situation aus Sicht der Rechtsvertreterin ersuchte der BF um Stattgabe seines Antrages, da er „durch und durch Politiker“ sei.

Ein wesentliches weiteres Vorbringen wurde nicht erstattet.

I.1.7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2019, XXXX wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 06.05.2018 als unbegründet abgewiesen. Dies wurde insbesondere mit der mangelnden Glaubhaftigkeit der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründe und mit der fehlenden persönlichen Glaubwürdigkeit des BF begründet. Dem BF sei es weder gelungen, eine Verfolgung seiner Person aus politischen Gründen in Bangladesch glaubhaft zu machen, noch die Unzumutbarkeit seiner Rückkehr nach Bangladesch darzutun. Der BF habe kein besonderes Maß an persönlicher, sozialer und wirtschaftlicher Integration dargetan, sodass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht unverhältnismäßig und daher zulässig sei. Seine Abschiebung nach Bangladesch sei zulässig.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2019 wurde rechtskräftig.

I.2. Gegenständliches Verfahren:

I.2.1. Knapp drei Monate später, am 20.08.2019, stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er am Tag der Antragstellung einer Erstbefragung unterzogen wurde. Nunmehr behauptete der BF zu seinen Fluchtgründen, homosexuell zu sein und seit sechs Monaten in einer homosexuellen Partnerschaft zu leben. In Bangladesch sei Homosexualität verboten, weshalb er nicht zurück nach Bangladesch könne und er neuerlich um Asyl ansuche.

Weiters gab er an, sein Bruder, der in Österreich lebe, sei am 29.05.2019 nach Bangladesch gefahren. Am 20.06.2019 sei ein Polizist mit einem Foto des BF zum Bruder gekommen und habe vorgegeben, „bezüglich“ des BF zu ermitteln. Er habe eine Million Taka Schutzgeld und Erpressungsgeld gefordert. Er habe damit gedroht, dass die Polizeiverwaltung in Bangladesch bereits wisse, dass der BF in Österreich um politischen Schutz angesucht habe. Falls das Geld nicht bezahlt würde, würde die Familie des BF und der BF misshandelt und getötet werden. Etwa fünf bis sechs Tage später habe ein anderer Bruder des BF zur Polizeistation gemusst. Der Polizist habe diesem ein Ermittlungsergebnis gezeigt und gesagt, falls das Geld nicht bezahlt würde, würde er ein positives „Identitätsverifizierungsergebnis“ schicken, damit die österreichische Regierung den BF nach Bangladesch abschieben könne. Weiters habe der Polizist damit gedroht, dass der BF bei seiner Ankunft sofort verhaftet werden würde, weil gegen ihn ohnehin ein Strafverfahren laufe und er außerdem gegen den BF weitere Anzeigen nach dem digitalen Sicherheitsgesetz einbringen werde, weil der BF auf Facebook regierungsfeindliche Sachen posten würde. Als Beweis, dass der Polizist Bestechungsgeld vom BF verlangt habe, lege er eine Telefonnummer vor. Das könne man sehr leicht überprüfen, weil alle SIM-Karten in Bangladesch registriert seien. Der BF verstehe, dass das BFA absichtlich oder unabsichtlich seine Daten an die Botschaft und somit weiter an die bengalische Polizei übergeben habe. Die „Asylantragsstellungsinformation“ weiterzugeben sei aber verboten. Sein Leben sei „somit“ ruiniert.

I.2.2. Am 08.10.2019 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu den Gründen der neuerlichen Antragstellung an, er habe „bezüglich“ seiner Homosexualität um Asyl angesucht, das Problem sei, dass es dort verboten sei und er wegen dem Vorverfahren eine finale negative Entscheidung erhalten habe und eigentlich zurückkehren müsste. Die Polizei in Bangladesch sehe „dies“ als eine Straftat und seine Frau habe sich auch bereits scheiden lassen. Der BF habe bereits Probleme mit der Polizei aus politischen Gründen.

Falls er zurückkehren müsste, würde ihn seine Frau anzeigen.

Daher bitte der BF um Schutz, damit er mit seinem Partner hier leben könne.

Außerdem schreibe er viel im Internet und auch regierungsfeindliche Sachen. Vor ca. zwei Tagen sei ein Student von der XXXX von acht bis neun Personen der Chattro-League ermordet worden, weil er gegen die Regierung bezüglich des Bangladesch-Indien-Übereinkommens geschrieben habe. Deshalb habe er auch Angst.

Nach erfolgter Rückübersetzung gab der BF weiters zu Protokoll, nach seiner negativen Entscheidung sei die Polizei in seine Heimat gegangen und habe eine Million Taka verlangt. Zu dieser Zeit sei sein älterer Bruder in Bangladesch auf Urlaub gewesen. Dieser habe nachgefragt, warum dieses Geld verlangt würde. Er habe die Information bekommen, dass von einer österreichischen Organisation der Auftrag gekommen sei, zu eruieren, ob der BF ein „Bangladeschi“ wäre und wie seine Adresse lauten würde. Die Polizei habe eruieren können, dass gegen den BF ein Strafverfahren liefe und ein Haftbefehl bestünde. Sie hätten gemeint, wenn das Geld bezahlt würde, würden sie einen negativen Bericht schreiben, ansonsten einen positiven Bericht und bei der Rückkehr am Flughafen den BF sofort festnehmen. Die Polizei in Bangladesch habe erfahren, dass der BF hier um Asyl angesucht habe und das werde als staatsfeindlich eingestuft. Gegen ihn liefen sowieso zwei Strafverfahren. Ihm werde versuchter Mord vorgeworfen, aber in Wirklichkeit wolle „man“ Oppositionelle stillhalten.

Seine Homosexualität habe er erst im zweiten Verfahren angegeben, weil er nicht gewusst habe, dass man als Homosexueller Schutz erhalten könne.

Weiters wurde ein Zeuge zur sexuellen Orientierung des BF einvernommen.

Das BFA verkündete in der Einvernahme einen mündlichen Bescheid, mit dem es den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 gemäß § 12a AsylG 2005 aufhob. Diesen begründete es im Wesentlichen damit, dass sein Antrag voraussichtlich zurückzuweisen sein werde, weil der BF keinen neuen Sachverhalt vorgebracht habe und sich auf seine schon behandelten Fluchtgründe bezöge und sein übriges Vorbringen jeder Glaubhaftigkeit entbehre.

I.2.3. Das BFA legte die Akten dem Bundesverwaltungsgericht vor.

I.2.4. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Beschluss vom 21.10.2019, XXXX fest, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtmäßig war und hob den unter I.2.2. aE dargestellten Bescheid auf. Begründet wurde dies insbesondere mit dem Umstand, dass sich das BFA beweiswürdigend zwar mit dem nunmehr neuen vorgebrachten Asylgrund, namentlich der Homosexualität, auseinandergesetzt habe, aber eine beweiswürdigende Befassung mit dem zweiten Grund, nämlich den Ereignissen ab dem 20.06.2019, unterblieben sei.

I.2.5. Am 02.01.2020 wurde der BF vor dem BFA neuerlich niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab er zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, als er 17 bis 18 Jahre alt gewesen sei und noch für die Schule gelernt habe, homosexuelle Bedürfnisse gehabt zu haben. Er habe auch einen Privatlehrer gehabt, der bei seiner Familie zu Hause gewesen sei und mit dem er im selben Bett gelegen sei. Sie hätten gemeinsam geschlafen. Es habe dann eine Beziehung mit ihm begonnen. Es seien fünf bis sechs Monate so vergangen. Sie hätten es geheim gehalten. Die Heimat des Privatlehrers sei wo anders gewesen, XXXX . Sein Name sei XXXX Er sei dann einmal in seiner Freizeit in die Heimat gegangen und habe dort dort eine dauerhafte Arbeit erhalten und sei nicht mehr zur Familie des BF gekommen. Der BF habe dann keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt. Er habe sich eine Zeit lang schlecht gefühlt. Der BF spreche jetzt von 2002. 2003, da habe er mit dem Lernen aufgehört. Er habe mit niemandem darüber sprechen können und „es“ unterdrückt, weil es gesellschaftlich und familiär nicht angenommen werde. Wenn der BF über das Thema mit Freunden sprechen habe wollen, hätten sie gleich schlecht davon gesprochen und dass er falsch darüber denke. Dann, Ende Dezember 2012, habe es eine Hochzeitsveranstaltung der Tochter seines Onkels mütterlicherseits gegeben. Der BF sei zu dieser Hochzeit gegangen. Es seien auch viele Verwandte und Familienmitglieder gekommen. Dort sei auch der Schwager seines Cousins mütterlicherseits (der Sohn der Tante mütterlicherseits) anwesend gewesen. Der BF sei dort fünf bis sieben Tage aufhältig gewesen und sie hätten dort miteinander gespielt und auch geschlafen. Sie hätten dann miteinander gesprochen und über Homosexualität begonnen zu reden. Sie seien dann langsam weniger bekleidet gewesen. Man könne sagen nackt. Plötzlich habe sie jemand gesehen. Es sei ein Haus aus Tin (Aluminium-Zinn-Legierung) gewesen. Es habe ein Herumgeschrei gegeben und es hätten sich Menschen versammelt. Der BF habe seine Kleidungsstücke genommen und sei weit weg gegangen. Seinen Geschlechtspartner habe man anscheinend befragt und dieser habe weinend ausgesagt, dass der BF ihn gezwungen hätte. Es habe jeder davon mitbekommen und die Familie sei von den Leuten aus der Ortschaft verachtet worden. In der Ortschaft, im Dorf, nehme es keiner als eine kleine Sache, sondern es sei eine sehr beschämende und verachtende Angelegenheit. Die Familienmitglieder des BF seien verhöhnt worden und der BF sowieso. Seine Familie habe Druck gemacht und habe den BF verheiraten wollen. Sie hätten gemeint, so wäre die Sache reingewaschen und die Verhöhnungen wären nicht mehr gerechtfertigt. Die Familienmitglieder seien in einer sehr schlimmen Situation und hätten herumgeweint. Aufgrund der Familienbürde habe sich der BF dafür entschieden und außerdem habe er schon keinen Vater mehr gehabt. Selbst der ältere Bruder sei nicht dagewesen, sondern im Ausland. Die zwei Schwestern seien auch nicht dagewesen und seien verheiratet und bei den Schwiegereltern gewesen. Die Mutter des BF habe herumgeweint und habe gesagt, der BF sollte zurückkehren und er habe die die Heirat akzeptiert. „Man“ habe versucht, den BF Anfang 2013 zu verheiraten. In seiner Ortschaft sei bei einigen Frauen angefragt worden, aber die Familien von ihnen hätten dies nicht gewollt, weil sie über die Angelegenheit Bescheid gewusst hätten. Der BF habe dann letztendlich, nachdem die Familienmitglieder und Verwandten traurig gewesen seien, am 05.04.2013 eine Frau aus XXXX , etwa 200 km entfernt von der Familie des BF, geheiratet. Die Heirat sei von einem Heiratsvermittler initiiert worden. Sie seien zu viert bis zu fünft nach XXXX gegangen. Die Frau sei für jeden in Ordnung gewesen und die Frau habe auch am BF Gefallen gehabt. Sie hätten nicht so viel Zeit, um Nachforschungen in der Ortschaft des BF anzustellen, gehabt und gleich dort sei mit Hilfe des Vermittlers gleich geheiratet worden. Sie seien nach der Heirat in ein Fahrzeug eingestiegen und über die Nacht nach XXXX zu seiner Schwester gekommen. Sie hätten ca. eine Woche in XXXX verbracht. Mit der Frau sei der BF dann gemeinsam nach Hause gegangen. Er habe nichts Befriedigendes mit seiner Frau gehabt. Er habe versucht, „es ihr von hinten zu geben“, aber sie habe dann immer gesagt, er solle aufhören, das wäre nicht in Ordnung und verstoße gegen die Religion. Der BF sei nicht glücklich gewesen. Es sei ja wider seinen Willen wegen der Familienwürde gewesen, damit seine Familie noch Achtung in der Gesellschaft bekomme. Er sei nach alldem in XXXX aufhältig gewesen und habe einen Handel betrieben. Der BF sei in der Unterkunft seiner Schwester aufhältig gewesen und hätte den Geschäftsbetrieb geführt. Seine Frau sei in ihrer Heimat aufhältig gewesen. Dazwischen habe er ihr bei gewissen Angelegenheiten geholfen und er sei auch nach Hause gekommen und es habe auch Sex stattgefunden. Am 06.04.2014 sei der ältere Sohn des BF geboren worden. So seien die Tage verlaufen, der BF habe den Geschäftsbetrieb geführt und die Frau sei in der Heimat gewesen. In Bangladesch habe dann jemand eine Internetseite über Homosexualität eröffnet, mit dem Namen Rupban Rupoban – Regenbogen. Der Gründer sei einer von der US-Botschaft gewesen. Am 09.09.2017 sei sein jüngerer Sohn geboren worden. Der BF sei im Heimatland politisch aktiv gewesen. Der BF sei auf Ebene des Gemeindeverbandes Organisationssekretär gewesen. Im Jahr 2018 sei deshalb eine Anzeige gegen den BF in der Polizeistation in XXXX erstattet worden.

Die neuerliche Antragstellung trotz rechtskräftig entschiedenem Vorverfahren habe mit dem neuen Grund zu tun. Nach der negativen Entscheidung habe es eine Polizeikontrolle in der Heimat gegeben, weil der Auftrag gewesen sei, seine Identität zu verifizieren. Am 29.05.2019 sei sein in Österreich aufhältiger Bruder mit seiner Familie ins Heimatland zwecks Urlaub gegangen. Etwa zehn bis 15 Tage später sei ein A.S.I.-Polizeibeamter der Polizeistation XXXX namens XXXX gekommen. Er sei zum Bruder des BF gekommen und habe ihn zum BF befragt, ob er in Österreich wäre. Er habe gesagt, dass von Österreich aus ein Kontrollauftrag gekommen wäre. Sie wüssten, dass der BF um politisches Asyl angesucht hätte und es sei wegen seiner Abschiebung. Deswegen seien sie den Namen und die Adresse eruieren gekommen. Er habe seinen Bruder aufgefordert, eine Million Taka zu zahlen und sie würden dann einen negativen Bericht schreiben, dass sie seinen Namen und seine Adresse nicht gefunden hätten und sie ihn damit nicht gefunden hätten, ansonsten gebe es sowieso einen Haftbefehl vom alten Strafverfahren und sie würden den BF sofort nach der Abschiebung in Untersuchungshaft nehmen und ihn foltern oder im Kreuzfeuer erschießen lassen. Sein Bruder hätte gesagt, er könnte kein Geld bezahlen. Sein Bruder sei dann noch insgesamt einen Monat dort aufhältig gewesen. Der Polizeibeamte hätte der Familie des BF mitgeteilt, dass jemand zur Polizeistation kommen sollte. Dann sei sein jüngerer Bruder namens XXXX zur Polizeistation gegangen und habe den Beamten getroffen und gesprochen. Der Beamte habe seinen Bruder bedroht und gefragt, was los wäre, wann das Geld kommen würde oder ob sie Lust auf Anderes hätten. Sein Bruder habe dann gesagt, wie der BF Geld haben sollte und der Bruder aus dem Ausland auch kein Geld schicken würde. Das sei der eine Grund und der andere Grund sei, dass der BF wieder der Homosexualität verfallen sei. Nachdem er hierhergekommen sei, hätte er sehr wenig Kontakt mit seiner Frau gehabt, fast kaum. Hier habe der BF die alten Gefühle wiederbekommen und sich als homosexuell akzeptiert. Er habe dann selber 2018 im Internet über Homosexualität recherchiert. Er habe habe dann ein Lokal, die XXXX , gefunden. Er sei dann eines nachts dorthin gegangen. Er habe dort viele Leute, die Bier trinken, gesehen. Er habe auch Bier getrunken. Er sei dann einige Male dorthin gegangen. Am 15.03.2019 sei der BF zwischen 10 und 11 Uhr dorthin gegangen. So wie jedes Mal habe er sich hingesetzt und Bier getrunken. Er habe am Nebentisch auch einen Mann wie ihn, schlank und dynamisch, gesehen. Dieser sei dann aufgestanden, sei zum BF gekommen und habe nach einer Zigarette gefragt. Der BF habe ihm eine Zigarette gegeben. Er habe sein Bier genommen und sich an seinen Tisch gesetzt. Er habe wissen wollen, aus welchem Land der BF sei. Der BF habe gesagt, dass er aus Bangladesch sei. Dieser Mann sei mittlerweile der Partner des BF und er sei der Homosexualität verfallen. Der BF habe ihn an diesem Tag kennengelernt. Er sei mit ihm der Homosexualität verfallen und das habe nun jeder erfahren. Es habe sein Bruder, seine Familie, seine Frau, jeder erfahren. Die Frau sei deshalb nun gänzlich in das Haus ihres Vaters gezogen und komme nicht mehr zum BF nachhause und habe mit dem BF auch keinen Kontakt. Die Leute aus der Ortschaft hätten nun wieder begonnen, darüber zu sprechen und es gebe das Gerücht, dass die Frau den BF vermutlich wegen der alten Sache verlassen habe. Der BF befürchte nun das Schlimmste bei seiner Rückkehr. Seine Familie boykottiere ihn und werde selbst von der Gesellschaft boykottiert. Das sei die größte Beleidigung. Bei einer Rückkehr des BF würde seine Familie Grund und Boden verlieren, denn das sei in der bengalischen Kultur einfach nicht erlaubt. Der BF habe auch hier seinen Partner XXXX , mit dem er eine glückliche Beziehung führe. Der BF wolle mit ihm hier ein glückliches Leben führen und habe hier Glück und Befriedigung, das könne er dort nicht haben. Im Heimatland habe er seine Homosexualität nicht offen preisgeben können, hier sehe er, dass er es ausleben könne. Er habe hier keinen Zwang, es zu verheimlichen und keiner verhöhne den BF. Hier könne ihm keiner mit einer Polizeianzeige drohen und er könne hier ein sehr gutes Leben führen. Er wolle sein restliches Leben so führen können wie jetzt. Wenn ein Mensch seine Freiheit nicht ausleben könne, dann sei der Tod dasselbe.

Er könne hier hingehen wohin er wolle und mit wem er wolle. Keiner halte ihn davon ab. Als er im Heimatland gewesen sei, sei er von der Familie immer gedrängt worden, davon zurückzukehren. Nachdem sein Bruder hier davon wieder erfahren habe, habe er nicht unbedingt schlecht mit dem BF gesprochen und er denke sich sich, das sei die persönliche Sache des BF, aber dennoch sei das Verhältnis nicht gut. Er schäme sich trotzdem. Vermutlich setze er den BF nicht unter Druck, weil er über die Regeln hier Bescheid wisse.

Der BF wurde im Weiteren zu seiner Homosexualität befragt.

I.2.6. Ebenfalls am 02.01.2020 wurde der behauptete gleichgeschlechtliche Partner des BF vor dem BFA zeugenschaftlich einvernommen und wurde insbesondere zu besonderen Merkmalen des BF udgl. befragt. Der Zeuge sagte aus, dass er mit dem BF homosexuellen Kontakt seit 12.04.2019 habe.

I.2.7. Ebenfalls am 02.01.2020 wurde der Bruder des BF vor dem BFA zeugenschaftlich einvernommen.

I.2.8. Mit Schreiben vom 09.01.2020 nahm der BF durch den Verein XXXX zum Verfahren Stellung. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, es sei dem BF nicht möglich, in Bangladesch frei von Todesangst zu leben. In Bangladesch gebe es keine offen ausgelebte Homosexualität, weshalb mangelnde Informationen im Länderinformationsblatt nicht darauf geschlossen werden könne, dass es in Bangladesch keine Verfolgung Homosexueller gebe. LGBTIQ-Personen würden in Bangladesch behördlich und gesellschaftlich schikaniert. Der Staat sei nicht schutzfähig und -willig. Dies sei sowohl in ländlichen als auch urbanen Gebieten so. Dem BF sei der der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

I.2.9. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.01.2020, XXXX wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid erkannte das BFA die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.) und es sprach aus, dass gem. § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise des BF bestehe (Spruchpunkt VII.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung werde aberkannt, weil das Vorbringen des Beschwerdeführers offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche, weshalb auch keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde.

I.2.10. Mit Schriftsatz vom 07.02.2020 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – nunmehr durch XXXX vertretenen – BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes und des behaupteten Sachverhaltes wurde dabei auf das Wesentliche zusammengefasst begründend ausgeführt, dem BFA sei die Durchführung eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens anzulasten. Es habe die dem Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen nur unzureichend ausgewertet. Homosexualität sei in Bangladesch kriminalisiert und gesellschaftlich geächtet. Zudem sei die Sicherheitslage in Bangladesch prekär.

Es wurde mehrfach (über den gesamten Beschwerdeschriftsatz verteilt) der Antrag gestellt, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen sowie der Antrag, den Bescheid hinsichtlich des gesamten Inhaltes aufzuheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

I.2.11. Mit Schreiben vom 03.03.2020 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.2.12. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2020, XXXX wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.

I.2.13. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (eine Verhandlung musste aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig verschoben werden) wurde dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch (Stand September 2020) zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 23.11.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.2.14. Am 23.11.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Der BF gab an, er habe zu seiner Mutter in Bangladesch „manchmal“ Kontakt, nachgefragt „ein- bis zweimal pro Woche“. Ein Bruder und zwei Schwestern würden ebenfalls in Bangladesch leben. Mit diesen hatte er früher Kontakt, „bevor die Sache mit der Homosexualität bekannt wurde“, aber „nachdem es in Bangladesch jeder erfahren habe konnten sie es nicht akzeptieren.“ Der Familie ginge es finanziell nicht sehr gut, sondern durchschnittlich.

Sein älterer Bruder lebe in Österreich seit 2006 (andere Aussage BVwG 25.04.2019, S 5: „2005“, der BF sei am 10.04.2018 im Bundesgebiet angekommen. Gefragt, warum der BF nach Österreich gekommen sei, gab der BF ausschließlich politische Gründe an (BVwG, S 5).

Im Zuge der Verhandlung wurde festgestellt, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache nur teilweise möglich ist, der Sprachwortschatz ist sehr gering.

Der BF arbeitet in der Zeitungszustellung und erhalte dafür ca € 450 bis € 500; der BF legte diesbezüglich Unterlagen vor. An Miete bezahle er € 150. Es blieben ihm ca € 300 zum Leben.

Der BF hat zwei Kinder, welche bei den Schwiegereltern in Bangladesch leben. Nachgefragt, ob der BF gerne hätte, dass seine Söhne nach Österreich kämen, meinte der BF, dass „könne er nicht wirklich sagen“, nachgefragt: „Nein, das ist nicht notwendig“. Der BF würde auch keinen Unterhalt leisten, seine Mutter gäbe ihnen etwas und die Schwiegereltern seien wohlhabend, „sie benötigen es nicht“. Da der BF nicht nach Bangladesch gehe, gehöre das Vermögen ja nun ihnen (vor dem BVwG, 25.04.2019, führte der BF noch aus, er habe sein Textilhandelsgeschäft verkauft).

Der BF gab weiters an, er sei verheiratet gewesen und nunmehr, seit 05.05.2020, geschieden. Er habe – nach einer Nachdenkpause - am 04.09.2013 geheiratet (andere Aussage in der Verhandlung vor dem BVwG 25.04.2019, S 7: „05.04.2013“).

Nach seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF wiederum ausschließlich politische Gründe an (BVwG S 9). Nachgefragt, „ob dies alle Fluchtgründe“ seien, wiederholte der BF, dass gegen ihn eine Anzeige aus März 2018 existiere, welche aus politischen Gründen gegen ihn eingebracht worden sei.

Erst nach öfterem Nachfragen gab der BF zu Protokoll, dass es noch einen anderen Fluchtgrund gäbe. Der BF gab dazu an: „Ich bin hier homosexuell geworden und hatte auch einen Partner und bin nach wie vor so.“ In Bangladesch habe es mittlerweile auch schon jeder erfahren, auch seine Frau, welche sich scheiden ließ. Der Schwiegervater habe einen Eintrag in das Polizei-Tagesjournalbuch machen lassen, in welchem stünde, dass der BF seine Frau schlecht behandelt habe, sie bedroht hätte und ihr die Brautgabe nicht gegeben habe.

Die Brautgabe habe der BF, so erzählte er später, bezahlt.

Die formelle Scheidung erfolgte am 05.05.2020.

Der BF gab weiters zu Protokoll, dass er seit 15.03.2018 in einer Beziehung mit XXXX stand (andere Aussage bei der Asylantragstellung vom 20.08.2019: „Ich bin seit sechs Monaten mit meinem Partner – er heißt XXXX – in einer homosexuellen Beziehung“). Mit dieser Aussage widersprach sich der BF, der in der Verhandlung vor dem BVwG am 25.04.2019 auf die Frage, „Haben Sie Kinder oder leben Sie in einer Beziehung in Österreich?“ mit einem klaren „Nein“ antwortete (BVwG 25.04.2019, S 9).

Die Beziehung mit XXXX habe am 10.02.2020 geendet.

Derzeit, so der BF, „habe ich nicht so einen Partner, sondern jemanden zum Plaudern“.

Der engagierte und bemühte Anwalt des BF fragte diesen sodann, ob dem BF der Name „ XXXX “ etwas sagen würde. Da der BF meinte, „Ich verstehe nicht, was?“, fragte der Rechtsanwalt nach: „Der Privatlehrer“, worauf der BF mit einem klaren „Nein“ antwortete.

Erst als der Rechtsanwalt dem BF den Hinweis gab: „Das ist der Name ihres Privatlehrers“ meinte der BF: „Aha, ja, kenne ich“ um danach anzufügen, er habe gedacht es handle sich um etwas wegen des Scheidungspapiers.

XXXX sei sein Privatlehrer gewesen, „als ich in der 10. Klasse“ war. Mit ihm habe der BF erstmals Homosexualität gehabt. Die Initiative sei vom BF ausgegangen, nachdem der ca 24-, 25- jährige Lehrer schon sechs Monate anwesend gewesen sei. Die Beziehung hätte dann „zwei Monate“ gedauert, bis eines nachts die Eltern den sexuellen Kontakt mitbekommen haben. Sie hätten aus Scham und um Geschrei in der Nachbarschaft zu vermeiden, den Lehrer in sein Zimmer geschickt und am nächsten Morgen verabschiedet.

Die Eltern hätten dem BF auch nahegelegt, dass sich der BF von „der Sache fernhalten“ solle. Es sei jedoch nicht direkt angesprochen worden.

Der zweie homosexuelle Kontakt sei „am 20.12.2012“ erfolgt, im Rahmen einer Hochzeitsveranstaltung innerhalb der Verwandtschaft in der Heimat des Großvaters mütterlicherseits. Der BF sei über Nacht dortgeblieben und habe jemand kennengelernt. Sie hätten homosexuelle Handlungen vollzogen, „Leute von draußen“ hätten dies mitbekommen und den Partner erwischt. Dieser habe den Namen des BF verraten. Weil ein Verwandter des BF bei dieser Geschichte involviert gewesen seien, hätte es die Familie erfahren. Es gab dann von der Familie eine „Schlichtung“ mit der Verwandtschaft.

Die Familie habe daraufhin beschloss, dass der BF heiraten solle. Der BF „wollte zwar nicht“, aber die Familienangehörigen hätten ihm Angst gemacht und meinten, dass der BF sonst die Ortschaft verlassen müsse. Der BF habe sodann „2013 ungewollt geheiratet“. Gefragt, weshalb er geheiratet habe, denn er hätte ja auch nicht heiraten können, meinte der BF, seine Familie meinte „wenn ich in der Ortschaft bleiben möchte, dann muss ich heiraten“.

Gefragt, ob der BF seiner Frau vor der Hochzeit erzählt habe, dass er homosexuell sei, antwortete er mit „Nein“, nachgefragt dazu, ob er dies für verantwortungsvoll hielte, versuche sich der BF in Ausreden, primär dazu, dass er sein Dorf verlassen hätte müssen. Nachgefragt, warum er nicht in der etwa 15 km entfernten Ortschaft wohnen wollte, wo er auch sein Kleidergeschäft gehabt habe, meinte er nur „hätte ich bleiben können, aber man hätte über meine Homosexualität erfahren“. In der Heimat seiner Frau, welche von seiner Heimat „sehr weit weg“ gelegen sei, wusste man nichts über seine Homosexualität. Es sei ihm „auch geraten worden, nach XXXX zu gehen“, wo sie ja auch geheiratet hätten; aber der BF meinte, „wie hätte ich in XXXX wohnen können? Wenn man eine Unterkunft bezieht, muss man ja eine Bekanntschaft angeben“. Dass der BF Verwandte (verheiratete Schwester) in XXXX hatte, gab er selber zu Protokoll.

In weiterer Folge wurde der aktuelle Länderinformationsbericht zu Bangladesch sowie die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf Bangladesch (und vergleichend Österreich) erörtert. Der BF nahm auch diesbezüglich Stellung und verwies darauf, dass die medizinische Versorgung in Bangladesch schlechter als in Österreich sei.

Abschließend stellte der BF nochmals seine – angeblich politisch motivierten – Fluchtgründe in den Mittelpunkt.

Im Rahmen der Verhandlung legte der BF – losgelöst von seinem Rechtsanwalt - zwei Seiten „Anträge“ vor, in denen der BF – zusammengefasst – folgende Anträge stellte:

-        Verifizierung der vorgelegten Gerichtsdokumente durch einen Vertrauensanwalt

-        Verifizierung der Scheidungsdokumente durch einen Vertrauensanwalt

-        Übersetzung bengalisch-sprachiger Unterlagen

-        Zeugeneinvernahme des Bruders des BF

-        Identitätsermittlung des BF durch Vertrauensanwalt

-        Verifizierung des Eintrages in das Tagesprotokoll, veranlasst vom früheren Schwiegervater des BF

-        Zeugeneinvernahme des früheren Partners des BF zum Beweis der Homosexualität

-        Zeugeneinvernahme des Mitbewohners zum Beweis der Homosexualität

-        Bestellung eines Sachverständigen zum Beweis der Homosexualität.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Auf die Feststellungen im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2019 wird einleitend verwiesen.

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in den Erstbefragungen Vorakt 6 ff. und AS 15 ff. sowie bei den Einvernahmen vor dem BFA Vorakt 53 ff. und AS 73, 173).

Der BF ist im Ort XXXX geboren und aufgewachsen (Vorakt 5, 53; AS 73). Zuletzt hat er in XXXX gewohnt (Vorakt 53). Er hat in seinem Heimatland für zehn Jahre die Schule besucht (Vorakt 6, 57) und vor seiner Ausreise aus Bangladesch in XXXX bis zum 08.03.2018 ein Textiliengeschäft sowie eine kleine Landwirtschaft betrieben (Vorakt 55 ff.).

Der BF war von 2013 bis Mitte 2020 verheiratet und hat zwei Söhne (Vorakt 7, 55; AS 73, 173). Der BF leistet keinen Unterhalt. Seine Frau hält sich in Bangladesch auf, sie lebt mit den Kindern bei ihren Eltern. Weiters halten sich ein Bruder sowie die zwei Schwestern des BF in Bangladesch auf, ebenso Onkel und Tanten. Zwischen dem BF und seiner Mutter besteht aufrechter regelmäßiger, wöchentlicher Kontakt.

Der BF ist im April 2018, entgegen dem Ratschlag seines in Österreich lebenden Bruders, nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Er war zwar in die staatliche Grundversorgung einbezogen, wobei der letzte Leistungsbezug im Mai 2018 war; der BF ist als Zeitungszusteller tätig und verdient um die € 500 monatlich.

Er legte eine Vereinsbestätigung der XXXX vor, ist sonst jedoch in keinen Vereinen oder sonstigen Organisationen tätig (Niederschrift der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 25.04.2019 [im Folgenden: VS alt] 4, 9). Der BF unterstützt nach seinen Angaben seine mit Zwillingen angeblich überforderte Schwägerin (VS alt 9).

Der Bruder des BF, XXXX , lebt in Österreich (Vorakt 55; AS 19, 173, 187 und zum Akt genommener Auszug aus dem Grundversorgungsinformationssystem zur IFA-Zahl XXXX ), mit ihm lebt der BF aber nicht in gemeinsamen Haushalt (zum Akt genommene Auszüge aus dem Zentralen Melderegister [im Folgenden: ZMR]). Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des BF in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des BF (Vorakt 71, AS 187).

Die homosexuelle Beziehung mit dem behaupteten Partner ist seit Februar 2020 beendet.

Der BF lebt aktuell in keiner Beziehung.

Der BF verfügt über sehr geringe Deutschkenntnisse, eine Konversation ist nicht möglich (VS alt 8). Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist gesund. Er nimmt keine Medikamente (Vorakt 51; VS alt 4; AS 173).

II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Festgestellt wird, dass der BF politische Gründe und nunmehr seine sexuelle Orientierung für seinen Antrag geltend macht.

Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des BF und den vorgebrachten (älteren) politischen Gründen wird auf die rechtskräftige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.07.2019 verwiesen. Da die nunmehrigen vorgebrachten politischen Gründe auf den seinerzeit bereits vorgebrachten politischen Gründen aufbauen wird diesbezüglich auf die rechtskräftig festgestellte nicht vorhandene Glaubwürdigkeit des BF verwiesen.

Eine konkrete politische Verfolgung des BF in Bangladesch kann nicht festgestellt werden. Der BF war Teilmitglied der BNP. Nicht festgestellt werden kann, dass gegen den BF aus rein politischen Gründen Anzeigen eingebracht wurden. Es wird ebenfalls nicht festgestellt, dass die Polizei zum Haus des BF gekommen ist, um diesen zu verhaften.

Es wird weiters festgestellt, dass der BF im ersten Asylverfahren, vertreten von der XXXX , nicht vorbrachte homosexuell zu sein.

Es wird festgestellt, dass der BF unterschiedliche Angaben („sechs Monate“ bzw „zwei Monate“) über die Dauer seiner ersten homosexuellen Beziehung in Bangladesch machte und auch den genannten Namen des Sexualpartners in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zuerst nicht kannte, sondern erst, als sein Anwalt ihn an dessen Funktion erinnerte.

Auch zur zweiten sexuellen Kontaktnahme in Bangladesch machte der BF unterschiedliche Angaben, insbesondere, dass eine „Schlichtung“ zwischen seiner Familie und der Verwandtschaft erfolgte.

Festgestellt wird, dass der BF hinsichtlich seiner Heirat, seinem Familienleben und der nunmehr erfolgten Scheidung sehr unterschiedliche Aussagen im ersten Asylverfahren sowie im nunmehrigen Verfahren tätigte.

Festgestellt wird, dass der BF weder polizeiliche und gerichtliche Verfolgung in Bangladesch wegen seiner homosexuellen Kontakte angab, obwohl jeder im Dorf davon gewusst hätte.

Festgestellt wird, dass der BF – trotz mehrfachen Nachfragens in der Beschwerdeverhandlung - sehr unklar blieb, wie viel von seiner behaupteten Homosexualität innerhalb der Familie bekannt war. Auf der einen Seite sei darüber nicht gesprochen worden, auf der anderen Seite hätte man ihn deswegen gezwungen eine Frau zu heiraten.

Festgestellt wird, dass der BF, der die Möglichkeit gehabt hätte, in einer anderen Region in Bangladesch sein Leben zu leben, es vorzog, in seinem Heimatdorf zu wohnen, obwohl dort alle von seiner behaupteten Homosexualität wussten. Der BF lebte sogar so gerne in dieser Dorfgemeinschaft, sodass er es vorzog, gegen seinen Willen eine Frau aus einer weit entfernten Gegend zu ehelichen und dies, ohne seiner künftigen Frau mitzuteilen, dass er angeblich homosexuell sei.

Es wird festgestellt, dass der Schwiegervater des BF Mitte 2020 einen Eintrag ins polizeiliche Tagesjournal veranlasste, in dem auch festgehalten ist, dass der BF seinen Verpflichtungen gegenüber der Ehefrau nicht nachkomme, auch aus homosexuellen Gründen. Festgestellt wird, dass daraus keine Anzeige oder kein gerichtliches Strafverfahren folgte.

Es wird festgestellt, dass der BF im Falle einer Rückkehr keiner wie auch immer gearteten Verfolgung, sei es durch staatliche Organe oder private Akteure, ausgesetzt sein wird. Allfälligen Behelligungen kann sich der BF durch eine Niederlassung in anderen Landesteilen entziehen.

Festgestellt wird, dass sich der BF hinsichtlich seiner homosexuellen Beziehung in Österreich zu XXXX , einen früheren bengalischen Asylwerber, in grobe Widersprüchlichkeiten verstrickte. Der BF gab an:

-        Er habe keine Beziehung in Österreich (BVwG 25.04.2019)

-        Er habe eine Beziehung zu XXXX seit 15.03.2018 (BVwG 23.11.2020)

-        Er habe eine Beziehung zu XXXX „seit sechs Monaten“ (Asylantrag 20.08.2019)

Festgestellt wird, dass der Zeuge XXXX behauptete, dass er mit dem BF eine homosexuelle Beziehung seit 12.04.2019 habe.

Festgestellt wird, dass der behauptete homosexuelle Kontakt des BF zu XXXX seit 10.02.2020 beendet ist.

Festgestellt wird, dass die Anträge des BF zur Einschaltung eines Vertrauensanwaltes, sei es zu den Gerichtsverfahren oder zum Scheidungsverfahren, in Folge der bereits getroffenen rechtskräftigen Feststellungen des BVwG im ersten Asylverfahren bzw. der nunmehr getroffenen Feststellungen nicht erforderlich und für die Wahrheitsfindung somit entbehrlich sind.

Festgestellt wird, dass die Anträge betreffend Asylgrund Homosexualität insoweit nicht erforderlich sind, als für das BVwG in Folge von Zeugenaussagen ein homosexueller Kontakt des BF zu XXXX feststeht; ebenso die Beendigung des sexuellen Kontaktes Anfang Februar 2020.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage:

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh/Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 8.2019) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 8.2019; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der AL Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde sie für ihre vierte Amtszeit – die dritte Amtszeit in Folge – als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Wahlen und Willensbildungsprozess:

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei wies die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nannte die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        BBC – British Broadcasting Corporation (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

?        BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

?        DW – D

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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