TE Bvwg Beschluss 2020/12/2 W138 2181082-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.2020
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Entscheidungsdatum

02.12.2020

Norm

VwGG §25a Abs2 Z1
VwGG §30 Abs2

Spruch


W138 2181082-1/22E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Klaus HOCHSTEINER über den Antrag von XXXX der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.10.2020, Zl. W138 2181082-1/17E, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 30.11.2020 brachte die revisionswerbende Partei eine Revision gegen das im Spruch angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ein.

Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte die revisionswerbende Partei Folgendes an:

„Das angefochtene Erkenntnis ist dem Vollzug zugänglich. Vor Ausbruch der C0VID-19-Pandemie fanden notorisch alle zwei bis drei Wochen Massenabschiebungen nach Afghanistan statt. Wann diese wieder aufgenommen werden, ist zwar ungewiss. Nachdem der internationale Flugverkehr aber wieder aufgenommen wurde, könnte der RW theoretisch jederzeit abgeschoben werden.

Die dem RW bei einer Abschiebung nach Afghanistan drohenden gravierenden Rechtsnachteile wiegen grundsätzlich schwerer, als das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Wie dargelegt droht dem RW Verfolgung aufgrund der Verwandtschaft zu einem Polizisten. Zusätzlich droht ihm Gefahr, da er sich auf Facebook insofern als „verwestlicht“ outete, als er dort in einer Bar oder Diskothek beim Konsum von Alkohol zu sehen ist und deshalb bereits Drohungen erhielt.

Darüber hinaus führt die aktuelle C0VID-19-Pandemie, die mittlerweile ganz Afghanistan erreicht hat, zu einer massiven Verschlechterung der Lage. Als Rückkehrer ohne fixen Wohnsitz und geregeltes Einkommen oder Vermögen wäre der RW besonderen Härten ausgesetzt.

Aktuelle Berichte zeichnen ein besorgniserregendes Bild von der derzeitigen Situation: So ist die Arbeit von Hilfsorganisationen aufgrund des Lockdowns und der verringerten Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt.

Aufgrund der strikten Quarantänemaßnahmen ist es für die Mehrzahl an Afghan innen nicht möglich, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und kommt es daher zu einer weiteren Verschärfung der Nahrungsmittelkrise. Auch die Preise für Medikamente sind in Folge der Krise angestiegen [vgl. UNOCHA, COVID-19 Multi Sectoral Response: Afghanistan. Operational Situation Report 13 May 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029899/operational sitrep covid-19 13 may 2020.pdf,S- 2

[19.052020)).

UNHCR berichtet zusätzlich davon, dass das Land aufgrund des dramatischen Anstiegs der heimkehrenden Afghan innen mit der Aussicht auf überlastete medizinische und soziale Dienste konfrontiert sei. Hunderttausende Menschen in den Vertreibungsgebieten und steigende Armut könnten die Folge sein [vgl. UNHCR: „COVID-19: Mehr Unterstützung für Afghanistan und seine Nachbarländer benötigt", 14.04.2020, verfügbar unter: https://www.unhcr.org/dach/at/42101-coronavirus-mehr-unterstuetzung-fuer-afghanistan-und-seine-nachbarlaender-benoetigt.html [Zugriff am 16.04.2020)).

Selbst wenn der RW angesichts der immer wieder verhängten Lockdowns überhaupt in der Lage sein sollte, das Gebiet der vermeintlich sicheren IFA legal zu errechnen, droht ihm dort Obdachlosigkeit, da viele der billigen Teehäuser, in denen Rückehrende üblicherweise zunächst Unterschlupf finden, derzeit geschlossen sind und der RW keinen anderen Schlafplatz zur Verfügung hat. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass der RW aufgrund der dramatischen Auswirkungen der Pandemie auf die ohnehin schon abgespannte Situation am Arbeitsmarkt keine Arbeit finden wird. Da auch die ansässige Bevölkerung derzeit große Not leidet, sind verfügbare Hilfsnetzwerke [staatliche und internationale Organisationen bzw. karitative Einrichtungen) bereits überlastet. Auf deren Unterstützung kann sich der RW daher nicht verlassen. Der RW muss in Afghanistan daher mit großer Wahrscheinlichkeit auch Hunger leiden und wird keinen Zugang zu sauberem Wasser haben.

Der RW ist sozial ausgezeichnet integriert und unbescholten. Er kam bisher sämtlichen Mitwirkungspflichten umgehend nach, verfügt über eine aufrechte Meldung und wäre an seiner Meldeadresse sowie über seinen ausgewiesenen Vertreter für die Behörden jederzeit greifbar. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde sohin auch im Fall einer Zurück- oder Abweisung der gegenständlichen Revision nur zu einer geringfügigen Verzögerung des Vollzugs führen.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: „Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.“

Gegenständlich ist kein zwingendes öffentliches Interesse erkennbar, das der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision entgegenstünde. Nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses wäre für die revisionswerbende Partei im Hinblick auf die verfügte Außerlandesbringung ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden.

Aus diesen Erwägungen war dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG stattzugeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Revision

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W138.2181082.1.01

Im RIS seit

16.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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