TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/9 W252 2199627-1

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Veröffentlicht am 09.12.2020
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Entscheidungsdatum

09.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33
VwGVG §7 Abs4

Spruch


W252 2199627-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde XXXX , geb. XXXX , StA. Äthiopien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

I. vom 25.05.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. vom 04.01.2018, Zahl: XXXX , beschlossen:

A) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 06.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde hierfür noch am selben Tag polizeilich erstbefragt.

Mit Verfahrensanordnung vom 06.06.2017 stellte das Bundesamt fest, dass der Beschwerdeführer spätestens am 09.10.1999 geboren wurde.

Der Beschwerdeführer stellte am 05.10.2017 einen Antrag auf freiwillige Rückkehr in sein Herkunftsland.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 21.10.2017 wurde über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt.

Der Beschwerdeführer wurde am 29.12.2017 vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Nach seinen Fluchtgründen befragt gab er an, keine Ahnung zu haben und lediglich wegen seines Business, Gujana zu verkaufen, nach Österreich gekommen zu sein.

Mit Bescheid vom 04.01.2018, Zl. XXXX , wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Äthiopien als unbegründet ab (Spruchpunkte I. und II.). Unter einem erteilte es ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Äthiopien zulässig ist (Spruchpunkt V.) Schließlich hat das Bundesamt dem Beschwerdeführer eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI.). Unter einem wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater von Amts wegen zur Seite gestellt. Dieser Bescheid samt der Verfahrensanordnung wurde dem Beschwerdeführer am 17.03.2020 eigenhändig im Stande seines Maßnahmenvollzuges zugestellt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 11.01.2018, 48 Hv 108/17w, wurde die Unterbringung des Beschwerdeführers in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Ab. 1 StGB angeordnet. Wohin er verbracht wurde und wo sich der Beschwerdeführer bis dato befindet.

Mit vom 04.05.2018 datiertem Schriftsatz brachte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 04.01.2018 durch seine Vertretung ein und stellte in eventu einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sowie einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid ein.

Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründete der Beschwerdeführer damit, dass der Beschwerdeführer nicht zurechnungsfähig sei und ihm daher kein Verschulden für die Versäumung der Beschwerdefrist angelastet werden könne. Darüber hinaus könne auch der Rechtsberatung kein Verschulden für die Fristversäumung angelastet werden, da diese erst am 02.05.2018 mit der Vertretung im Asylverfahren beauftragt worden sei. Der BF sei zum Zeitpunkt der Bescheidzustellung auf der psychiatrischen Abteilung für Forensische Psychiatrie aufhältig gewesen. Zudem habe bereits aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers bei der Einvernahme begründete Zweifel an der Handlungs- bzw. Einvernahmefähigkeit des Beschwerdeführers aufkommen müssen. Dies bedeute, dass die Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung und Zustellung des Bescheides jedenfalls in dem Wissen gewesen sei, dass der Beschwerdeführer keinesfalls prozessfähig sei. Es sei demnach jedenfalls die Aufgabe der Behörde gewesen bei begründetem Zweifel an der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers das zuständige Pflegschaftsgericht zu beauftragen und die Notwendigkeit einer Sachwalterschaft zu prüfen. Es sei alleine aufgrund seines Aufenthaltes in der psychiatrischen Abteilung für forensische Psychiatrie von der Unzurechnungsfähigkeit/mangelnden Prozessfähigkeit des BF auszugehen gewesen. Die Behörde habe es indes unterlassen, jegliche Ermittlungstätigkeit zur Eruierung des psychischen bzw. gesundheitlichen Zustandes des Beschwerdeführers und dessen Prozessfähigkeit festzustellen sowie gegebenenfalls von Amtswegen die Bestellung eines Sachwalters zu veranlassen.

Mit Bescheid vom 25.05.2018, Zl. XXXX wies die belangten Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab (Spruchpunkt I.) und erkannte dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung zu (Spruchpunkt II.). Zusammenfassend begründete das Bundesamt diese Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer nicht durch ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis verhindert war, die Rechtsmittelfrist einzuhalten. Es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihm der Bescheid des Bundesamtes mangels Prozess- bzw. Zurechnungsfähigkeit nicht rechtswirksam zugestellt worden sei, bzw. er aufgrund einer Unzurechnungsfähigkeit kein Verschulden für die Versäumung der Rechtsmittelfrist treffen würde.

Mit Schriftsatz vom 22.06.2018 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Nichtgewährung seiner beantragten Wiedereinsetzung und stellte abermals einen Antrag auf aufschiebende Wirkung. Soweit hier wesentlich stützte der Beschwerdeführer seine Beschwerde darauf, dass er zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung und -zustellung Unzurechnungsfähig gewesen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Bescheid vom 04.01.2018, Z. XXXX wurde dem Beschwerdeführer am 17.03.2018 durch persönliche Übergabe rechtswirksam zugestellt.

In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides wurde auf die vierwöchige Rechtsmittelfrist ab Zustellung verwiesen, welche mit Ablauf des 16.04.2018 endete.

Die Beschwerde samt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden mit Schriftsatz vom 04.05.2018 versendet und langten noch am selben Tag bei der belangten Behörde ein.

Beim vom Beschwerdeführer als Auslöser seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand behaupteten Ereignis, nämlich aufgrund einer psychischen Erkrankung und der damit einhergehenden Unzurechnungsfähigkeit nicht in der Lage gewesen zu sein, firstgerecht Beschwerde zu erheben erwies sich als nicht glaubwürdig.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Anhaltung im Maßnahmenvollzug und seiner psychischen Erkrankung dennoch rechtzeitig Beschwerde erheben hätte könnten, ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere dem Sachverständigengutachten im Strafverfahren (AS 525 f), sowie dem Aktenvermerk über das Telefonat mit der medizinischen Abteilung des Maßnahmenvollzuges (AS 639).

So ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten, dass eine Unzurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers lediglich zum Tatzeitpunkt und aufgrund einer Berauschung mit illegalen Substanzen vorgelegen hat. Aus dem Aktenvermerk über das seitens des Bundesamtes mit der psychiatrischen Abteilung des Maßnahmenvollzuges des Beschwerdeführers geführte Telefonat ergibt sich, dass der Beschwerdeführer den Bescheid erhalten hat, und selbst danach noch angegeben hat, freiwillig in sein Herkunftsland zurück kehren zu wollen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Aktenvermerk, dass der Beschwerdeführer Zugang zu allen technischen Möglichkeiten zur Erhebung einer Beschwerde gehabt hätte (Telefon, Telefax).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I.A)

§ 33 VwGVG lautet:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“

Die belangte Behörde hat zu Recht ihre Zuständigkeit zum Abspruch über diesen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Bescheid angenommen, da dieser Antrag auf Wiedereinsetzung gemeinsam mit der Beschwerde eingebracht wurde (VwGH, 26.09.2018, Ra 2017/17/0015; siehe auch VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).

Für den Fall eines behaupteten unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses iSd § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG hat die Partei das Ereignis glaubhaft zu machen (VwSlgNF 1420 F; VwGH 19.04.1994, Zl. 94/11/0053; 22.01.1999, Zl. 98/19/0144). Das bedeutet auch, dass die Partei jene Umstände, durch die sie an der Vornahme der Prozesshandlung gehindert wurde, konkret beschreiben muss (vgl. z. B. 22.01.1999, Zl. 98/19/0144).

Glaubhaftmachung bedeutet, dass der Antragsteller Beweismittel anbieten muss, durch die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes dargetan wird. Die Behörde hat nur das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu prüfen, eine amtswegige Prüfung, ob andere Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nicht vorgesehen (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht4, 324; vgl. z. B. VwGH 30.10.2003, 2003/15/0042; VwGH 20.06.2008, 2008/01/0073, 0454). Im Wiedereinsetzungsantrag sind alle Wiedereinsetzungsgründe geltend zu machen (VwGH 23.10.1985, Zl. 85/02/0188; 18.12.1989, Zl. 89/10/0159; 29.09.1993, Zl. 92/12/0018, VwGH 26.04.2001, Zl. 2000/20/0336). Eine Auswechslung dieses Grundes im Beschwerdeverfahren ist rechtlich unzulässig (VwGH 99/17/0317 v. 28.02.2000; VwGH 99/20/0543 v. 30.11.2000).

Der Bescheid vom 04.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer am 17.03.2018 rechtswirksam eigenhändig zugestellt. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete demnach mit Ablauf des 16.04.2018, weshalb die mit Schriftsatz vom 04.05.2018 eingebrachte Beschwerde verspätet erfolgte.

Mit dieser Beschwerde wurde unter einem der Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer nicht zurechnungsfähig sei und ihm daher kein Verschulden für die Versäumung der Beschwerdefrist angelastet werden könne. Darüber hinaus könne auch der Rechtsberatung kein Verschulden für die Fristversäumung angelastet werden, da diese erst am 02.05.2018 mit der Vertretung im Asylverfahren beauftragt worden sei. Der BF sei zum Zeitpunkt der Bescheidzustellung auf der psychiatrischen Abteilung für Forensische Psychiatrie aufhältig gewesen. Zudem habe bereits aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers bei der Einvernahme begründete Zweifel an der Handlungs- bzw. Einvernahmefähigkeit des Beschwerdeführers aufkommen müssen. Dies bedeute, dass die Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung und Zustellung des Bescheides jedenfalls in dem Wissen gewesen sei, dass der Beschwerdeführer keinesfalls prozessfähig sei. Es sei demnach jedenfalls die Aufgabe der Behörde gewesen bei begründetem Zweifel an der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers das zuständige Pflegschaftsgericht zu beauftragen und die Notwendigkeit einer Sachwalterschaft zu prüfen. Es sei alleine aufgrund seines Aufenthaltes in der psychiatrischen Abteilung für forensische Psychiatrie von der Unzurechnungsfähigkeit/mangelnden Prozessfähigkeit des BF auszugehen gewesen. Die Behörde habe es indes unterlassen, jegliche Ermittlungstätigkeit zur Eruierung des psychischen bzw. gesundheitlichen Zustandes des Beschwerdeführers und dessen Prozessfähigkeit festzustellen sowie gegebenenfalls von Amtswegen die Bestellung eines Sachwalters zu veranlassen.

Zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages führt der Beschwerdeführer aus, dass die Sozialarbeiterin des Beschwerdeführers die Rechtsberatung am 25.04.2018 verständigte, dass der Beschwerdeführer ein Schreiben vom BFA (Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, Rechtskraft des Bescheides mit 17.04.2018) bekommen und dieses am 26.04.2018 der Rechtsberatung mittels FAX zugesendet habe. Der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung erfolge sohin binnen offener Frist.

Mit der Frage der fristgerechten Einbringung eines Antrags auf Wiedereinsetzung hat sich der VwGH in seiner Entscheidung vom 28.01.2016, Ra 2015/16/0083, auseinandergesetzt. Aus diesem Rechtsatz ist abzuleiten, dass jenes Ereignis, das die Fristeinhaltung verhindert hat, dann wegfällt, sobald der Wiedereinsetzungswerber den Wegfall dieses Ereignisses bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen können und müssen.

Als Ereignis im Sinne des § 71 AVG bzw. § 33 VwGVG ist jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen. Gehindert wird eine Person ebenso durch eine alltägliche Erkrankung wie durch eine Naturkatastrophe, durch eine eigene menschliche Unzulänglichkeit ebenso wie durch Gewalteinwendungen von außen. Unvorhergesehen ist aber ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl. VwGH 26.08.1998, 96/09/0093).

Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des „unabwendbaren“ erfasst jenes des „unvorhergesehenen“ Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (vgl. VwGH 15.09.2005, 2004/07/0135).

Zudem hält der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung fest, dass ein zur Wiedereinsetzung führendes Ereignis nur dann vorliege, wenn es sich um ein Geschehen handelt, das für das Versäumen der Frist kausal war. Somit trifft einen Wiedereinsetzungswerber die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat, und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was als Grundlage ein entsprechend begründetes Antragsvorbringen voraussetzt. Diese Nachweispflicht bezieht sich auch auf die Darlegung, dass der Wiedereinsetzungswerber (oder sein Vertreter) die ihm im Zusammenhang mit der Einhaltung der versäumten Frist gebotene Sorgfaltspflicht nicht außer Acht gelassen hat und dass ihm nicht mehr als bloß ein minderer Grad des Versehens an der Fristversäumnis zur Last liegt (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0119 mwN).

Im vorliegenden Fall bringt die Beschwerde vor, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Störung und seines Aufenthaltes in der psychiatrischen Abteilung für forensische Psychiatrie (Maßnahmenvollzug) von der rechtzeitigen Erhebung einer Beschwerde gehindert gewesen sei.

Zwar erfüllt eine krankheitsbedingte Säumnis die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann, wie der Verwaltungsgerichtshof in einem Judikat vom 25.04.2018 festhält (VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0057), „wenn die Krankheit zu einer Dispositionsunfähigkeit des Betroffenen geführt hat oder die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt hat, dass das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung in einem milderen Licht - nämlich als bloß minderer Grad des Versehens - zu beurteilen ist (VwGH, 22.07.2004, 2004/20/0122, mwN). Für die Wiedereinsetzung reicht es nicht aus, wenn die Partei gehindert war, die fristwahrende Handlung selbst zu setzen. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt nur vor, wenn die Partei auch gehindert war, der Fristversäumung durch andere geeignete Dispositionen - im Besonderen durch Beauftragung eines Vertreters - entgegen zu wirken (VwGH, 29.11.2007, 2007/21/0308) bzw ihr auch insofern nur ein leicht fahrlässiges Fehlverhalten vorgeworfen werden könnte.“

Die von Seiten der Beschwerde vorgebrachte Unzurechnungsfähigkeit und mangelnden Prozessfähigkeit konnte durch das Bundesamt nachvollziehbar entkräftet werden:

Sowohl zu Beginn der Erstbefragung, als auch der Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.03.2016 gab der BF an, dass er psychisch und physisch in der Lage ist, den Befragungen zu folgen. Es wurden von ihm in diesem Zusammenhang keinerlei Bemerkungen oder Andeutungen dahingehend gemacht, dass er sich selbst als nicht einvernahmefähig einschätzen würde. Er gab explizit an gesund zu sein (AS 359).

Dass der Beschwerdeführer sowohl in der Einvernahme (AS 359) angab, zurück in seine Heimat zu wollen, als auch einen Antrag zur freiwilligen Rückkehr und Kostenübernahme stellte (AS 495f), unterstreicht somit, dass er gewillt war in sein Herkunftsland zurückzukehren und kein Interesse daran hatte, Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes, womit sein Asylantrag abgewiesen wurde, zu erheben.

Sofern die Beschwerde vorbringt, das Bundesamt habe selbst durch zitieren des Sachverständigengutachtens im Rahmen des Strafverfahrens angegeben, dass der Beschwerdeführer unzurechnungsfähig sei, so ist im Einklang mit dem gegenständlichen Bescheid entgegenzuhalten, dass das besagte Gutachten eine Unzurechnungsfähigkeit lediglich für den Tatzeitpunkt attestierte, und nicht darüber hinausgehend (vgl. AS 526, wonach „ die Zurechnungsfähigkeit des Herrn XXXX im Tatzeitpunkt 19.10.2017, 19:20 Uhr aufgehoben war“. ) Ferner wurde im besagten Gutachten die ausgeschlossene Zurechnungsfähigkeit auf den Missbrauch von Rauschmittel zurückgeführt (AS 526). Insbesondere aus diesem Umstand, konnte das Bundesamt somit zu Recht von der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Einvernahme, der Bescheiderlassung und der Zustellung des Bescheides ausgehen, da aufgrund des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in der Psychiatrie im Rahmen des Maßnahmenvollzuges ein weiterer respektive erneuter Missbrauch von illegalen Substanzen in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Maß nicht vorgelegen hat. Auch ergeben sich weder aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, noch aus der Beschwerde dahingehende Anhaltspunkte, dass die im Rahmen des Maßnahmenvollzugs angewendete Therapie des Beschwerdeführers zu einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand geführt hätte. Auch ist anzunehmen, dass das medizinische Personal im Falle des tatsächlichen Vorliegens einer Zurechnungsunfähigkeit des Beschwerdeführers ihrerseits bereits die Bestellung eines Sachwalters angeregt hätte.

Die seitens der Beschwerde vorgebrachte psychische Krankheit vermochte somit keine Unzurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu bewirken und stellte diese auch kein unabwendbares noch ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGVG dar, die den Beschwerdeführer zur fristgerechten Erhebung einer Beschwerde gehindert hätte.

Wie das Bundesamt zutreffend ermittelt hat, war es dem Beschwerdeführer laut Auskunft des medizinischen Personals der Psychiatrie im Rahmen des Maßnahmenvollzuges (Landesklinikum XXXX ) jederzeit möglich, mittels technischen Zugange (Telefon, Faxgerät) Beschwerde zu erheben bzw. seine Rechtsberatung zu kontaktieren. Auch habe der Beschwerdeführer laut Auskunft des Personals nach Erhalt des Bescheides angegeben, weiterhin in sein Heimatland zurückkehren zu wollen (siehe Aktenvermerk zum Telefonat mit dem Landesklinikum XXXX ; AS 639).

Die Beschwerde gegen den den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand abweisenden Bescheid der belangten Behörde vom 25.05.2018 ist damit abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II.A.:

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

§ 32 AVG bestimmt:

„5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.“

Der Bescheid vom 04.01.2018 mit welchem der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, wurde ihm am 17.03.2018 rechtswirksam durch Hinterlegung an seiner Abgabestelle zugestellt.

In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides wurde auf die vierwöchige Rechtsmittelfrist ab Zustellung verwiesen, welche mit 16.04.2018 endete.

Die Beschwerde samt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden mit Schriftsatz vom 04.05.2018 bei der belangten Behörde eingebracht. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen diese Fristversäumnis wurde nicht gewehrt, die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen. Die Beschwerde vom 04.05.2018 gegen den Bescheid vom 04.01.2018, Zl. XXXX , erweist sich somit als verspätet und ist zurückzuweisen.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Der Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (entspricht der bisherigen Judikatur zum § 67d AVG, wobei darauf hinzuweisen ist, dass § 24 VwGVG dem aufgehobenen § 67d AVG entspricht). Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

3.4. Zu den Spruchpunkten I.B und II.B zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Fristversäumung Prozessfähigkeit psychische Eignung Rechtsmittelfrist Tatzeitpunkt Verspätung Wiedereinsetzungsantrag Zurechnungsfähigkeit Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W252.2199627.1.00

Im RIS seit

16.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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