Entscheidungsdatum
09.12.2020Norm
AlVG §44Spruch
W216 2234960-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende sowie die fachkundige Laienrichterin Karin ZEISEL und den fachkundigen Laienrichter Dr. Kurt SCHEBESTA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße vom 16.04.2020, nach Beschwerdevorentscheidung vom 26.08.2020, GZ XXXX , betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 44 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) iVm Artikel 65 Abs. 2, 3 und 5 der Verordnung (EG) des europäischen Parlamentes und des Rates (GVO) Nr. 883/2004, ABl. (EG) L166, mangels Zuständigkeit, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße (im Folgenden: AMS oder belangte Behörde) vom 16.04.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 22.03.2020 auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 44 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG-BGBl. Nr. 609/1977) in Verbindung mit Artikel 65 Abs. 2, 3 und 5 der Verordnung (EG) des europäischen Parlamentes und des Rates (GVO) Nr. 883/2004, ABl. (EG) L166, alle in geltender Fassung, mangels Zuständigkeit zurückgewiesen.
Begründend führte das AMS nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen aus, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass sich der Beschwerdeführer laut eigenen niederschriftlichen Angaben ca. einmal pro Woche in der Slowakei an seinem Hauptwohnsitz an näher bezeichneter Adresse befinde. Dort würden auch seine Frau und seine Kinder leben. Aufgrund dieser Tatsachen müsse festgestellt werden, dass sich der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers in der Slowakei befinde und er nur hauptsächlich aus beruflichen Gründen in Wien sei. Grenzgänger würden die Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats erhalten, in dessen Gebiet sie wohnen, als ob während der letzten Beschäftigung die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaates gegolten hätten (Art 65 der GVO 883/2004). Für Grenzgänger sei daher nicht der Staat der letzten Beschäftigung, sondern der Wohnstaat zuständig. Die Ein-Tages-Regel des Artikel 61 Abs 2 GVO 883/2004 gelte nicht. Demgemäß habe der Wohnstaat die EU(EWR)-Auslandszeiten auch dann zu berücksichtigen, wenn zuletzt im Wohnstaat keine Versicherungszeiten erworben worden seien. Daher sei der Antrag des Beschwerdeführers mangels Zuständigkeit zurückzuweisen und somit spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
2. Ausweislich des Verwaltungsaktes wurde seitens des AMS eine Zustellung des Bescheides mittels RSa-Sendung vorgenommen. Aus dem vorliegenden Rückschein ergibt sich, dass der Bescheid dem Beschwerdeführer am 18.05.2020 durch persönliche Übernahme zugestellt worden ist.
3. Mit Schreiben vom 13.08.2020 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid das Rechtmittel der Beschwerde, welches am 14.08.2020 über die Postbox beim AMS eingelangte. Begründend führte der Beschwerdeführer darin im Wesentlichen aus, dass er im Fragebogen zur Zuständigkeit irrtümlich ein Kästchen falsch angekreuzt hätte. Tatsächlich kehre er monatlich in sein Herkunftsland zurück und seine Kinder würden einmal monatlich nach Österreich kommen, um hier einzukaufen. In seinem Heimatland habe er bereits seit sieben Jahren keine Einkünfte mehr gehabt und empfinde er Österreich als sein Heimatland.
4. Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS als belangte Behörde am 26.08.2020 gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz und § 14 VwGVG in Verbindung mit § 56 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde vom 13.08.2020 gegen den Bescheid des AMS vom 16.04.2020 als verspätet zurückgewiesen wurde.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass gegen Bescheide des AMS binnen vier Wochen nach Zustellung die Beschwerde eingebracht werden könne. Eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung sei dem Bescheid des AMS vom 16.04.2020 zu entnehmen. Die Frist berechne sich gemäß § 32 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (im Folgenden: AVG) wie folgt:
„Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.“
Da dem Beschwerdeführer der verfahrensgegenständliche Bescheid (per RSa) am 18.05.2020 zugestellt worden sei und er die Beschwerde (postalisch) am 14.08.2020 eingebracht habe, sei sein Rechtsmittel verspätet, da der Fristenlauf am Montag, den 18.05.2020 begonnen und demzufolge vier Wochen später, nämlich am Montag, den 15.06.2020, geendet habe. Die am 14.08.2020 eingebrachte Beschwerde sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.
Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass die Angelegenheit des Beschwerdeführers vom AMS überprüft worden sei. Es fände sich jedoch keine Möglichkeit, den angefochtenen Bescheid zu beheben oder abzuändern. Den Angaben des Beschwerdeführers, er hätte lediglich ein Kästchen auf dem Fragebogen zur Zuständigkeit falsch angekreuzt und habe damit versehentlich angegeben, wöchentlich (statt monatlich) in seinen Heimatstaat zurückzukehren, werde kein Glaube geschenkt, da er die darauffolgende Frage, wie oft er im letzten Jahr in seinen Heimatstaat zurückgekehrt sei, mit 50 Mal beantwortet habe.
5. Mit Eingabe des Beschwerdeführers vom 10.09.2020 langte beim AMS fristgerecht ein Vorlageantrag des Beschwerdeführers ein.
6. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 11.09.2020 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes ausreichend durchgeführt. Auf dieser Grundlage werden folgende Feststellungen getroffen und der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt:
Mit Bescheid des AMS vom 16.04.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 44 AlVG iVm Artikel 65 Abs. 2, 3 und 5 der Verordnung (EG) des europäischen Parlamentes und des Rates (GVO) Nr. 883/2004, ABl. (EG) L166, mangels Zuständigkeit zurückgewiesen.
Dieser Bescheid des AMS vom 16.04.2020 wurde dem Beschwerdeführer an seine im ZMR gemeldete Adresse mittels RSa-Sendung am Montag, dem 18.05.2020, durch persönliche Übernahme rechtswirksam zugestellt.
Die Frist zur Einbringung einer Beschwerde beträgt vier Wochen und begann mit Zustellung des angefochtenen Bescheides am Montag, dem 18.05.2020, zu laufen und endete am Montag, dem 15.06.2020.
Die Beschwerde datiert mit 13.08.2020 langte am 14.08.2020 beim AMS ein.
Die Beschwerde wurde verspätet eingebracht.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zum Zustellvorgang des angefochtenen Bescheides beruhen auf dem vorliegenden unbedenklichen und gut lesbaren RSa-Rückschein. Dieser stellt als Zustellschein eine öffentliche Urkunde dar, welche die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat (vgl. dazu näher die nachfolgende rechtliche Beurteilung).
Aus diesem Rückschein ergibt sich, dass das Schriftstücks am 18.05.2020 vom Empfänger (= Beschwerdeführer) persönlich übernommen wurde.
Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren kein Vorbringen erstattet, das am Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung des angefochtenen Bescheides zweifeln ließe.
Die Datierung der Beschwerde und der Zeitpunkt ihres Einlangens beim AMS ergeben sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Beschwerde. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer nie behauptet, dass die Beschwerde zu einem früheren Zeitpunkt beim AMS eingelangt wäre.
Es ist somit der belangten Behörde – unter Zugrundelegung des festgestellten unzweifelhaften Sachverhaltes – nicht entgegenzutreten, wenn sie unter Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des AVG und des VwGVG davon ausgeht, dass der angefochtene Bescheid des AMS vom 16.04.2020 dem Beschwerdeführer am 18.05.2020 zugegangen ist, die Beschwerdefrist an diesem Tag begonnen und – nach vier Wochen – am 15.06.2020 geendet hat und die vom Beschwerdeführer eingebrachte – mit 13.08.2020 datierte und am 14.08.2020 beim AMS eingelangte – Beschwerde somit verspätet war.
Hinsichtlich der Bestimmung des Fristenlaufs für die Einbringung der Beschwerde wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das Arbeitsmarktservice.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.
Gemäß § 7 BVwGG bestehen die Senate aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Ist in Materiengesetzen die Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung vorgesehen, sind diese anstelle der Mitglieder nach Maßgabe der Geschäftsverteilung als Beisitzer heranzuziehen.
In der gegenständlichen Rechtssache obliegt somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Senat.
3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Beschwerdegegenstand:
Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden. Abweichend dazu normiert § 56 Abs. 2 AlVG in Verfahren betreffend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung eine Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung von zehn Wochen.
Vorliegend hat der Beschwerdeführer mit am 14.08.2020 beim AMS eingelangter und mit 13.08.2020 datierter Eingabe Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 16.04.2020 erhoben. Dem AMS stand es somit grundsätzlich gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 AlVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zehn Wochen mittels Beschwerdevorentscheidung aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 26.08.2020 innerhalb der zehnwöchigen Frist erlassen wurde.
Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Insoweit der Vorlageantrag ein zur ursprünglichen Beschwerde konkretisiertes Vorbringen enthält, stellt dies eine Erweiterung der ursprünglichen Beschwerde dar (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3, wonach aus der Regelung des § 15 VwGVG geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann).
3.4. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts:
§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“
Gegenstand des Verfahrens des Bundesverwaltungsgerichtes ist die Beschwerde vom 14.08.2020 gegen den Ausgangsbescheid des AMS vom 16.04.2020. Dieser ist Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht (s. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026). Ist die Beschwerde nicht zulässig, so ist sie vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichtes an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, dies mit der Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheides festgestellt wird (vgl. auch dazu VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, mit Hinweis auf VwGH 26.06.2014, Ro 2014/10/0068).
Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Der vorliegend relevante Abs. 1 dieser Bestimmung lautet wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.“
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:
3.5. Die Bescheidbeschwerde ist schriftlich (in Form eines Schriftsatzes) bei der belangten Behörde einzubringen (§ 12 VwGVG).
Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebende Bestimmung des VwGVG lautet:
„Beschwerderecht und Beschwerdefrist
§ 7. (1) Gegen Verfahrensanordnungen im Verwaltungsverfahren ist eine abgesonderte Beschwerde nicht zulässig. Sie können erst in der Beschwerde gegen den die Sache erledigenden Bescheid angefochten werden.
(2) Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
(3) Ist der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden, kann die Beschwerde bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Beschwerdeführer von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.
(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt
1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,
2. - 5. (…)“
Im vorliegenden Fall wurde in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides vom 16.04.2020 zutreffend darauf hingewiesen, dass gegen den Bescheid binnen vier Wochen nach Zustellung schriftlich Beschwerde bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle eingebracht werden kann. Die Rechtsmittelbelehrung entspricht auch sonst den Anforderungen des § 61 Abs. 1 AVG.
Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebende Bestimmung des § 32 Abs. 2 AVG lautet:
„5. Abschnitt: Fristen
§ 32. (2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.“
Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (33 Abs. 2 AVG).
Bei der Frist zur Einbringung der Beschwerde handelt es sich um eine durch Gesetz festgesetzte Frist, die nicht verlängerbar ist (§ 33 Abs. 4 AVG). Sie ist eine prozessuale (formelle) Frist, sodass die Tage des Postenlaufes nicht einzurechnen sind (§ 33 Abs. 3 AVG).
Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen (§ 13 Abs. 1 ZustG).
Die Zustellung ist vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden (§ 22 Abs. 1 ZustG).
3.6. Nach den Beurkundungen des Zustellorgans erfolgte die Zustellung durch persönliche Übernahme des Bescheides durch den Beschwerdeführer am 18.05.2020.
Bei einem Rückschein handelt es sich als Zustellschein um eine öffentliche Urkunde, die die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat, dass die Zustellung den Angaben auf dem Zustellschein entsprechend erfolgt ist. Diese Vermutung ist widerlegbar. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die im Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/02/0156; 11.11.2015, Ra 2015/04/0086, je mwN). Dazu bedarf es jedoch konkreter Darlegungen und eines entsprechenden Beweisanbotes (vgl. etwa VwGH 27.07.2007, 2006/10/0040; 21.07.2011, 2007/18/0827 mwN).
Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer keine Zustellmängel behauptet hat. Ein Vorbringen des Beschwerdeführers, welches die Beurkundung des Zustellvorganges zu widerlegen vermag, liegt somit nicht vor. Der Bescheid gilt daher mit der persönlichen Übernahme am 18.05.2020 als rechtswirksam zugestellt.
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verspätung der Beschwerdeeinbringung in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigen (vgl. VwGH 20.02.2014, 2013/07/0237).
Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge hat vor einer Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung entweder von Amts wegen überprüft zu werden, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder es ist der Partei die Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten. Wird ohne vorangegangenen Vorhalt von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen, ist das Risiko einer Entscheidungsbehebung zu tragen (vgl. VwGH 11.03.2016, Ra 2015/06/0088 mwN).
Ausweislich des Verwaltungsaktes wurde dem Beschwerdeführer vor Zurückweisung der Beschwerde kein Verspätungsvorhalt gemacht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 276 BAO alt (idF vor BGBl. I Nr. 14/2013) können die in einer Berufungsvorentscheidung erstmals getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, denen der Abgabepflichtige nicht entgegentritt, als richtig angesehen werden, weil einer Berufungsvorentscheidung auch die Wirkung eines Vorhaltes zukommt. Im Hinblick auf die Wirkung der Berufungsvorentscheidung als Vorhalt ist es demnach Sache der Partei, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen auseinander zu setzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen (vgl. etwa VwGH 23.05.1996, 94/15/0024; 28.05.2008, 2006/15/0125, je mwH).
Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist diese Rechtsprechung auf Beschwerdevorentscheidungen iSd § 14 VwGVG (hier: iVm § 56 Abs. 2 AlVG) insofern übertragbar, als auch ihnen die Wirkung eines Vorhaltes zukommt.
Mit der Begründung der Beschwerdevorentscheidung wurde dem Beschwerdeführer die Versäumung der Rechtsmittelfrist vorgehalten.
Nachdem er mit der Verspätung der von ihm eingebrachten Beschwerde konfrontiert wurde, erstattete der Beschwerdeführer im Vorlageantrag kein Vorbringen zur behaupteten Rechtzeitigkeit der Beschwerde. Vielmehr ersuchte er lediglich um Zuerkennung von Arbeitslosengeld und wies darauf hin, dass seine Wohnung in Österreich für seine Familie (Ehefrau und zwei Kinder) nicht nutzbar sei, weshalb diese wieder zurück in ihr Herkunftsland gefahren sei.
Wie die belangte Behörde – unter Wiedergabe des Wortlautes der §§ 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG und 32 Abs. 2 AVG – zutreffend ausführt, beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (im konkreten Fall: das AMS) vier Wochen. Die Frist beginnt dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung. Da die Frist nach Wochen bestimmt ist, endet diese mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.
Der Bescheid der belangten Behörde vom 16.04.2014 wurde dem Beschwerdeführer laut Rückschein am 18.05.2020 zugestellt. Daraus folgt, dass die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des AMS am Montag, dem 18.05.2020, begonnen und nach vier Wochen – im vorliegenden Fall somit am Montag, dem 15.06.2020 – geendet hat. Da die mit 13.08.2020 datierte Beschwerde jedoch am 14.08.2020 beim AMS eingelangt ist, stellt sich diese als verspätet heraus.
Eine Abfrage des Zentralen Melderegisters durch das Bundesverwaltungsgericht am 27.09.2020 ergab, dass eine Adressänderung des Beschwerdeführers im gegenständlichen Zeitraum nicht erfolgt ist. Eine solche wurde seitens des Beschwerdeführers ohnedies nicht behauptet. Eine Ortsabwesenheit im fraglichen Zeitraum ist vom Beschwerdeführer ebenso zu keiner Zeit behauptet worden, so auch nicht im Vorlageantrag.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen ist dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Verspätung verwehrt (vgl. VwGH 16.11.2005, 2004/08/0117).
3.7. Im vorliegenden Beschwerdefall konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG entfallen, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu insbesondere Pkt. II.3.). Die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen ist nicht revisibel und kommt einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (VwGH 07.03.2017, Ro 2014/04/0066, mwN). Darüber hinaus hing die Entscheidung über die Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde lediglich von bereits ausjudizierten – nicht übermäßig komplexen – Rechtsfragen ab.
Schlagworte
Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W216.2234960.1.00Im RIS seit
16.02.2021Zuletzt aktualisiert am
16.02.2021