TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/10 W117 1307323-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.12.2020
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Entscheidungsdatum

10.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §8 Abs1

Spruch


W117 1307323-3/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) vom 07.04.2016, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.11.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungsplicht durch das Bundesasylamt wird gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG idgF, stattgegeben.

II. Der Antrag auf internationalen Schutz vom 17.11.2011 wird gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. I Nr. 51/1991 idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

III. Gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, wird dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung in die Russische Föderation erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 und 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist, sowie dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Erstes Asylverfahren (Vorverfahren):

Der Beschwerdeführer brachte am 16.08.2005 nach illegaler Einreise gemeinsam mit seinem Sohn einen (ersten) Asylantrag in Österreich ein.

Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an als Grund für das Verlassen seines Herkunftsstaates zusammengefasst an, dass er sich dort immer verstecken hätte müssen. Es habe nächtliche Überfälle durch maskierte Männer gegeben. Es herrsche Krieg in seiner Heimat.

Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 09.09.2005 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, seine Heimat deshalb verlassen zu haben, da er vor drei Jahren von maskierten russischen Soldaten verschleppt und einen Monat lang gefangen gehalten und verhört worden sei. In dieser Zeit sei er auch täglich geschlagen worden und hätten seine Verwandten letztlich US-$ 1.000,-- für seine Freilassung bezahlen müssen. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes habe er danach fünf Monate im Krankenhaus verbringen müssen. Vor sechs Monaten sei er dann ein zweites Mal verschleppt worden. Man habe ihn zwei Tage lang festgehalten und gegen ein Lösegeld von US-$ 500,-- wieder frei gelassen. Eigentlicher Grund für ihn nach Österreich zu gehen, sei aber der Umstand gewesen, dass er seinem Sohn eine bessere Zukunft ermöglichen habe wollen. Zudem habe man, nachdem er nicht mehr zu Hause gewohnt habe, gedroht, seinen Sohn XXXX an seiner Stelle zu entführen.

Der Beschwerdeführer wurde am 10.01.2006 vor dem Bundesasylamt umfassend zu den Gründen für seine Asylantragstellung einvernommen. Dabei brachte dieser kurz zusammengefasst vor, dass es "viele Gründe" gebe, warum er in seiner Heimat nicht in Ruhe gelassen worden sei. Einmal seien Leute in sein Haus eingedrungen und hätten ihn verschleppt, weil er unter Dudajew bei der Polizei gearbeitet habe. Dann seien "die Russen" gekommen, wobei man ihn aber "nur bis zum Auto gezerrt" habe. Verwandte hätten dann Geld für ihn bezahlt. Die Russen würden so ihre Geschäfte machen, um zu Geld zu kommen. Danach habe er nicht mehr zu Hause übernachtet, da er Angst um sein Leben und auch kein Geld mehr gehabt habe. Befragt, wann konkret er verschleppt worden sei, meinte der Beschwerdeführer, dass es schon schlecht um sein Gedächtnis stehe und dies zwei, drei oder vier Jahre her sei. Schon vor seiner Ausreise habe er immer wieder in andere Bezirke ziehen und sogar im Wald übernachten müssen. Seine Frau und zwei weitere Kinder befänden sich zwar noch zu Hause, dies aber nur, weil er nicht genug Geld für die gemeinsame Ausreise aller Familienmitglieder gehabt habe. Anlässlich seiner ersten Festnahme sei er 15 bis 17 Tage lang an einem feuchten Ort gefangen gehalten und "arg geschlagen" worden. Erst als seine Verwandten Geld bezahlt hätten, sei er freigekommen. In seiner Heimat würden keine Terroristen oder Rebellen festgenommen, sondern nur Unschuldige, da man Geld mit den Leuten machen wolle.

Mit Bescheid vom 30.10.2006 wies das Bundesasylamt den Asylantrag vom 16.08.2005 gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl I Nr. 76/1997 (AsylG) idF BGBl I Nr. 101/2003, ab (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 Absatz 1 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 101/2003 zulässig sei (Spruchpunkt II.) und wies diesen unter einem gemäß § 8 Absatz 2 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 101/2003 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.). In ihrer Entscheidungsbegründung ging die belangte Behörde im Wesentlichen von der Unglaubwürdigkeit des vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringens aus. So habe dieser etwa "immer wieder von einander völlig abweichende bzw. nicht nachvollziehbare Angaben gemacht" und auf die Frage nach seinem Ausreisemotiv in den jeweiligen Einvernahmen "völlig anderwärtige Angaben zu Protokoll" gegeben bzw. sei er überdies bereits als Person unglaubwürdig gewesen. Zusammengefasst müsse daher davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Verfolgung im Konventionssinn drohe.

Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 31.10.2006 rechtswirksam zugestellten Bescheid wurde fristgerecht (eine als Berufung bezeichnete) Beschwerde "wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verfahrensmängel" erhoben.

Am 27.09.2011 führte der Asylgerichtshof in Anwesenheit eines Dolmetschers für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seines nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreters neuerlich zu den maßgeblichen Fluchtgründen, seinem Familien- und Privatleben sowie allfälligen Aspekten einer Integration in Österreich befragt wurde. Ein Vertreter der belangten Behörde erschien trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung entschuldigt nicht.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 05.10.2011, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je EUR 4,--, im Nichteinbringungsfall zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Mit Erkenntnis vom 17.10.2011, Zl. D1 307323-1/2008/17E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76 idF BGBl. I Nr. 101/2003, und § 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 38/2011, als unbegründet ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht nur die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Ausreisegründen, sondern auch die Angaben zu seinen behaupteten Familienmitgliedern im Ergebnis nicht in Einklang zu bringen bzw. nachweislich unrichtig seien. So ergebe sich etwa aus dem im Zuge der freiwilligen Heimreise seines mit ihm im August 2005 nach Österreich gekommenen behaupteten Sohnes " XXXX , geb. XXXX “ (D7 307322) vorgelegten, am 17.07.2006 im tschetschenischen Rajon XXXX (sic!) ausgestellten Identitätsdokument (russ. Inlandspass), dass dieser in Wirklichkeit XXXX heiße und am XXXX geboren worden sei. Somit stehe aber nicht nur fest, dass der Beschwerdeführer den österreichischen Asylbehörden mehrmals falsche Identitätsangaben hinsichtlich seines (behaupteten) Sohnes bekannt gegeben bzw. dessen wahre Identität bis zuletzt nicht offengelegt habe, sondern sei in Anbetracht des Vatersnamens (" XXXX ") überhaupt das behauptete Vater-Sohn-Verhältnis massiv in Zweifel zu ziehen. Zudem sei anzumerken, dass der Inlandspass zu einem Zeitpunkt ausgestellt worden sei, zu welchem sich der Genannte eigentlich in Österreich befinden hätte müssen, sodass davon auszugehen sei, dass dieser bereits damals zumindest kurzfristig das Bundesgebiet verlassen habe und in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt sei, um sich jenes Dokument ausstellen zu lassen. In Verbindung mit der Tatsache der am 24.02.2011 erfolgten freiwilligen Heimreise des (behaupteten) Sohnes in die Russische Föderation könne somit in weiterer Folge aber auch das vom Beschwerdeführer - unter anderem - genannte Fluchtmotiv, Leute seien in sein Haus in Tschetschenien eingedrungen und hätten sich nach seinem Sohn XXXX erkundigt, den er durch die gemeinsame Ausreise schützen habe wollen, nicht den Tatsachen entsprechen. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde am 09.09.2005 angegeben, zum ersten Mal "vor drei Jahren" (somit im Jahre 2002) und zum zweiten Mal "vor sechs Monaten" (somit Frühjahr 2005) von russischen Soldaten entführt/verschleppt worden zu sein, wobei er das erste Mal "einen Monat lang" und das zweite Mal "2 Tage lang" festgehalten worden sei. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer dann zwar wiederum von insgesamt zwei Festnahmen gesprochen, wobei er die Anhaltedauer der ersten aber nunmehr mit "15 - 17 Tagen" bzw. "17 Tagen" festgelegt habe. Hinsichtlich der zweiten Anhaltung habe der Beschwerdeführer, dem jedes mit ihm vor der belangten Behörde aufgenommene Protokoll in die russische Sprache rückübersetzt worden sei, erstmals im Berufungsschriftsatz angegeben, dass es sich bei der Zeitangabe "2 Tage lang" um einen Übersetzungsfehler gehandelt habe und er damals lediglich zwei Stunden lang angehalten worden sei. Abgesehen vom Umstand, dass der Beschwerdeführer schon in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 10.01.2006 die Zeitpunkte seiner Festnahmen nicht einmal mehr annähernd konkret nennen habe können und auf die diesbezügliche Frage, "vor zwei, drei oder vier Jahren" gemeint habe, habe dieser auch im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof nicht seine früheren Angaben aufrecht zu halten vermocht, sondern ohne weitere nähere Konkretisierung und teilweise im Widerspruch zu seinen bisherigen Aussagen lediglich angegeben, dass seine erste Entführung "im Zeitraum von 1998 bis 2000" und seine zweite Mitnahme "nach dem Jahr 2000" stattgefunden habe. Als Motive für die Ausreise, respektive seine Festnahmen, habe der Beschwerdeführer - wie schon vor dem Bundesasylamt - lediglich die Tatsache genannt, dass sich "Leute" nach seinem Sohn XXXX erkundigt hätten und er "unter Dudajew bei der Polizei gearbeitet" habe und man sich deshalb von behördlicher Seite für ihn interessiere. Erst auf dezidierte Nachfrage des vorsitzenden Richters, ob nicht, wie im ergänzenden Schriftsatz vom 08.10.2009 behauptet, die Teilnahme seiner Brüder XXXX und XXXX am tschetschenischen Widerstand das Hauptmotiv seiner Flucht dargestellt hätte, habe der Beschwerdeführer dies bejaht und auch von ihm angeblich durchgeführte Unterstützungsleistungen geschildert. Doch auch die Behauptung, wegen einer Tätigkeit als einfacher Zollbeamter/Polizist "unter Dudajew" [Anm.: dem im April 1996 getöteten tschetschenischen Präsidenten] im Jahre 2002 von russischen Soldaten entführt worden bzw. sogar noch heute von asylrelevanter Verfolgung bedroht zu sein, sei - auch und insbesondere unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Länderfeststellungen - absolut nicht plausibel. Überdies habe der Beschwerdeführer etwa angegeben, dass die Bestätigung über einen an seine erste Entführung anschließenden mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt im Zuge der Bombardierung und Zerstörung seines Hauses gemeinsam mit anderen Dokumenten vernichtet worden sei, wobei er im Rahmen derselben Einvernahme jedoch schon zuvor angegeben habe, dass eben jener Bombenangriff "während des zweiten Bürgerkrieges im Jahr 1998" stattgefunden habe. Unter Berücksichtigung der ebenfalls im Zuge dieser Einvernahme abgegebenen Aussage, dass seine erste Entführung "vor drei Jahren" (somit im Jahr 2002) stattgefunden habe, könne eine Bestätigung über einen damit in Zusammenhang stehenden anschließenden Krankenhausaufenthalt aber nicht vier Jahre zuvor vernichtet worden sein. Letztendlich spreche neben all den dargestellten Umständen aber auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Zuge seiner legalen Ausreise offenbar problemlos sämtliche Checkpoints und/oder Kontrollen in seiner Heimatrepublik passieren habe können und auch der Grenzübertritt nach Weißrussland mit Hilfe seines originalen Inlandspasses ohne Schwierigkeiten erfolgt sei, dafür, dass dieser weder offiziell noch inoffiziell von den Behörden seines Herkunftsstaates gesucht worden sei und somit insgesamt gegen die Behauptung, im gesamten Staatsgebiet der Russischen Föderation von Verfolgung bedroht zu sein. Dieses Erkenntnis erwuchs am 20.10.2011 in Rechtskraft.

Gegenständliches Folgeverfahren

Bereits am 17.11.2011 brachte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz beim Bundesasylamt ein. In der am selben Tag stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er im Wesentlichen an, dass er seit seiner ersten Antragstellung das Bundesgebiet nicht verlassen habe. Einen neuen Antrag habe er deshalb gestellt, weil er bei einer Rückkehr in die Heimat getötet werde. Vor etwa einer Woche habe er im Zuge eines Telefonates mit seiner im Herkunftsstaat aufhältigen Ehefrau erfahren, dass sich sein Sohn XXXX den Widerstandskämpfern in Tschetschenien angeschlossen habe. Seitdem werde auch nach ihm, dem Beschwerdeführer, gesucht.

Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 23.11.2011 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass sein Sohn in den Herkunftsstaat zurückgekehrt sei. Seine Ehefrau habe ihm während eines Telefonates berichtet, dass sich Polizeibeamte nach dem Sohn erkundigt hätten. Nachdem sie den Beamten mitgeteilt habe, dass ihr dessen Aufenthaltsort unbekannt sei, sei auch nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers gefragt worden. Überdies hätten sich die Beamten erkundigt, ob sich der Sohn "in die Berge begeben" habe. In weiterer Folge gab der Beschwerdeführer zu, dass es sich bei dem von ihm als seinen Sohn Bezeichneten nicht um seinen leiblichen Sohn, sondern den Sohn seines Bruders XXXX , der während des Krieges umgekommen sei, handle. XXXX , der eigentlich XXXX heiße, sei jedoch von ihm aufgezogen worden. Wann genau er von der Rückkehr seines Sohnes in den Herkunftsstaat erfahren habe, könne er nicht angeben. Im Herkunftsstaat werde noch immer nach ihm gesucht. Er habe - wie er von seiner Frau vor drei Wochen erfahren habe - eine Ladung erhalten, die er sich so bald wie möglich schicken lassen werde. Seine Frau habe ihm überdies vor zwei Wochen erzählt, dass Polizeibeamte vor etwa einem Monat nach seinem Sohn XXXX gesucht hätten. Da dessen Aufenthaltsort jedoch unbekannt sei, sei auch nach dem Beschwerdeführer gefragt worden.

Mit Verfahrensanordnung vom 23.11.2011 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesasylamt nachweislich mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da gegenständlich "entschiedene Sache" im Sinne des § 68 AVG vorliege.

Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 28.11.2011 führte der Beschwerdeführer insbesondere aus, er habe in der vorigen Woche eine Ladung per Internet erhalten und erwarte nunmehr die Zusendung des Originals sowie seines Reisepasses.

In weiterer Folge übermittelte der Beschwerdeführer eine Ladung im Original, wonach er am XXXX um 10:30 Uhr im Amt des Innenministeriums, Milizstation des Rayons XXXX , Ministerium für innere Angelegenheiten der Republik Tschetschenien, bei Operationsinspektor XXXX als Zeuge erscheinen müsse. Überdies legte er ein an ihn adressiertes Originalkuvert mit dem Absender XXXX , Russische Föderation, vor, welches mit 02.12.2011 datiert ist.

Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22.05.2012 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass "Leute" in seine Wohnung im Herkunftsstaat eingedrungen seien und nach ihm gesucht hätten. Seine Frau sei nach Inguschetien geflüchtet und fahre nur gelegentlich nach Hause, um ihre Mutter zu besuchen. Vor einer Woche habe er neuerlich zu Hause angerufen und erfahren, dass erneut nach ihm gesucht worden sei. Seine Verwandten hätten ihm mitgeteilt, dass "diese Leute" auf ihn warten und regelmäßig kontrollieren würden, ob er zu Hause sei. Überdies sei sein Bruder vorige Woche geflüchtet. Er (selbst) werde gesucht, weil er unter Dudajew (bei der Polizei) gearbeitet habe und sein Sohn "in den Wald geflohen" sei. Überdies könnten XXXX sein ehemaliger Nachbar, sowie sein im Bundesgebiet als anerkannter Flüchtling lebender Bruder bezeugen, dass er gesucht werde. Die im gegenständlichen Verfahren vorgebrachten Umstände habe er am 10.11.2011 erfahren. Weiters erteilte der Beschwerdeführer seine Zustimmung zur Überprüfung seiner Angaben.

Mit Schriftsatz vom 24.05.2012 gab der Beschwerdeführer die Adresse des von ihm in der vorhergehenden Einvernahme namhaft gemachten Zeugen bekannt und ersuchte um dessen Ladung und Befragung.

Mit Bescheid vom 25.05.2012 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 17.11.2011 gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es habe kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können. Die Begründung des neuerlichen Antrages reiche zudem nicht aus, einen neuen, gegenüber dem früheren Antrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Der Beschwerdeführer habe sich im nunmehrigen Verfahren hinsichtlich der Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates auf dieselben Beweggründe gestützt, wie im bereits rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren. Indem er weiterhin vorgebracht habe, von russischen Polizeibehörden verfolgt worden zu sein, habe er sich auf einen bereits vorgebrachten Fluchtgrund gestützt, welcher von der Rechtskraft des Erstverfahrens umfasst sei. Sofern der Beschwerdeführer nunmehr "als Neuerung" anführe, dass sein Ziehsohn in die Russische Föderation zurückgekehrt sei und sich den Widerstandskämpfern angeschlossen habe, sei zu berücksichtigen, dass dies nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Person zu werten sei. Hinsichtlich der vorgelegten Ladung der Polizei könne nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer aus diesem Grund tatsächlich Verfolgung drohe. Seine diesbezüglichen Angaben, also eine Bedrohung und Verfolgung durch russische Behörden, sei nicht zu erkennen und stellten diese Angaben einen unveränderten Sachverhalt dar. Überdies sei festzustellen, dass diese weiterhin bestehenden Gründe auch den Grundanforderungen der Glaubhaftmachung nicht genügen würden. Von einer Befragung der angeführten Zeugen sei abzusehen gewesen, da diese den Angaben des Beschwerdeführers nach ohnehin lediglich zum bereits im Erstverfahren geprüften Sachverhalt Stellung nehmen könnten.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde die Einvernahme der beantragten Zeugen nicht durchgeführt habe. Die den Beschwerdeführer betreffende Verfolgungsgefahr ergebe sich aus dem Verwandtschaftsverhältnis mit seinem Ziehsohn im Hinblick darauf, dass jedenfalls sämtliche männliche Familienmitglieder eines Widerstandskämpfers in das Blickfeld der russisch-tschetschenischen Sicherheitsbehörden geraten würden. Auch dieser Umstand sei im vorangegangenen Asylverfahren kein Beweisthema gewesen. Zudem habe es das Bundesasylamt verabsäumt, sich mit der vorgelegten Ladung auseinanderzusetzen. Die Darstellung, wonach die Ladung nicht als Nachweis einer Verfolgungsgefahr zu werten sei, beruhe auf reiner Spekulation. Überdies seien ihm die von der belangten Behörde herangezogenen Länderberichte nicht zur Kenntnis gebracht worden. Zudem ergebe sich bereits aus einer Gegenüberstellung des nunmehrigen Vorbringens sowie der Angaben im vorangegangenen Verfahren, dass es sich um völlig unterschiedliche Sachverhalte handle.

Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.06.2012, D1 307323-2/2012, wurde der Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.05.2012 gemäß § 41 Abs.3 AsylG 2005 mit der Begründung behoben, dass die Behörde im fortgesetzten Verfahren Ermittlungen im Hinblick auf die nunmehr vorgelegte Ladung anzustellen und dabei insbesondere durch eine neuerliche Befragung des Beschwerdeführers und allenfalls auch durch Befassung eines geeigneten Sachverständigen festzustellen haben werde, ob der nunmehr vom Beschwerdeführer in seinem zweiten Asylverfahren vorgelegten Ladung Authentizität zugebilligt werden könne oder nicht. Darüber hinaus werde die belangte Behörde zur Beurteilung des nunmehrigen Vorbringens auch die vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen einzuvernehmen haben.

Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines bevollmächtigten Vertreters am 04.09.2012 beim Bundesasylamt mit seiner Zustimmung auf Russisch niederschriftlich einvernommen, wobei er angab, dass seine Muttersprache Tschetschenisch sei. Er sei verheiratet, seine Frau habe ständig in der Russischen Föderation gelebt. Seit November 2011 lebe sie mit den beiden gemeinsamen Kindern (Tochter und Sohn) bei der Mutter in Inguschetien. Er habe zu allen Kontakt. Der mit ihm in Österreich eingereiste junge Mann namens XXXX sei sein Neffe, dessen Vater im Krieg umgekommen sei und den der Beschwerdeführer großgezogen habe. Er glaube, dass sein Neffe im November 2011 freiwillig nach Russland zurückgekehrt sei. Angeblich lebe er im „Wald“. Befragt, warum seine Frau im November 2011 nach Inguschetien gezogen sei, gab er an, dass im Mai 2011 Behördenorgane zu ihr gekommen und nach ihm und seinen Neffen gefragt hätten, auch ein zweites Mal sei seine Familie behelligt worden und alles sei durcheinandergeworfen worden. Aus Angst um die Kinder sei seine Frau dann nach Inguschetien gezogen. Zum Vorhalt, dass sein Neffe im Mai 2011 noch in Österreich gewesen sein solle, korrigierte er, dass sie erstmals im November oder Dezember 2011 bei seiner Familie gewesen seien und nach XXXX gefragt hätten. Das zweite Mal seien sie im Mai 2012 gekommen, seien sehr wütend gewesen und hätten alles durchwühlt. Er habe die Jahre verwechselt. Bis heute werde nach ihm gefragt. Auf die Frage, ob er zwischen 2005 und November 2011 gesucht worden sei, brachte er vor, dass dies vorgekommen sei; sie hätten kontrolliert, ob er wieder da sei und es sei ihm gesagt worden, dass sie auf ihn warten würden. Diese Kontaktperson habe ihm auch gesagt, dass er nicht nach Hause kommen solle. Beim zweiten Besuch seien seine Frau und seine Kinder zu Hause gewesen, die Nachbarn hätten alles mitbekommen. Seine Frau sei bedroht worden. Zum Vorhalt, dass er eben angegeben habe, dass seine Frau im November 2011 nach Inguschetien gezogen sei, aber er soeben vorgebracht habe, dass sie im Mai 2012 in Tschetschenien bedroht worden sei, führte er aus, dass er große Probleme mit dem Gedächtnis habe. Seine Frau sei erst nach dem zweiten Vorfall im Mai 2012 nach Inguschetien gegangen. Seine Frau kehre manchmal zu ihrer Mutter in Tschetschenien zurück. Sie hätten in Tschetschenien keine eigene Wohnung besessen, sondern seine Frau habe bei Verwandten in der Nähe ihrer Mutter gewohnt. Zur Frage, woher die Information stamme, dass sich sein Neffe XXXX im Wald aufhalte, brachte er vor, dass die Polizisten seine Frau nach seinem Aufenthalt gefragt hätten und ob er „im Wald“ lebe. Die Behörden wüssten von ihren Informanten, dass XXXX wieder in Tschetschenien sei. Zur vorgelegten behördlichen Ladung als Zeuge gab er auf Befragen an, dass er aus eigener Erfahrung wisse, dass solche Ladungen entgegen den wahren Tatsachen verschickt würden oder sie auch ganz ohne Ladung in der Nacht kommen und jemanden mitnehmen könnten. Zum Vorhalt, dass wegen seiner Ladung als Zeuge nicht landesweit nach ihm gesucht würde, führte der Beschwerdeführer aus, dass es ja kein Verfahren gegen ihn geben könne, weil er nichts gemacht habe. Es habe immer mit anderen Gründen zu tun gehabt (seine Brüder seien im Krieg getötet worden, er habe beim Zoll gearbeitet und nun wegen XXXX ). Zum Vorhalt, dass auch er so wie seine Familie in Inguschetien leben könne, brachte er vor, dies bereits 5 Jahre lang gemacht zu haben und ihn dort trotzdem gefunden und nach Tschetschenien zurückgebracht habe. Man könne ihn überall finden, auch in Moskau. Zum Vorhalt, dass sein erstes Verfahren im Oktober 2011 abgeschlossen worden sei und die neuen Vorfälle sich im November 2011 ereignet hätten, was sehr ungewöhnlich sei, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Neffe bereits davor zurückgekehrt sei. Außerdem brachte der Beschwerdeführer vor, an Depressionen zu leiden; er könne nicht arbeiten und habe Probleme mit dem Gedächtnis. Seine Frau lebe bei ihren Verwandten in Inguschetien; in Tschetschenien habe sie bei ihrer Mutter gelebt. Er werde in Österreich von seinem hier aufhältigen Bruder und Verwandten unterstützt und stehe egen seiner Lunge und den Nieren in ärztlicher Behandlung. Er sei bereits vorbestraft. Der Rechtsvertreter beantragte die Einvernahme des in Österreich asylberechtigten Bruders de Beschwerdeführers.

Am 02.10.2012 langte eine Obdachlosenmeldung für den Beschwerdeführer beim Bundesasylamt ein.

Nach der am 19.06.2013 vorgelegten Teilnahmebestätigung besuchte der Beschwerdeführer einen A1-Deutschkurs.

Mit Schreiben vom 20.02.2013 wurden für den Beschwerdeführer ärztliche Befunde vorgelegt, wonach er an „Tuberkulose“ leidet.

Am 24.03.2014 legte der Vertreter des Beschwerdeführers eine Kursbesuchsbestätigung vom 30.01.2014 betreffend einen Deutschkurs auf dem Nivau A1 sowie eine weitere Anmeldung für A1+ vom 11.02.2014 vor. Nach einem ebenfalls beiliegenden ärztlichen Befund der MA15 (Tuberkulosevorsorge) vom 12.03.2014 befand sich der Beschwerdeführer in laufender Kontrolle bei „Z.n. Tuberkulose und tuberkulostatischer Therapie von 8/2005 bis 7/2006“ und bestand zudem eine „posttraumatische Belastungsstörung mit mittelgradiger Depression“.

Nach dem am 13.02.2014 vorgelegten klinisch-psychologischen Befundbericht vom 12.01.2014 bestand beim Beschwerdeführer eine medikamentös behandelte psychische Erkrankung (posttraumatische Belastungsstörung, mittelgradige depressive Episode) sowie die Gefahr einer Retraumatisierung und eines erhöhten Suizidrisikos im Fall von Zwangsmaßnahmen. Der Beschwerdeführer sei infolge seines schlechten psychischen Zustandes zur Psychotherapie angemeldet worden.

Mit Schriftsatz vom 06.07.2015 wurde seitens des Vertreters des Beschwerdeführers die Entscheidung in der Sache oder eine abschließende Einvernahme beantragt.

Am 07.07.2015 langten ein Unterstützungsschreiben vom 20.05.2015 und neuerlich der klinisch-psychologische Bericht vom 12.01.2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.
Ein am 11.03.2016 per FAX übermittelte ärztliche Attest geht von den Diagnosen „PTSD F43.1 und Depression F33.1“ beim Beschwerdeführer aus.

Schließlich langte am 07.04.2016 eine Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Die Behörde habe die 6-monatige Entscheidungsfrist gemäß 3 73 Abs. 1 AVG nicht eingehalten und habe eine wesentliche Verzögerung der Entscheidung im vorliegenden Asylfall zu verantworten. Mit der Einvernahme am 04.09.2012 und dem Antrag vom 06.07.2015 um Entscheidung werde das Verstreichen der sechsmonatigen Entscheidungsfrist gemäß § 73 Abs. 1 AVG glaubhaft gemacht. Beantragt werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Stattgabe der Säumnisbeschwerde sowie Erteilung von Asyl für den Beschwerdeführer.

Nach der vorgelegten Anmeldung vom 12.05.2016 war der Beschwerdeführer neuerlich zum Deutschkurs A1-A1+ angemeldet. Weiters wurde ein weiteres Empfehlungsschreiben vom 11.05.2016 vom Flüchtlingsprojekt Ute Bock vorgelegt.

Am 06.10.2016 legte der Vertreter einen Kurzbefund des psychosozialen Dienstes Wien vom 07.09.2016 vor, wonach der Beschwerdeführer seit Ende Juli 2016 wegen „rezidivierender depressiver Störung ggw mittelgradig F33.1“in regelmäßiger Betreuung und Behandlung steht. Danach ist trotz medikamentöser Behandlung bislang keine Besserung beim Beschwerdeführer eingetreten.

Der Akt wurde schließlich am 21.10.2016 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet, wo er am selben Tag einlangte.

Mit Schreiben vom 28.10.2016 beauftragte das Bundesverwaltungsgericht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 19 Abs. 6 AsylG 2005 (zu Zl. 215 1307323-3/2Z) umgehend mit der Einvernahme des Beschwerdeführers binnen 8 Wochen.

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am 29.12.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer auf Russisch zusammengefasst an, sich seit 11 Jahren im Bundesgebiet aufzuhalten und an Depressionen gelitten zu haben; nun gehe es ihm aber besser und er könne die Fragen beantworten. Als Grund für seinen zweiten Asylantrag brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er werde von den regierungstreuen Kräften in Tschetschenien bezichtigt, so wie seine drei auf der Seite der aufständischen tschetschenischen Kämpfer ums Leben gekommenen Brüder auf der Seite der Aufständischen mitgewirkt zu haben. Zwar habe er selbst nicht gekämpft, sie aber unterstüzt. Er befürchte daher im Fall der Rückkehr verschleppt, gefoltert zu werden und womöglich zu verschwinden. Er wolle noch von zwei Tschetschenen aus seinem Flüchtlingsheim berichten, welche nach ihrer freiwilligen Rückkehr spurlos verschwunden seien. In Tschetschenien herrsche vollkommene Gesetzlosigkeit. Dass er zur Zeit des Präsidenten Dudaev und Maschadov als Zollpolizist tätig gewesen sei, erschwere seine Lage zusätzlich, weil Regierungsbeamte aus dieser Zeit von der russischen Exekutive besonders intensiv unter Druck gesetzt und verfolgt würden. Zudem würden viele von ihm damals Bestraften nun persönlich am ihm Rache nehmen, so etwa ein früherer Kollege, welcher sich als Grenzpolizist schlecht benommen habe und gegen den der Beschwerdeführer sich gewendet habe. Auf Nachfrage nannte er vier Zeugen namentlich, welche ebenfalls in Wien leben würden. Diese seine keine Augenzeugen gewesen, hätten aber seine Entführung mitbekommen, sie hätten in Inguschetien in der Nachbarschaft gewohnt. Der einzige Augenzeuge heiße XXXX , sei damals Taxifahrer gewesen und bereits in Pension. Er sei sein Nachbar in Inguschetien und habe damals von seinem Taxi aus gesehen, wie der Beschwerdeführer aus dem Haus geschleppt worden sei. Sodann führte er noch zwei weitere Zeugen namentlich an, welche ebenfalls in Österreich aufhältig seien. Auf Nachfrage brachte er vor, im Ort Slepsovskaja in Inguschetien auf der Straße auf ein Taxi gewartet zu haben, als er von zwei Maskierten entführt worden sei. Er habe einen neuen Antrag gestellt, weil die Gefahr noch immer vorhanden sei. Seine Frau warne ihn am Telefon zurückzukehren. Sie hätte ihm berichtet, dass sie einige Male von Untersuchungsbeamten in Zivil zu Hause aufgesucht worden sei, welche nach seinem Aufenthalt erkundigt hätten und auch in der Nachbarschaft nach ihm gefragt hätten. Die vier genannten Zeugen würden aus seinem Heimatort in Tschetschenien stammen, welcher sich nur 8 km von der Stelle seiner Entführung in Inguschetien entfernt befinde. Nach dem nun vorliegenden Inlandsreisepass führe er den Namen XXXX und sei am XXXX geboren. Auf die Frage, wo sich der nach den Eintragungen im Inlandspass am 15.05.2003 ausgestellte russische Reisepass befinde, brachte er vor, nie einen Reisepass bekommen zu haben. Nach dem aktuellen Aufenthalt seiner Ehefrau befragt, gab er an, dass sein Haus in XXXX in Tschetschenien zerstört sei und seine Frau und die Kinder sich dort im Haus ihrer Mutter befänden. Er habe 8 Brüder und 3 Schwestern gehabt, sei seien 12 Kinder gewesen. Drei Brüder und eine Schwester seien bereits tot. In Österreich sei XXXX aufhältig. Der Bruder, welcher Polizist gewesen sei, sei im Krieg gefallen, zwei Brüder würden in Karelien arbeiten und leben, zwei seien in Österreich (er und XXXX ), zwei würden in Tschetschenien leben. Zwei Brüder seien gefallen und einer bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sein Neffe XXXX sei der Sohn eines gefallenen Bruders und er wisse nicht, was dieser nun mache, er solle sich versteckt halten. Auf den Vorhalt seiner früheren Angaben, wonach sich sein Neffe den Rebellen angeschlossen habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass er glaube, sein Neffe habe psychische Probleme. Zu den Ladungen befragt, gab er an, dass zwei oder drei gekommen seine, aber er nur eine hierhergeschickt bekommen habe. Er könne aus Angst um sein Leben nicht zurückkehren. In Österreich besuche er einen Deutschkurs, früher habe er sich wegen der Depression nichts merken können. Jetzt fühle er sich besser und bemühe sich, sich in die Gesellschaft zu integrieren und den Mitmenschen zu helfen, etwa indem er beim Deutschkurs beim Aufräumen helfe. Weitere Integrationsschritte in Österreich gebe es nicht. Er erhalte Unterstützung von der Caritas und lebe bei Ute Bock.

Der Vertreter des Beschwerdeführers legte am 23.01.2017 einen Kurzbefund des Psychosozialen Dienstes XXXX vom 14.11.2016 vor. Am 31.03.2017 langte ein weitgehend gleichlautender Kurzbefund des Psychosozialen Dienstes vom 17.03.2017 ein, wonach der Beschwerdeführer sich seit Ende Juli 2016 wegen „rezidivierend depressive Störung ggw. Mittelgradig F33.1“ in Betreuung und Behandlung befinde und Medikamente erhalte. Ein weiterer derartiger Kurzbefund vom 31.07.2017 langte am 08.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Zwei weitere nahezu idente Befunde, datiert vom 23.10.2017 und vom 02.10.2017 wurden am 12.01.2018 nachgereicht.

Mit Schriftsatz vom 27.10.2020 wurden die Bevollmächtigung eines neuen Vertreters bekanntgegeben.

Am 03.11.2020 fand beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Russisch statt, an welcher der Beschwerdeführer sowie sein anwaltlicher Vertreter sowie zwei Zeugen und ein Vertreter der Behörde teilnahmen. Diese nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

„ RI: Wie lange sind Sie schon in Österreich?

BF: 16 Jahre.

RI: Wissen Sie noch, in welchem Jahr Sie eingereist sind?

BF: Ja. 2005.

RI: Haben Sie zwischendurch Österreich je verlassen?

BF: Niemals, nirgendwohin. Ich bin in Österreich geblieben seit meinem Interview und nirgends hingefahren.

RI: Im Akt liegt ein russischer Inlandspass auf, der am 21.05.2004 ausgestellt wurde. Der Inlandspass weist die Unterschrift des BF auf. Also haben Sie vor der Ausreise noch einen Inlandspass ausstellen lassen?

BF: Nein.

R: Der Pass weißt Ihre Unterschrift auf und trägt das Ausstellungsdatum 21.05.2004.

BF: Den hat man mir zugestellt. Ich weiß nicht, ob das meine Unterschrift ist – ich verwende unterschiedliche Unterschriften. Es kann schon sein, dass das meine Unterschrift ist.

RI: Der Pass wurde von der Bezirksabteilung innere Angelegenheiten XXXX ausgestellt.

BF: Ja.

RI: In den letzten 15 Jahren Ihres Aufenthaltes in Österreich – was haben Sie gemacht? Haben Sie Deutschzertifikate? Was haben Sie sonst gearbeitet?

BF: Ich besuchte einen Deutschkurs. Bald werde ich die A1 und A2 Prüfung machen. Die Bestätigung über den Besuch habe ich schon vorgelegt. Man hat mir gesagt, dass es in nächster Zeit eine Prüfung geben wird.

RI: Sie sind 15 Jahre in Österreich und haben keine Deutschprüfung.

BF: Ich habe zuerst immer vergessen, dann habe ich die Sprache im täglichen Leben gelernt und jetzt möchte ich das nachholen, deswegen habe ich vor, Prüfungen abzulegen. Ich hatte Depressionen und habe alles vergessen, deswegen ging das nicht. Jetzt geht es mir besser, ich besuche einen Psychotherapeuten.

RI: Wovon haben Sie in den 15 Jahren gelebt? Wer hat Ihr Leben finanziert?

BF: Mich hat niemand finanziert. Ich habe in billigen Soma-Geschäften meine Lebensmittel gekauft.

RI: Woher hatten Sie das Geld dazu?

BF: Naja, das kostet dort nicht einen Euro, sondern 50 Cent.

RI: Woher haben Sie dieses Geld?

BF: Ich habe 200 Euro bekommen. Das bekomme ich monatlich von der Caritas. Davon gehe ich in den Sozialmarkt und lebe davon. Es war wenig, was ich damit kaufen kann, aber es ist hald so. Ich kann es nicht ändern. Ich habe meistens nur Erdäpfel und Nudeln gegessen.

RI: Haben Sie jemals in den 15 Jahren irgendeine Tätigkeit in Österreich ausgeübt?

BF: Nie, ich habe nur geholfen.

RI: Was meinen Sie damit?

BF: Wenn irgendwo etwas zu reparieren war und ich es erfahren habe, habe ich geholfen, aber nicht regelmäßig. Man hat mir Schwarzarbeiten angeboten, aber ich wollte die Gesetze nicht verletzen.

RI: Haben Sie Familienangehörige in Österreich?

BF: Ja, einen Bruder. In dem Dorf wo ich wohne, dort sind Verwandte von mir. Es sind keine Verwandten, das sind Leute aus demselben Dorf, aus dem ich stamme.

RI: Ihr Bruder – wie heißt der?

BF: XXXX .

RI: Wo wohnt er?

BF: Das weiß ich nicht, wir haben keinen Kontakt.

RI: Warum nicht?

BF: Weil ich nicht will. Ich bin für mich selbst verantwortlich. Mein Bruder hat glaube ich Asyl, ich weiß auch nicht, wann er geboren ist.

RI: Haben Sie Familienangehörige in Russland?

BF: Dort habe ich einen Bruder.

RI: 2016 sprachen Sie von einer Gattin in Russland. Wo ist diese?

BF: Habe ich das auf Tschetschenisch gesagt?

RI: Ja.

BF: Ich habe auch in Russland eine Frau, ich glaub, ich habe nur von der tschetschenischen Ehefrau gesprochen. Als ich noch in Russland gearbeitet habe, hatte ich eine ukrainische Ehefrau und einen Sohn.

RI: Sie sprechen von einer tschetschenischen Ehefrau. Mit Ihr sind Sie nach islamischem Ritus verheiratet?

BF: Ja, nach den islamischen Gepflogenheiten, am Standesamt waren wir nicht. Das habe ich in einem früheren Interview mal gesagt, ich habe mit ihr zwei Kinder aber wir sind nicht standesamtlich verheiratet.

RI: Sind Sie mit der ukrainischen Ehefrau noch verheiratet?

BF: Ich habe ja einen Sohn. Aber auch mit ihr war ich nicht standesamtlich verheiratet. Wir haben aber noch Kontakt.

RI: Wo wohnt Ihre ukrainische Ehefrau?

BF: Sie wohnt in XXXX .

RI: Sind Sie mit irgendjemandem standesamtlich verheiratet?

BF: Wir hätten standesamtlich heiraten können. Sie und ich waren nicht wirklich dagegen. Aber wir waren nie standesamtlich verheiratet, ich sage es Ihnen, wie es ist. Wenn es notwendig gewesen wäre, hätte ich am Standesamt unterschrieben. Wir wären beide einverstanden gewesen.

RI: Wie viele Kinder haben Sie insgesamt?

BF: 3 Kinder, zwei Söhne und eine Tochter. Von der Ukrainerin einen Sohn und von der Tschetschenin eine Tochter und einen Sohn.

RI: Haben Sie Kontakt zu Ihren Kindern?

BF: Ja, ich muss ständig Kontakt mit dem Buben haben, er ist sehr schlimm und führt sich auf – da muss ich ein Machtwort sprechen.

RI: Welcher Sohn ist das?

BF: Ich habe mit beiden Söhnen Kontakt. Der Sohn lernt jetzt Englisch, lernt aber nicht viel. Ich sage ihm immer, wenn er hierherkommen will, muss er die Sprache gut können, sonst wird er es schwer haben. Mit meiner Tochter habe ich auch Kontakt.

RI: Haben Sie zu Ihren Ehefrauen noch Kontakt?

BF: Nach unseren Gepflogenheiten müssen die Ehefrauen von ihren eigenen Familien unterstützt werden, aber wir haben auch Kontakt. Die tschetschenische Frau arbeitet in einem Kindergarten als Erzieherin. Die ukrainische Frau ist schon in Pension.

RI: Welche Schulausbildung haben Sie? Welchen Beruf haben Sie erlernt?

BF: Ich bin Kraftfahrer und habe eine technische Schule abgeschlossen. Dann habe ich die Hochschule für Bauwesen besucht. Das machte ich dann zu meinem Geschäft und lieferte Baumaterial zu Baustellen. Ich habe auch in einem Geschäft und einer Bank gearbeitet.

RI: Wie sieht Ihr soziales Umfeld in Österreich aus? Sind Sie in einem Verein?

BF: Ich besuche die Spiele des Fußballclubs XXXX . Im Stadion bin ich oft.

RI: Wie zahlen Sie den Eintritt dort?

BF: Einer der Mitbewohner aus meinem Ort hat einen Sohn, der für XXXX Fußball spielt. Über ihn komme ich manchmal auch so in das Stadion.

RI: Was machen Sie abgesehen von den Stadionbesuchen?

BF: Ich habe viele Kontakte.

RI: Mit wem?

BF: Mit meinem Lehrer, der heute auch anwesend ist. (Z, der vor dem Saal wartet) außerdem habe ich Kontakt mit dessen Freunden.

RI: Was lehrt Sie dieser Mann?

BF: A1 und A2, das macht er sehr gut. Er ist ein sehr netter Mensch. Ich habe viele Bekannte – Österreicher und Deutsche. Außerdem habe ich viele Kontakte zu guten Beratern.

RI: Haben Sie eine Einstellungszusage, wenn Sie dableiben könnten?

BF: Ja.

RI: Wo könnten Sie zu arbeiten beginnen?

BF: Bei einem, der eine Firma hat. Er heißt XXXX . Wir nennen ihn so, ich weiß nicht, was in seinem Pass steht. Ich glaube, er heißt XXXX .

RI: Welchen Beruf könnten Sie bei Herrn XXXX ausüben?

BF: Ich kenne mich im Baugewerbe gut aus und kann Fliesen verlegen und Anstreicharbeiten machen. Ich habe ja eine Bauausbildung.

RI: Da wir in einem Säumnisbeschwerdeverfahren sind, hat die vormalig zuständige Einzelrichterin der Verwaltungsbehörde den Auftrag erteilt, Sie zu befragen. Diese Befragung erfolgt am 29.12.2016. Können Sie sich an diese Befragung vor 4 Jahren erinnern?

BF: Ehrlich gesagt habe ich vieles vergessen. Ich vergesse in letzter Zeit vieles oder lasse es wo liegen. In XXXX kenne ich Deutsche. Früher konnte ich nur schlecht Deutsch, aber durch die vielen Bekannten kann ich jetzt schon wesentlich besser Deutsch.

RI: Sie hatten im Zuge der Säumnisbeschwerde auch Zeugen beantragt. Unter anderem Fr. XXXX , über welche keine Meldedaten vorliegen. Wo hält sie sich auf?

BF: Das könnte man über andere Leute herausfinden, wo sie sich derzeit aufhält.

RI: Weiters XXXX . Auch über ihn liegen keine Meldedaten vor.

BF: Den könnte ich finden. Aber das war schon vor 10 Jahren, als ich mit ihm Kontakt hatte. Ich habe keinen mehr angerufen, weil ich ihnen keine Probleme mit meinen Angelegenheiten machen wollte.

RI: Was ist mit XXXX . Wo ist er?

BF: Er ist auf dem Weg hierher.

RI: Was ist mit Frau XXXX .

BF: Sie ist in der Zwischenzeit nach Hause zurückgekehrt.

RI: Sie haben zu diesen Zeugen angeführt, dass das keine Augenzeugen der Sie betreffenden Vorfälle seien. Sie hätten nur „meine Entführung mitbekommen“. Wie muss ich mir das vorstellen?

BF: Sie haben erfahren, dass die Behörden mich verschleppt haben. Ich wurde in Inguschetien festgenommen. Dort haben mir die Leute die Hände am Rücken zusammengebunden und haben mich abgeführt. Das wussten alle, sie haben das mitbekommen.

RI: Sie haben weiters in diesem zweiten Asylverfahren auch eine Ladung für den 09.11.2011 ins Amt des Innenministeriums Milizstation des Rayons vorgelegt, wonach Sie dort als Zeuge zu erscheinen hätten.

BF: Ja.

RI: Wissen Sie noch, worum es dabei gegangen wäre?

BF: Wenn ich hingegangen wäre, hätten sie mich dort festgenommen. Dann kommen immer die Verwandten. Auf das warten sie nur.

RI: Woraus schließen Sie das? Der Ladung selbst kann dies nicht entnommen werden.

BF: Wenn ich in Österreich eine Ladung bekommen würde, würde ich auf jeden Fall hingehen. Dort nicht. In Österreich weiß ich, dass alles in Ordnung ist.

RI: Ist es richtig, dass Sie die Ladung auf Vorfälle beziehen, die Sie bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht haben, oder bezieht sich die Ladung auf etwas ganz Neuartiges?

BF: Die Ladung habe ich einfach bekommen, dass ich hingehe. Wenn ich nicht hingehe, kommen sie nach Hause, nehmen dich mit und dann kannst du spurlos verschwinden. Wenn ich hingehe, halten sie mich dort auf der Wache fest und verlangen von ihnen 5.000 USD.

R: Warum glauben Sie, haben Sie diese Ladung bekommen?

BF: Damit ich hingehe und sie dann von meinen Verwandten Geld bekommen. Wenn man hingeht verlangen sie Geld von den Verwandten. Wenn man nicht hingeht, holen sie einen von zuhause und man verschwindet spurlos. Sonst wollen sie nichts. Das ist alles ungerecht und vor dieser Ungerechtigkeit bin ich geflohen.

RI: Das BVwG verwendet als Hintergrund das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Fassung vom Juli 2020, welches wiederum eine Vielzahl an verschiedensten Länderdokumenten verwendet und stellt sich unpräjudiziell für den zuständigen Einzelrichter die Situation so dar, dass zwar die Menschenrechtssituation insbesondere in Tschetschenien und im Nordkaukasus keine recht gute ist. Es kommt immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen, wie zum Beispiel Folter etc., aber es lässt sich daraus keine Verallgemeinerung ableiten. Wirtschaftlich gesehen sieht der zuständige Einzelrichter im Falle einer Rückkehr keine Problematik vor dem Hintergrund der vom BF vorgebrachten Ausbildung und seines Berufsweges und auch im Zusammenhang mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten. Es bestehen auch Ausweichmöglichkeiten, das heißt es besteht keine Verpflichtung, sich in Tschetschenien, Inguschetien, Dagestan aufzuhalten.

BF: Sie haben von Inguschetien gesprochen – genau dort wurde ich verhaftet.

RI: Sind Sie in Österreich derzeit in medizinischer Behandlung? Wenn ja, in welcher; Sie haben vorhin angeführt, dass es Ihnen jetzt wieder bessergeht.

BF: Damals, als ich gekommen bin, hat mein linker Arm ständig gezittert – jetzt nicht mehr. Ich hatte eine starke Depression wegen der Ungerechtigkeit und hier habe ich mich im Laufe der Zeit beruhigt, weil ich mich überzeugt habe, dass in Österreich die Gesetzte eingehalten werden. Ich bin auch bei einem Psychotherapeuten, zu dem ich seit 10 Jahren gehe. Ich nehme auch nach wie vor Tabletten.

Der RV verweist auf die heutige Vorlage des Fachärztlichen Befundbericht vom 02.11.2020.

Beginn der Einvernahme des Zeugen. (Z1) um 10:48 Uhr.

Der Zeuge wird über seine Rechte und Pflichten belehrt.

RI: Sie wurden als Zeuge namhaft und stellig gemacht. Sind Sie mit dem BF verwandt?

Z1: Nein.

RI: Seit wann kennen Sie den BF?

Z1: Seit 2016.

RI: Wie kam es zu dem Kennenlernen?

Z1: Ich unterrichte ehrenamtlich 2x pro Woche im Ute Bock Institut als Deutschlehrer. Er war als Kursteilnehmer bei mir im Kurs. Ich bin unabhängiger Filmemacher, Kameramann und Fotograf.

RI: Es verwundert mich, dass wenn Sie den BF schon seit 2016 im Rahmen eines Deutschkurses kennen, dass der BF noch kein A1 Prüfungszertifikat hat. Wie können Sie sich das erklären?

Z1: Das hat mich auch verwundet. Ich habe ihn dann auch privat kennengelernt, da ich manchmal auch Feste veranstalte. Dort ist es auffällig, dass der BF, wenn er anwesend ist, einen totalen Stress hat und nie so lange im Deutschkurs bleiben konnte, weil er Kopfschmerzen bekommen hat. Er hat schwerwiegende Konzentrationsprobleme. Das hat sich gebessert und er hat auch weniger Stress, weil er uns schon alle kennt und wir eine kleine Gruppe sind. Ich kenne bisher wenige Menschen, die einen so derartigen inneren Stress haben wie der BF. Ich merke das nicht nur am Deutschlernen selbst, sondern auch beim Auffassen von Inhalten. Ich muss manche Sachen oft 5x erklären, weil ich merke, dass der BF oft mit seinen Gedanken ganz wo anders ist und unheimliche Konzentrationsprobleme hat. Ungeachtet dessen ist es auch auffällig, wie freundlich und zugewandt und auch gewillt der BF ist, Deutsch zu lernen. Ute Bock ist ein Verein, der freiwillig arbeitet – die Leute gehen nicht hin, weil sie müssen. Manche kommen auch nur alle zwei Wochen. Der BF kommt zu jedem Termin, außer er hat Depressionen und dann nimmt er ein Dokument von Ärzten mit.

RI: haben Sie außerhalb des Kurses Kontakt mit dem BF?

Z1: Ja. Dieser bezieht sich vor allem darauf, wenn er behördliche Problemen mit Anwalt, Behördengänge, dem Leben, Wohnen oder der Jahreskarte hat. Auch bei Treffen mit unserer Deutschgruppe war er auch schon mehrmals bei mir in der Wohnung. Der BF geht zusätzlich zu dem Deutschkurs bei uns noch in einen anderen Deutschkurs. Daran sehe ich, wie viel Motivation er hat, Deutsch zu lernen, obwohl es für ihn unheimlich schwer ist, sich zu konzentrieren. Er ist aber physisch immer anwesend und bemüht sich, sich zu konzentrieren. Mir ist aufgefallen, dass wenn ich mit dem BF über seine Geschichte gesprochen habe, dass er immer sehr schnell wütend geworden ist. Für ihn war das immer sehr klar, dass das „eh alle wissen“, dass er entführt wurde. Er traut sich nicht zurückzukehren, weil er Angst hat.

Ende der Befragung des Z1 um 11:00 Uhr.

Beginn der Befragung des Z2 um 11:02 Uhr.

R belehrt Z2 über seine Rechte und Pflichten.

Festgehalten wird, dass der zweite stellig gemachte Zeuge sich durch einen aktuell gültigen Konventionspass ausweist.

Die Befragung wird mit Hilfe des D durchgeführt.

RI: Wofür sind Sie Zeuge?

Z2: Ich bin Zeuge hinsichtlich seines Fluchtgrundes.

RI: Sind Sie mit dem BF verwandt oder verschwägert?

Z2: Nein, wir kommen nur aus dem gleichen Ort. Wir kannten uns schon in Russland, weil wir in der Nähe von einander gewohnt haben Unser ganzer Ort weiß, dass er verschleppt wurde.

RI: Wie groß ist Ihr Ort?

Z2: Unser Ort hat ungefähr 20.000-25.000 Einwohner.

RI: Seit wann kennen Sie den BF?

Z2: Seit der Zeit zuhause, immer schon. Wir wohnten in unmittelbarer Nähe und dadurch kannten wir einander. In unserem Ort kennen alle einander. Wenn einer gestorben ist, kommen alle Leute.

RI: Hatten Sie mit dem BF näheren Kontakt?

Z2: Wir kannten einander und unterhielten uns. Wir unterhalten normalen Kontakt. Wir haben keine berufliche oder schulische Vernetzung.

RI: Seit wann wissen Sie von der vom BF behaupteten Entführung?

Z2: Das weiß ich schon lange. Ich kann nicht das Jahr oder den Monat nennen. Ungefähr 15 Jahre weiß ich das.

RI: Seit wann sind Sie in Österreich?

Z2: Seit 16 Jahren, seit 2004.

RI an BF: Warum haben Sie den Zeugen zu keinem Zeitpunkt im ersten Asylverfahren erwähnt und erst heute namhaft gemacht?

BF: Ich habe den Namen genannt, er ist irgendwo aufgeschrieben.

RI: Wissen Sie Details über die Entführung des BF?

Z2: Details kann ich keine nennen, ich will nichts lügen. Ich weiß nichts über seine Probleme, ich weiß nur, dass er verschleppt wurde.

RI: Woher wissen Sie, dass der BF entführt wurde?

Z2: Das wussten alle in unserem Ort. Wenn dort etwas ist, wissen das immer alle sofort.

RI: Können Sie zum BF noch irgendetwas sagen?

Z2: Ich kann nur Gutes über ihn sagen, er ist sehr bemüht und lernt viel. Der auch anwesende Lehrer (Z1) kann das auch bestätigen. Er ist nicht mehr der Jüngste und ohne Familie und ohne Arbeit. Er hat gute Kontakte zu anderen Menschen und ist immer nett. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen.

RV an Z2: Wissen Sie, ob die Eltern des BF im Widerstand gegen das Regime gestanden sind?

Z2: Als der Krieg in Tschetschenien begann und die Soldaten kamen, haben alle Widerstand geleistet.

RV: Gibt es eine Theorie, warum gerade er als Geisel genommen wurde?

Z2: Das kann ich nicht sagen. Ich weiß, dass er verschleppt wurde, aber ich weiß nicht warum. Sie können aber das ganze Dorf fragen, es wissen alle, dass er verschleppt wurde.

RV: Wissen Sie, ob Brüder des BF im Krieg gefallen sind?

Z2: ja, seine Brüder kamen ums Leben. Das ist auch allgemein in unserem Ort bekannt. Das kann ihnen ein jeder in unserem Ort sagen.

RV: Keine weiteren Fragen.

Der BF gibt ergänzend an: Es ist mir auch nicht gut gegangen, dass ich keinen Job habe. Ich bin nicht wegen dem Geld hergekommen, ich hatte auch Depressionen und konnte nicht arbeiten. Ich habe hier auch 16 Jahre meines Lebens verloren, aber ich konnte nicht in die Heimat zurück.

Ende der Befragung des Z2 um 11:16 Uhr.

Festgehalten wird, dass der RV ein Empfehlungsschreiben vom 01.11.2020, einen Fachärztlichen Befund vom 02.11.2020, einen Sozialbericht vom 28.10.2020 und ein weiteres Empfehlungsschreiben vom 27.10.2020 vorlegt. Diese werden im Original zum Akt genommen.

[…]“

Im aktuellen Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Zur Person des Beschwerdeführers und zum bisherigen Verfahren:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und stammt aus Tschetschenien. Seine Identität steht fest. Er reiste erstmals 2005 gemeinsam mit seinem Neffen illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.08.2005 gemeinsam mit diesem einen ersten Asylantrag.

Er ist nicht standesamtlich verheiratet und hat in der russischen Föderation einen Sohn aus einer früheren Beziehung mit einer ukrainischen Staats

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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