TE Vfgh Erkenntnis 1995/9/25 B2529/94, B2530/94

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Veröffentlicht am 25.09.1995
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

AufenthaltsG §6 Abs2
EMRK Art8

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch die Abweisung von Anträgen auf Verlängerung bereits abgelaufener Sichtvermerke aufgrund der Annahme der Notwendigkeit der Antragstellung vom Ausland aus; kein Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller; verfassungskonforme Auslegung hinsichtlich der Zulässigkeit einer Antragstellung vom Inland aus in bestimmten Fällen geboten

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den jeweils angefochtenen Bescheid in dem durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, beiden Beschwerdeführern, zu Handen ihres Rechtsvertreters, die mit je 18.000 S bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die gesondert beschwerdeführenden Eheleute sind Staatsangehörige der jugoslawischen Föderation; sie leben seit 1970 in Österreich und sind in Wien als Vulkaniseur bzw. als Küchengehilfin berufstätig. Nachdem die ihnen zuletzt erteilten Sichtvermerke am 5. Feber 1994 abgelaufen waren, brachten sie am 3. März 1994 Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein. Diese Anträge wurden mit den im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres unter Berufung auf §13 iVm §6 Abs2 des Aufenthaltsgesetzes, BGBl. 466/1992 idF vor der Novelle BGBl. 351/1995, abgewiesen. Begründend wurde jeweils ausgeführt, daß die Beschwerdeführer, da sie die Frist zur Stellung eines Verlängerungsantrages versäumt hätten, einen Erstantrag vom Ausland aus stellen müßten; es sei daher die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen und auf das Vorbringen der Beschwerdeführer - auch im Zusammenhang mit ihren persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen.

II. Die beiden vorliegenden Beschwerdefälle entsprechen in allen entscheidungswesentlichen Belangen der Beschwerdesache B 1611-1614/94. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf die Entscheidungsgründe seines am 16. Juni 1995 gefällten Erkenntnisses B 1611-1614/94 hinzuweisen, aus denen sinngemäß auch für diese Beschwerdefälle folgt, daß die Beschwerdeführer durch die bekämpften Bescheide, welche die Bestimmung des ersten Satzes des §6 Abs2 AufG (idF vor der Novelle BGBl. 351/1995) auf bereits mehr als 20 Jahre in Österreich lebende Fremde anwenden, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) verletzt wurden. Die beiden Bescheide waren sohin aufzuheben.

III.        Die Kostenentscheidung

gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je 3.000 S enthalten.

IV.                                 Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B2529.1994

Dokumentnummer

JFT_10049075_94B02529_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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