TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/29 I419 2154995-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.12.2020
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Entscheidungsdatum

29.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2154995-3/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch Verein Legal Focus, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 01.12.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III wie folgt lautet: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt.“

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 26.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das BFA verbunden mit einer Rückkehrentscheidung und der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria abwies, was dieses Gericht am 02.05.2018 bestätigte (I408 2154995-1/21E). Der VfGH lehnte die Behandlung einer Beschwerde dagegen ab (E 2309/2018-20), eine Revision wies der VwGH am 05.02.2019 zurück (Ra 2019/18/0029-4).

2. Er verbrachte 2018 etwa zwei Wochen in Italien und kehrte dann nach Österreich zurück, wo er am 29.05.2020 aufgegriffen wurde und tags darauf in Schubhaft einen Folgeantrag stellte. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes bestätigte dieses Gericht am 26.06.2020. Am 12.11.2020 wurde der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat abgeschoben.

3. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Folgeantrag betreffend die Status des Asyl- und des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I und II), erteilte keinen Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ (Spruchpunkt III), erließ wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und stellte fest, dass dessen Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V) und keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI). Unter Einem erließ es ein 5-jähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt VII).

4. Beschwerdehalber wird dagegen vorgebracht, der Beschwerdeführer habe „einen Sachverhalt glaubhaft dargelegt, dem zumindest ein glaubwürdiger Kern innewohnt.“ Das „neue Vorbringen“ sei damit „geeignet, die Rechtskraft des Vorverfahrens zu unterbrechen“.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Ende 30, ledig, Staatsangehöriger von Nigeria, Christ, Angehöriger der Volksgruppe der Igbo, arbeits- und haftfähig. Seine Identität steht fest. Er leidet an keiner schweren Krankheit, aber nach eigenen Angaben unter Kopfschmerzen und Bluthochdruck, wogegen er Medikamente bekommen habe. Ein sonstiger Behandlungsbedarf liegt nicht vor. Er hat keine Kinder und spricht Igbo sowie Englisch.

Der Beschwerdeführer ging im Herkunftsstaat im Bundesstaat Enugu sechs Jahre in die Schule und arbeitete als Schweißer oder Schweißerlehrling. Von dort begab er sich 2014 nach Lagos und später auf nicht feststellbarem Weg in die EU. Zu seiner Familie im Herkunftsstaat – darunter zumindest der Vater – hatte der Beschwerdeführers jedenfalls etwa Anfang 2018 noch Kontakt. Aufgrund seiner Schulbildung und seiner Arbeitserfahrung hat er die Möglichkeit, auch künftig am nigerianischen Arbeitsmarkt teilzunehmen.

Er führte eine Beziehung mit einer Staatsangehörigen der Dominikanischen Republik, die über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ bis 2024 verfügt. Bei dieser hat er fallweise auch gewohnt, ohne sich behördlich anzumelden, und sich um deren derzeit vierjähriges Kind gekümmert, während sie arbeitete. Im Mai 2019 kam er morgens in ihre Wohnung, worauf sie nach Handgreiflichkeiten fliehen und die Polizei alarmieren konnte. Diese hat ihn darauf wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs, der Nötigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung und gefährlichen Drohung angezeigt. Spätestens im September 2020 bestand die Beziehung der beiden nicht mehr.

Das LGS Graz hat den am Beschwerdeführer in der Folge am 29.09.2020 wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung und der Sachbeschädigung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, weil er die Genannte dabei gefährlich mit dem Tod bedroht hatte, während er ein Messer in der Hand hielt, sowie eines ihrer Trinkgläser zerstörte, und von den Vorwürfen der Nötigung und der Körperverletzung mangels Schuldbeweises freigesprochen. Bei der Strafbemessung wurde sein vorher ordentlicher Lebenswandel mildernd berücksichtigt, erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen und das Vorgehen gegen die damalige Lebensgefährtin. Eine Diversion schied laut dem Strafurteil bereits wegen mangelnder Übernahme der Verantwortung durch den Beschwerdeführer aus.

Der Beschwerdeführer hatte (abgesehen von der Schubhaft ab Mai 2020) nach August 2019 keinen gemeldeten Wohnsitz mehr im Inland und war seither untergetaucht. Er hat 2016/17 eine Straßenzeitung verkauft, ging sonst keiner Beschäftigung nach und bezog Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Seine Deutschkenntnisse bei der Beschwerdeverhandlung 2018 waren bescheiden. In der Hauptverhandlung des LGS im September 2020 war eine Englisch-Dolmetscherin im Einsatz. Er weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat

Im angefochtenen Bescheid wurden die Länderinformationen zu Nigeria mit Stand 20.05.2020 zitiert. Aktuell liegen Länderinformationen mit Stand 23.11.2020 vor, die in der vorliegenden Rechtssache keine Änderung der relevanten Sachverhaltselemente beinhalten, auch nicht gegenüber dem Endzeitpunkt des vorigen Asylverfahrens. Im Beschwerdeverfahren sind auch keine anderen entscheidenden Änderungen der Sachverhaltselemente bekannt geworden.

Aus einem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen („EASO Special Report: Asylum Trends and COVID-19“) ergibt sich zwar betreffend Nigeria, dass die Zahl der bisher gemeldeten COV-Fälle die tatsächliche Verbreitung des Virus unterschätzen könnte, insbesondere in Bundesstaaten, die keine Labors haben, andererseits zeigt das Verhältnis der Zahl Infizierter (ohne Verstorbene und Geheilte), 12.126 per 27.12.2020, davon 3.302 Personen in Lagos State, zur Zahl durchgeführter Tests (923.327 bei ca. 200 Mio. Einwohnern oder 4.617 pro Million), dass sogar eine Hochrechnung auf die Testquote Österreichs (422.880 pro Mio. Einwohner) keine gravierende Zahl dieser Infizierten ergäbe, nämlich 1,11 Mio. oder 0,56 % der Bevölkerung, also der Größenordnung nach etwa dem Wert in Österreich entspräche (der bei 0,23 % liegt, was etwa 1/3 des Werts zur Zeit der Abschiebung des Beschwerdeführers entspricht). Dem Bericht ist ferner zu entnehmen, dass Lagos die beste Abdeckung durch Labors aufweist.

Daraus folgt nicht, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr zwangsläufig in eine ausweglose Situation geriete.

Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Opposition inkl. MASSOB und IPOB

Verfassung und Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien, Gewerkschaften oder Interessengruppen. Es liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor. Auch in Nigeria kann sich die politische Opposition grundsätzlich frei betätigen. Das gilt nicht nur für die parlamentarische Opposition, sondern auch für außerparlamentarische Parteien und Gruppen. Bislang sind auch – meist marginale – Gruppen mit sezessionistischen Zielen (etwa Biafra) weitgehend toleriert worden (AA 16.1.2020).

Mit Verbot der Indigenous People of Biafra (IPOB) im September 2017 und der schiitischen Islamischen Bewegung Nigerias (IMN) im August 2019 sind jetzt aber klare Grenzen markiert worden (AA 16.1.2020). Neben der IPOB ist im Südosten Nigerias als zweite sezessionistische Bewegung das Movement for the Actualization of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) aktiv (EASO 2.2019; vgl. ÖB 10.2019). Beide werden von der Igbo-Volksgruppe beherrscht, konkurrieren aber miteinander (ÖB 10.2019).

Nach der vorübergehenden Freilassung des seit Herbst 2015 inhaftierten Anführers der IPOB, Nnamdi Kanu, im Frühjahr 2017 spitzte sich die Lage rund um den 50. Jahrestag des Beginns des Biafra-Kriegs [Anm.: 6.7.2017] neuerlich zu. Zur Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wurden Truppen entsandt (ÖB 10.2019; vgl. AA 16.1.2020) und die IPOB zur terroristischen Organisation erklärt (ÖB 10.2018; vgl. AA 16.1.2020). Die Polizei geht gegen Mitglieder der IPOB und der IMN mittels Inhaftierungen vor (HRW 17.1.2019). Die Sicherheitskräfte nahmen im Verlauf des Jahres 2019 mindestens 200 Mitglieder und Unterstützer der IPOB fest, zehn Personen wurden getötet (AI 8.4.2020). In Abia wurden mutmaßliche IPOB-Mitglieder etwa wegen Mordes, Brandstiftung und anderen Verbrechen verhaftet. Seither hat es seitens IPOB und MASSOB nur noch vereinzelt Versuche gegeben, in der Öffentlichkeit für die (verfassungswidrige) Unabhängigkeit eines fiktiven Staates „Biafra“ zu werben. Diese wurden von den nigerianischen Sicherheitsbehörden regelmäßig unterbunden. Insgesamt können diese Bewegungen als relativ unbedeutende Randgruppen angesehen werden (ÖB 10.2019).

Der IPOB-Führer Nnamdi Kanu, der seit September 2017 spurlos verschwunden gewesen war, trat überraschend im Oktober 2018 in Jerusalem wieder öffentlich in Erscheinung (ÖB 10.2019; vgl. BBC 22.10.2018). Seit Anfang 2019 hielt er sich in Großbritannien auf (AFP 17.2.2019). Aufgrund einer umstrittenen Äußerung Kanus bei einem Interview distanzierte sich die IPOB in der Folge von ihrem (ehemaligen) Anführer (ÖB 10.2018). Der Federal High Court in Abuja erließ am 28.3.2019 einen Haftbefehl gegen ihn. Gleichzeitig widerrief das Gericht die Kanu im April 2017 aus gesundheitlichen Gründen gewährte Freilassung auf Kaution, da er seither mehreren Vorladungen des Gerichts nicht Folge geleistet hatte (BAMF 1.4.2019). Im September 2019 kündigte Kanu an, eine IPOB-Delegation zur Generalversammlung der UNO führen zu wollen, und beschuldigte Nigeria in einer Petition an die UNO in Genf der Menschenrechtsverletzungen gegen die Unterstützer der Biafra-Bewegung (ÖB 10.2019). In Nigeria selbst ist IPOB derzeit nicht sehr aktiv (AA 16.1.2020).

Die Sicherheitskräfte setzen das harte Vorgehen gegen Mitglieder der schiitischen IMN fort, die gegen die Inhaftierung ihres Führers Scheich Ibrahim El Zakzaky und seiner Frau seit Dezember 2015 protestieren. Trotz gerichtlicher Anordnungen zu ihrer Freilassung bleiben sie in Haft (HRW 14.1.2020). Nach gewaltsamen Protesten der IMN in Abuja im Juli 2019 wurde die Gruppierung durch die Regierung im ganzen Land zu einer illegalen Organisation erklärt. Noch immer sitzen dutzende IMN-Anhänger ohne Anklage in Haft (AA 16.1.2020).

1.2.2 Rückkehr

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 16.1.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2019). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 16.1.2020).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 16.1.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2019). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 16.1.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2019) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2019).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 16.1.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2019).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 16.1.2020).

1.3 Zum Fluchtvorbringen

1.3.1 Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei der keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch die Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Der Beschwerdeführer wäre bei einer Rückkehr in der Lage, sich allenfalls durch Hilfstätigkeiten seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat, selbst wenn er auf keine familiäre Unterstützung zurückgreifen können sollte, seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

1.3.2 Im ersten Asylverfahren hat der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit begründet, im Herkunftsstaat von den Mitgliedern eines Geheimkults verfolgt zu werden. Zum Folgeantrag brachte er erstbefragt vor, er sei der IPOB beigetreten, bevor er nach Österreich gekommen sei, und nochmals „2015/2016“, als er schon hier gewesen sei. Die Leute von „Biafra“ wollten unabhängig sein. Die „Leute aus dem Osten des Landes“ würden von der Polizei getötet, weil sie sich für Freiheit aussprächen und dafür einträten. Er fürchte also, dass ihn die Polizei töten werde. Außerdem fürchte er auch, dass ihn die Hausa umbrächten, welche vom Norden kämen und die Leute im Osten töteten.

Gegenüber dem BFA erklärte er weiter, dass er im Erstverfahren gesagt habe, er werde von Personen einer Geheimgesellschaft verfolgt. Diese seien von der Polizei, also habe er das Problem auch wegen Biafra gehabt.

1.3.3 Bereits im Erkenntnis vom 02.05.2018 zum ersten Asylantrag konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria einer persönlichen Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war. (S. 4) Diesem war es nicht gelungen, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukomme. (S. 10) Festzustellen sei dagegen, dass er im Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevanter Verfolgung oder einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. (S. 5)

1.3.4 Der Beschwerdeführer hat kein substantiiertes neues Vorbringen erstattet. Das Vorbringen im Folgeverfahren, er sei bereits im Herkunftsstaat Mitglied der IPOB gewesen, ist auf Tatsachen bezogen, die bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden haben, ebenso das Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer der IPOB nach dem Ortswechsel nach Europa 2015/2016 nochmals beigetreten sei. Die geltend gemachten Gründe hätten also bereits vor Abschluss des ersten Asylverfahrens vorgelegen.

1.3.5 Im vorliegenden Folgeantrag gibt der Beschwerdeführer keine weiteren Fluchtgründe an, die einen glaubhaften Kern hätten. Auch den Länderinformationen ist kein über die vorgebrachten Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung böte, die dem Beschwerdeführer bevorstünde oder auch nur mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre.

1.3.6 In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in seinem nunmehrigen Folgeverfahren und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass er nach seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten privaten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer dann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder der politischen Gesinnung irgendwelchen Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein wird.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich zunächst aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes und aus dessen vorangegangenem, angeführten Erkenntnis von 2018. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

2.1 Zur Person des Fremden

Den Angaben des Beschwerdeführers betreffend die angegebenen gesundheitlichen Beschwerden konnten keine genaueren Feststellungen folgen, da dieser keinerlei Befunde oder sonstige Beweismittel vorlegte. Der Beschwerdeführer behauptet, schon seit 2018 die genannten Leiden zu haben, hat davon jedoch in der Beschwerdeverhandlung am 23.03.2018 noch nichts erwähnt, sondern chronische Krankheiten oder andere Leiden oder Gebrechen ausdrücklich verneint (S. 3). Er wurde am 29.05.2020 von einer Polizeiärztin untersucht (AS 41) und anschließend in Schubhaft genommen, woraus sich die Haftfähigkeit ergibt. Die Arbeitsfähigkeit folgt aus dem Vorgehen des Beschwerdeführers bei und nach dem Betreten der Wohnung seiner vormaligen Freundin (AS 7 ff).

Somit kann dem BFA in seinen beweiswürdigenden Erwägungen zugestimmt werden (AS 129), wonach der Beschwerdeführer zwar nach eigenem Bekunden beim Arzt war, aber keine stationäre Betreuung nötig gewesen ist, und er auch bei den zwei Befragungen durch Polizei und BFA angegeben hat, keine Beschwerden oder Krankheiten zu haben, die ihn an der Einvernahme hindern würden (AS 5, 101). Eine schwere Krankheit war demnach zu verneinen.

Die Feststellungen betreffend die Integrationsmerkmale konnten großteils dem genannten Erkenntnis im ersten Beschwerdeverfahren entnommen werden, aus dem auch die vorgelegten Urkunden betreffend die Person des Beschwerdeführers (Bestätigung des Vaters vom 11.10.2017 samt Zustimmung zu Heiratsplänen des Beschwerdeführers und Scheidungsurkunde der Freundin) sowie dessen Einvernahme in der Beschwerdeverhandlung berücksichtigt wurden. Aus der vom LGS in der Begründung festgehaltenen Tatsache, dass die Geschädigte die „damalige Lebensgefährtin“ des Beschwerdeführers war (AS 175), seine „Ex-Freundin“ (AS 177), folgt in zeitlicher Hinsicht, dass spätestens bei der Hauptverhandlung deren Beziehung zum Beschwerdeführer beendet war. Als Lebensgefährtin wäre die Zeugin zudem von der Aussagepflicht grundsätzlich befreit gewesen (§ 156 Abs. 1 StPO), während sie – im Gegenteil – belastend gegen den Beschwerdeführer aussagte (AS 175).

2.2 Zur Lage im Herkunftsland

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen und stimmen, soweit zitiert, mit den vom BFA verwendeten von 20.05.2020 überein. Der Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. des UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der Erkenntnisquellen sowie dessen, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die Länderfeststellungen wurden dem Beschwerdeführer samt der Ladung zu seiner Einvernahme beim BFA ausgehändigt, wie die Übernahmebestätigung 15.06.2020 beweist (AS 89), die eine Unterschrift aufweist, welche der seinen entspricht, die sich auf den jeweiligen Niederschriften findet (AS 3 ff, im ersten Verfahren AS 1 ff, 119 ff, 233), auch wenn er beim BFA bestritt, sie erhalten zu haben (und auch die Niederschrift nicht mehr unterfertigte).

Die Feststellungen zur Pandemie entstammen der genannten Veröffentlichung der EU-Agentur EASO (www.easo.europa.eu/publications/easo-special-report-asylum-trends-and-covid-19-issue-2) und des „Centre for Disease Control“ des Herkunftsstaats (covid19.ncdc.gov.ng). Die inländischen Zahlen sind die des BMSGPK (www.derstandard.at/story/2000120049733/aktuelle-zahlen-coronavirus-oesterreich-corona-ampel-in-ihrem-bezirk) mit Stand 28.12.2020, 09:30 h.

Diese Feststellungen dazu zeigen, dass die Situation im Herkunftsstaat kaum anders ist als in Österreich, auch in Lagos, sodass auch diesbezüglich kein relevanter neuer Sachverhalt vorliegt.

Es ist daher und auch betreffend die Pandemie keine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation eingetreten.

2.3 Zum Vorbringen:

Die Feststellungen betreffend das vom Beschwerdeführer jeweils Vorgebrachte folgen der Aktenlage.

Der Beschwerdeführer behauptet im vorliegenden Folgeverfahren weiterhin Gegnerschaft einer Geheimorganisation. Im Erstverfahren hatte er angegeben, dass es sich um eine Organisation handle, die Leute umbrächte und ihn vergeblich zum Beitritt aufgefordert sowie daraufhin bedroht habe (AS 9). Einige Mitglieder seien Jugendfreunde von ihm (AS 121), wie der Anführer heiße, wisse er nicht (AS 122). In der Beschwerdeverhandlung gab er dann an, die meisten der Mitglieder (später: einige) seien seine Freunde, einige gehörten zur Polizei (AS 227). Dieser „Occult“ genannte Geheimkult töte die meisten Leute. Ohne die Probleme mit diesem könne er wieder im Herkunftsstaat leben (AS 229).

Im Folgeverfahren nannte er erstbefragt seine Mitgliedschaft bei IPOB bereits im Herkunftsstaat und seine Unterstützung für Biafra als Fluchtgründe, wegen derer er Angst vor der Polizei habe, die ihn dafür töten könnte, und ferner, dass er sich vor den „Haussa“ (Hausa-Fulani, Anm.) fürchte, welche die „Leute im Osten“ umbrächten (AS 6). Einvernommen erklärte er dann auf die Frage nach dem Warum des neuen Antrags: „Ich brauche eine zweite Chance. Außerdem habe ich Probleme.“ In der Folge erwähnte er neben Biafra, dass auch die Geheimgesellschaft hinter ihm her sei, und viele Leute von Biafra getötet würden. Seine im Erstverfahren genannten Verfolger seien von der Polizei, sodass er das Problem mit diesen auch wegen Biafra gehabt habe. (AS 103)

Damit wurde kein Sachverhalt geltend gemacht, der nach Eintritt der Rechtskraft der vorigen Entscheidung entstanden wäre. Der unerklärt späte Zeitpunkt des Vorbringens belastet auch dessen Glaubhaftigkeit. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass kein Asylwerber eine Gelegenheit ungenützt ließe, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten.

Der Beschwerdeführer erklärte dies gleichsam damit, dass es für seine Verfolgung durch die betreffenden Polizisten eben zwei Gründe gebe: Seine Weigerung, beizutreten, und seine Mitgliedschaft bei IPOB. Das Vorbringen betreffend die Fulani brachte er beim BFA – im Beisein seiner Rechtsberaterin – gar nicht mehr zur Sprache.

Ob die geltend gemachten Fluchtgründe im Kern denen des vorangegangenen Verfahrens entsprechen, und man in den Ergänzungen bloß deren Steigerungen sieht, oder ob sie sich inhaltlich von den bisherigen klar unterscheiden: Es wurde kein substantiiertes, und – da die geltend gemachten Gründe zudem bereits vor Abschluss des ersten Asylverfahrens vorgelegen hätten – auch kein neues Vorbringen erstattet.

Eine andere asyl- oder sonst aus Konventionsgründen relevante Verfolgung oder Gefahr, die dem Beschwerdeführer bei Rückkehr droht, wurde nicht behauptet und lässt sich auch nicht an den Länderfeststellungen oder anderen Verfahrensergebnissen erkennen. Darauf beruhen die weiteren Feststellungen zum Vorbringen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Das schon im vorangegangenen Verfahren erstattete Fluchtvorbringen und die dort geltend gemachten Gründe sind bereits im Erkenntnis vom 02.05.2018 abschließend beurteilt und in der seinerzeitigen, rechtskräftigen Erledigung berücksichtigt worden. Insofern geht es im aktuellen Folgeverfahren um die Prüfung der darüber hinaus geltend gemachten neuen Tatsachen und im Beschwerdeverfahren um den Inhalt des nun bekämpften Bescheids.

Da die belangte Behörde den Folgeantrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Beschwerdegegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages, nicht aber der Antrag selbst.

3.1 Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I und II):

Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Letzteres betrifft die amtswegige oder aufsichtsbehördliche Bescheidänderung oder -aufhebung. Die §§ 69 und 71 AVG bezeichnen die Rechtsinstitute der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die beide hier nicht anwendbar sind.

Die Anordnung, dass Anbringen unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 AVG nicht inhaltlich behandelt, sondern zurückgewiesen werden, soll die wiederholte Befassung der Behörde mit einer bereits entschiedenen Sache vermeiden, wobei es auf die unveränderte Sach- und Rechtslage ankommt.

Wie dieses Gericht bereits im vorigen Asylverfahren geklärt hat, war das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die angebliche Verfolgung unglaubwürdig, konnte dessen fluchtauslösende Verfolgung mangels Glaubhaftmachung nicht festgestellt werden, und bestand keine reale Gefahr, dass die Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde.

Die Behörde hat sich somit bereits mit dem Vorbringen auseinandergesetzt und entschieden, das Gericht die inhaltlich gefallene Entscheidung bestätigt.

Eine Änderung der für die Gewährung von Asyl oder subsidiären Schutz maßgeblichen Umstände im Herkunftsstaat wurde nicht behauptet und kam auch sonst nicht hervor, auch nicht aus Gründen der Pandemie, zumal der Beschwerdeführer auch nicht behauptet hat, einer Risikogruppe anzugehören.

Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben. Demnach sind behauptete Tatsachen, die bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die der Asylwerber jedoch nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht hat, von der Rechtskraft der über den Erstantrag absprechenden Entscheidung erfasst. (VwGH 03.04.2019, Ra 2019/20/0104 mwN)

Die behauptete Sachverhaltsänderung muss außerdem zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, und eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0198 mwN)

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen gestützt, die seinem Vorbringen zufolge bereits zur Zeit des ersten - in der Sache entschiedenen - Asylverfahrens (vor dem Mai 2018) bestanden haben. Aus diesem Grund lag schon nach dem Vorbringen des Revisionswerbers keine entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung vor, die im Folgeantragsverfahren Berücksichtigung zu finden hätte. (Vgl. VwGH 03.04.2019, Ra 2019/20/0104 mwN) Darauf, dass ihm fallbezogen auch der glaubhafte Kern fehlt, kommt es bei diesem Ergebnis nicht mehr an.

Das Vorbringen ist damit von der Rechtskraft der vorigen Entscheidung umfasst und damit nicht geeignet, eine neue inhaltliche Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers herbeizuführen.

Damit stand einer neuerlichen Behandlung durch das BFA mangels einer maßgeblichen Sachverhaltsänderung die bereits entschiedene Sache entgegen. Da es demnach den Folgeantrag des Beschwerdeführers zutreffend gemäß § 68 Abs. 1 AVG betreffend den Asyl- und den subsidiären Schutzstatus zurückgewiesen hat, war die Beschwerde bezogen auf Spruchpunkt I und Spruchpunkt II nach § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2 Zur Nichterteilung des Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III):

3.2.1 Im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß „§ 57 AsylG“ nicht erteilt werde. Damit war nach der Begründung (S. 26, AS 218) das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Von den alternativen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 liegt hier keine vor und wurde vom Beschwerdeführer auch keine behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

3.3 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV)

Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Diese Bestimmung bildet in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 auch die Rechtsgrundlage für die Rückkehrentscheidung nach einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).

Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen. Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Dabei ergibt im Fall des Beschwerdeführers eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in dessen Privatleben durch eine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK ist zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer etwa fünf Jahre in Österreich aufhält, wobei sein Aufenthalt seit der Abweisung seiner Beschwerde am 02.05.2018 nicht mehr rechtmäßig war. Er kam der Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern stellte einen Folgeantrag ohne neues Vorbringen.

Der Beschwerdeführer hat unstrittig kein Familienleben im Bundesgebiet. Seine Familie lebt im Herkunftsland, im Inland hat er keine Verwandten. Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in sein Privatleben. Dieses erweist sich als wenig gewichtig.

Er war am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert, vermögenslos und ohne Möglichkeit, sich ohne Zuwendungen Dritter zu erhalten. Unter den gegebenen Umständen kann vom Vorhandensein eines Privatlebens über das Interesse an der Fortführung seiner Alltagskontakte sowie die Gesundheitsversorgung hinaus kaum gesprochen werden.

Da er im Herkunftsstaat aufgewachsen ist, den Großteil seines Lebens dort verbracht hat, über 30 Jahre, eine dort verbreitete Sprache spricht und über familiäre Anknüpfungspunkte dort verfügt, ist auch nicht von einer völligen Entwurzelung im Herkunftsstaat auszugehen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände bedeutet eine Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 8 EMRK.

Dem Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihnen das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Im konkreten Fall kommt dazu, dass der Beschwerdeführer die Werte der österreichischen Rechtsordnung wenig verinnerlicht hat, wie die Missachtung der Ausreisepflicht und die strafgerichtliche Verurteilung zeigen.

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des VwGH vom 23.02.2017, Ra 2017/21/0009, wonach bei einem Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von 4 ½ Jahren auf Basis eines unberechtigten Antrags auf internationalen Schutz auch dann nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib ausgegangen werden muss, wenn „außerordentliche Integrationsbemühungen“ vorliegen, wie Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 sowie kirchliches, soziales und berufliches Engagement. Die damalige Beschwerdeführerin hatte auch eine Lebensgemeinschaft mit einem Österreicher, wenn auch mit getrennten Wohnsitzen.

Der Beschwerdeführer hat dagegen keine Deutschkenntnisse nachgewiesen, kein Engagement wie angeführt gezeigt und keine Lebensgemeinschaft (mehr) geführt. Dazu kommt die festgestellte Delinquenz.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.4 Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V)

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Wie ausgeführt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die vorgebrachte individuelle Bedrohung und Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

Es wurde nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde er somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur droht im Herkunftsstaat ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht auch kein Hinweis darauf, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund und erwerbsfähig.

Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre oder durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde, in seinem Leben beeinträchtigt oder gar getötet zu werden.

Der Beschwerdeführer, der über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse für den Herkunftsstaat verfügt und dort seinen Vater, berufliche und weitere soziale Anknüpfungen hat, die er auffrischen kann, wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, dort zumindest notdürftig zu leben, selbst wenn er nicht dauerhaft unterstützt wird.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsstaat, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Eine der Abschiebung nach Nigeria entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.

Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet. Diese war daher auch betreffend den Spruchpunkt V abzuweisen.

3.5 Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI):

Das BFA hat den Folgeantrag zu Recht wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurückgewiesen.

Bereits unmittelbar aus § 55 Abs. 1a FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG nicht besteht, was hier nach den Spruchpunkten I und II des angefochtenen Bescheids der Fall ist.

Daher war die Beschwerde auch betreffend Spruchpunkt VI als unbegründet abzuweisen.

3.6 Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt VII):

Nach § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, und zwar grundsätzlich für bis zu 10 Jahre. Eine solche Tatsache, die auch bei der Bemessung der Dauer zu berücksichtigen ist, ist nach Abs. 3 Z. 1 die gerichtliche Verurteilung des Drittstaatsangehörigen zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zumindest sechs Monaten, aber auch aber auch die mehrmalige Verurteilung wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Delikten.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, trifft auf die Verurteilung des Beschwerdeführers die Voraussetzung einer Strafdauer von zumindest sechs Monaten zu.

Angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers gefährdete sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Es besteht kein Zweifel, dass von ihm eine gewichtige Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Kriminalität, speziell von häuslicher und von Gewalt gegen Frauen ausgeht.

Das BFA hat Bezug auf die Verurteilung des Beschwerdeführers sowie dessen illegale Einreise und Missachtung der Ausreisepflicht genommen und auf dieser Basis ein Einreiseverbot in der Dauer von 5 Jahren ausgesprochen. Die Dauer des Verbots ist mit Blick auf den genannten Rahmen sowie auch auf das festgestellte Fehlen eigener Mittel zum Unterhalt und die längere Zeit unterlassene Anmeldung nach dem MeldeG (§ 53 Abs. 2 Z. 6 bzw. Z. 1 FPG) nicht unangemessen.

Im vorliegenden Beschwerdefall sind auch keine privaten, familiären oder anderen Umstände zutage getreten, die dem Gericht eine Reduzierung der Befristung nahelegen würden. Nach all dem war die Beschwerde auch betreffend diesen Spruchpunkt VII abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu Neuerungen im Folgeantrag, zur Relevanz des Privat- und Familienlebens bei Rückkehrentscheidungen, zur ganzheitlichen Verhaltensbeurteilung bei der Verhängung und Bemessung von Einreiseverboten oder zu den Voraussetzungen der Zurückweisung nach § 68 Abs. 1 AVG.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Fallbezogen liegt ein geklärter Sachverhalt in diesem Sinne vor.

Unbeschadet dessen kann das BVwG nach § 21 Abs. 6a BFA-VG über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer Verhandlung entscheiden. Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Schlagworte

Abschiebung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig entschiedene Sache Folgeantrag freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose gefährliche Drohung Haftstrafe Identität der Sache Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Rückkehrentscheidung Sachbeschädigung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung strafrechtliche Verurteilung Straftat subsidiärer Schutz Vergehen Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2154995.3.00

Im RIS seit

16.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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