TE Lvwg Erkenntnis 2020/7/28 LVwG 41.35-1118/2020

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Veröffentlicht am 28.07.2020
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Entscheidungsdatum

28.07.2020

Index

L92006 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Steiermark

Norm

VfGG
MSG Stmk 2011 §4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Schönegger über die Beschwerde des Herrn A B, geb. am xx, vertreten durch Mag. C D, Rechtsanwalt, Sstraße, G, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 05.05.2020, GZ: 008514/2020,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) iVm § 4 Steiermärkisches Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 14/2011 idgF (im Folgenden StMSG), wird die Beschwerde als unbegründet

abgewiesen.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid vom 05.05.2020 hat die belangte Behörde den Antrag des A B, geb. am xx, vom 27.01.2020 auf Gewährung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass Herr A B keinen gültigen Aufenthaltstitel beziehe und daher gemäß § 4 Abs 1 Z 3 StMSG nicht zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sei und er auch nicht zum Personenkreis gemäß § 4 Abs 2 StMSG gehöre, weshalb er keinen Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung habe.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte und formal zulässige Beschwerde, mit welcher der Bescheid in seinem ganzen Inhalt und Umfang angefochten werden sollte. Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen seien unrichtig - die mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl erfolgte Aberkennung des subsidiären Schutzes sei noch nicht rechtskräftig, sondern habe er dagegen rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt. Dieser Beschwerde sei durch Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 30.03.2020 zu E 1018/2020-4 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Aus diesem Grund verfüge er bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerde über einen gültigen Aufenthaltstitel und gehöre daher zum Personenkreis des § 4 Abs 2 StMSG, weshalb ihm ein Anspruch auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung zustehe.

Die belangte Behörde hat dem Landesverwaltungsgericht Steiermark die gegenständliche Beschwerde unter Bereitstellung des elektronischen Aktes am 27.05.2020 übermittelt.

Über entsprechenden Auftrag übermittelte der Beschwerdeführer dem Landesverwaltungsgericht Steiermark am 17. bzw. 18. Juni 2020 den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 07.04.2019 (vollständig bis auf zwei Seiten) sowie das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.02.2020 (GZ: W122 2176926-2/13E) über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, weiters die dagegen erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sowie den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 30.03.2020 zu E 1018/2020-4 betreffend Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.

Am 16.06.2020 erfolgte die Bekanntgabe des RA Mag. C D an das Landesverwaltungsgericht Steiermark, wonach der Beschwerdeführer nunmehr ihn mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt habe. Mit Note vom 24.06.2020 hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark diesem die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme binnen 10 Tagen eingeräumt, diese Frist verstrich ungenützt.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat erwogen:

Die gegenständliche Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs 1 und Abs 4 VwGVG ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden, da der Sachverhalt anhand des aufliegenden Akteninhalts zweifelsfrei feststeht, die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und eine solche zur rechtlichen Beurteilung der gegenständlich relevanten Fragen auch nicht notwendig war. Einem Entfall stehen weder Art. 6 Abs 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen und wurde zudem eine Verhandlung von keiner der beiden Parteien beantragt.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark stellt aufgrund der Aktenlage folgenden Sachverhalt fest:

A B, geb. am xx, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan.

Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet war er zunächst ab Mai 2016 als Asylwerber und dann aufgrund eines Bescheides des BFA vom 28.12.2017 seit Dezember 2017 als subsidiär Schutzberechtigter mit einer bis Dezember 2018 befristeten Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet aufhältig.

Mit Bescheid des BFA vom 07.04.2019 wurde gegenüber A B betreffend aufenthaltsrechtliche Angelegenheiten in insgesamt sieben Spruchpunkten abgesprochen: Es wurde ihm der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 1 Asylgesetz 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I), zudem wurde ihm die mit Bescheid vom 28.12.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs 4 Asylgesetz entzogen (Spruchpunkt II).

Weiters wurde sein Antrag vom 07.11.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 Asylgesetz abgewiesen (Spruchpunkt III); wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt IV) und gegen ihn gemäß § 10 Abs 1 Z 5 Asylgesetz 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V). Unter Spruchpunkt VI. wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist; zudem wurde unter Spruchpunkt VII festgestellt, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

In der Begründung dieses 148 Seiten umfassenden Bescheides wird unter anderem angeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht mehr gegeben seien; die frühere Zuerkennung des subsidiären Schutzes und die befristete Aufenthaltsbewilligung seien aufgrund der damaligen Minderjährigkeit in Zusammenhang mit der damaligen Lage in Afghanistan erlassen worden. Nun sei A B volljährig, gesund und im erwerbsfähigen Alter, finde in Afghanistan ein soziales Netzwerk vor, das ihn nach seiner Rückkehr unterstützen würde, und sei ihm eine Rückführung in eine der größeren Städte des Landes zumutbar.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.02.2020 wurde eine Beschwerde des A B betreffen einen am 31.05.2016 gestellten Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen (GZ: W122 2184646-1/22E).

Mit Erkenntnis vom 24.02.2020 hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des A B gegen den obgenannten Bescheid des BFA vom 07.04.2019 betreffend Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen und die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG für nicht zulässig erklärt (GZ: W122 2176926-2/13E). In dieser Entscheidung hat der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichts Ausführungen zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers und zur Lage in Afghanistan getätigt und rechtliche Ausführungen zu sämtlichen Spruchpunkten des bekämpften Bescheides des BFA getroffen.

Auszugsweise lautet die rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes folgendermaßen:

„Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten konnte daher wie der Entzug der Aufenthaltsberechtigung (§ 9 Abs 4 Asylgesetz 2005) und die Abweisung des Antrags auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht als rechtswidrig erkannt werden (3.1.2. des genannten Erkenntnisses, Seite 46).

…Anhaltspunkte dafür, dass der BF diese Voraussetzungen verwirklicht (Z 1: Duldung seit mindestens 1 Jahr; Ziffer 2: Erforderlichkeit der Anwesenheit zur Gewährleistung der Strafverfolgung oder Anspruchsdurchsetzung; Ziffer 3: Eigenschaft als Opfer von Gewalt und Erforderlichkeit zum Schutz vor Gewalt) sind weder geltend gemacht worden, noch im Verfahren sonst wie hervorgekommen, weshalb das Bundesverwaltungsgericht der im Bescheid ausgesprochenen Nichtzuerkennung einer ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ nicht entgegentreten kann (3.2. des Erkenntnisses, Seite 47).

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall gemäß § 9 BFA-VG geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig… Obigen Erwägungen zufolge sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Asylgesetz 2005 nicht gegeben (3.2.1. des Erkenntnisses, Seite 54 f).“

Gegen diese Entscheidung hat A B vertreten durch RA Mag. E F Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungs-gesetzlich gewährleisteter Rechte gemäß Art. 144 B-VG erhoben. Er stellte zudem gemäß § 85 Abs 2 Verfassungsgerichtshofgesetz den Antrag auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.

Mit Beschluss vom 30.03.2020 hat der Verfassungsgerichtshof diesem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 85 Abs 2 und 4 VfGG Folge gegeben, weil dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre (E 1018/2020-4).

A B lebt seit Mai 2016, also etwas mehr als vier Jahre, in Österreich. Die mit Bescheid des BFA vom 28.12.2017 erstmalig erfolgte, auf ein Jahr befristete Zuerkennung des subsidiären Schutzes erfolgte zu einem Zeitpunkt, in welchem er 16 Jahre alt war und wurde unter anderem auch damit begründet. Er ist seit 01.01.2019, also seit rund eineinhalb Jahren volljährig.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan geboren und bis ins Jahr 2016 auch dort aufgewachsen, besuchte dort über acht Jahre die Grundschule und kann lesen und schreiben. Ein Teil seiner Verwandten – unter anderem seine Mutter, mit der er in ständigem Kontakt ist, seine Schwester und sein Bruder - lebt heute noch in Afghanistan.

Er ist nicht verheiratet oder verlobt und hat keine Kinder.

In Österreich hat A B keine Verwandten, jedoch einen Freundeskreis aus österreichischen und afghanischen Freunden aufgebaut. Er lebt in einem von der Caritas betriebenen Quartier, ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und hat unter anderem Werte- und Orientierungskurse, Deutschkurse udgl. mehr besucht sowie entsprechende Prüfungen absolviert. Er hat erste berufliche Erfahrungen im Rahmen von Praktika gesammelt, wird wegen einer psychischen Erkrankung medikamentös behandelt und war bisher nicht gemeinnützig tätig.

Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass sich die getroffenen Feststellungen zum Verfahrenslauf zur Gänze auf den Akteninhalt und hier auf die vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Dokumente wie den Bescheid des BFA vom 07.04.2019, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.02.2020, die dagegen erhobene Beschwerde an den VfGH sowie auf dessen Beschluss vom 30.03.2020, mit welchem die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, stützen.

Die belangte Behörde hat – wie aus dem von ihr bereitgestellten elektronischen Akteninhalt hervorgeht – ihre Entscheidung nicht auf sämtliche dieser Dokumente gestützt, jedoch im Zuge ihres Ermittlungsverfahrens Erkundigungen beim den Beschwerdeführer damals vertretenden Verein H sowie beim Bundesverwaltungsgericht und beim BMI eingeholt und wurde über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Kenntnis gesetzt.

Die vom Landesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen hinsichtlich der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus den entsprechenden Ausführungen des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.02.2020 und wurden vom Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht bestritten, zum Teilwurden sie sogar selbst ausdrücklich zugestanden.

Zusammenfassend war daher festzuhalten, dass der zugrundegelegte relevante Sachverhalt auf Basis der genannten Dokumente unzweifelhaft feststeht.

Rechtliche Beurteilung:

Die hier entscheidungswesentliche Bestimmung des StMSG lautet wie folgt.

§ 4 StMSG:

„(1) Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung haben Personen, die

      1. hilfebedürftig sind,

      2. ihren Hauptwohnsitz oder in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Steiermark haben und

      3. zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.

(2) Zum Personenkreis nach Abs. 1 Z. 3 gehören jedenfalls:

      1. österreichische Staatsbürgerinnen/Staatsbürger und deren Familienangehörige, die über einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) verfügen;

      2. Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51 bis 54a und 57 NAG verfügen;

      3. Asylberechtigte gemäß § 3 Asylgesetz 2005;

      4. subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Asylgesetz 2005;

      5. Personen

         a) mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“, denen dieser Aufenthaltstitel gemäß § 45 NAG erteilt wurde oder

         b) deren vor dem 1. Jänner 2014 ausgestellter Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“ oder „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“ als solcher gemäß § 81 Abs. 29 NAG als „Daueraufenthalt – EU“ weiter gilt oder

         c) deren vor Inkrafttreten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung – NAG-DV) weiter gilt;

      6. Personen mit einem Aufenthaltstitel gemäß § 49 Abs. 2 bis 4 NAG.

(3) Keinen Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung haben insbesondere:

      1. EWR-Bürgerinnen/-Bürger und Schweizer Bürgerinnen/Bürger und deren Angehörige

         a) in den ersten drei Monaten ihres jeweiligen Aufenthaltes im Inland, außer es handelt sich um Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer oder Selbständige;

         b) über den Zeitraum gemäß lit. a hinaus, solange ihnen keine Arbeitnehmerinnen-/Arbeitnehmer- oder Selbständigeneigenschaft zukommt und sie nicht zum dauernden Aufenthalt berechtigt sind;

      2. Personen während ihres visumsfreien oder visumspflichtigen Aufenthaltes im Inland, soweit nicht Z 1 anwendbar ist;

      3. Personen, die nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Asylgesetz 2005 haben;

      4. Personen, die Leistungen nach dem Steiermärkischen Grundversorgungsgesetz geltend machen können.“

Die belangte Behörde hat den Antrag des A B auf Gewährung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung mit der Begründung, er sei nicht zu einem dauernden Aufenthalt im Inland gemäß § 4 Abs 1 Z 3 StMSG berechtigt, abgewiesen.

Dazu hält das Landesverwaltungsgericht Steiermark zuallererst unter Verweis auf § 4 Abs 1 Z 3 StMSG grundsätzlich fest, dass neben den Voraussetzungen der Hilfe-bedürftigkeit und des Hauptwohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts in der Steiermark unabdingbare Voraussetzung für den Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung die Berechtigung zu einem dauernden Aufenthalt im Inland ist.

In Abs 2 dieser Bestimmung sind diverse Personengruppen genannt, die aufgrund des ihnen zukommenden Aufenthalts- bzw. Niederlassungsrechts jedenfalls zum Personenkreis der zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigten Personen gehören.

Die in § 4 Abs 2 StMSG explizit angeführten Tatbestände sind dabei als demonstrativ zu beurteilen, um im Hinblick auf die zu erwartende Dynamik des Fremdenrechtes für weitere Tatbestände offen zu sein. Eine „dauernde Aufenthaltsberechtigung“ ist somit nach der Systematik des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Tatbestände des § 4 Abs 2 StMSG beschränkt, sondern jedenfalls weiter zu sehen, es darf sich dabei aber jedenfalls nicht nur um die Berechtigung zu einem bloß vorübergehenden Aufenthalt in Österreich handeln (siehe Erläuterungen XVI. GP, EZ 148/1, S. 3).

Das Aufenthaltsrecht ist jedenfalls – gegebenenfalls im Wege der Vorfragenbeurteilung – zu ermitteln. Es kommt dabei grundsätzlich jener Personengruppe zu, welche aufgrund einer Aufenthaltsverfestigung in Österreich bleiben darf, daher materiell-rechtlich über ein dauerndes Aufenthaltsrecht im Inland verfügt (vgl. dazu ua. VwGH 27.03.2019, Ro 2018/10/0040 mwN).

Aus diesen Erwägungen war für das gegenständliche Verfahren festzuhalten, dass A B mit Bescheid des BFA vom 07.04.2019 der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und die mit Bescheid vom 28.12.2017 erteilte, auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs 1 und Abs 4 Asylgesetz entzogen worden ist; in weiteren Spruchpunkten wurden ein Antrag auf Verlängerung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie weitere Anordnungen hinsichtlich seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet getroffen. Die dagegen erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wurde mit Erkenntnis vom 24.02.2020 hinsichtlich sämtlicher Spruchpunkte als unbegründet abgewiesen.

Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nach der herrschenden Lehre und der Judikatur als rechtskräftig zu qualifizieren. Gegen die Entscheidung der Verwaltungsgerichte sind nämlich zwar grundsätzlich die ordentliche oder - wie in der Mehrzahl der Fälle und auch in diesem Fall - die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und im Falle der behaupteten Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof möglich, jedoch sind diese beiden keine die Rechtskraft hemmenden ordentlichen Rechtsmittel.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei nicht nur als formell rechtskräftig im engeren und im weiteren Sinn entschieden zu betrachten, sondern auch als materiell rechtskräftig zu qualifizieren (vgl. Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht6 (2018) Rz 263 ff; weiters Schmid/Schweiger, Verwaltungsgerichtsbarkeit: Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten I. Instanz1 [2014]; Verwaltungsgerichte: Bindung der Zivilgerichte im RDW 2016, 331 [Heft 5 vom 17.05.2016] zu OGH 24.11.2015, 1 Ob 127/15f). Aus diesem Grund ist von einer grundsätzlichen Bindung der Verwaltungsgerichte (und auch der Zivilgerichte, siehe genanntes Erkenntnis des OGH vom 24.11.2015) an ein verwaltungsgerichtliches Erkenntnis auszugehen.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass durch das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes der Beschwerdeführer nicht mehr über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 1 Asylgesetz 2005 verfügt und weiters die ihm zuvor befristet erteilte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs 4 Asylgesetz rechtskräftig nicht verlängert worden ist.

Die dagegen an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde – die eben gerade, wie auch in diesem Beschwerdeschreiben selbst eingestanden wird (Seite 2), kein ordentliches Rechtsmittel darstellt - vermag an der materiellen Rechtskraft nichts zu ändern und besteht für das Landesverwaltungsgericht Steiermark in diesem Verfahren auch im Lichte des beim Höchstgericht anhängigen Beschwerdeverfahrens keinerlei Möglichkeit, daraus eine materiell-rechtliche Aufenthaltsberechtigung im Inland zu konstruieren und in weiterer Folge eine Anspruchsberechtigung nach dem StMSG zuzuerkennen.

Daran vermag auch die mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 30.03.2020 erfolgte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der bei ihm eingebrachten Beschwerde nichts zu ändern, da damit ausschließlich die Frage der Vollstreckbarkeit beantwortet wird. Während nämlich grundsätzlich dem ordentlichen Rechtsmittel der Beschwerde an ein Verwaltungsgericht ex lege aufschiebende Wirkung zukommt (§ 13 VwGVG), ist dies im Falle einer Beschwerde an den VfGH gemäß § 85 Abs 1 VfGG gerade nicht der Fall. Es ist jedoch in diesem Fall nach § 85 Abs 2 VfGG auf Antrag des Beschwerdeführers an den Verfassungsgerichtshof von diesem die aufschiebende Wirkung der Beschwerde mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegen stehen und nach Interessensabwägung mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Mit seinem Beschluss vom 30.03.2020 hat nunmehr der Verfassungsgerichtshof der bei ihm eingebrachten Beschwerde diese aufschiebende Wirkung zuerkannt; er hat damit also ausgesprochen, dass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.02.2020 nicht vollzogen wird. Dies bedeutet im konkreten Fall, dass die ausgesprochene Rückkehrentscheidung nicht vollstreckt wird, eine Abschiebung oder sonstige Außerlandesbringung ist damit während des beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahrens ausgeschlossen.

Mit diesem Beschluss wurde dem Beschwerdeführer jedoch keinerlei Aufenthaltsberechtigung im Sinne eines materiell-rechtlichen dauernden Aufenthaltsrechts im Inland zuerkannt.

Für die gegenständliche Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts war daher zum einen die rechtskräftige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Status des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter (und weitere Punkte entsprechend der sieben Spruchpunkte des Bescheides des BFA) beachtlich.

Zum anderen war im Lichte einer Gesamtbetrachtung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers festzuhalten, dass auch keinerlei Indiz dafür vorgebracht wurde oder sonst aus dem Akteninhalt erkennbar ist, welches für das Vorliegen eines sonstigen Umstandes, der die Annahme eines dauernden Aufenthaltsrechts im Sinne des Stmk. Mindestsicherungsgesetzes rechtfertigen könnte, sprechen würde. Dies gilt auch im Lichte der durch die EMRK garantierten Grundrechte und unter Bezugnahme auf die obengenannten Erläuterungen zum StMSG auch bei einer nicht allzu engen Auslegung der Voraussetzung eines dauernden Aufenthaltsrechts.

Es war daher im Sinne des vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis zu Ro 2018/10/0040 verwendeten Begriffes der Personengruppe, die aufgrund einer Aufenthaltsverfestigung im Sinne von § 9 BFA-Verfahrensgesetz in Österreich bleiben darf, festzuhalten, dass der Beschwerdeführer über eine solche Aufenthaltsverfestigung gerade nicht verfügt. Er ist vor dem Hintergrund dieser Sach-

und Rechtslage materiell-rechtlich nicht als zu einem dauernden Aufenthalt im Inland Berechtigter im Sinne des StMSG anzusehen.

Aus diesem Grund war die von der belangten Behörde im bekämpften Bescheid getroffene rechtliche Beurteilung, wonach der Beschwerdeführer derzeit nicht im Sinne von § 4 Abs 1 Z 3 leg cit zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt ist, nicht zu beanstanden. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde musste daher ein Erfolg versagt sein und es war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung, aberkennendes Erkenntnis, materielle Rechtskraft, ordentliches Rechtsmittel, Beschwerde Verfassungsgerichtshof, keine Änderung der materiellen Rechtskraft, keine Anspruchsberechtigung nach dem Mindestsicherungsgesetz, aufschiebende Wirkung, Vollzug einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, keine Aufenthaltsberechtigung im Sinne eines materiell-rechtlichen dauernden Aufenthaltsrechts

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2020:LVwG.41.35.1118.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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