TE Lvwg Erkenntnis 2020/11/20 LVwG-AV-796/001-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.11.2020

Norm

BAO §303 Abs1 litb

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Kammerhofer als Einzelrichter über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B als Verwahrer der Schriften und Bücher, ***, ***, gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 15. April 2020, ***, mit dem die Berufung gegen den Bescheid des Stadtamtes der Stadtgemeinde *** vom 30. September 2015, ***, betreffend Abweisung der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich der Kanaleinmündungsabgabe für die Liegenschaft ***, in *** abgewiesen wurde zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Sachverhalt

1.1.     Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 27. August 2014, ***, wurde einer Berufung gegen die Vorschreibung einer Kanaleinmündungsabgabe für den Anschluss der Liegenschaft in ***, ***, insofern Folge gegeben, als die Kanaleinmündungsabgabe für eine Berechnungsfläche von 7.723,33 m² in der Höhe von € 196.079,91 vorgeschrieben wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wurde mit Erkenntnis vom 19. März 2015 als unbegründet abgewiesen.

Am 19. Juni 2015 langte bei der Stadtgemeinde *** ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei nach Erlassung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 19. März 2015 unter Zugrundelegung der gerichtlichen Annahme, dass das verfahrensgegenständliche Geschoß einheitlich zu betrachten sei, sämtliche äußere Begrenzungsflächen dieses Geschoßes anhand der Bestandspläne, der Beurteilung unterzogen habe, ob sie in Summe zu mehr als 50% über oder unter dem Gelände nach Fertigstellung liegen würden. Dazu werde der Bestandsplan vom 19. März 2015 als Urkunde vorgelegt, aus dem sich ergebe, dass die äußeren Begrenzungsflächen des verfahrensgegenständlichen gesamten Geschoßes zu 60,13% unterirdisch und zu 39,87% oberirdisch liegen würden. Somit sei das Beweismittel, nämlich der Bestandsplan vom 19. März 2015, und die dadurch bekundete Tatsache, dass die äußeren Begrenzungsflächen des verfahrensgegenständlichen Einheitsgeschoßes zu 60,13% unterirdisch und zu 39,87% oberirdisch liegen würden, neu hervorgekommen, nachdem das Verfahren bereits durch den Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 27. August 2014, ***, abgeschlossen sei. In Kenntnis dieses Beweismittels und der sich daraus ergebenden Tatsache hätte der Stadtrat unter Zugrundelegung der Berechnungsfläche von 4.657,44 m², wie von der beschwerdeführenden Partei begehrt, zu einem anderen Abgabenbescheid mit einem Vorschreibungsbetrag von € 72.800,44 gelangen müssen. Weiters werde die Ansicht vertreten, dass der Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 27. August 2014 wie auch das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 19. März 2014 durch Erschleichung zustande gekommen seien, um die Abgabenlast zu maximieren, zumal sowohl die Flächenabwicklung der Wandansichtsflächen des Tiefgaragengeschoßes laut den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Bestandsplänen als auch der Beweisantrag von 5. März 2015, womit entsprechend dieser Methode auch das Einheitsgeschoß abgewickelt werden sollte, vom Stadtrat ebenso wie vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich einfach ignoriert worden sein. Die von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Urkunden und Beweise würden aber zeigen, dass das verfahrensgegenständliche Einheitsgeschoß großteils unterirdisch liege, ebenso die Tiefgarage. Die behördlichen Organe hätten im Graubereich ihrer selektiven Wahrnehmung operiert, um zum gewünschten Bescheidergebnis zu gelangen. Diese Erledigung habe mit einem gesetzmäßigen Verfahren nichts zu tun.

Von der beantragten Wiederaufnahme sei das Abgabenverfahren der Stadtgemeinde *** betroffen, das durch den Abgabenbescheid des Stadtrates vom 27. August 2014 abgeschlossen worden sei. Der Stadtrat sei somit auch für die Behandlung dieses Wiederaufnahmeantrages zuständig, zumal er im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde den Abgabebescheid vom 27. August 2014 in letzter Instanz erlassen habe. Dieser Abgabenbescheid sei formell rechtskräftig, weil er keinem ordentlichen Rechtszug, sondern nur mehr der außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof unterliege, weshalb auch aus diesem Gesichtspunkt der Wiederaufnahmeantrag zulässig sei.

Die Wiederaufnahme sei bis zum Eintritt der abgabenrechtlichen Festsetzungsverjährung zulässig. Da für das Entstehen der Abgabenschuld das Einlangen der Fertigstellungsanzeige am 22. Juni 2012 auslösend gewesen sei und die Verjährungsfrist für die gegenständliche Kanaleinmündungsabgabe gemäß § 207 BAO fünf Jahre betragen, sei dieser Wiederaufnahmeantrag rechtzeitig. Andere Einschränkungen, etwa durch Normierung von Antragsfristen, sehe die Bundesabgabenordnung nicht vor.

Es werde daher beantragt, das durch den Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 27. August 2014, ***, abgeschlossene Verfahren wiederaufzunehmen und diesen Bescheid dahin abzuändern, dass der beschwerdeführenden Partei anstelle der vorgeschriebenen Kanaleinmündungsabgabe von € 196. 079,91 eine Kanaleinmündungsabgabe in der Höhe von € 72.800,44 vorgeschrieben werde.

Mit Bescheid des Stadtamtes vom 30. September 2015, ***, wurde das Ansuchen um Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO betreffend die Kanaleinmündungsabgabe für die Liegenschaft *** in *** abgewiesen.

Nach einem Rechtsgang im Hinblick auf die Frage, wer beschwerdelegitimiert ist und einem weiteren Rechtsgang, in dem die Zurücknahme verfahrensgegenständlich war erging schließlich der nunmehr angefochtene Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 15. April 2020, ***. Die Berufung wurde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde dazu zunächst ausgeführt, dass hinsichtlich der Zuständigkeit die Bestimmung des § 305 Abs. 1 BAO in der früheren Fassung BGBl Nr. 194/1961, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 34/2010, normiert habe, dass die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens der Abgabenbehörde zustehe, die den Bescheid in erster Instanz erlassen habe. Ist im abgeschlossenen Verfahren die Zuständigkeit gemäß § 311 Abs. 4 auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz übergegangen, so stehe die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens der Abgabenbehörde erster Instanz zu. In Zusammenschau mit dieser früheren Regelung des § 305 Abs. 1 BAO idF BGBl Nr. 194/1961 zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 34/2010 gültig bis 31. Dezember 2013, sei daher davon auszugehen, dass auch in der derzeit gültigen Fassung des § 305 BAO die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens der Abgabenbehörde erster Instanz zustehe. Demnach habe richtigerweise das Stadtamt der Stadtgemeinde *** über den Wiederaufnahmeantrag gegen den Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 27. August 2014 entschieden.

Für den gegenständlichen Fall sei § 303 Abs. 1 lit. b BAO relevant, wonach Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen seien. Im gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag sei im Wesentlichen vorgebracht worden, dass die Gebäudeansichten der Tiefgarage aus allen vier Haupthimmelsrichtungen die Flächenabwicklung der Wandansichtsflächen des Tiefgaragengeschoßes nachvollziehbar dargestellt worden seien. Es habe sich ein Flächenanteil von 76% unterirdischer Fläche und ein Flächenanteil von 24% oberirdische Fläche ergeben. Die unter dem Haus A gelegene Tiefgarage sei daher entgegen dem Abgabenbescheid des Stadtrates großteils unterirdisch zu beurteilen. Im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei auf das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 19. März 2015,
LVWG-AV-557/001-2014 Bezug genommen worden. Mit diesem Erkenntnis wurde die Berufungsentscheidung des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 27. August 2014 als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Im Wiederaufnahmeantrag sei angemerkt worden, dass das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in seinem Erkenntnis keine Aussage dazu getroffen habe, ob die Garage nun zum Großteil unterirdisch oder oberirdisch gelegen sei. Nach Erlassung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 19. März 2015 sei unter Zugrundelegung der gerichtlichen Annahme, dass das verfahrensgegenständliche Geschoß einheitlich zu betrachten sei, sämtliche äußere Begrenzungsflächen dieses Geschoßes anhand der Bestandspläne der Beurteilung unterzogen worden, ob sie in Summe zu mehr als 50% über oder unter dem Gelände nach Fertigstellung liegen würden. Dazu seien mit dem Wiederaufnahmeantrag der Bestandsplan vom 19. Juni 2015 als Urkunde bzw. als Beweis vorgelegt worden, wonach sich ergebe, dass die äußeren Begrenzungsflächen des verfahrensgegenständlichen gesamten Geschoßes zu 60,13% unterirdisch und zu 39,87% oberirdisch liegen würden. Somit sei das Beweismittel, nämlich der Bestandsplan vom 19. März 2015 und die dadurch beurkundete Tatsache, dass die äußeren Begrenzungsflächen des verfahrensgegenständlichen Einheitsgeschoßes zu 60,13% unterirdisch und 39,87% oberirdisch liegen würden, neu hervorgekommen, nachdem das Verfahren bereits durch den Bescheid des Stadtrates vom 27. August 2014 abgeschlossen gewesen sei. Weiters werde die Ansicht vertreten, dass der Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 27. August 2014 wie auch das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 19. März 2014 durch Erschleichung zustande gekommen seien, um die Abgabenlast zu maximieren, zumal sowohl die vorgelegten Bestandspläne als auch der Beweisantrag vom 15. März 2015 vom Stadtrat ebenso wie vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich einfach ignoriert worden seien.

Der Bestandsplan vom 19. März 2015, welcher als neu hervorgekommenes Beweismittel im Wiederaufnahmeantrag vom 19. Juni 2015 vorgelegt worden sei, zeige eine „Abwicklung Gartengeschoß“, wonach eine Dokumentation der Flächenabwicklung erfolgt sei. In diesem vorgelegten Bestandsplan werde für dieses Geschoß im Ergebnis ein Flächenanteil von 39,87% als oberirdisch und ein Flächenanteil von 60,13% als unterirdisch liegend angegeben.

Dieser Bestandsplan sei in dem verfahrensgegenständlichen Verfahren jedoch nicht neu hervorgekommen. Der im Wiederaufnahmeantrag vorgelegte Bestandsplan zeige unter anderem den Grundriss des verfahrensgegenständlichen Wohnhauses. Der Bestandsplan, welcher dem Lageplan/Grundriss des verfahrensgegenständlichen Wohnbaus zeige, sei bereits seit dem Jahr 2011 Aktenbestandteil. Der Bestandsplan, Lageplan/Grundriss datiert mit 3. Oktober 2011, Projekt Nr. ***, sei am 18. Oktober 2011 bei der Stadtgemeinde *** eingelangt und sei der Anzeige gemäß § 15 NÖ Bauordnung 1996 vom 18. Oktober 2011 zur Grunde gelegt worden.

Der im Wiederaufnahmeantrag vorgelegte Bestandsplan zeige rechts unten den Schnitt des Bauteils des Wohnhauses. Der Bestandsplan, welcher die Schnitte Bauteil B und C des Wohnbaus zeige, sei ebenfalls bereits seit dem Jahr 2011 Aktenbestandteil. Der Bestandsplan Schnitte, datiert mit 3. Oktober 2011, Projektnummer ***, sei am 18. Oktober 2011 bei der Stadtgemeinde *** eingelangt und sei der Anzeige gemäß § 15 NÖ Bauordnung 1996 vom 18. Oktober 2011 zur Grunde gelegt worden.

Damit stelle die dargestellte Situierung durch den vorgelegten Bestandsplan vom 19. März 2015 keine neu hervorgekommene Tatsache dar. Waren bestimmte Umstände im betreffenden Verfahren der Abgabenbehörde bekannt, habe sie diese Umstände jedoch für unwesentlich gehalten, so seien solche Umstände keine Wiederaufnahmegründe. Dies gelte gleichermaßen, wenn die Behörde aktenkundige Umstände bei der Bescheiderlassung nicht beachtet habe. Weiters sei ein nach Rechtskraft erstelltes Sachverständigengutachten, dass der vorgelegte Bestandsplan vom 19. März 2015 bilde, kein „neu hervorgekommenes“ Beweismittel. Es sei ein neu produziertes Beweismittel welches die Wiederaufnahme nicht rechtfertige.

Lediglich als neu anzusehen sei die durch den Beschwerdeführer erfolgte Berechnung des verfahrensgegenständlichen Geschoßes anhand der bereits seit 2011 aktenkundigen Bestandspläne, ob dieses in Summe zu mehr als 50% über oder unter dem Gelände liege.

Die zweite Voraussetzung einer erfolgreichen Wiederaufnahme sei, dass die Kenntnis dieser Umstände alleine oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens auch einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Der Beschwerdeführer verkenne, dass der Gesetzgeber für die Ermittlung der Kanalbenützungsgebühr und der Kanaleinmündungsabgabe zwei unterschiedliche Berechnungsmethoden vorsehe. Unter Hinweis auf die gesetzlich vorgesehene Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe werde auf ein nicht wesentliches Überragen abgestellt und nicht auf ein großteils oder überwiegend über- oder unterirdisch bestehendes Geschoß.

Die Berechnung zum Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 27. August 2014 sei anhand der gesetzlichen Tatbestände und der aufliegenden Einreichpläne erfolgt und liege eine Erschleichung nicht vor.

1.2.     Zum Beschwerdevorbringen:

Gegen diesen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 15. April 2020 richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 20. Mai 2020. Darin wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit in vollem Umfang angefochten.

Zu den Ausführungen der belangten Behörde, dass der Bestandsplan vom 19. März 2015 nicht neu hervorgekommene Informationen beinhalte, sondern seit dem Jahr 2011 Aktenbestandteil sei, wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Verhältnis des oberirdischen zum unterirdischen Teil des Tiefgaragengeschoßes als Tatsache anzusehen sei, die Gegenstand des Ermittlungsverfahrens hätten sein sollen. Die Welt sei nach Wittgenstein die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge. Im Kontext interessiere das Tiefgaragengeschoß zunächst nicht als Ding, sondern welche Eigenschaft es im Hinblick auf seine ober- und unterirdischen Teile und deren Verhältnis zueinander aufweise. Diese Sachverhaltselemente welche aufzudecken seien, würden zu den Tatsachen im Sinne des § 303 BAO gehören. Rechtliche Beurteilungen seien keine Tatsachen. Rechtliche Beurteilungen würden hier jedoch nicht zur Debatte stehen, weil es unstrittig sei, dass unter einem Kellergeschoß im Sinn des § 4 Z 7 NÖ Bauordnung 1996 ein solches zu verstehen sei, dessen Außenwände in Folge seiner teilweise unterirdischen Anlagen zum Großteil von außen nicht sichtbar seien, also mehr als 50% unter der Höhenlage des Geländes liegen. Die beschwerdeführende Partei habe mit dem Wiederaufnahmeantrag den Bestandsplan vom 19. März 2015 als neues Beweismittel zum Beweis einer neuen Tatsache (Beziehung = Verhältnis) vorgelegt, dass die äußeren Begrenzungsflächen des Verfahrensgegenständlichen gesamten Geschoßes zu 60,13% unterirdisch und zu 39,87% oberirdisch seien, demnach großteils unterirdisch liegen würden. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der Bestandsplan im verfahrensgegenständlichen Verfahren nicht neu hervorgekommen sei. Dabei verschweige die Behörde, dass das neue Beweismittel nicht nur den Lageplan und einen Schnitt, sondern darüber hinaus die neue Information der Wandabwicklungen mit dem oben angeführten Ergebnis des Verhältnisses von oberirdischen und unterirdischen Wandflächen enthalte. Diese neue Information sei auf den Bestandsplänen Lageplan/Grundriss und Schnitte je vom 3. Oktober 2011, je Projekt Nr. ***, welche am 18. Oktober 2011 mit der Fertigstellungsanzeige der Stadtgemeinde *** überreicht worden seien, nicht angebracht und daher nicht aktenkundig. Demnach sei die betreffende Information bzw. das diesbezügliche Sachverhaltselement der Behörde unbekannt. Umso weniger überzeuge die Argumentation der belangten Behörde, dass sie diese Umstände für unwesentlich gehalten haben könnte, wenn sie ihr gar nicht bewusst sein hätten können. Der Bestandsplan vom 19. März 2015 stelle kein Sachverständigengutachten dar, welches neu produziert worden sei. Die belangte Behörde spiele hier auf den Begriff des „novum productum“ an, welches einer Wiederaufnahme entgegenstehen würde. Es sei kein neues Sachverhaltselement nach Abschluss des Verfahrens geschaffen oder anders gesagt produziert und in die Welt gesetzt worden, sondern ein verborgenes immer schon vorhanden gewesenes Sachverhaltselement der Wohnhausanlage aufgezeigt worden, dass durch die Abwicklung der Wandflächen des Tiefgaragengeschoßes und die Errechnung der oberirdischen und unterirdischen Teile der Wandflächen offengelegt worden sei, was als novum repertum bezeichnet werde und die Wiederaufnahme rechtfertige. Ein Urkundevergleich der Bestandspläne vom 3. Oktober 2011 mit der als Bestandsplan bezeichneten Abwicklung vom 19. März 2015 zeige, dass die entscheidungswesentliche Information ausschließlich auf der letztgenannten Urkunde aufscheine und es sich um grundverschiedene Urkunden handle. In Anbetracht der normativ wirkenden Aussage des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im Ergebnis ein Kellergeschoß dann vorliege, wenn sich seine Außenwände zum Großteil, nämlich mehr als 50%, unter der Höhenlage des Geländes befinden, welche die belangte Behörde während des gesamten Verfahrens geteilt habe, hätte die notwendige Folge der von der beschwerdeführenden Partei vorgenommenen Berechnung die Bewilligung der Wiederaufnahme sein müssen. Die belangte Behörde versuche ihre Abgabenvorschreibung mit allen Mitteln zu verteidigen und stelle sich auf den Standpunkt, dass sie auch in Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes keinen anderen Abgabenbescheid erlassen hätte.

Zur rechtlichen Relevanz des Beweismittels für die Abgabenfestsetzung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass § 1a Z 1 NÖ Kanalgesetz 1977 die bebaute Fläche als diejenige Grundrissfläche definiere, die von der lotrechten Projektion oberirdischer Anlagen begrenzt werde. Folge die Behörde dem von ihr selbst herangezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 2001/17/0178 und seiner Beurteilung, dass § 5 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz dem Begriffsverständnis des § 4 Z 7 NÖ Bauordnung 1996 in der Stammfassung und unter Kellergeschoß ein solches verstehe, dessen Außenwände in Folge seiner (teilweise) unterirdischen Anlage zum Großteil von außen nicht sichtbar sind, hätte sie die Information der beschwerdeführenden Partei über die großteils unterirdische Lage des Tiefgaragengeschoßes veranlassen müssen, analog zu § 5 leg. cit. betreffend die Kanalbenützungsgebühr dieses Geschoß bei der Abgabenfestsetzung der Kanaleinmündungsabgabe auch gemäß § 3 NÖ Kanalgesetz 1977 außer Betracht zu lassen. § 3 NÖ Kanalgesetz 1977 regle die Vorschreibung der Kanaleinmündungsabgabe und stelle auf die bebaute Fläche ab, welche gemäß § 1a Z 1 NÖ Kanalgesetz wiederum als diejenige Grundrissfläche definiert sei, die von der lotrechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt werde. Zuerst müsse also geklärt werden, ob überhaupt eine oberirdische bauliche Anlage vorliege, die Lotrecht auf einen Grundriss projiziert werden könne. Dies müsse für das Tiefgaragengeschoß verneint werden. Um dieses sei daher die Geschoßzahl des § 3 Abs. 2 NÖ Kanalgesetz 1977 zu vermindern und als Projektionsfläche die Bruttogrundrissfläche des Erdgeschoßes des Hauses A von 567,70m² im Ergebnis zur Hälfte im Ausmaß von 283,85 m² an Stelle der Fläche des Tiefgaragengeschoßes von 1.310,60 m² entsprechend § 3 Abs. 2 NÖ Kanalgesetz 1977 zugrunde zu legen. Die Berechnungsmethode der Kanalanschlussabgabe sei im § 3 NÖ Kanalgesetz 1977 und unzweideutig vorgegeben. Es trage bloß zur Verwirrung bei, wenn die belangte Behörde darauf hinweise, dass der Gesetzgeber für die Ermittlung der Kanalbenützungsgebühr und der Kanalanschlussgebühr zwei unterschiedliche Berechnungsmethoden vorgesehen habe. Der Verweis auf die Bestimmungen zur Kanalbenützungsgebühr erweise sich als entbehrlich, zumal sich die beschwerdeführende Partei nicht darauf berufe, dass das Tiefgaragengeschoß nicht an die Kanalanlage angeschlossen worden sei und aus diesem Grund nicht zu berücksichtigen wäre. Das Tiefgaragengeschoß scheide für die lotrechte Projektion auf seinen Grundriss aus, da es zum Großteil unterirdisch situiert sei. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 2001/17/0178 liefere die allgemeine Erkenntnis unter welchen Bedingungen ein Geschoß als unterirdisch angesehen werden müsse und mit welcher Methode diese Eigenschaft ermittelt werden könne. Die jeweiligen Vorschriften zur Ermittlung der Berechnungsfläche seien nicht Gegenstand des höchstgerichtlichen Erkenntnisses. Die belangte Behörde wende dagegen im angefochtenen Bescheid ein, dass gemäß § 1a Z 1 NÖ Kanalgesetz nur bauliche Anlagen welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragen würden, bei der Ermittlung der bebauten Fläche unberücksichtigt zu bleiben hätten, wogegen der Begriff „großteils“ eine andere Bedeutung habe und mit „wesentlich“ nicht gleichgesetzt werden könne. Dem könne nicht gefolgt werden, da im gegeben Zusammenhang beide Begriffe quantitativ mit Rücksicht auf ein Raumausmaß zu verstehen seien. Wenn § 1a Z 1 NÖ Kanalgesetz bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht wesentlich überragen, aus der bebauten Fläche ausscheide, sei damit nichts Anderes gemeint als dass es sich um unterirdische bauliche Anlagen dann handle, wenn deren Wandflächen zum Großteil, das heißt wesentlich unterhalb der Geländeoberfläche, situiert seien. Die quantitativen Begriffe „wesentlich“ und „großteils“ seien entgegen der Ansicht der belangten Behörde Synonyme und Richtschnur für die Entscheidung, wo der Raum der baulichen Wohnlage überwiegend gelegen sei, nämlich unterirdisch oder oberirdisch. Würde man der Augmentationslinie der belangten Behörde folgen, so hätte dies zur Folge, dass der Behörde bei der Beurteilung, ob ein Geschoß oberirdisch oder unterirdisch sei, ein Ermessensspielraum eingeräumt würde. Es bliebe in diesem Zusammenhang unklar, anhand welcher Kriterien die Behörde das Gesetz anzuwenden hätte. Der Hinweis auf die Anordnung des Gesetzgebers, wonach bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragen, unberücksichtigt zu bleiben hätten, spreche entgegen der im angefochtenen Bescheid vorgetragenen Ansicht viel mehr für den Rechtsstandpunkt der beschwerdeführenden Partei. Die belangte Behörde distanziere sich von dem klaren Inhalt der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des NÖ Kanalgesetzes und der von ihr selbst zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und gehe davon aus, dass als bebaute Fläche auch die Decke eines unterirdischen Geschoßes zu werten wäre, die oberflächlich in Erscheinung trete. Diese Auslegung wiederspreche aber § 1a Z 1 NÖ Kanalgesetz 1977 der ausdrücklich nur die Projektion oberirdischen baulichen Anlagen ermittelte Grundrissfläche als bebaute Fläche definiere. Es sei daher zunächst heraus zu arbeiten, ob überhaupt eine oberirdische bauliche Anlage vorliege, was die belangte Behörde vermeiden wolle. Die belangte Behörde stelle darüber hinaus die Behauptung auf, dass das verfahrensgegenständliche Geschoß überwiegend über Niveau situiert sei und wiederspreche damit den von der beschwerdeführenden Partei aufgezeigten Fakten. Es werde daher beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 15. April 2020 dahin abzuändern, dass der Berufung vom 30. Oktober 2015 gegen den Bescheid der Stadtgemeinde *** vom 30. September 2015 und damit dem Wiederaufnahmeantrag vom 18. Juni 2015 stattgegeben werde, sodass das durch den Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 27. August 2014 abgeschlossene verfahren wiederaufgenommen und schließlich dieser Bescheid dahingehend abgeändert werde, dass der beschwerdeführenden Partei anstelle der vorgeschriebenen Kanaleinmündungsabgabe von € 196.079,91 eine Kanaleinmündungsabgabe in der Höhe von € 72.844,44 vorgeschrieben werde.

1.3.     Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nahm Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt einschließlich der Beschwerde.

1.4.     Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 274 Abs. 1 BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Beschwerde, im Vorlageantrag (§ 264), in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1) oder wenn ein Bescheid gemäß § 253 an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe (§ 97) des späteren Bescheides, beantragt wird oder wenn es der Einzelrichter bzw. der Berichterstatter für erforderlich hält. Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt und war nicht erforderlich, da sich der maßgebliche Sachverhalt aus dem Akteninhalt und der Beschwerde ergibt.

1.5.     Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und der Beschwerde.

2.   Rechtslage:

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 304 BAO ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.

Gemäß § 305 BAO steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des nach § 307 Abs 1 aufzuhebenden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

Gemäß § 1 NÖ Kanalgesetz 1977 werden die Gemeinden gemäß § 8 Abs. 5 Finanzverfassungsgesetz 1948, BGBl.Nr. 45, ermächtigt, Kanalerrichtungsabgaben (Kanaleinmündungs-, Kanalergänzungs-, Kanalsonderabgabe) und Kanalbenützungsgebühren nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erheben.

Die Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren sind in einer Kanalabgabenordnung (§ 6) näher auszuführen.

Gemäß § 3 NÖ Kanalgesetz 1977 ergibt sich die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe aus dem Produkt der Berechnungsfläche mit dem Einheitssatz. Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, dass die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoße multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird.

Gemäß § 1a NÖ Kanalgesetz 1977 gelten im Sinne dieses Gesetzes als bebaute Fläche diejenige Grundrissfläche, die von der lotrechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt wird. Unberücksichtigt bleiben u.a. bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragen.

3.   Erwägungen:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Voraussetzung ist, dass es sich um neue Tatsachen oder Beweise handelt, die bei Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, aber erst danach hervorgekommen sind, sog. „nova reperta“ (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 70 Rz 28 ff (Stand 1.1.2020, rdb.at); vgl VwGH Ra 2016/15/0071)).

Keinen Wiederaufnahmegrund bildet die neue Darstellung bereits bekannt gewesener Tatsachen oder die geänderte Würdigung bereits aufgenommener Beweise (vgl VwGH 1735/73).

Das behaupteterweise „neu hervorgekommene“ Beweismittel „Beilage ./M“ (Bestandsplan) datiert vom 19. März 2015 und ist somit bei Abschluss des Abgabenverfahrens noch nicht vorhanden gewesen, sondern danach überhaupt erst erstellt worden. Es handelt sich daher nicht um ein „novum repertum“, sondern um ein – keinen Wiederaufnahmegrund darstellendes - neu produziertes Beweismittel, sog. „novum productum“.

Darüber hinaus zeigt es die „Abwicklung Gartengeschoß“, wonach eine Dokumentation der Flächenabwicklung erfolgte. Darin wird für das Geschoß im Ergebnis ein Flächenanteil von 39,87% als oberirdisch und ein Flächenanteil von 60,13% als unterirdisch liegend angegeben. Als „neu“ ist dabei lediglich die darin enthaltene Berechnung des Geschoßes anhand der bereits im Verfahren aktenkundigen Bestandspläne anzusehen.

Es handelt sich somit lediglich um eine neue Darstellung der bereits bekannt gewesenen Tatsache, dass die Anlagen die Geländeoberfläche nicht unwesentlich überragen. Dies wurde im Verfahren bereits entsprechend berücksichtigt.

Aber selbst die Berücksichtigung der „Beilage ./M“ würde keinen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeiführen. Mit dem gegenständlichen Bescheid wurde eine Kanaleinmündungsabgabe festgesetzt. Gemäß § 3 NÖ Kanalgesetz 1977 ergibt sich die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe aus dem Produkt der Berechnungsfläche mit dem Einheitssatz. Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, dass die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoße multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Gemäß § 1a NÖ Kanalgesetz 1977 gilt im Sinne dieses Gesetzes als bebaute Fläche diejenige Grundrissfläche, die von der lotrechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt wird. Unberücksichtigt bleiben u.a. bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragen.

Durch die in dieser Norm angeführten Ausnahmen (Außenwandvorsprünge, Wärmeschutzverkleidungen) ergibt sich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nur geringfügige Niveauüberschreitungen unberücksichtigt bleiben sollen (siehe LVwG NÖ, LVwG-AV-744/001-2016). Wenn aber – wie gegenständlich – große Teile des Gartengeschoßes und der Tiefgarage die Geländeoberfläche überragen, kann nicht mehr von „unwesentlich“ gesprochen werden. Dabei ist es für die Ermittlung der Berechnungsfläche zur Vorschreibung der Kanaleinmündungsabgabe (anders als bei der Berechnung der Kanalbenützungsgebühr) unerheblich, ob das Geschoß zu mehr oder zu weniger als 50 Prozent über Niveau gelegen ist.

Im Abgabenbescheid des Stadtrates *** vom 27. August 2014, GZ ***, wurden als Berechnungsfläche 7.723,33 m² festgestellt und bereits gewürdigt, dass das Gartengeschoß und die Tiefgarage die Geländeoberfläche nicht unwesentlich überragen. Der Begriff „wesentlich“ ist dabei nicht mit „prozentual mehrheitlich“ gleichzusetzen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen nur geringfügige Niveauüberschreitungen unberücksichtigt bleiben. Die „Beilage ./M“ weist ein Überragen der Geländeoberfläche von rd. 40% aus. Von Geringfügigkeit kann daher keine Rede sein. Die Behörde wäre daher auch unter Zugrundelage der „Beilage ./M“ zu einem gleichlautenden Spruch im Abgabenbescheid gekommen.

Die Kenntnis des genauen Prozentsatzes, zu wie viel Prozent konkret die Anlagen die Geländeoberfläche überragen, führt zu keinem im Spruch anderslautenden Bescheid, da 40% jedenfalls als nicht unwesentlich anzusehen sind.

Zusammengefasst stellt die „Beilage ./M“ kein Beweismittel dar, das im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen ist, es enthält auch keine Tatsachen, die im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und hätte die Kenntnis der „Beilage ./M“ samt ihres Inhaltes keinen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt, sodass eine Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens nicht in Betracht kam.

Die gerichtlich strafbaren Handlungen, von denen § 303 Abs. 1 lit. a BAO die Fälschung einer Urkunde sowie das falsche Zeugnis hervorhebt, müssen nicht durch ein strafgerichtliches Urteil festgestellt sein, aber die objektive und subjektive Tatseite einer gerichtlich strafbaren Tat erfüllen (VwGH 2007/15/0070). Ein „Erschleichen“ eines Bescheides liegt dann vor, wenn dieser in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht werden, und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind (VwGH 88/08/0207). Die Berechnung der gegenständlichen Abgabe erfolgte unter Zugrundelegung der im Akt befindlichen Unterlagen. Objektiv unrichtige Angaben einer Partei von wesentlicher Bedeutung noch dazu mit Irreführungsabsicht sind im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich.

4.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Finanzrecht; Verfahrensrecht; Wiederaufnahme; Wiederaufnahmegrund;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.796.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten