Entscheidungsdatum
04.12.2020Norm
BVergG 2018 §327Spruch
W134 2237183-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Thomas Gruber im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „Bahnsteiganzeiger mit Farbdisplay (PROVIA ID 39610)“, der Auftraggeberinnen Österreichische Bundesbahnen- Holding AG und ÖBB Infrastruktur AG vertreten durch die ÖBB Infrastruktur AG, vertreten durch die vergebende Stelle ÖBB Business Competence Center GmbH, alle vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, aufgrund des Antrages der XXXX , vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP & Co KG, Schottenring 25, 1010 Wien, vom 23.11.2020 „das Bundesverwaltungsgericht möge für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens der Antragsgegnerin die Fortführung des Vergabeverfahrens in eventu den Abschluss der Rahmenvereinbarung in eventu die Erteilung des Zuschlags im Vergabeverfahren „Bahnsteiganzeiger mit Farbdisplay“ untersagen“ folgenden Beschluss:
A)
Der Antrag wird gemäß § 350 BVergG 2018 abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Vorbringen der Parteien:
Mit Schreiben vom 23.11.2020, beim BVwG eingelangt am gleichen Tag nach Ende der Amtsstunden, begehrte die Antragstellerin unter anderem die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 12.11.2020, die Entscheidungen, eine Vergabeplattform zu verwenden, die die Abgabe eines Angebotes ohne qualifizierte elektronische Signatur durch einen ausländischen Bieter ermöglicht und keine Generierung eines Angebotshauptteiles eventuell nur für die Abgabe eines (Zweit)Angebotes durch einen ausländischen Bieter für nichtig zu erklären, die Erlassung der im Spruch genannten einstweiligen Verfügung und den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberinnen.
Begründend wurde von der Antragstellerin im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
Ausgeschrieben sei ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit zwei Unternehmern im Bereich Lieferung und Inbetriebsetzung von doppelseitigen Anzeigegeräten mit Full Colour LED Technologie bestehend insbesondere aus Netzwerkkomponenten und Peripherie Komponenten im Zuge eines Prüfsystems. Die Antragstellerin habe sich im Rahmen dieser Leistungsvergabe in einem ersten Schritt für das Prüfsystem qualifiziert und in Folge in diesem Vergabeverfahren am 02.06.2020 erfolgreich ein Erstangebot abgegeben. Danach sei eine Einladung zu einer (der bisher einzigen) Verhandlungsrunde erfolgt, worauf die Antragstellerin fristgerecht am 10.11.2020 ihr Zweitangebot abgegeben habe. Mit Schreiben vom 12.11.2020 sei die Antragstellerin über die Vergabeplattform Provia darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Auftraggeberinnen sie aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden hätten.
Das Angebot der Antragstellerin sei nach Ansicht der Auftraggeberinnen deshalb auszuscheiden gewesen, weil die qualifizierte elektronische Signatur des Angebots gefehlt habe. Das System von Provia habe keine Fehlermeldung gezeigt. Es habe keine Überprüfungsmöglichkeit der elektronischen Signatur im Falle einer ausländischen elektronischen Signatur gegeben. Das System habe bei der Abgabe des Zweitangebote nicht darauf hingewiesen, dass eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich war und habe den zu signierenden "Angebotshauptteil" nicht generiert. Die Antragstellerin sei daher völlig zu Recht von der Gültigkeit ihres Angebots ausgegangen. Der Antragstellerin sei es de facto wegen eines technischen Fehlers der Vergabeplattform der ÖBB unmöglich gewesen, das Angebotshauptteil qualifiziert elektronisch zu signieren. Außerdem sei keine qualifizierte elektronische Signatur für das Zweitangebot erforderlich gewesen.
Ohne einstweilige Verfügung sei es der Antragsgegnerin möglich, im Vergabeverfahren fortzufahren, weitere Angebote einzuholen, Verhandlungsrunden durchzuführen und in der Folge die Rahmenvereinbarung abzuschließen.
Die Antragstellerin habe ein Interesse am Vertragsabschluss, es drohe ihr ein Schaden und ihre Rechte würden verletzt.
Mit Schreiben der Auftraggeberinnen vom 26.11.2020 und vom 03.12.2020 gaben diese bekannt, dass Auftraggeberinnen die Österreichische Bundesbahnen- Holding Aktiengesellschaft sowie die die ÖBB Infrastruktur AG seien. Bei dem gegenständlichen Vergabeverfahren handle es sich um einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich der im Wege eines Verhandlungsverfahrens im Rahmen eines Prüfsystems mit vorheriger Bekanntmachung als Rahmenvereinbarung nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden solle. Die Bekanntmachung in der EU sei am 15.03.2019 erfolgt. Das Angebot der Antragstellerin sei am 12.11.2020 ausgeschieden worden.
Die Auftraggeberin führte zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus, dass wenn eine Auftraggeberin lediglich eine Ausscheidensentscheidung erlassen habe aufgrund der Judikatur keine unmittelbare Schädigung der Antragstellerin gegeben sei, da der Antragstellerin wie allen anderen im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern auch eine Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, mitgeteilt werden müsse. Es wurde die Ab- in eventu Zurückweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt (schlüssiges Beweismittel)
Die Österreichische Bundesbahnen- Holding Aktiengesellschaft sowie die ÖBB Infrastruktur AG haben einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich der im Wege eines Verhandlungsverfahren im Rahmen eines Prüfsystems mit vorheriger Bekanntmachung als Rahmenvereinbarung nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden soll, ausgeschrieben. Die Bekanntmachung in der EU ist am 15.03.2019 erfolgt. Das Angebot der Antragstellerin ist am 12.11.2020 ausgeschieden worden. (Schreiben der Auftraggeberinnen vom 26.11.2020 und vom 03.12.2020)
Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus der in Klammer genannten Quellen, deren inhaltliche Richtigkeit außer Zweifel steht.
2. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
Gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
Die Antragstellerin hat zur Begründung der einstweiligen Verfügung vorgebracht, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung schon deshalb zwingend notwendig sei, weil insbesondere durch den Abschluss der Rahmenvereinbarung die Antragsgegnerin unumkehrbare Tatsachen schaffen könnte und ihr daher bei Nichterlass erhebliche Schäden und Nachteile entstünden.
Die Antragstellerin übersieht, dass ihr im derzeitigen Stand des Vergabeverfahrens (das Angebot der Antragstellerin wurde ausgeschieden, die Entscheidung iSd §§ 154 Abs 3 bzw. 315 Abs 1 BVergG 2018 mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll (kurz „Auswahlentscheidung“) ist noch nicht ergangen) ein Schaden durch den Abschluss der Rahmenvereinbarung nicht unmittelbar iSd § 350 Abs 1 BVergG 2018 droht. Dies deshalb, weil die Auftraggeberinnen im konkreten Fall gemäß § 154 BVergG einen wirksamen Abschluss der Rahmenvereinbarung nur nach vorheriger Bekanntgabe einer Auswahlentscheidung und Abwarten der entsprechenden Stillhaltefrist gem. §§ 154 Abs 4 bzw. 315 Abs 2 BVergG 2018 erteilen kann. Die Antragstellerin ist nämlich wegen der rechtzeitigen Anfechtung der Ausscheidensentscheidung als ein "nicht berücksichtigter Bieter" iSd §§ 154 Abs 3 bzw. 315 Abs 1 BVergG 2018 anzusehen, weshalb ihr eine Auswahlentscheidung bekannt zu geben ist (vgl EB 1171 der Beilagen XXII. GP 85). Sollte die Auftraggeberin in der Folge tatsächlich eine Auswahlentscheidung bekannt geben, steht der Antragstellerin jedenfalls die Möglichkeit offen, einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu stellen. Deshalb ist im konkreten Fall derzeit eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Ausschreibung entstandene oder sonstige unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin, die iSd § 350 Abs 1 BVergG 2018 zu beseitigen oder zu verhindern wäre, nicht ersichtlich. (siehe auch G. Gruber / Th. Gruber in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006 §328 Rz 33 mwN)
Über den Antrag auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden werden.
B) Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch ist die Rechtslage eindeutig und es sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.
Schlagworte
Ausscheidensentscheidung einstweilige Verfügung Lieferauftrag Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren Provisorialverfahren Rahmenvereinbarung Schaden unmittelbar drohende Schädigung Unterfertigung Untersagung der Zuschlagserteilung Unterschrift Vergabeverfahren VerhandlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W134.2237183.1.00Im RIS seit
15.02.2021Zuletzt aktualisiert am
15.02.2021