Entscheidungsdatum
09.12.2020Norm
AlVG §17Spruch
W216 2235061-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende sowie die fachkundige Laienrichterin Karin ZEISEL und den fachkundigen Laienrichter Dr. Kurt SCHEBESTA als Beisitzer aufgrund des Vorlageantrages über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Baden vom 16.06.2020, nach Beschwerdevorentscheidung vom 07.08.2020, GZ XXXX , betreffend die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin Notstandshilfe ab dem 09.06.2020 gebührt, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Baden (im Folgenden: AMS oder belangte Behörde) vom 16.06.2020 wurde auf Grund der Eingabe der Beschwerdeführerin festgestellt, dass ihr Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 und gemäß § 58 in Verbindung mit den §§ 44 und 46 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr.609/1977, in geltender Fassung, ab dem 09.06.2020 gebührt. Begründend führte das AMS nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen aus, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Notstandshilfe mit 09.06.2020 gestellt habe.
2. Mit Schreiben vom 21.07.2020 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid das Rechtmittel der Beschwerde, welches sie am 21.07.2020 persönlich beim AMS eingebrachte. Begründend führte die Beschwerdeführerin darin im Wesentlichen aus, dass sie am 24.03.2020 mit der Rettung zu einem Corona-Test und nach diesem sofort wieder nach Hause gebracht worden sei. Weshalb eine Meldung beim AMS über einen Krankenhausaufenthalt eingegangen sei, könne sie nicht sagen. Sie sei weder im Krankenstand noch im Krankenhaus gewesen. Sie ersuche, die Notstandshilfe für März, April, Mai und bis 08.06.2020 zu überweisen.
3. Mit Schreiben vom 24.07.2020 ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin – unter Fristsetzung – Nachweise über eine eventuelle Ortsabwesenheit (Auslandsaufenthalte) bei der Post im Zeitraum vom 16.06.2020 bis zum 20.07.2020 zu übermitteln und wiesen die Beschwerdeführerin darauf hin, dass bei Nichtvorlage von Nachweisen angenommen werde, dass keine Ortsabwesenheiten vorlagen und nach Aktenlage entschieden werde.
4. Am 29.07.2020 brachte die Beschwerdeführerin eine Kopie der einzelnen Seiten ihres serbischen Reisepasses persönlich beim AMS ein.
5. Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS als belangte Behörde am 07.08.2020 gemäß §§ 7 Abs. 4 erster Satz und 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde vom 21.07.2020 gegen den Bescheid des AMS vom 16.06.2020 als verspätet zurückgewiesen wurde.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid vom 16.06.2020 über die Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde binnen vier Wochen nach Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides belehrt worden sei. Der Bescheid vom 16.06.2020 sei im Sinne der Bestimmung des § 26 Abs. 2 iVm § 3 Zustellgesetz mit 19.06.2020 (Freitag) als zugestellt anzusehen. Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG betrage die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen Bescheide einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Bundesverfassungsgesetz), zu welcher auch das Arbeitsmarktservice zähle, vier Wochen. In diesen Fällen beginne die Frist mit dem Tag der Zustellung. Abwesenheit von der Abgabestelle liege laut Verfahrensunterlagen zum Zeitpunkt der Erstellung und Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides nicht vor, sodass der Zeitpunkt der Zustellung mit 19.06.2020 (Freitag) festgestellt werde. Die Beschwerdefrist habe gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG nach vier Wochen ab Zustellung am 17.07.2020 (Freitag) geendet. Die eingebrachte Beschwerde vom 21.07.2020 sei von der Beschwerdeführerin jedoch erst am 21.07.2020 persönlich bei der Regionalen Geschäftsstelle eingebracht worden, sodass diese als verspätet eingebracht zurückzuweisen gewesen sei.
6. Am 20.08.2020 brachte die Beschwerdeführerin persönlich beim AMS ein mit 19.08.2020 datiertes Schreiben ein, in dem sie ersucht, "den Fall nochmals zu prüfen".
7. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 14.09.2020 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes ausreichend durchgeführt. Auf dieser Grundlage werden folgende Feststellungen getroffen und der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt:
Mit Bescheid des AMS vom 16.06.2020 wurde auf Grund der Eingabe der Beschwerdeführerin festgestellt, dass ihr Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 und gemäß § 58 in Verbindung mit den §§ 44 und 46 AlVG, in geltender Fassung, ab dem 09.06.2020 gebührt.
Dieser Bescheid wurde seitens des AMS am 16.06.2020 elektronisch abgefertigt und an die Übermittlungsstelle geleitet. Die Zustellung erfolgte ohne Zustellnachweis. Die Zustellung des angefochtenen Bescheides gilt als am Freitag, dem 19.06.2019, bewirkt.
Die Frist zur Einbringung einer Beschwerde beträgt vier Wochen und begann mit Zustellung des angefochtenen Bescheides am Freitag, dem 19.06.2020, zu laufen und endete am Freitag, dem 17.07.2020.
Die Beschwerde, datiert mit 21.07.2020, wurde am 21.07.2020 von der Beschwerdeführerin persönlich beim AMS eingebracht.
Die Beschwerde wurde verspätet eingebracht.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Beschwerdeführerin hat im gesamten Verfahren kein substantiiertes Vorbringen erstattet, das am Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung des angefochtenen Bescheides zweifeln ließe. Die Beschwerdeführerin führte in ihrem Vorlageantrag lediglich wörtlich aus: "Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 07.08.2020 teile ich ihnen mit, dass ich dieses Formular, welches sie schreiben, dass ich es am 19.06.2020 erhalten habe, nicht der Richtigkeit entspricht." Sie erstattete jedoch kein Vorbringen dahingehend, an welchem anderen Tag sie den Bescheid erhalten hat bzw. lässt sie jegliche Gründe dafür vermissen, aus denen sich eine Rechtzeitigkeit der Beschwerde ergeben könnte. Die Beschwerdeführerin behauptete somit auch nicht, dass sie den angefochtenen Bescheid gar nicht oder später als am 19.06.2020 erhalten hat und legte auch keinerlei Beweismittel vor.
Die Datierung der Beschwerde und der Zeitpunkt ihres Einlangens beim AMS ergeben sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Beschwerde. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin nie behauptet, dass die Beschwerde zu einem früheren Zeitpunkt beim AMS eingelangt wäre.
Es ist somit der belangten Behörde – unter Zugrundelegung des festgestellten unzweifelhaften Sachverhaltes – nicht entgegenzutreten, wenn sie unter Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des AVG, VwGVG und des ZustG davon ausgeht, dass der angefochtene Bescheid des AMS vom 16.06.2020 der Beschwerdeführerin am 19.06.2020 zugegangen ist, die Beschwerdefrist an diesem Tag begonnen und – nach vier Wochen – am 17.07.2020 geendet hat und die von der Beschwerdeführerin eingebrachte – mit 21.07.2020 datierte und am 21.07.2020 von ihr persönlich beim AMS eingebrachte – Beschwerde somit verspätet war.
Hinsichtlich der Bestimmung des Fristenlaufs für die Einbringung der Beschwerde wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.
Gemäß § 7 BVwGG bestehen die Senate aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Ist in Materiengesetzen die Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung vorgesehen, sind diese anstelle der Mitglieder nach Maßgabe der Geschäftsverteilung als Beisitzer heranzuziehen.
In der gegenständlichen Rechtssache obliegt somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Senat.
3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Beschwerdegegenstand:
Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden. Abweichend dazu normiert § 56 Abs. 2 AlVG in Verfahren betreffend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung eine Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung von zehn Wochen.
Vorliegend hat die Beschwerdeführerin mit am 21.07.2020 eingebrachter Eingabe Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 16.06.2020 erhoben. Dem AMS stand es somit grundsätzlich gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 AlVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zehn Wochen mittels Beschwerdevorentscheidung aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 07.08.2020 innerhalb der zehnwöchigen Frist erlassen wurde.
Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Insoweit der Vorlageantrag ein zur ursprünglichen Beschwerde konkretisiertes Vorbringen enthält, stellt dies eine Erweiterung der ursprünglichen Beschwerde dar (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3, wonach aus der Regelung des § 15 VwGVG geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann).
3.4. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts:
§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“
Gegenstand des Verfahrens des Bundesverwaltungsgerichtes ist die Beschwerde vom 21.07.2020 gegen den Ausgangsbescheid des AMS vom 16.06.2020. Dieser ist Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht (s. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026). Ist die Beschwerde nicht zulässig, so ist sie vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichtes an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, dies mit der Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheides festgestellt wird (vgl. auch dazu VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, mit Hinweis auf VwGH 26.06.2014, Ro 2014/10/0068).
Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Der vorliegend relevante Abs. 1 dieser Bestimmung lautet wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.“
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:
3.5. Die Bescheidbeschwerde ist schriftlich (in Form eines Schriftsatzes) bei der belangten Behörde einzubringen (§ 12 VwGVG).
Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebende Bestimmung des VwGVG lautet:
„Beschwerderecht und Beschwerdefrist
§ 7. (1) Gegen Verfahrensanordnungen im Verwaltungsverfahren ist eine abgesonderte Beschwerde nicht zulässig. Sie können erst in der Beschwerde gegen den die Sache erledigenden Bescheid angefochten werden.
(2) Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
(3) Ist der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden, kann die Beschwerde bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Beschwerdeführer von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.
(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt
1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,
2. - 5. (…)“
Im vorliegenden Fall wurde in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides vom 16.06.2020 zutreffend darauf hingewiesen, dass gegen den Bescheid binnen vier Wochen nach Zustellung schriftlich Beschwerde bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle eingebracht werden kann. Die Rechtsmittelbelehrung entspricht auch sonst den Anforderungen des § 61 Abs. 1 AVG.
Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebende Bestimmung des § 32 Abs. 2 AVG lautet:
„5. Abschnitt: Fristen
§ 32. (2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.“
Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (33 Abs. 2 AVG).
Bei der Frist zur Einbringung der Beschwerde handelt es sich um eine durch Gesetz festgesetzte Frist, die nicht verlängerbar ist (§ 33 Abs. 4 AVG). Sie ist eine prozessuale (formelle) Frist, sodass die Tage des Postenlaufes nicht einzurechnen sind (§ 33 Abs. 3 AVG).
Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen (§ 13 Abs. 1 ZustG).
Gemäß § 26 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG) gilt eine Zustellung (ohne Zustellnachweis) als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
3.6. Im vorliegenden Fall wurde der angefochtene Bescheid am 16.06.2020 von der belangten Behörde elektronisch abgefertigt und an die Übermittlungsstelle geleitet. Davon ausgehend gilt die Zustellung im gegenständlichen Falls als am Freitag, dem 19.06.2020, bewirkt. Die gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG vierwöchige Beschwerdefrist endete daher mit Ablauf des 17.07.2020.
Die von der Beschwerdeführerin am 21.07.2020 beim AMS persönlich eingebrachte, mit 21.07.2020 datierte, Beschwerde ist somit verspätet eingebracht worden.
3.7. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verspätung der Beschwerdeeinbringung in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigen (vgl. VwGH 20.02.2014, 2013/07/0237).
Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge hat vor einer Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung entweder von Amts wegen überprüft zu werden, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder es ist der Partei die Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten. Wird ohne vorangegangenen Vorhalt von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen, ist das Risiko einer Entscheidungsbehebung zu tragen (vgl. VwGH 11.03.2016, Ra 2015/06/0088 mwN).
Ausweislich des Verwaltungsaktes wurde die Beschwerdeführerin vor Zurückweisung der Beschwerde mit Schreiben der belangten Behörde vom 24.07.2020 ersucht, Nachweise über eine eventuelle Ortsabwesenheit (Auslandsaufenthalte) bei der Post im Zeitraum vom 16.06.2020 bis 20.07.2020 zu übermitteln und wurde die Beschwerdeführerin unter einem darauf hingewiesen, dass bei Nichtvorlage von Nachweisen angenommen werde, dass keine Ortsabwesenheiten vorlägen und nach Aktenlage entschieden werde. Die Beschwerdeführerin wurde in diesem Schreiben jedoch nicht auf die Verspätung ihres Rechtsmittels hingewiesen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 276 BAO alt (idF vor BGBl. I Nr. 14/2013) können die in einer Berufungsvorentscheidung erstmals getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, denen der Abgabepflichtige nicht entgegentritt, als richtig angesehen werden, weil einer Berufungsvorentscheidung auch die Wirkung eines Vorhaltes zukommt. Im Hinblick auf die Wirkung der Berufungsvorentscheidung als Vorhalt ist es demnach Sache der Partei, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen auseinander zu setzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen (vgl. etwa VwGH 23.05.1996, 94/15/0024; 28.05.2008, 2006/15/0125, je mwH).
Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist diese Rechtsprechung auf Beschwerdevorentscheidungen iSd § 14 VwGVG (hier: iVm § 56 Abs. 2 AlVG) insofern übertragbar, als auch ihnen die Wirkung eines Vorhaltes zukommt.
Mit der Begründung der Beschwerdevorentscheidung wurde der Beschwerdeführerin die Versäumung der Rechtsmittelfrist jedenfalls vorgehalten.
Nachdem sie mit der Verspätung der von ihr eingebrachten Beschwerde konfrontiert wurde, erstattete die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag kein substantiiertes Vorbringen zur behaupteten Rechtzeitigkeit der Beschwerde. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin vom 19.08.2020 sind nicht geeignet, die gesetzliche Zustellfiktion des § 26 Abs. 2 ZustG zu entkräften. Weder vermochte die Beschwerdeführerin konkret anzugeben und zu belegen, wann ihr der angefochtene Bescheid – abweichend von der gesetzlichen Zustellfiktion – tatsächlich zugestellt worden wäre, noch tätigte sie ein konkretes Beweisanbot zum Beleg einer allfällig später erfolgten Zustellung des angefochtenen Bescheides. Das unkonkret gehaltene Vorbringen, das sich offenkundig nicht auf den gegenständlich angefochtenen Bescheid, mit dem ihr Antrag auf Notstandshilfe vom 09.06.2020 ohnedies stattgegeben wurde, bezieht, gibt keine Auskunft über einen von der gesetzlichen Zustellfiktion abweichenden konkreten Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides des AMS und ermöglicht keine zuverlässige Beurteilung dahingehend, dass die Beschwerde allenfalls fristgerecht eingebracht wurde. Es liegen daher keine Zweifel vor, die es erforderlich machen würden, von der gesetzlichen Fiktion der Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan abzuweichen.
Eine Abfrage des Zentralen Melderegisters durch das Bundesverwaltungsgericht am 15.09.2020 ergab, dass eine Adressänderung der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Zeitraum nicht erfolgt ist. Eine solche wurde seitens der Beschwerdeführerin ohnedies nicht behauptet. Eine Ortsabwesenheit im fraglichen Zeitraum ist von der Beschwerdeführerin ebenso zu keiner Zeit behauptet worden, so auch nicht im Vorlageantrag, und geht auch nicht aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Kopie ihres Reisepasses hervor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen ist dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Verspätung verwehrt (vgl. VwGH 16.11.2005, 2004/08/0117).
3.8. Im vorliegenden Beschwerdefall konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG entfallen, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu insbesondere Pkt. II.3.). Die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen ist nicht revisibel und kommt einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (VwGH 07.03.2017, Ro 2014/04/0066, mwN). Darüber hinaus hing die Entscheidung über die Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde lediglich von bereits ausjudizierten – nicht übermäßig komplexen – Rechtsfragen ab.
Schlagworte
Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W216.2235061.1.00Im RIS seit
15.02.2021Zuletzt aktualisiert am
15.02.2021