TE Bvwg Beschluss 2020/12/9 W216 2234978-1

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Veröffentlicht am 09.12.2020
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Entscheidungsdatum

09.12.2020

Norm

AlVG §10
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs4

Spruch


W216 2234978-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende sowie die fachkundige Laienrichterin Karin ZEISEL und den fachkundigen Laienrichter Dr. Kurt SCHEBESTA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße vom 19.06.2020, nach Beschwerdevorentscheidung vom 20.08.2020, GZ XXXX , betreffend den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 09.06.2020 bis zum 20.07.2020 gemäß § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße (im Folgenden: AMS) vom 19.06.2020 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (im Folgenden: AlVG) idgF für den Zeitraum vom 09.06.2020 bis zum 20.07.2020 verloren habe.

Begründend führte das AMS nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen aus, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass der Beschwerdeführer das Zustandekommen einer vom AMS zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung bei der Firma XXXX vereitelt habe, indem er sich nicht beworben habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen lägen nicht vor bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

2. Mit Eingabe vom 12.08.2020 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid postalisch das Rechtmittel der Beschwerde, welches am 13.08.2020 in der Poststelle des AMS einlangte. Der Beschwerdeführer gab darin an, dass ihm der angefochtene Bescheid am 19.06.2020 zugestellt worden sei. Das Rechtsmittel begründend führte er im Wesentlichen aus, dass der angefochtene Bescheid für ihn rechtswidrig sei, weil er keinen wie immer gearteten Sanktionsgrund gesetzt bzw. durchgehend alle Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt bzw. die Leistung nicht in der gesetzlichen Höhe ausbezahlt erhalten habe.

3. Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS als belangte Behörde am 20.08.2020 gemäß §§ 7 Abs. 4 erster Satz und 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde vom 12.08.2020 gegen den Bescheid des AMS vom 19.06.2020 als verspätet zurückgewiesen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid am 19.06.2020 ausgefertigt und dem Beschwerdeführer per Post zugestellt worden sei. Den Erhalt des Bescheides habe der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde mit dem Datum 19.06.2020 bestätigt und somit den fristgerechten Erhalt auch nicht bestritten. Da dem Beschwerdeführer der verfahrensgegenständliche Bescheid am 19.06.2020 zugestellt worden sei und er die Beschwerde am 13.08.2020 eingebracht habe, sei das Rechtsmittel verspätet, da der Fristenlauf am Freitag, den 19.06.2020 begonnen und demzufolge vier Wochen später, nämlich am Freitag, den 17.07.2020, geendet habe. Gemäß § 33 Abs.1 AVG würden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert. Die am 13.08.2020 eingebrachte Beschwerde sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

4. Mit Eingabe vom 30.08.2020 – Postaufgabedatum: 04.09.2020 – brachte der Beschwerdeführer – fristgerecht – ein als Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu deutendes Schreiben beim AMS ein. Er hielt darin unter anderem fest, mit dem potentiellen Arbeitgeber, einem Taxiunternehmen, telefoniert zu haben, da man für "Taxi-Jobs" keine Bewerbung schreibe, sondern anrufe. Der potentielle Arbeitgeber habe ein Funk-Taxi, der Beschwerdeführer fahre jedoch kein Funk-Taxi. Weiters äußerte der Beschwerdeführer in seinem Schreiben seinen Unmut über seinen AMS-Berater. Er habe "mit zwei Arbeitern" kommuniziert und sich beraten lassen.

5. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 11.09.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes ausreichend durchgeführt. Auf dieser Grundlage werden folgende Feststellungen getroffen und der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt:

Mit Bescheid des AMS vom 19.06.2020 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten das Zustandekommen einer vom AMS vermittelten, zumutbaren Beschäftigung als Taxichauffeur bei einer näher bezeichneten GmbH vereitelt habe, da er sich nicht beworben habe. Aus diesem Grund wurde ihm für die Zeit vom 09.06.2020 bis zum 20.07.2020 der Anspruch auf Arbeitslosengeld aberkannt.

Dieser Bescheid wurde seitens des AMS am 19.06.2020 elektronisch abgefertigt und an die Übermittlungsstelle geleitet. Die Zustellung erfolgte ohne Zustellnachweis. Die Zustellung des angefochtenen Bescheides gilt mit (spätestens) Mittwoch, dem 24.06.2019, als bewirkt.

Die Frist zur Einbringung einer Beschwerde beträgt vier Wochen und begann mit Zustellung des angefochtenen Bescheides am Mittwoch, dem 24.06.2019, zu laufen und endete am Mittwoch, dem 22.07.2020.

Die Beschwerde, datiert mit 12.08.2020, langte am 13.08.2020 in der Poststelle des AMS ein.

Die Beschwerde wurde verspätet eingebracht.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren kein substantiiertes Vorbringen erstattet, das am Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung des angefochtenen Bescheides zweifeln ließe. Vielmehr führte er in seiner Beschwerde selbst dezidiert an, den angefochtenen Bescheid am 19.06.2020 erhalten zu haben. Da der Bescheid jedoch nachweislich der Aktenlage seitens des AMS am Tag der Bescheiderlassung, dem 19.06.2020, elektronisch abgefertigt und an die Übermittlungsstelle geleitet wurde, ist – abweichend von den Angaben des Beschwerdeführers – davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Bescheid vom 19.06.2020 noch nicht an diesem Tag erhalten hat, sondern – ausgehend von der gesetzlichen Zustellfiktion des § 26 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG) – am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan, somit am 24.06.2020. Der Beschwerdeführer lässt darüber hinaus in seinem Vorbringen auch jegliche Gründe dafür vermissen, aus denen sich eine Rechtzeitigkeit der Beschwerde ergeben könnte. Der Beschwerdeführer behauptete somit auch nicht, dass er den angefochtenen Bescheid gar nicht oder später als an dem von ihm selbst angegebenen Datum, dem 19.06.2020, erhalten hat und legte auch keinerlei Beweismittel vor.

Die Datierung der Beschwerde und der Zeitpunkt ihres Einlangens beim AMS ergeben sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Beschwerde. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer auch nie behauptet, dass die Beschwerde zu einem früheren Zeitpunkt beim AMS eingelangt wäre.

Es ist somit der belangten Behörde – unter Zugrundelegung des festgestellten unzweifelhaften Sachverhaltes – nicht entgegenzutreten, wenn sie unter Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des AVG, VwGVG und des ZustG davon ausgeht, dass die mit 12.08.2020 datierte und am 13.08.2020 in der Poststelle des AMS eingelangte Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des AMS vom 19.06.2020 verspätet war.

Hinsichtlich der Bestimmung des Fristenlaufs für die Einbringung der Beschwerde wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 7 BVwGG bestehen die Senate aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Ist in Materiengesetzen die Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung vorgesehen, sind diese anstelle der Mitglieder nach Maßgabe der Geschäftsverteilung als Beisitzer heranzuziehen.

In der gegenständlichen Rechtssache obliegt somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Senat.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Beschwerdegegenstand:

Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden. Abweichend dazu normiert § 56 Abs. 2 AlVG in Verfahren betreffend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung eine Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung von zehn Wochen.

Vorliegend hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12.08.2020 Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 19.06.2020 erhoben. Dem AMS stand es somit grundsätzlich gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 AlVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zehn Wochen mittels Beschwerdevorentscheidung aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 20.08.2020 innerhalb der zehnwöchigen Frist erlassen wurde.

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Insoweit der Vorlageantrag ein zur ursprünglichen Beschwerde konkretisiertes Vorbringen enthält, stellt dies eine Erweiterung der ursprünglichen Beschwerde dar (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3, wonach aus der Regelung des § 15 VwGVG geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann).

3.4. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

Gegenstand des Verfahrens des Bundesverwaltungsgerichtes ist die Beschwerde vom 12.08.2020 gegen den Ausgangsbescheid des AMS vom 19.06.2020. Dieser ist Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht (s. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026). Ist die Beschwerde nicht zulässig, so ist sie vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichtes an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, dies mit der Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheides festgestellt wird (vgl. auch dazu VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, mit Hinweis auf VwGH 26.06.2014, Ro 2014/10/0068).

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Der vorliegend relevante Abs. 1 dieser Bestimmung lautet wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.“

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

3.5. Die Bescheidbeschwerde ist schriftlich (in Form eines Schriftsatzes) bei der belangten Behörde einzubringen (§ 12 VwGVG).

Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebende Bestimmung des VwGVG lautet:

„Beschwerderecht und Beschwerdefrist

§ 7. (1) Gegen Verfahrensanordnungen im Verwaltungsverfahren ist eine abgesonderte Beschwerde nicht zulässig. Sie können erst in der Beschwerde gegen den die Sache erledigenden Bescheid angefochten werden.

(2) Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

(3) Ist der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden, kann die Beschwerde bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Beschwerdeführer von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,

2. - 5. (…)“

Im vorliegenden Fall wurde in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides vom 19.06.2020 zutreffend darauf hingewiesen, dass gegen den Bescheid binnen vier Wochen nach Zustellung schriftlich Beschwerde bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle eingebracht werden kann. Die Rechtsmittelbelehrung entspricht auch sonst den Anforderungen des § 61 Abs. 1 AVG.

Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebende Bestimmung des § 32 Abs. 2 AVG lautet:

„5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.“

Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (33 Abs. 2 AVG).

Bei der Frist zur Einbringung der Beschwerde handelt es sich um eine durch Gesetz festgesetzte Frist, die nicht verlängerbar ist (§ 33 Abs. 4 AVG). Sie ist eine prozessuale (formelle) Frist, sodass die Tage des Postenlaufes nicht einzurechnen sind (§ 33 Abs. 3 AVG).

Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen (§ 13 Abs. 1 ZustG).

Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt eine Zustellung (ohne Zustellnachweis) als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Im vorliegenden Fall wurde der angefochtene Bescheid am 19.06.2020 von der belangten Behörde elektronisch abgefertigt und an die Übermittlungsstelle geleitet. Davon ausgehend gilt die Zustellung im gegenständlichen Falls als am Mittwoch, dem 24.06.2020, bewirkt. Die gemäß § 7 Abs 4 VwGVG vierwöchige Beschwerdefrist endete daher mit Ablauf des 22.07.2020.

Die, mit 12.08.2020 datierte und am 13.08.2020 beim AMS eingelangte, Beschwerde ist somit verspätet eingebracht worden.

3.6. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verspätung der Beschwerdeeinbringung in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigen (vgl. VwGH 20.02.2014, 2013/07/0237).

Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge hat vor einer Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung entweder von Amts wegen überprüft zu werden, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder es ist der Partei die Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten. Wird ohne vorangegangenen Vorhalt von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen, ist das Risiko einer Entscheidungsbehebung zu tragen (vgl. VwGH 11.03.2016, Ra 2015/06/0088 mwN).

Ausweislich des Verwaltungsaktes wurde der Beschwerdeführer nicht auf die Verspätung seines Rechtsmittels hingewiesen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 276 BAO alt (idF vor BGBl. I Nr. 14/2013) können die in einer Berufungsvorentscheidung erstmals getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, denen der Abgabepflichtige nicht entgegentritt, als richtig angesehen werden, weil einer Berufungsvorentscheidung auch die Wirkung eines Vorhaltes zukommt. Im Hinblick auf die Wirkung der Berufungsvorentscheidung als Vorhalt ist es demnach Sache der Partei, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen auseinander zu setzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen (vgl. etwa VwGH 23.05.1996, 94/15/0024; 28.05.2008, 2006/15/0125, je mwH).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist diese Rechtsprechung auf Beschwerdevorentscheidungen iSd § 14 VwGVG (hier: iVm § 56 Abs. 2 AlVG) insofern übertragbar, als auch ihnen die Wirkung eines Vorhaltes zukommt.

Mit der Begründung der Beschwerdevorentscheidung wurde dem Beschwerdeführer die Versäumung der Rechtsmittelfrist jedenfalls vorgehalten.

Nachdem er mit der Verspätung der von ihm eingebrachten Beschwerde konfrontiert wurde, erstattete der Beschwerdeführer im Vorlageantrag kein substantiiertes Vorbringen zur behaupteten Rechtzeitigkeit der Beschwerde. Weder behauptet der Beschwerdeführer, sich bei dem von ihm selbst angegebenen Zustelldatum, nämlich dem 19.06.2020, geirrt zu haben, noch sind die Ausführungen des Beschwerdeführers geeignet, die gesetzliche Zustellfiktion des § 26 Abs. 2 ZustG zu entkräften. Das unkonkret gehaltene Vorbringen, das sich offenkundig lediglich auf den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bezieht, gibt weder eine Auskunft über eine erfolgte Falschangabe durch den Beschwerdeführer selbst noch einen von der gesetzlichen Zustellfiktion abweichenden konkreten Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides des AMS und ermöglicht keine zuverlässige Beurteilung dahingehend, dass die Beschwerde allenfalls fristgerecht eingebracht wurde. Es liegen daher keine Zweifel vor, die es erforderlich machen würden, von der gesetzlichen Fiktion der Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan abzuweichen. Die vom Beschwerdeführer eingebrachte Beschwerde gestaltet sich somit – ausgehend von den Angaben des Beschwerdeführers selbst, den angefochtenen Bescheid vom 19.06.2020 schon am selben Tag erhalten zu haben, als auch ausgehend von der gesetzlichen Zustellfiktion, nach der der Bescheid des AMS vom 19.06.2020 dem Beschwerdeführer am 24.06.2020 zugestellt wurde – als verspätet.

Eine Abfrage des Zentralen Melderegisters durch das Bundesverwaltungsgericht am 14.09.2020 ergab, dass eine Adressänderung des Beschwerdeführers im gegenständlichen Zeitraum nicht erfolgt ist. Eine solche wurde seitens des Beschwerdeführers ohnedies nicht behauptet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen ist dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Verspätung verwehrt (vgl. VwGH 16.11.2005, 2004/08/0117).

3.7. Im vorliegenden Beschwerdefall konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG entfallen, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu insbesondere Pkt. II.3.). Die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen ist nicht revisibel und kommt einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (VwGH 07.03.2017, Ro 2014/04/0066, mwN). Darüber hinaus hing die Entscheidung über die Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde lediglich von bereits ausjudizierten – nicht übermäßig komplexen – Rechtsfragen ab.

Schlagworte

Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W216.2234978.1.00

Im RIS seit

15.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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