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L9200 Sozialhilfe, Grundsicherung, MindestsicherungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im AnlassfallSpruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Oberösterreich ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerdeführerin, die mit ihrem Lebensgefährten (der sich im Asylverfahren befindet) und ihrem Sohn im gemeinsamen Haushalt lebt, stellte am 6. Februar 2019 einen Antrag auf Erteilung von Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes.
1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 19. Februar 2019 wurde der Beschwerdeführerin ab 1. April 2019 befristet bis 30. November 2020 Mindestsicherung für sie und ihren minderjährigen Sohn nach §1 Abs1 Z3 lita und Z5 lita Oö. Mindestsicherungsverordnung (im Folgenden: Oö. BMSV) zuerkannt. Nach erhobener Beschwerde änderte die Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom 13. März 2019 den Bescheid insoweit ab, als die Leistungen ab 1. März 2019 zuerkannt wurden.
1.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wies mit Erkenntnis vom 17. Juni 2019 die Beschwerde als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung. Der Beschwerdeführerin sei der Mindeststandard für "Mitbewohner" (volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben) nach §1 Abs1 Z3 lita Oö. BMSV und nicht für "Alleinstehende" nach Z1 leg.cit. zu gewähren: Es bestehe eine Wohn- bzw Wirtschaftsgemeinschaft, wodurch sich Synergieeffekte ergeben würden, auch wenn der Lebensgefährte keinen Anspruch auf Mindestsicherung habe oder keine finanziellen Beiträge leiste bzw leisten könne.
2. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungs-gesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
3. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 Z2 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit von §1 Abs1 Z3 lita Oö. BMSV, LGBl 75/2011 idF LGBl 89/2016, ein. Mit Erkenntnis vom 21. September 2020, V341/2020, hob er den Betrag "€ 649,10" in §1 Abs1 Z3 lita Oö. BMSV als gesetzwidrig auf.
4. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat somit eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.
Die Beschwerdeführerin wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlassfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E2959.2019Zuletzt aktualisiert am
15.02.2021