RS Vfgh 2020/9/21 E738/2020

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Veröffentlicht am 21.09.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

EMRK Art8 Abs2
AsylG 2005 §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch eine Rückkehrentscheidung betreffend einen Staatsangehörigen der Russischen Föderation; mangelhafte Interessenabwägung zur Auswirkung der Aufenthaltsbeendigung auf die Fortsetzung des Familienlebens mit der Ehefrau sowie auf die Beziehung mit der minderjährigen Tochter in Österreich

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) führt aus, dass einer Fortsetzung des Familienlebens im gemeinsamen Herkunftsland - wenngleich mit einer gewissen Härte verbunden - keine unüberwindbaren Hindernisse entgegenstehen würden. Selbst für den Fall der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsland wäre es dem Beschwerdeführer immer noch zuzumuten, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens die Beziehung zwischenzeitlich über Besuche, Telekommunikation bzw elektronische Medien und Treffen in Drittländern aufrechtzuerhalten. Dabei lässt das BVwG zum einen den Aufenthaltsstatus der Ehefrau, die in Österreich asylberechtigt ist, außer Betracht; daran ändert auch die Befragung in der mündlichen Verhandlung nichts, ob die Ehefrau abgesehen von den Problemen bei einer neuen Existenzgründung und dass ihr der Asylstatus genommen werden könnte, wenn sie in die Russische Föderation zurückkehren würde, noch andere Probleme im Herkunftsland hätte. Zum anderen widerspricht es der stRsp des VfGH anzunehmen, der Kontakt könne mit einem Kind im Alter von vier Jahren bloß über Telekommunikation bzw elektronische Medien aufrechterhalten werden.

In der rechtlichen Beurteilung zur Rückkehrentscheidung hält das BVwG weiters fest, das Familienleben des Beschwerdeführers sei zu einem Zeitpunkt eingegangen worden, in welchem der Beschwerdeführer noch nicht einmal über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügt habe und sich bewusst sein hätte müssen, dass er in Österreich über keinen Aufenthaltsstatus verfügt habe und die Erlangung eines solchen auch keinesfalls gewiss gewesen sei. Das BVwG unterlässt eine konkrete Auseinandersetzung sowohl mit der Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Kind als auch mit dem Kindeswohl der Tochter. Damit lässt es die konkrete Lebenssituation wie zB gemeinsamer Haushalt, Intensität der Beziehung, Betreuung des Kindes, Alter und Bedürfnisse des Kindes etc sowie die Auswirkungen auf das Kindeswohl außer Acht. Das BVwG kommt somit der grundrechtlichen Verpflichtung nicht nach, die Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auf die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Tochter und das Kindeswohl zu ermitteln.

Vor dem Hintergrund seiner Feststellungen zum Sachverhalt hätte das BVwG eingehend begründen müssen, weshalb die aufenthaltsbeendende Maßnahme gegenüber dem Beschwerdeführer und die damit verbundene Trennung von seinem Kind im öffentlichen Interesse geboten ist. Damit hat das BVwG einen wesentlichen Gesichtspunkt des konkreten Sachverhaltes, nämlich die Auswirkungen der Aufenthaltsbeendigung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers - insbesondere die Beziehung zu seinem minderjährigen Kind - sowie das Kindeswohl dieses Kindes vollständig außer Acht gelassen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Privat- und Familienleben, Rückkehrentscheidung, Entscheidungsbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E738.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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