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Naturschutz Landschaftsschutz UmweltschutzNorm
NatSchG Tir 1975 §13 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Waldner und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kirchner, über die Beschwerde des AS in H, vertreten durch Dr. Richard Larcher, Rechtsanwalt in Innsbruck, Schmerlingstraße 2/1, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 15. April 1988, Zl. U-11.076/16, betreffend Versagung einer naturschutzbehördlichen Ausnahmebewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens (Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, Einholung mehrerer Sachverständigengutachten und Stellungnahmen) wies die Tiroler Landesregierung (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 15. April 1988 den Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 16. April 1987 auf Errichtung einer Hofstelle auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück 4942, KG S, unter Spruchpunkt I nur insoweit ist dieser Bescheid hier von Belang - gemäß § 6 Abs. 3 lit. a und Abs. 5 i.V.m. § 13 Abs. 1 und 3 Tiroler Naturschutzgesetz, LGBl. Nr. 15/1975 (NSchG), ab.
Die belangte Behörde begründete ihre abweisliche Entscheidung unter Bezugnahme auf die im Verfahren erstatteten Sachverständigengutachten - zusammengefaßt - damit, daß eine Verwirklichung des Vorhabens des Beschwerdeführers die Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes, den Erholungswert der Landschaft und schließlich auch die Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen im Sinne des § 13 Abs. 1 lit. a NSchG beeinträchtigen würde und daher eine Bewilligung nach dieser Bestimmung nicht zulässig sei. Im Rahmen der anschließend daran vorgenommenen Beurteilung nach § 13 Abs. 1 lit. b leg. cit. kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß öffentliche Interessen im Sinne dieser Gesetzesstelle an der Erteilung der beantragten Bewilligung nicht vorlägen; die besagte Hofstelle sei lediglich im privaten Interesse des Beschwerdeführers gelegen. Da somit keine der Voraussetzungen für ihre Erteilung vorgelegen sei, habe die Bewilligung versagt werden müssen.
2. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid „in seinem aus den §§ 6 Abs. 3 lit. a, 17 lit. a des Tiroler Naturschutzgesetzes erfließenden Recht auf Feststellung, daß die antragsgegenständliche Errichtung einer landwirtschaftlichen Hofstelle auf Gp 4942, KG S keiner naturschutzrechtlichen (Ausnahme-)Bewilligung bedarf, in eventu in seinem Recht auf Erteilung der beantragten Bewilligung verletzt“. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß Abs. 3 lit. a des mit „Schutz der Gewässer und ihrer Uferbereiche“ überschriebenen § 6 NSchG ist im Bereich eines 500 Meter breiten, vom Ufer landeinwärts zu rechnenden Geländestreifens der im Abs. 1 bezeichneten stehenden Gewässer (darunter fallen u.a. solche mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m2) verboten die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen. Nach § 6 Abs. 5 NSchG gilt für die Entscheidung über ein Ansuchen um die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von den Verboten des Abs. 1, 2, 3 und 4 der § 13; die Entscheidung obliegt der Landesregierung. § 13 Abs. 1 leg. cit. normiert, daß eine Bewilligung, die u.a. in einer Bestimmung dieses Abschnittes (d.i. des 2. Abschnittes „Landschaftsschutz“) vorgesehen ist - mit einer hier nicht interessierenden Ausnahme -, bei Vorliegen der Voraussetzungen der lit. a oder der lit. b zu erteilen ist. Nach § 13 Abs. 3 leg. cit. ist eine Bewilligung zu versagen, wenn keine der Voraussetzungen für ihre Erteilung vorliegt.
§ 17 lit. a NSchG sieht vor, daß Bewilligungspflichten und Verbote, die u.a. in einer Bestimmung dieses Abschnittes (d.i. des 2. Abschnittes) festgesetzt sind, nicht gelten für Maßnahmen im Rahmen der üblichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, ausgenommen Maßnahmen nach § 6 Abs. 1 lit. e und nach § 6 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 lit. e und f.
2.1. Nach Meinung der Beschwerde haftet dem im Umfang des Spruchpunktes I bekämpften Bescheid - der Verfahrenskosten und Sachverständigengebühren betreffende Spruchpunkt II ist, wie dem Beschwerdepunkt und der Beschwerdebegründung zweifelsfrei zu entnehmen ist, nicht Gegenstand der Anfechtung - inhaltliche Rechtswidrigkeit deshalb an, weil die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung vom Verbot des § 6 Abs. 3 lit. a NSchG ungeachtet dessen abgewiesen habe, daß die geplante Hofstelle der Ausübung der Landwirtschaft diene und sich im Rahmen der üblichen landwirtschaftlichen Nutzung halte. Richtigerweise hätte die belangte Behörde über den Antrag des Beschwerdeführers dahingehend absprechen müssen, daß bescheidmäßig festgestellt werde, daß es der beantragten Ausnahmebewilligung gemäß § 17 lit. a NSchG nicht bedürfe.
2.2. Es trifft zu, daß sich im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen zur Frage einer allfälligen „üblichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung“ und (folgerichtig) auch keine Ausführungen darüber finden, daß und weshalb in Ansehung des Vorhabens des Beschwerdeführers eine Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 17 lit. a NSchG nicht in Betracht komme. Insoweit liegt ein Begründungsmangel vor. Allerdings ist dieser Mangel nicht wesentlich in dem Sinne, daß die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Dies aus folgenden Erwägungen:
Nach der Begriffsbestimmung des § 3 lit. b NSchG ist übliche land- und forstwirtschaftliche Nutzung die Hervorbringung und Gewinnung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte unter Anwendung der nach dem jeweiligen Stand der Technik und der Betriebswirtschaft gebräuchlichen Verfahren. Schon nach dem Wortlaut dieser Begriffsumschreibung hat der Verwaltungsgerichtshof keine Zweifel daran, daß eine Maßnahme wie die Errichtung einer Hofstelle (Stall, Stadel) nicht eine übliche land- und forstwirtschaftliche Nutzung darstellt. Die Errichtung einer baulichen Anlage der bezeichneten Art mag zwar der Landwirtschaft (im Beschwerdefall behauptetermaßen der Viehhaltung) dienen, ist aber selbst (unmittelbar) nicht landwirtschaftliche Nutzung, kann doch diese Maßnahme keineswegs als „Hervorbringung und Gewinnung landwirtschaftlicher Erzeugnisse“ unter Anwendung bestimmter Verfahren qualifiziert werden. Dieses Ergebnis einer Wortinterpretation findet - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - eine Stütze in den Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf betreffend ein Tiroler Naturschutzgesetz. So wird zu der (im Entwurf in § 2 enthaltenen) Begriffsumschreibung der „üblichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung“ ausdrücklich festgehalten (S. 9), daß die „Errichtung von Wegen und baulichen Anlagen .... jedenfalls nicht darunter(fällt)“.
Da somit die belangte Behörde auch dann, wenn sie sich in der Begründung des bekämpften Bescheides mit der Frage des allfälligen Vorliegens des Ausnahmetatbestandes des § 17 lit. a NSchG befaßt hätte, nicht zu einem anderen (auch nicht dem vom Beschwerdeführer angenommenen) Ergebnis kommen hätte können, führt das aufgezeigte Versäumnis die Beschwerde nicht zum Erfolg.
3.1. Im Hinblick auf die - so die Beschwerde - sich aus den Verboten des § 6 NSchG ergebenden schwerwiegenden Eigentumsbeschränkungen müsse einer „Verwaltungsentscheidung“, die sich auf § 6 leg. cit. stütze und eine derartige Eigentumsbeschränkung verfüge, bei verfassungskonformer Auslegung dieser Bestimmung auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung eine Prüfung dahingehend vorangehen, ob dem betroffenen Grundeigentümer (hier: dem Beschwerdeführer) die mit der Eigentumsbeschränkung verbundene vermögensmäßige Belastung wirtschaftlich zumutbar sei. Die belangte Behörde hätte demnach ihr Ermittlungsverfahren auf die „Beurteilung der Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der ausgesprochenen Eigentumsbeschränkung für den Beschwerdeführer erstrecken müssen“. Da sie diese Zumutbarkeitsprüfung unterlassen habe, sei der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben.
3.2. Im Beschwerdefall kann die Frage, ob eine Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der mit einer auf dem Tiroler Naturschutzgesetz basierenden Eigentumsbeschränkung verbundenen vermögensmäßigen Belastung des jeweils betroffenen Grundeigentümers (hier: des Beschwerdeführers) auch ohne ausdrückliche (einfach)gesetzliche Anordnung im Hinblick auf das Gebot verfassungskonformer Auslegung des § 6 NSchG geboten ist, auf sich beruhen. Die Tatsache, daß die belangte Behörde vorliegendenfalls nicht eine Zumutbarkeitsprüfung der vom Beschwerdeführer geforderten Art vorgenommen hat, vermag nämlich schon deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel zu begründen, weil der Beschwerdeführer in keiner Phase des Verwaltungsverfahrens - im übrigen nicht einmal in der Beschwerde - auch nur behauptet, geschweige denn konkret dargetan hat, daß ihm die mit einer bescheidmäßigen Versagung der von ihm beantragten Bewilligung verbundene Eigentumsbeschränkung wirtschaftlich unzumutbar sei.
4. Da nach dem Gesagten der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid (Spruchpunkt I) nicht in den vom Beschwerdepunkt (oben 1.2.) umfaßten Rechten verletzt worden ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 21. November 1988
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1988:1988100099.X00Im RIS seit
15.02.2021Zuletzt aktualisiert am
15.02.2021