Index
27 RechtspflegeNorm
RAO §2 Abs1Leitsatz
Keine Bedenken gegen §2 Abs1 RAO. Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung des Antrags auf Anrechnung der Tätigkeit als Juristin in der Rechtsabteilung eines Großunternehmens als praktische Verwendung gem. §2 Abs1 RAO.Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Schreiben vom 12. Mai 1993 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, bescheidmäßig festzustellen, daß ihre Berufstätigkeit vom 15. Oktober 1989 bis 30. September 1992 als Juristin in der Rechtsabteilung der "V GmbH" in Linz als praktische Verwendung gemäß §2 RAO anzurechnen ist.
2. Mit Bescheid vom 21. Juni 1993 gab der Ausschuß der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer diesem Antrag keine Folge. Begründet wurde dies damit, daß die Aufzählung jener Tätigkeiten, welche die als Vorbereitung für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft geforderte praktische Verwendung erfüllen, nach dem eindeutigen Wortlaut des §2 RAO eine taxative sei und keine extensive Auslegung zulasse.
3. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 25. Oktober 1993 keine Folge gegeben. Dies wurde im wesentlichen wie folgt begründet:
"Das Begehren scheitert insgesamt schon daran, daß die Tätigkeit als angestellte Juristin in der Rechtsabteilung eines Großunternehmens keine solche ist, die der Aufzählung in §2 Abs1 zweiter Halbsatz RAO entspricht. Da die in Rede stehende Tätigkeit nicht kraft Gesetzes als für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung anerkannt wird, kommt es darauf, ob sie für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist, nicht an."
4.1. Dagegen wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Anträge gestellt werden, der Verfassungsgerichtshof möge "den angefochtenen Bescheid wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte oder wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als verfassungswidrig aufheben, und die OBDK in den Kostenersatz verfällen, wobei im Sinne des §27 letzter Satz VerfGG Kostenzuspruch für alle regelmäßig anfallenden Kosten, zuzüglich USt, begehrt wird".
4.2. Die OBDK als belangte Behörde hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
5. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
5.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §2 Abs1 RAO idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 474/1990. Diese Bestimmung sowie deren Abs2 und 3 idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 176/1992 lauten:
"§2. (1) Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außerdem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einem Notar oder, wenn die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist, bei einer Verwaltungsbehörde, an einer Hochschule oder bei einem beeideten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwalt gleichzuhalten. Die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird.
(2) Die praktische Verwendung im Sinn des Abs1 hat fünf Jahre zu dauern. Hievon sind im Inland mindestens neun Monate bei Gericht und mindestens drei Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen.
(3) Auf die Dauer der praktischen Verwendung, die nicht zwingend bei Gericht oder einem Rechtsanwalt im Inland zu verbringen ist, sind auch anzurechnen:
1. Zeiten des Doktoratsstudiums bis zum Höchstausmaß von sechs Monaten, wenn an einer inländischen Universität der akademische Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften erlangt wurde;
2. eine im Sinn des Abs1 gleichartige praktische Verwendung im Ausland, wenn diese Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich gewesen ist."
5.2. In der Beschwerde wird im wesentlichen ausgeführt:
"Auch wenn der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und nur auf den Regelfall abstellen kann, sodaß Härtefälle, die entstehen, das Gesetz nicht gleichheitswidrig machen, erlaubt es weder die Verwaltungsökonomie, noch eine Durchschnittsbetrachtung, eine Regelung als gleichheitskonform zu werten, wenn sie zu - unsachlichen - Härten nicht nur aufgrund einer besonderen Fallgestaltung führt, sondern dies das zwangsläufige Ergebnis der Gesetzeshandhabung sein wird.
Gerade dies trifft im gegenständlichen Fall zu.
Die entscheidende Behörde beruft sich auf §2 Abs1 1. Satz RAO, welcher eine taxative Aufzählung von für die Rechtsanwaltsanwärtertätigkeit anrechenbaren Tätigkeiten beinhaltet.
Diese Bestimmung verstößt jedoch gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art2 StGG und Art7 B-VG) sowie gegen das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit (Art6 Abs1 StGG).
Die taxativ aufgezählten beruflichen Tätigkeiten werden willkürlich gegenüber rechtsberuflichen Tätigkeiten, die der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gleich dienlich oder sogar dienlicher sind, bevorzugt.
Es kann nicht behauptet werden, daß die zitierte Bestimmung lediglich in Ausnahmefällen zu unbilligen Ergebnissen führt.
Insbesondere die Einschränkung auf Tätigkeiten bei Verwaltungsbehörden und bei beeideten Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern bedeutet nicht nur eine Überbewertung des Verwaltungsrechtes sowie des Steuerrechtes gegenüber anderen Rechtsbereichen, sondern auch eine sachlich nicht gerechtfertigte Einschränkung auf meist hochspezialisierte Organisationseinheiten mit vielfach wenig abwechslungsreichen Arbeitsabläufen.
...
Im Sinne des öffentlichen Interesses und somit einer optimalen Ausbildungsqualität wäre, Berufserfahrung aus anderen Bereichen, selbstverständlich unter dem Vorzeichen, daß diese dem Rechtsanwaltsberuf dienlich sind, möglichst in großem Umfang dem Anwaltsberuf zugänglich zu machen.
Vielmehr wäre sachgerechterweise in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Tätigkeit in einem Rechtsbereich der Ausbildung dienlich ist oder nicht.
Sollten diese Argumente für ein Gesetzesprüfungsverfahren durch den Verfassungsgerichtshof nicht für ausreichend erachtet werden, so wären sie zumindest im Rahmen der verfassungskonformen Interpretation von §2 Abs1 1. Satz RAO zu berücksichtigen."
5.3. Der Verfassungsgerichtshof kann sich diesen Ausführungen nicht anschließen:
5.3.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte schon bislang gegen §2 Abs1 RAO - der im Zusammenhalt mit den Abs2 und 3 dieser Vorschrift anordnet, daß angehende Rechtsanwälte Rechtskenntnisse und sonst für den Beruf des Rechtsanwaltes erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten vornehmlich bei einem inländischen Rechtsanwalt und bei Gericht zu erwerben haben, wobei in eingeschränktem Maße eine Ausbildung in anderen Berufen für zulässig erklärt wird - keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg. 12337/1990, 12670/1991 und 13560/1993) und sieht sich auch durch das Beschwerdevorbringen nicht veranlaßt, in eine Prüfung der genannten Rechtsvorschrift einzutreten.
5.3.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschrift kann eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 12670/1991) nur vorliegen, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat; eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit der Erwerbsbetätigung läge diesfalls nur vor, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte (vgl. VfSlg. 12700/1991). Dies ist bei der gegebenen Sach- und Rechtslage jedoch offenbar nicht der Fall. Ob die Behörde richtig entschieden hat, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.
5.3.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlage ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Berufsrecht RechtsanwälteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B68.1994Dokumentnummer
JFT_10049075_94B00068_00