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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs6aBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des A N, vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2020, Zl. W240 2130373-2/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) in der Sache den mittlerweile zweiten Antrag des Revisionswerbers, eines somalischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vom 17. Juni 2020 gemäß § 4a AsylG 2005 zurück, weil ihm bereits in Italien der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei; gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass sich der Revisionswerber nach Italien zurückzubegeben habe, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, ordnete die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG an, stellte fest, dass die Abschiebung nach Italien zulässig sei, und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 20.12.2019, Ra 2019/01/0431-0433, mwN).
6 Werden Verfahrensmängel - wie hier Begründungs- und Ermittlungsmängel wegen unterbliebener Vernehmung einer Zeugin - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, mwN). Im Fall einer unterbliebenen Vernehmung ist - um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen - in der Revision konkret auszuführen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen oder zusätzlichen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 1.10.2020, Ra 2020/20/0332, Rn. 10, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihren pauschalen, nicht näher konkretisierten Ausführungen nicht gerecht.
7 Sofern die Revision eine Verletzung der Verhandlungspflicht rügt, vermag sie nicht konkret aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht von den Leitlinien der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren nach der Sonderbestimmung des § 21 Abs. 6a BFA-VG, wonach das Verwaltungsgericht unter anderem über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann, abgewichen wäre. Dem Zulässigkeitsvorbringen, wonach im Hinblick auf die Abwägung nach Art. 8 EMRK sich das Verwaltungsgericht einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen hätte müssen, ist zwar insofern zuzustimmen, als bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer Verhandlung in Verfahren besondere Bedeutung zukommt. Daraus ist aber noch keine „absolute“ (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. etwa VwGH 18.6.2020, Ra 2020/01/0162, Rn. 10; 15.4.2020, Ra 2020/20/0114, Rn. 11, mwN). Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht nicht von einem solchen eindeutigen Fall hätte ausgehen dürfen und somit vorliegend besondere Umstände vorlägen, in Anbetracht derer trotz Anwendbarkeit des § 21 Abs. 6a BFA-VG vom Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen wäre (vgl. etwa VwGH 14.12.2018, Ra 2017/01/0169, Rn. 16, mwN).
8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. für viele VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, mwN).
9 Eine unvertretbare Interessenabwägung durch das Verwaltungsgericht tut die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen nicht dar. Insbesondere tritt sie der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass es zu keiner dauerhaften Trennung des Revisionswerbers von seinen Familienangehörigen kommen würde und der Revisionswerber von Anfang an die Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den „Familiennachzug“ umgangen habe (vgl. VwGH 24.9.2019, Ra 2019/20/0446, mwN), nicht entgegen.
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 11. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020010473.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021