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32/02 Steuern vom Einkommen und ErtragNorm
EStG 1988 §25Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Kirchdorf Perg Steyr in 4400 Steyr, Handel-Mazzetti-Promenade 14, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 23. September 2019, Zl. RV/5100836/2018, betreffend Einkommensteuer 2016 (mitbeteiligte Partei: F H in B, vertreten durch Mag. Martina Schmolz, Steuerberaterin in 4303 St. Pantaleon-Erla, Aichbergstraße 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte war - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - seit 1. Mai 2015 in Österreich als Regional-Verkaufsleiter für ein in Deutschland ansässiges Unternehmen beruflich tätig. Er erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; diese wurden im Hinblick auf die in Österreich gelegene Betriebsstätte iSd § 81 EStG 1988 des Arbeitgebers der Lohnsteuer unterzogen. Das räumliche Einsatzgebiet der in der Vermittlung von Produkten innerhalb eines ihm vorgegebenen Kundenkreises bestehenden und überwiegend im Außendienst (Kundenbesuche) ausgeübten Tätigkeit lag ausschließlich in Österreich und umfasste das (gesamte) Bundesland Oberösterreich sowie Teile des Bundeslandes Salzburg. Daneben führte die mitbeteiligte Partei vertretungs- bzw. fallweise auch Kundenbesuche in an Oberösterreich angrenzenden Bezirken von Niederösterreich durch.
2 Laut dem mit seinem Arbeitgeber abgeschlossenen Dienstvertrag erhielt der Mitbeteiligte neben einem sich nach dem österreichischen Kollektivvertrag richtenden Grundgehalt eine pauschale Spesenvergütung für alle geschäftsnotwendigen Ausgaben von monatlich 750 € sowie, solange ihm - wie im verfahrensgegenständlichen Veranlagungsjahr 2016 - kein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt werde, eine zusätzliche pauschale Spesenvergütung für fahrzeugbezogene, aus der Verwendung des Privat-PKW entstehende Kosten von monatlich 1.000 €. Gemäß Dienstvertrag behielt der Arbeitgeber für die Spesenvergütungen bei der monatlichen Gehaltsabrechnung sämtliche Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ein und sollte der Mitbeteiligte für eine allfällige Anerkennung dieser Leistungen als steuerfreier Aufwandsersatz selbst Sorge tragen.
3 Im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit unternahm der Mitbeteiligte im Jahr 2016 regelmäßig (und zwar an 208 von 224 Arbeitstagen) mit seinem Privat-PKW von seinem Wohnort aus ganztägige, zwischen 8 und 13 Stunden dauernde Fahrten für Kundenbesuche. Zudem fuhr er an insgesamt 8 Tagen zu nicht kundenbezogenen, vom Arbeitgeber veranstalteten oder anberaumten firmeninternen, in verschiedenen inländischen Gemeinden stattfindenden Treffen (Dienstbesprechungen und Schulungen). Des Weiteren besuchte er zweimal im Zuge von mehrtägigen Reisen den deutschen Firmensitz des Arbeitgebers, wobei diese Reisen nicht mit dem Privat-PKW erfolgten.
4 Am 22. Februar 2017 reichte der Mitbeteiligte eine elektronische Arbeitnehmerveranlagung für 2016 ein und begehrte u.a. unter Vorlage eines Fahrtenbuches beruflich veranlasste Reisekosten iHv 18.077,10 € als Werbungskosten, wobei sich diese aus Kilometergeld von 12.600 € (30.000 km x 0,42 €) und Tagesgelder von 5.477,10 € zusammensetzten.
5 Mit Bescheid vom 11. Mai 2017 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2016 abweichend von der Steuererklärung des Mitbeteiligten fest und ging dabei u.a. von nicht vom Arbeitgeber berücksichtigten Werbungskosten betreffend Reise von 13.669,70 € (km-Geld von 12.600,00 € zuzüglich Mehraufwendungen für Verpflegung in Form von Tagesgeldern von 1.069,70 €) aus.
6 In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Mitbeteiligte zu der vorgenommenen Kürzung der Tagesgelder vor, dass er als nichtselbständig Tätiger dem (österreichischen) Kollektivvertrag für Handelsangestellte (KVH) unterliege, der eine dezidierte Reisekostenregelung enthalte und eine lohngestaltende Vorschrift iSd § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 darstelle. Daher komme die aus § 26 Z 4 EStG 1988 abgeleitete Regelung, wonach die Begründung eines neuen bzw. weiteren Tätigkeitsmittelpunktes (steuerfreie) Tagesgelder ausschließen bzw. einschränken könne, nicht zur Anwendung. Da sein Arbeitgeber bei der Lohnabrechnung nicht zwischen laufendem (steuerpflichtigen) Arbeitslohn und (steuerfreien) Tagesgeldern und Reisekosten unterschieden, sondern das gesamte ihm ausbezahlte Monatsgehalt als lohnsteuerpflichtig behandelt habe, bleibe ihm nur die Möglichkeit, die zustehenden steuerfreien Reisekosten (als Werbungskosten) im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung geltend zu machen. Würde ihm eine entsprechende Steuerfreiheit der Spesenvergütung verweigert, so führe dies zu einer Schlechterstellung gegenüber anderen, bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigten, ebenfalls dem KVH unterliegenden Handelsangestellten, die ihre Reisekosten steuerfrei von ihrem Arbeitgeber erhielten.
7 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12. April 2018 gab das Finanzamt der Beschwerde - in nicht revisionsgegenständlicher Hinsicht - teilweise Folge, änderte den angefochtenen Bescheid betreffend der zuerkannten Tagesgelder von 1.069,70 € jedoch nicht ab. Begründend führte es aus, die vom Mitbeteiligten laut Dienstvertrag bereisten Bundesländer Salzburg und Oberösterreich seien jeweils als ein einheitliches Zielgebiet einzustufen, sodass jeweils nur für die ersten 15 Fahrten dorthin Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 (Mehraufwendungen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen) zu gewähren seien. Zur geltend gemachten Steuerfreiheit der erhaltenen Reiseaufwandsentschädigungen iSd § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 sei darauf zu verweisen, dass es im Fall eines ausländischen, nicht den Bestimmungen der § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 EStG 1988 unterliegenden Arbeitgebers entweder einer zwingenden ausländischen lohngestaltenden Vorschrift oder aber einer entsprechenden innerbetrieblichen Vereinbarung bedürfe. Da derartiges nicht vorliege bzw. nicht nachgewiesen worden sei, sei eine Steuerfreiheit gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 bereits zu versagen.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde aufgrund des vom Mitbeteiligten erhobenen Vorlageantrags teilweise Folge und änderte die Einkommensteuerfestsetzung - auch hinsichtlich der Tagesgelder - ab. Begründend führte es aus, vor einer Prüfung des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 sei vorrangig eine Überprüfung dahingehend geboten, ob bzw. inwieweit es sich bei den vom Mitbeteiligten beantragten Tagesgeldern um nicht steuerbare Reisevergütungen nach § 26 Z 4 EStG 1988 handle.
9 Im Unterschied zu dem weitgehend von der Judikatur entwickelten bzw. geprägten Begriff einer beruflich veranlassten Reise nach § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 gebe es den Begriff der sowohl ein Dienstverhältnis nach § 47 Abs. 1 bzw. § 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 als auch einen dienstlichen Auftrag erfordernden Dienstreise aus § 26 Z 4 EStG 1988. Demzufolge liege eine Dienstreise vor, wenn ein Arbeitnehmer (über entsprechenden Auftrag des Arbeitgebers) entweder seinen Dienstort (Büro oder Betriebsstätte) zwecks Dienstverrichtung(en) verlasse oder so weit weg von seinem ständigen Wohnort arbeite, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen Wohnort nicht zumutbar sei, wobei im Fall von vom Wohnort aus angetretenen Dienstreisen der Wohnort an die Stelle des Dienstortes trete. Eine solche Dienstreise liege auch dann vor, wenn ein Außendienstmitarbeiter von seiner als Arbeitsstätte anzusehenden Wohnung nur gelegentlich den Firmensitz des Arbeitgebers aufsuche oder zwecks (angeordneter) Teilnahme an Dienstbesprechungen oder Schulungen seinen Dienst- bzw. Wohnort verlasse. Ein Dienstort sei jener Einsatzort (bzw. jene Einsatzstelle), an dem (der) sich der regelmäßige Mittelpunkt des tatsächlichen dienstlichen Tätigwerdens des Arbeitnehmers befinde. Dies könne bei Teleworkern, die ihre Arbeit ausschließlich zu Hause verrichteten, oder bei sowohl Innen- als auch Außendienst verrichtenden Arbeitnehmern, die über keinen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber verfügten, wahlweise der Wohnort oder der Ort des jeweiligen Außendienstes sein.
10 Begründe ein ständig wechselnde Einsatzorte aufsuchender Arbeitnehmer durch einen mehr als fünf Tage andauernden (dienstlichen) Aufenthalt an einem Einsatzort (sog. Anlaufphase) einen neuen bzw. weiteren Mittelpunkt seiner Tätigkeit, so liege danach eine Dienstreise dorthin nicht mehr vor, weil ein längerer Aufenthalt an ein und demselben Ort es dem Steuerpflichtigen ermögliche, sich über die Verpflegungsmöglichkeiten am jeweiligen Einsatzort entsprechend zu informieren und so einen über den privat veranlassten Verpflegungsaufwand hinausgehenden Mehraufwand zu vermeiden. Grundsätzlich komme als Einsatzort die besuchte politische Gemeinde bzw. bei ständig wechselnden Einsatzorten, aber regelmäßig bzw. wiederkehrend bereisten Einsatzgebieten auch ein größeres, sich auf einen politischen Bezirk und allenfalls die daran angrenzenden Bezirke erstreckendes Gebiet, nicht jedoch ein ganzes Bundesland als einheitlicher Tätigkeitsmittelpunkt in Frage. Dabei sei eine einmal im Vorjahr begonnene Anlaufphase grundsätzlich auch im nächsten Jahr fortzuführen bzw. eine bereits (im Vorjahr vollständig) durchlaufene Anlaufphase auch für das Folgejahr zu berücksichtigen.
11 Den Tatbeständen des § 26 Z 4 EStG 1988 sei - im Unterschied zu § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 - gemein, dass allenfalls für das einzelne Dienstverhältnis (zwingend) zur Anwendung gelangende lohngestaltende Vorschriften (z.B. Branchen-Kollektivverträge) den Begriff einer Dienstreise nicht (mehr) anders festlegen könnten (Hinweis auf VwGH 27.1.2011, 2010/15/0168, mwN).
12 Da der Mitbeteiligte seit Beginn seiner Tätigkeit seine Dienstreisen zu Kundenbesuchen in wechselnde Einsatzorte innerhalb der vorgegebenen Gebiete jeweils von seinem Wohnort aus unternommen habe, stellten die dabei aufgesuchten politischen Bezirke jeweils ein einheitliches Einsatzgebiet dar, wobei ein innerhalb der Grenzen eines Bezirkes gelegener weiterer politischer Bezirk und der dieses Gebiet vollständig umschließende Bezirk (so z. B. die Bezirke Salzburg-Stadt und Salzburg-Umgebung bzw. Wels-Stadt und Wels-Land) als ein einheitliches Einsatzgebiet anzusehen seien. Für die weiteren, nicht kundenbezogenen Dienstreisen (zwecks Teilnahme an firmeninternen Schulungen bzw. Besprechungen) seien hingegen die jeweils bei der Reise aufgesuchten (politischen) Gemeinden als Einsatzort(e) heranzuziehen.
13 Ausgehend von der beruflich bedingten Reisetätigkeit des Mitbeteiligten, zu der der Abgabenbehörde entsprechende Fahrtaufzeichnungen vorgelegt worden seien, ergäben sich nach den genannten Grundsätzen unter Einbeziehung begründeter weiterer Tätigkeitsmittelpunkte (nach näherer Aufstellung des BFG) für das Jahr 2016 im Rahmen der erhaltenen Pauschalvergütungen nicht steuerbare Tagesgelder von 507,20 € für Dienstreisen iSd § 26 Z 4 EStG 1988.
14 Soweit einer Anerkennung (nicht steuerbarer) Tagesgelder iSd § 26 Z 4 EStG 1988 die Judikatur entgegenzustehen scheine, wonach bei Pauschalzahlungen eines Arbeitgebers - selbst wenn die Zahlungen (teilweise) die in § 26 EStG 1988 genannten Zwecke verfolgten - stets von (steuerbarem) Arbeitslohn iSd § 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 auszugehen sei (Hinweis auf VwGH 21.11.1990, 87/13/0090) und derartige Zahlungen auch nicht (nachträglich im Zuge einer Arbeitnehmerveranlagung) herausgeschält werden könnten (Hinweis auf VwGH 19.9.1989, 89/14/0121), sei zunächst darauf hinzuweisen, dass sämtliche Reisevergütungen innerhalb der vom Arbeitgeber gewährten monatlichen Pauschalvergütungsbeträge gelegen seien. Darüber hinaus seien für jede einzelne der Dienstreisen vom Mitbeteiligten nachträgliche, zeitnahe (bereits im Mai 2017 vorgelegte) Aufzeichnungen beigebracht worden, aus denen Datum, Dauer, Strecke, Ziel und Zweck der jeweiligen Reisebewegung zu ersehen gewesen seien, womit ein zu Kontrollzwecken ausreichender Nachweis (dem Grunde nach) erbracht sei (Hinweise auf VwGH 20.06.2000, 98/15/0068; VwGH 22.04.1992, 87/14/0192; 30.01.2003, 99/15/0215; 31.03.2011, 2008/15/0322, und VwGH 27.06.2018, Ra 2017/15/0043).
15 § 3 Abs. 1 Z 16b EStG (idF BGBl I 45/2007) betreffend Steuerfreiheit von Diäten (Tagesgelder) als Reiseaufwandsentschädigungen sei am 1. Jänner 2008 in Kraft getreten und stelle die „Nachfolgeregelung“ für die vom Verfassungsgerichtshof am 22. Juni 2006, G 147/05, mit Wirkung vom 31. Dezember 2007, aufgehobene Bestimmung des § 26 Z 4 Satz 4 EStG 1988 dar, die die Anwendung abweichender (weiterer) Dienstreisebegriffe aus lohngestaltenden Regelung zugelassen habe. Die neue Bestimmung sehe für bestimmte Tätigkeitsfelder eine Steuerfreiheit von Tages- und Nächtigungsgeldern für nicht nach § 26 Z 4 EStG 1988 vom Arbeitgeber gewährte Reisekostenersätze vor, wenn eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu deren Zahlung aufgrund lohngestaltender Vorschriften bestehe. Die gesetzgeberischen Absicht habe darin bestanden, nach der Aufhebung von § 26 Z 4 Satz 4 EStG 1988 für diesen Bereich eine weitgehend inhaltsgleiche Regelung zu schaffen, um erhebliche Nettolohneinbußen bzw. Mehrbelastungen im Personalaufwand zu verhindern (Hinweis auf die Begründung des Initiativantrages, IA 220/A, 23. GP, S 4, sowie auf VfGH 18.2.2016, E 31/2015-4).
16 § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 sehe dazu u. a. für Außendiensttätigkeiten sowie (nach Ansicht der Finanzverwaltung allerdings subsidiär bzw. nur in Fällen einer Innendiensttätigkeit) für vorübergehende Tätigkeiten an einem Einsatzort in einer anderen politischen Gemeinde (zum Beispiel zu Ausbildungs- oder Schulungszwecken) eine Steuerfreiheit von vom Arbeitgeber nach (ihn verpflichtenden) lohngestaltenden Vorschriften gewährten Tagesgelder vor. Dadurch könnten die für eine Dienstreise iSd § 26 Z 4 EStG 1988 geltenden Einschränkungen (Begrenzung auf fünf Tage bei Begründung eines neuen Tätigkeitsmittelpunktes bzw. - bei Reisen nach dem zweiten Teilstrich des § 26 Z 4 - auf fünf Monate) im Endeffekt (wiederum) eine Steuerfreiheit entsprechend gewährter Reiseaufwandsentschädigungen nach sich ziehen.
17 Kollektivverträge (§ 68 Abs. 5 Z 5 EStG 1988) stellten solche lohngestaltende Vorschriften dar. Der im Anlassfall aufgrund § 7 AVRAG auf das Arbeitsverhältnis des Mitbeteiligten (unmittelbar) zur Anwendung gelangende Kollektivvertrag für Handelsangestellte 2016 sehe in Abschnitt XVI Z 1 einen, von § 26 Z 4 EStG 1988 insofern abweichenden Dienstreisebegriff vor, als grundsätzlich nur auf ein über dienstlichen Auftrag erfolgtes Verlassen des Dienst- bzw. Wohnortes abgestellt werde, wenn - außerhalb des Gemeindegebietes von Wien - der besuchte Ort mehr als 12 km vom Dienstort entfernt liege. Folglich führe jeder entsprechende Ortswechsel, unabhängig davon, ob durch die Dienstreise(n) ein neuer Tätigkeitsmittelpunkt begründet werde, zu einer mit dem Verlassen des Dienst- bzw. Wohnortes beginnenden und mit der Rückkehr dorthin endenden Dienstreise, die eine Reisaufwandsentschädigung nach sich ziehe. Diese beinhalte ein Tagesgeld zur Bestreitung des reisebedingten Mehraufwandes für Verpflegung und gebühre bei Dienstreisen von mehr als drei Stunden. Sie betrage, entsprechend § 26 Z 4 lit. b EStG 1988, 26,40 € bzw. je ein Zwölftel des vollen Tagesgeldes pro angefangener Stunde. Fielen jedoch in einem Kalendermonat an mehr als zwölf Kalendertagen Dienstreisen von jeweils mehr als drei Stunden an, so reduziere sich das dafür zu gewährende Tagesgeld auf 14,40 € bzw. auf ein Zwölftel von 14,40 € je angefangener Stunde.
18 Da der ausländische Arbeitgeber des Mitbeteiligten durch § 7 AVRAG zur Anwendung der in einem (österreichischen) Kollektivvertrag vorgesehenen Regelungen betreffend Taggeldern verpflichtet gewesen sei, ergäben sich ausgehend von der nachgewiesenen Reisetätigkeit des Mitbeteiligten aus den besuchten Einsatzgebieten bzw. Einsatzorten für das Jahr 2016 im Rahmen der gewährten Pauschalvergütungen des Arbeitgebers steuerfreie Reisaufwandsentschädigungen von 4.249 €. Hinsichtlich einer allfälligen Schädlichkeit gewährter Pauschalzahlungen sei wiederum darauf zu verweisen, dass der Mitbeteiligte im Zuge des Abgabenverfahrens die jeweils dienstlich veranlassten und tatsächlich durchgeführten Dienstreisen iSd kollektivvertraglichen Regelungen durch entsprechende, zeitnahe und vollständige Aufzeichnungen hinreichend nachgewiesen habe.
19 Damit seien Tagesgelder mit einem Gesamtbetrag von 4.756,20 € (507,20 € als nicht steuerbare Einkünfte nach § 26 Z 4 EStG 1988 und 4.249 € als steuerfreie Einkünfte nach § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988) bei der Einkommensteuerfestsetzung zu berücksichtigen gewesen.
20 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Amtsrevision. Zu deren Zulässigkeit macht das revisionswerbende Finanzamt geltend, das BFG sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, wonach aus einer dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber als Ersatz für die aus Dienstreisen erwachsenden Auslagen gewährten Pauschalvergütung nicht nachträglich ein Teil dieser Pauschalvergütung § 26 Z 4 EStG 1988 oder § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 subsumiert werden könne. Daher sei es unzulässig, nachträglich nicht steuerbare Tagesgelder gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 oder steuerfreie Reisekostenersätze gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 aus der Gesamtvergütung herauszurechnen (Hinweis auf VwGH 19.9.1989, 89/13/0121, sowie 27.11.2017, Ra 2015/15/0026). Vielmehr könnten Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer anlässlich einer Dienstreise tatsächlich erwachsen seien, nur im Rahmen der Bestimmungen für Werbungskosten (§ 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988) geltend gemacht werden.
21 Der Mitbeteiligte erstattete - nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof - eine Revisionsbeantwortung.
22 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
23 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
24 Gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 gehören ua Beträge, die „aus Anlass einer Dienstreise“ als Tagesgelder gezahlt werden, nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
25 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt für alle in § 26 EStG 1988 angeführten nicht steuerbaren Arbeitgeberleistungen der Grundsatz, dass darüber einzeln abgerechnet werden muss. In diesem Sinn hat der Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass für die Anwendbarkeit von § 26 Z 4 EStG 1988 jedenfalls der Nachweis jeder einzelnen Dienstreise dem Grunde nach durch entsprechende Belege gegenüber dem Arbeitgeber zu erbringen ist (vgl. etwa VwGH 27.11.2017, Ra 2015/15/0026; 30.1.2003, 99/15/0215). Ein Nachweis dem Grunde nach erfordert, dass im Einzelnen eine Dienstreise nach der Definition des § 26 Z 4 EStG 1988 vorliegt und die für diese Reise vom Arbeitgeber gewährten pauschalen Tagesgelder die gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 je nach Dauer der Dienstreise bemessenen Tagesgelder nicht überschreiten. Die betreffende Leistung des Arbeitgebers gilt als Ersatz konkreter Aufwendungen für eine bestimmte Dienstreise. Eine solche Konkretisierung hat bereits der Leistung des Arbeitgebers für jede einzelne Dienstreise zugrunde zu liegen (vgl. VwGH 27.11.2017, Ra 2015/15/0026, mwN).
26 Gewährte Tagesgelder fallen also nur dann unter die Regelung des § 26 Z 4 EStG 1988, wenn der Nachweis jeder einzelnen Dienstreise dem Grunde nach durch entsprechende Belege gegenüber dem Arbeitgeber erbracht ist (vgl. etwa VwGH 27.11.2017, Ra 2015/15/0026; 30.1.2003, 99/15/0215). Die Richtigkeit des vom Arbeitgeber vorgenommenen Lohnsteuerabzuges muss jederzeit für das Finanzamt leicht nachprüfbar sein (vgl. VwGH 20.6.2000, 98/15/0068, mwN).
27 Es entspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Zahlung nicht verrechnungspflichtiger Pauschalien durch den Arbeitgeber, mögen sie auch für die in § 26 EStG 1988 angeführten Zwecke gedacht sein, zu steuerpflichtigem Arbeitslohn im Sinne des § 25 EStG 1988 führt (vgl. VwGH 25.5.2016, 2013/15/0185; 28.10.2006, 2006/15/0295).
28 Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 22. Juni 2006, G 147/05, den damaligen vierten Satz in § 24 Z 4 EStG 1988 als verfassungswidrig aufgehoben. Jener vierte Satz des § 26 Z 4 EStG 1988 hatte normiert, dass in lohngestaltenden Vorschriften iSd § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 EStG 1988 enthaltene Regelungen des Begriffes der Dienstreise dem engeren allgemeinen Dienstreisebegriff des § 26 Z 4 EStG 1988 vorgehen können. Der Verfassungsgerichtshof erachtete diesen Satz insoweit für verfassungswidrig, als dieser Satz es im Ergebnis zuließ, Tagesgelder unter dem Titel Reisekostenersatz von der Besteuerung auszunehmen, denen auch bei typisierender Betrachtungsweise keine entsprechenden Verpflegungsmehraufwendungen gegenüber standen.
29 In Reaktion auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hat der Gesetzgeber mit der Reisekosten-Novelle 2007, BGBl. I 2007/45, die Regelung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 geschaffen, um zu erreichen, dass - wie nach der Rechtslage vor der Gesetzesaufhebung - über die Dienstreise im engeren Sinn hinausgehend auch für in lohngestaltenden Vorschriften großzügiger geregelte Dienstreisen nicht der Einkommensteuer zu unterziehende Tagesgelder gezahlt werden können. Den Gesetzesmaterialien zur Reisekosten-Novelle 2007 (IA 220/A, 23. GP, S 4) ist zu entnehmen, es solle mit dieser Novelle verhindert werden, dass für die Arbeitnehmer eine Verschlechterung in der Höhe ihres Nettolohnes eintreten. Um sich nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu stellen, wurde die Anwendung des solcherart erweiterten Dienstreisebegriffs auf bestimmte, taxativ aufgezählte Tätigkeiten beschränkt, wobei die Gesetzesmaterialien die in § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 geregelte Beibehaltung der Nichtbesteuerung von in lohngestaltenden Vorschriften geregelten Tagesgeldern in diesen Fällen mit erhöhten Aufwendungen der Arbeitnehmer im Außendienst sowie Reiseerschwernissen und Mobilitätsanreizen rechtfertigen.
30 Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 sind vom Arbeitgeber „als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder“ für die darin genannten Tätigkeiten steuerfrei. Dabei normiert das Gesetz: „Die Tagesgelder dürfen die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen.“
31 Aus dem Wortlaut der Steuerbefreiungsbestimmung, wonach diese „gezahlte Tagesgelder“ erfasst und diese Tagesgelder die Sätze des § 26 Z 4 EStG 1988 nicht übersteigen dürfen, ergibt sich unter Bedachtnahme auf den oben aufgezeigten Umstand, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 die vormals in § 26 Z 4 EStG 1988 enthaltene Begünstigung für in lohngestaltenden Vorschriften geregelte Tagesgelder beibehalten wollte, dass Tagessätze nur dann steuerfrei gestellt sind, wenn sie vom Arbeitgeber für jede Reisebetätigung einzeln abgerechnet werden.
32 Voraussetzung für die Anwendung des § 26 Z 4 wie des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 ist somit, dass die betreffende Leistung des Arbeitgebers Ersatz konkreter Aufwendungen für eine bestimmte Dienstreise ist. Eine solche Konkretisierung hat bereits der Leistung des Arbeitgebers für jede einzelne Dienstfahrt zugrunde zu liegen (vgl. schon VwGH 27.11.2017, Ra 2015/15/0026, sowie 19.9.1989, 89/14/0121, zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 26 Z 7 EStG 1972).
33 Diese Voraussetzungen waren im Revisionsfall allerdings unzweifelhaft nicht erfüllt. Die streitgegenständlichen Zahlungen wurden nicht vom Arbeitgeber „aus Anlass einer Dienstreise“ bzw. als die Sätze des § 26 Z 4 EStG 1988 nicht übersteigende Tagesgelder gewährt, sondern von diesem vielmehr als monatlich gleich bleibende Pauschalbeträge unabhängig davon geleistet, wie viele Dienstreisen tatsächlich unternommen wurden, sodass § 26 Z 4 sowie § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 von Vornherein nicht anwendbar waren.
34 Den Regelungen des § 26 Z 4 sowie § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 liegt insoweit der Gedanke einer geteilten Kontrolle durch Arbeitgeber und Finanzverwaltung zugrunde, als dem Arbeitgeber im Rahmen der (Abrechnung der Reise und der) Lohnsteuerberechnung bereits die Ermittlung und Überprüfung der Daten jeder einzelnen Dienstreise obliegt, während der Steuerverwaltung nur eine nachträgliche Überprüfung zukommt. Der Arbeitgeber hat den ungleich besseren Zugang zu den Informationen über die tatsächliche Erbringung von Reiseleistungen. Die beiden in Rede stehenden Bestimmungen knüpfen also unmittelbar an die Lohnverrechnung des Arbeitgebers an, dem dabei auch die Aufzeichnung der Daten der Dienstreisen und von ihm als nicht steuerpflichtig behandelten Tagesgelder zukommt, die sodann ihrerseits einer Nachprüfung durch die Finanzverwaltung zugänglich sein müssen. Die Richtigkeit des vom Arbeitgeber vorgenommenen Lohnsteuerabzuges muss für das Finanzamt jederzeit leicht nachprüfbar sein (vgl. VwGH 27.11.2017, Ra 2015/15/0026, sowie 20.6.2000, 98/15/0068). Nur für solche schon vom Arbeitgeber als konkrete Aufwandersätze verrechnete und geprüfte Zahlungen können § 26 Z 4 sowie § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 zur Anwendung kommen.
35 Liegen keine solchen einzeln abgerechneten Arbeitgeberersatzzahlungen vor, sind Aufwendungen, die einem Arbeitnehmer anlässlich einer Dienstreise erwachsen, im Rahmen der Werbungskosten (§ 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988) geltend zu machen.
36 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 11. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019150163.L00Im RIS seit
16.03.2021Zuletzt aktualisiert am
16.03.2021