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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
VStG §44a Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Strassegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Finanzmarktaufsichtsbehörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2020, W276 2224062-1/5E, betreffend Übertretung finanzmarktrechtlicher Bestimmungen (mitbeteiligte Partei: Dr. M in W; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen;), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Revisionswerberin hat den Mitbeteiligten mit Straferkenntnis vom 27. August 2019 wie folgt bestraft:
„I. Sie sind seit 15.12.2006 Geschäftsführer und seit 17.09.2009 verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG der XY GmbH [...], einem gemäß § 6 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 und 2 AIFMG (Alternative Investment Fond Manager Gesetz, BGBl. I Nr. 135/2013) registrierten AIFM mit der Geschäftsanschrift S-gasse in W.
Sie haben in dieser Funktion als zur Vertretung nach außen Befugter gemäß § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), BGBl. 52/1991 idgF, zu verantworten, dass die XY GmbH im Zeitraum vom 01.06.2015 bis 02.02.2018 unterlassen hat, dafür Sorge zu tragen, dass die Risikomanagement-Funktion die Einhaltung der im Einklang mit Artikel 44 DelVO (EU) Nr. 231/2013 festgelegten Risikolimits überwacht.
Konkret wurde im genannten Zeitraum entgegen der Bestimmung des Artikel 39 Abs 1 lit c DelVO (EU) Nr. 231/2013 die Einhaltung der für Termingeldveranlagungen unternehmensintern festgelegten Grenze von maximal 10% des Fondsvermögens des ‚XY Futures Fund Classic‘ pro Kreditinstitut nicht durch den die Risikomanagement-Funktion ausübenden Prokuristen L., sondern allein durch die Abteilung ‚Operations‘ überwacht.
II. Die XY GmbH haftet gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über den Beschuldigten verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.“
2 Der Mitbeteiligte habe dadurch Art. 39 Abs. 1 lit. c DelVO (EU) Nr. 231/2013 iVm § 60 Abs. 2 Z 20 AIFMG, BGBl. I Nr. 135/2013 idF BGBl. I Nr. 107/2017, verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von € 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe neun Stunden) verhängt wurde. Zudem wurde ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt.
3 Auf Grund der gegen dieses Straferkenntnis vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis wie folgt ausgesprochen:
„A)
I. Die Beschwerde wegen einer Verletzung des Art 39 Abs 1 lit c iVm Art 42 Abs 1 lit a DelVO wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wegen einer Verletzung des Art 39 Abs. 1 lit. c iVm Art 44 Abs 1 lit d DelVO wird hingegen stattgegeben.
III. Die von der FMA insgesamt verhängte Strafe wird auf € 1.000 Euro herabgesetzt. Die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe verhängte Ersatzfreiheitsstrafe wird mit 4 Stunden bemessen.
IV. Die Strafnorm lautet Art 39 Abs 1 lit c Delegierte Verordnung (EU) Nr. 231/2013 iVm § 60 Abs. 2 Z 20 AIFMG, BGBl. I Nr. 135/2013 idF BGBl. I Nr. 107/2017.
V. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu leisten.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.“
4 Nach der für das vorliegende Verfahren wesentlichen Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass es in der XY GmbH erst ab Februar 2018 zu einer organisatorischen Neuordnung der Ressortzuständigkeit gekommen sei. Bis dahin sei der Mitbeteiligte sowohl für die Abteilung „Risikomanagement“ als auch für die Abteilung „Operations“ zuständig gewesen, weshalb keine durchgehende hierarchische Trennung des Risikomanagements von den operativen Abteilungen gegeben gewesen sei, wie sie Art. 39 Abs. 1 lit. c iVm Art. 42 Abs. 1 lit. a DelVO ausdrücklich vorschreibe. Der von der FMA im Straferkenntnis angenommene Tatbestand der Verletzung der Vorgaben nach Art. 44 Abs. 1 DelVO sei hingegen nicht erfüllt, weil die XY GmbH qualitative Risikolimits festgelegt habe und ihrer gesetzlich vorgegebenen Verpflichtung zur Rechtfertigung nachgekommen sei. Sie habe überzeugend dargelegt, dass die Einführung der 10 %-Grenze bei der Veranlagung von Termingeldern bei anderen Kreditinstituten als der Depotbank nicht die Schaffung eines quantitativen Risikolimits zum Ziel gehabt habe, ein solches auch nicht angestrebt worden sei. Die Frage, ob es sich bei der Einführung der 10 %-Grenze bei der Veranlagung von Termingeldern bei anderen Kreditinstituten als der Depotbank um ein quantitatives Risikolimit im Sinne des Art. 44 Abs. 2 lit. d DelVO handle oder nicht, könne daher dahingestellt bleiben, weil der gesetzlichen Verpflichtung, den in Art. 44 Abs. 1 DelVO angeführten „einschlägigen Risiken“ angemessen zu begegnen, bereits durch die Einführung eines qualitativen Limits, konkret der sorgfältigen und sachgerechten Auswahl von Gegenparteien, entsprochen worden sei und der Mitbeteiligte der in Art. 44 Abs. 1 letzter Satz DelVO für diesen Fall normierten Begründungspflicht nachgekommen sei. Im Ergebnis bleibe daher für eine Bestrafung des Mitbeteiligten für eine Verletzung der gesetzlichen Vorgaben des Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d DelVO kein Raum.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
6 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 § 60 Abs. 2 Z 20 Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz - AIFMG, BGBl. I Nr. 135/2013 in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 107/2017, lautet:
„Verwaltungsstrafen und Veröffentlichungen
[...]
(2) Wer [...]
20. gegen eine Bestimmung der auf Basis der Richtlinie 2011/61/EU erlassenen delegierten Rechtsakte verstößt; [...]
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür von der FMA mit einer Geldstrafe bis zu 60 000 Euro zu bestrafen.“
9 Die maßgeblichen Bestimmungen der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 231/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Ergänzung der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf Ausnahmen, die Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit, Verwahrstellen, Hebelfinanzierung, Transparenz und Beaufsichtigung (DelVO) lauten:
„Artikel 39
Ständige Risikomanagement-Funktion
(1) Ein AIFM ist zur Einrichtung und Aufrechterhaltung einer ständigen Risikomanagement-Funktion gehalten, die
[...]
c) die Einhaltung der im Einklang mit Artikel 44 festgelegten Risikolimits überwacht und das Leitungsgremium des AIFM sowie gegebenenfalls die Aufsichtsfunktion des AIFM - falls vorhanden - rechtzeitig unterrichtet, wenn das Risikoprofil des AIF ihrer Auffassung nach nicht mit diesen Limits im Einklang steht oder ein wesentliches Risiko besteht, dass das Risikoprofil künftig nicht im Einklang mit den Limits stehen könnte; [...]
Artikel 42
Funktionale und hierarchische Trennung der Risikomanagement-Funktion
(1) Die Risikomanagement-Funktion wird nur dann als funktional und hierarchisch getrennt von den operativen Einheiten, einschließlich der Funktion Portfolioverwaltung, betrachtet, wenn die folgenden Bedingungen sämtlich erfüllt sind:
a) Personen, die mit der Ausübung der Risikomanagement- Funktion betraut sind, unterstehen nicht Personen, die für die Tätigkeiten der operativen Einheiten, einschließlich der Funktion Portfolioverwaltung, des AIFM verantwortlich zeichnen; [...]
Artikel 44
Risikolimits
(1) Ein AIFM richtet für jeden von ihm verwalteten AIF unter Berücksichtigung aller einschlägigen Risiken quantitative oder qualitative Risikolimits oder beides ein und setzt diese um. Werden lediglich qualitative Limits festgelegt, so muss der AIFM diesen Ansatz vor der zuständigen Behörde rechtfertigen können.
(2) Die qualitativen und quantitativen Risikolimits für jeden AIF decken mindestens folgende Risiken ab:
a) Marktrisiken;
b) Kreditrisiken;
c) Liquiditätsrisiken;
d) Gegenparteirisiken;
e) operationelle Risiken.
(3) Bei der Festlegung der Risikolimits berücksichtigt der AIFM die Strategien und Vermögenswerte im Hinblick auf jeden von ihm verwalteten AIF sowie die auf diese AIF anwendbaren nationalen Vorschriften. Die Risikolimits werden an dem den Anlegern im Einklang mit Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe c der Richtlinie 2011/61/EU offengelegten Risikoprofil des AIF ausgerichtet und vom Leitungsgremium genehmigt.“
10 Die Revisionswerberin erachtet die Revision unter anderem deshalb für zulässig, weil der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses entgegen § 44a VStG keine Umschreibung der dem Mitbeteiligten nunmehr vorgeworfenen Tat enthalte.
11 Die Revision ist aus diesem Grund zulässig und schon deshalb berechtigt.
12 § 44a VStG lautet:
„Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;
4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;
5. im Falle eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.“
13 Gemäß § 38 VwGVG gilt diese Bestimmung auch für Entscheidungen der Verwaltungsgerichte.
14 Das Verwaltungsgericht hat durch die Gestaltung seiner Spruchpunkte I. und II. das bei ihm angefochtene Straferkenntnis der Revisionswerberin vom 27. August 2019 im Ergebnis abgeändert.
15 Lediglich aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, das eine eindeutige und konkrete Feststellung des der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalts (vgl. VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) nicht mit ausreichender Klarheit enthält, lässt sich erschließen, dass das Verwaltungsgericht nicht von dem von der Revisionswerberin der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalt ausgegangen ist, sondern dem Mitbeteiligten nunmehr einen wesentlich anderen Sachverhalt vorwirft, den es unter eine andere Strafnorm subsumiert.
16 Es kann dahin stehen, ob durch diese Vorgangsweise eine unzulässige Auswechslung der Tat erfolgte durch Heranziehung eines anderen als den ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhaltes, weil, wie die Revision zutreffend darlegt, dem Spruch die wesentlichen Elemente wie in § 44a VStG gefordert nicht zu entnehmen sind.
17 Schon aus diesem Grund erweist sich das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 14. Jänner 2021
Schlagworte
Mängel im Spruch Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung) Tatvorwurf Beschreibung des in der Begründung Spruch der Berufungsbehörde VerfahrensbestimmungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020020106.L00Im RIS seit
22.02.2021Zuletzt aktualisiert am
22.02.2021