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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des B B, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 2020, W168 2230769-1/5E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Der Revisionswerber, ein mongolischer Staatsangehöriger, verfügte seit September 2012 wiederholt, zuletzt mit Gültigkeit bis zum 16. Jänner 2020, über Aufenthaltsbewilligungen als Student. Da er keinen weiteren Verlängerungsantrag stellte, wurde er am 21. Jänner 2020 zu einer Einvernahme geladen und auf seine Ausreiseverpflichtung hingewiesen. In der Folge stellte der Revisionswerber einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG). Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 3. April 2020 abgewiesen. Zugleich erließ das BFA gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Mongolei zulässig sei, erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren und bestimmte gemäß § 55 Abs. 4 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für nicht zulässig.
Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber habe sich von September 2012 bis Jänner 2020 rechtmäßig aufgrund der ihm erteilten, stets befristeten Aufenthaltsbewilligungen als Student im Bundesgebiet aufgehalten; seit Jänner 2020 verfüge er über kein Aufenthaltsrecht mehr. Er habe in den letzten Jahren mehrere geringfügige Beschäftigungen ausgeübt, sei jedoch nicht selbsterhaltungsfähig, verfüge aber über einen Vorvertrag. Der Revisionswerber habe in Österreich keine Familienangehörigen oder Verwandten. Bezüglich einer Freundin liege kein relevantes Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis vor; hinsichtlich der angegebenen freundschaftlichen Beziehungen seien keine besonders zu berücksichtigenden privaten Verhältnisse gegeben. Da der Revisionswerber seine Freundin, eine mongolische Staatsangehörige, erst vor drei Jahren kennengelernt habe und diese als Studentin auch nur über eine befristete Aufenthaltsberechtigung verfüge, sei ihm kein Aufenthaltstitel gemäß Art. 8 EMRK zu erteilen. Er habe im Verfahren auch keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe, die zu einer Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 EMRK führen könnten, aufgezeigt.
Anschließend begründete das BVwG die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Zulässigkeit einer Abschiebung in die Mongolei und die Erlassung eines auf zwei Jahre befristeten Einreiseverbotes sowie die Festsetzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung verwies das BVwG auf § 21 Abs. 7 BFA-VG und führte aus, die Behörde habe den Sachverhalt vollständig erhoben, dieser sei aktuell und in der Beschwerde nur unsubstantiiert bestritten worden; ein neues, entscheidungswesentliches Tatsachenvorbringen sei nicht erstattet worden. Der maßgebliche Sachverhalt sei aus der Aktenlage als geklärt anzusehen.
6 In der Zulässigkeitsbegründung macht der Revisionswerber in der - nach Ablehnung und Abtretung seiner Verfassungsgerichtshofbeschwerde (VfGH 22.9.2020, E 2722/2020) ausgeführten - Revision geltend, die „belangte Behörde“ habe es verabsäumt, trotz eines entsprechenden Antrages eine Beschwerdeverhandlung anzuberaumen. In dieser hätte der Revisionswerber nachvollziehbar und glaubhaft seine außerordentliche soziale Integration darlegen können, „dass sämtliche Gründe im gegenständlichen Fall evident sind, festzustellen, dass dauerhaft die Rückkehrentscheidung für unzulässig zu erklären ist, Folge dessen dem RW auch der Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden hätte müssen.“ Insofern sei der „belangten Behörde“ eine antizipierende Beweiswürdigung anzulasten. Des Weiteren entspreche das angefochtene Erkenntnis nicht den Anforderungen des § 60 AVG. Es widerspreche sohin der höchstgerichtlichen Judikatur und „der entsprechenden Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes in ähnlich gelagerten Fällen.“
7 Soweit sich der Revisionswerber gegen die vom BVwG durchgeführte Interessenabwägung wendet, sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt aus, dass die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK iVm § 9 BFA-VG dann nicht revisibel ist, wenn sie im Ergebnis vertretbar ist und keinen maßgeblichen Begründungsmangel erkennen lässt (vgl. etwa VwGH 14.9.2020, Ra 2020/21/0335, Rn. 13, mwN). Der Revisionswerber zeigt weder eine Unvertretbarkeit des Ergebnisses noch einen maßgeblichen Begründungsmangel auf. Insbesondere lässt er offen, welche Aspekte seiner „außerordentlichen sozialen Integration“ das BVwG unberücksichtigt gelassen oder unzureichend gewürdigt hätte. Er bestreitet die Feststellungen des BVwG aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK nicht und legt zum behaupteten Abweichen von der hg. Rechtsprechung nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - dar, inwiefern das BVwG durch das angefochtene Erkenntnis nach Ansicht des Revisionswerbers von welcher höchstgerichtlichen Judikatur abgewichen sein soll (vgl. etwa VwGH 19.11.2020, Ra 2020/22/0236, Rn. 7, mwN). Auch eine „antizipierende Beweiswürdigung“ des BVwG ist nicht ersichtlich.
8 Unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer, des Vorliegens bloß befristeter Aufenthaltsbewilligungen zu Ausbildungszwecken, des unbestrittenen Fehlens enger familiärer Bindungen sowie einer wenig ausgeprägten beruflichen Integration des Revisionswerbers in Österreich durfte das BVwG vertretbar vom Vorliegen eines eindeutigen Falles ausgehen, der es ihm ausnahmsweise erlaubte, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber abzusehen (vgl. dazu etwa VwGH 27.10.2020, Ra 2020/21/0332, Rn. 11, mwN).
9 Soweit die Revisionswerberin noch vorbringt, das angefochtene Erkenntnis „der belangten Behörde“ widerspreche der Judikatur des BVwG in ähnlich gelagerten Fällen, genügt es, darauf zu verweisen, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt (vgl. etwa VwGH 14.9.2020, Ra 2020/21/0335, Rn. 14, mwN).
10 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.
11 In Hinblick darauf erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Revision verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 21. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020220270.L00Im RIS seit
23.03.2021Zuletzt aktualisiert am
23.03.2021