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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §10 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des K S in O, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 3. November 2020, Zl. 405-4/3589/1/2-2020, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA Erteilung einer befristeten Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit gegenüber dem Revisionswerber mündlich verkündetem Bescheid der belangten Behörde vom 22. September 2020 wurde diesem eine bis zum 17. September 2023 befristete Lenkberechtigung unter Vorschreibung von Auflagen gemäß einem näher genannten amtsärztlichen Gutachten erteilt.
2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zu Grunde, der Revisionswerber habe rechtzeitig die Verlängerung seiner bis 2. Juli 2020 befristeten Lenkberechtigung beantragt. In einem amtsärztlichen Gutachten sei unter der Auflage der Vorlage von Haaranalysen eine bedingte gesundheitliche Eignung des Revisionswerbers für drei Jahre festgestellt worden. Dieses Gutachten sei dem Revisionswerber am 22. September 2020 niederschriftlich zur Kenntnis gebracht und ausgehändigt worden. Im Anschluss sei die Lenkberechtigung von der belangten Behörde mit mündlichen verkündetem Bescheid unter Vorschreibung der Auflagen dieses amtsärztlichen Gutachtens bis 17. September 2023 befristet und dem Revisionswerber ein vorläufiger Führerschein ausgehändigt worden. Der Revisionswerber habe nach der mündlichen Bescheidverkündung ausdrücklich auf eine Beschwerde verzichtet. Diese Feststellungen stützte das Verwaltungsgericht auf den Akteninhalt. Der Beschwerdeverzicht sei „im mündlichen verkündeten Bescheid“ durch die Unterschrift des Revisionswerbers bestätigt und in der Beschwerde auch nicht bestritten worden, weswegen von einem rechtswirksamen Beschwerdeverzicht auszugehen sei.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Verwaltungsgericht hätte nicht von einem gültigen Rechtsmittelverzicht ausgehen dürfen, weil der Revisionswerber im Verfahren vor der belangten Behörde einen bevollmächtigten Vertreter gehabt habe und die Behörde dennoch dem Revisionswerber gegenüber den Bescheid mündlich verkündet habe.
9 Dem ist Folgendes zu entgegnen: Das Verwaltungsgericht konnte ausweislich der Niederschrift davon ausgehen, dass der Revisionswerber bei der Amtshandlung am 22. September 2020, bei welcher er unvertreten erschienen war, das amtsärztliche Gutachten zur Kenntnis genommen, eine Kopie davon erhalten, auf das Rechtsmittel der Beschwerde ausdrücklich verzichtet und die Übernahme einer „Bescheidausfertigung samt Führerschein“ (gemeint wohl: eines vorläufigen Führerscheins) bestätigt habe. Die Revision zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund nicht annehmen hätte dürfen, der Revisionswerber habe sich damit auch mit der Verkündung des Erkenntnisses ihm gegenüber bereit erklärt. Ein Abweichen von den Leitlinien der hg. Rechtsprechung kann die Revision demnach nicht darlegen, weil der Grundsatz, dass die Behörde den ihr namhaft gemachten Rechtsvertreter bei der Verkündung eines mündlichen Bescheids - bei sonstiger Unwirksamkeit der Bescheiderlassung - nicht übergehen darf, dann nicht gilt, wenn der Vertretene sich ungeachtet des Vollmachtverhältnisses mit der Verkündung ihm gegenüber bereit erklärt (vgl. VwGH 17.5.2016, Ra 2016/11/0069, mwN).
10 Angesichts der wirksamen Bescheiderlassung gelingt es der Revision auch nicht darzulegen, dass der - aktenkundige - Beschwerdeverzicht nicht rechtsgültig abgegeben worden wäre. Eine solche Erklärung kann nämlich - ungeachtet eines bestehenden Vertretungsverhältnisses - vom Revisionswerber selbst (§ 10 Abs. 6 AVG iVm. § 17 VwGVG) rechtlich verbindlich abgegeben werden (vgl. VwGH 23.2.2017, Ro 2017/21/0002, zur Zurückziehung einer Beschwerde). Die Revision tritt der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die Abgabe des Rechtsmittelverzichts nicht substantiiert entgegen, sondern behauptet lediglich, der Revisionswerber habe „keinen Rechtsmittelverzicht abgegeben“. Insbesondere bringt sie nicht vor, dass der Revisionswerber insoweit einem Willensmangel unterlegen wäre, welcher zur Unwirksamkeit des abgegebenen Rechtsmittelverzichts führen würde, oder es der Erklärung an Ausdrücklichkeit gefehlt hätte (vgl. VwGH 13.2.2020, Ra 2019/02/0245).
11 Da ein rechtsgültiger Beschwerdeverzicht vorlag, welcher unwiderruflich ist (vgl. VwGH 8.11.2016, Ra 2016/09/0098, mwN) und die Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde gegenüber dem Revisionswerber nach sich zog (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd, 2017, § 7 VwGVG, Rn 41), gehen die geltend gemachten Verfahrensmängel - das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht keine mündliche Verhandlung durchgeführt, maßgebliche Feststellungen unterlassen, das Parteiengehör verletzt und das angefochtene Erkenntnis mangelhaft begründet - mangels Relevanz dieser Mängel für den Verfahrensausgang ins Leere.
12 Ebenso geht das Revisionsvorbringen ins Leere, der Revisionswerber sei durch die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Revisionswerber habe auf das Rechtsmittel der Beschwerde verzichtet, „überrascht“ worden, zumal die belangte Behörde - nach Ausweis der Akten - dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers in Beantwortung seines Antrags auf Bescheiderlassung vom 15. Oktober 2020 mit Schreiben vom 16. Oktober 2020 die Niederschrift der mündlichen Verkündung, welche auch den vom Revisionswerber abgegebenen Rechtsmittelverzicht enthält, übermittelt hat.
13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Jänner 2021
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110223.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021