TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/30 95/02/0188

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.05.1997
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §52;
StVO 1960 §29b Abs4;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 6. März 1995, Zl. MA 65 - BH/28/94, betreffend Ausstellung eines Behindertenausweises gemäß § 29b Abs. 4 StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. März 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 4. August 1993 auf Ausstellung eines Ausweises für dauernd stark gehbehinderte Personen gemäß § 29b Abs. 4 StVO abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, daß gar keine rechtliche Beurteilung seitens der belangten Behörde stattgefunden habe bzw. eine solche lediglich durch den Amtssachverständigen erfolgt sei, welcher zu den von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Leiden, die dazu führten, daß sie sich unter starken Schmerzen nur unter Zuhilfenahme eines Gehstockes und unter Verwendung eines Campmieders fortbewegen könne, fälschlicherweise zu dem Schluß gekommen sei, daß keine schwere Gehbehinderung im Sinn des § 29b StVO gegeben sei.

Dem ist zu entgegnen, daß der Gesetzesbegriff der "starken Gehbehinderung" im Sinn des § 29b Abs. 4 StVO darauf abstellt, ob die betreffende Person in einer als Gehen zu qualifizierenden Weise ohne Aufwendung überdurchschnittlicher Kraftanstrenung und ohne große Schmerzen eine bestimmte Wegstrecke zurücklegen kann; ist sie dazu in der Lage, so wird eine festgestellte Gehbehinderung nicht als schwer im Sinne des Gesetzes anzusehen sein. Die Fähigkeit zum Zurücklegen einer Strecke von mehr als 300 m ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen schließt eine starke Gehbehinderung im Sinne des Gesetzes aus, wobei der Umstand, daß dies nur mit Hilfsmitteln (wie etwa einem Gehstock oder orthopädischen Schuhen) möglich ist, die Behinderung nicht zu einer schweren macht (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1992, Zl. 92/02/0134, und vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0125).

Die Feststellung, ob eine Person dauernd stark gehbehindert ist, ist Gegenstand des Beweises durch einen ärztlichen Amtssachverständigen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1986, Zl. 86/02/0025). Der ärztliche Amtssachverständige kam in seinem Gutachten vom 17. März 1994 zu dem Ergebnis, daß bei der Beschwerdeführerin lediglich eine leichte Gehbehinderung vorliege. Die belangte Behörde war nicht etwa deshalb, weil der medizinische Amtssachverständige in seinem zusammenfassenden Gutachten vom 15. Juli 1994 auf § 29b StVO Bezug nahm, gehindert, dieses Gutachten ihrer Entscheidung zugrundezulegen. Vielmehr erscheint es der Sache sogar dienlich, wenn ein Sachverständiger in Kenntnis der geltenden Rechtslage bei Erstellung seines Gutachtens auf die danach wesentlichen Sachverhaltselemente Bedacht nimmt (vgl. hiezu das oben zitierte Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/02/0134).

Wenn es die Beschwerdeführerin als Verfahrensmangel rügt, daß die von ihr behauptete, nach der amtsärztlichen Untersuchung erfolgte Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes im Verwaltungsverfahren nicht berücksichtigt worden sei, obwohl sie im Verfahren erster Instanz ein "Privatgutachten" zum Beweis der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes vorgelegt habe, ist sie darauf zu verweisen, daß sie in ihrer Berufung vom 2. Dezember 1994 Gelegenheit gehabt hätte, diesen behaupteten Verfahrensmangel zu rügen. Sie beschränkte sich jedoch lediglich auf eine neuerliche Aufzählung ihrer Leiden, welche sie bereits im Zuge des Verfahrens erster Instanz dargetan hatte, sowie damit verbunden auf die Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung.

In diesem Zusammenhang übersieht die Beschwerdeführerin auch, daß die Behörde erster Instanz zu dem vorgelegten "Privatgutachten" bezüglich der angeblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes eine ergänzende Stellungnahme des ärztlichen Amtssachverständigen einholte (3. November 1994, AS 47) und dieser neuerlich zu dem Schluß kam, daß auch unter Berücksichtigung des nunmehr beschriebenen Zustandes (der im übrigen dem entspreche, der bei den mehrfachen Untersuchungen festgestellt worden sei) eine schwere Gehbehinderung im Sinne des § 29b StVO nicht vorliege.

Da auch die behaupteten Verfahrensmängel nicht vorliegen, war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverständiger GutachtenSachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztAnforderung an ein GutachtenGutachten rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995020188.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten