TE OGH 2021/1/5 11Os132/20a

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Veröffentlicht am 05.01.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Jänner 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Harald S***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 28. August 2020, GZ 79 Hv 38/20z-24, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen Urteil wurde Harald S***** eines Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (B 1) sowie jeweils eines Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1a StGB (A) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (B 2) schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er am 15. November 2019 in E***** in einem Regionalzug folgende weibliche Fahrgäste, nämlich

(A) J***** durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt, indem er seine bekleideten Genitalien wiederholt gegen ihr bekleidetes Gesäß presste, ferner

(B) M*****

(1) außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie mit der rechten Hand kräftig am linken Oberarm packte und festhielt, während er mit der linken Hand ihre bekleidete Vagina derb ergriff und wiederholt zusammendrückte, sowie

(2) durch die Ankündigung: „I steig jetzt mit dir aus, donn werd i di fickn, donn werd i di im Grobn liegn lossn, es is eh finster, do findet di eh kana!“ mit einer Verletzung am Körper und an der Freiheit gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4]       Nur in der Hauptverhandlung gestellte Anträge können Grundlage einer Verfahrensrüge (Z 4) sein. Anträge, die in Schriftsätzen außerhalb der Hauptverhandlung eingebracht wurden, erfüllen diese Voraussetzung nur, wenn sie vom Antragsteller in der Hauptverhandlung wiederholt (dh an den Kriterien des § 55 StPO orientiert formell gestellt) wurden. Die Erklärung, zuvor in einem Schriftsatz, nicht aber in der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge „aufrecht“ zu halten, reicht dafür nicht aus (RIS-Justiz RS0099099 [insbesondere T8, T11], RS0099511 [insbesondere T1, T5, T6, T7, T8]).

[5]       Die Beschwerde beruft sich – im Übrigen ohne konkreten Aktenbezug (siehe aber RIS-Justiz RS0124172) – auf einen „bereits im Einspruch vom 06. 05. 2020 gestellten“, in der Hauptverhandlung „unverändert aufrecht“ erhaltenen „Beweisantrag“ auf „Beiziehung eines Sachverständigen zum Beweis dafür, dass der Angeklagte aufgrund seiner starken Alkoholisierung derart beeinträchtigt gewesen war, dass die Voraussetzung nach § 287 StGB gegeben waren“. Dazu ist aus den Verfahrensakten festzuhalten, dass der Angeklagte in seinem gegen die Anklageschrift erhobenen Einspruch (§ 212 StPO) gar kein derartiges Begehren formuliert, sondern das Unterbleiben der Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zur Frage, „ob der Angeklagte in voller Berauschung handelte“, durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren beanstandet hat (ON 8 S 3 f). Nach dem ungerügt gebliebenen Protokoll über die Hauptverhandlung am 28. August 2020 erklärte er dort (durch seinen Verteidiger) – im Übrigen ohne weitere Begründung (siehe aber RIS-Justiz RS0118444 und RS0118060) – bloß, „den Beweisantrag einer psychiatrischen Begutachtung durch einen Sachverständigen für den Fall des § 287 StGB aufrecht“ zu halten (ON 23 S 10).

[6]       Aus dem angesprochenen Protokollinhalt ergibt sich damit – nach dem eingangs Gesagten – (schon) keine unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 4 StPO beachtliche Antragstellung.

[7]       Daran ändert nichts, dass das Schöffengericht bezüglich dieses „Antrags“ ein – solcherart überflüssiges – abweisliches Zwischenerkenntnis (ON 23 S 10) gefasst hat (RIS-Justiz RS0099511 [T9]).

[8]       Entgegen der Mängelrüge hat das Schöffengericht die leugnende Verantwortung des Angeklagten nicht „völlig außer Acht“ gelassen (Z 5 zweiter Fall), sondern als durch die – vom Gericht für glaubhaft befundenen – Aussagen der Zeuginnen M*****, J*****, Z***** sowie des Zeugen Jo***** widerlegt erachtet (US 5 ff).

[9]            Die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) wiederum ist – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist (was hier nicht behauptet wird) – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entrückt (RIS-Justiz RS0106588 [T13]). Sie kann nur unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubhaftigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubhaftigkeit oder Unglaubhaftigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0119422 [T2, T4]).

[10]     Inwieweit die Angabe des Angeklagten, M***** sei „die Frisörin der Ex-Freundin“ seiner „Zwillingsschwester“ (ON 23 S 3), und seine – ersichtlich auf den unmittelbar zuvor gemäß § 252 Abs 2a StPO vorgetragenen erheblichen Inhalt der Vorstrafakten AZ 17 Hv 55/18s des Landesgerichts Klagenfurt bezogene – Bemerkung, „dies“ komme „aus dem Familienverband heraus“ (ON 23 S 11), in erörterungsbedürftiger Weise dafür sprechen sollten, die genannte Zeugin habe in Bezug auf entscheidende Tatsachen die Unwahrheit gesagt, legt das diesbezügliche Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) nicht dar.

[11]     Nach dem ungerügt gebliebenen Protokollsinhalt jedenfalls unzutreffend (ON 23) ist die Beschwerdebehauptung, der Angeklagte habe in der Hauptverhandlung Gründe genannt, aus denen M***** „ein voreingenommenes Bild“ von ihm gehabt und ihn aus einer im „Familienverband der Ex-Lebensgefährtin des Angeklagten“ – deren Verhältnis zu ihm als „äußerst schlecht“ zu bezeichnen sei – „entstandenen Motivation falsch bezichtigt“ habe. Soweit sich der Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) darauf bezieht, geht er schon deshalb ins Leere.

[12]     Ebenso unzutreffend ist der Einwand, das Erstgericht sei „keineswegs näher darauf ein[gegangen]“ (Z 5 zweiter Fall), dass nicht jeder der genannten (unmittelbaren Tat-)Zeugen konkrete eigene Wahrnehmungen zu sämtlichen vom Schuldspruch umfassten Übergriffen des Angeklagten schilderte (US 7).

[13]     Die auf Z 10 gestützte Forderung nach einer Subsumtion der vom Schuldspruch umfassten Taten unter § 287 Abs 1 StGB hält – anders als zur prozessförmigen Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes geboten (RIS-Justiz RS0099810) – nicht an den tatrichterlichen Feststellungen zur Diskretions- und Dispositionsfähigkeit (§ 11 StGB) des Angeklagten im Tatzeitpunkt (US 5) fest und entzieht sich damit einer meritorischen Erwiderung.

[14]     Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon nach der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[15]     Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E130621

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0110OS00132.20A.0105.000

Im RIS seit

12.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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