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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §1 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/0662 96/19/0663 96/19/0664Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerden
1.) des M, 2.) des B, 3.) des J und 4.) der A, alle in P, die Erst- bis Drittbeschwerdeführer vertreten durch die Viertbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 3. Jänner 1996, Zlen. 1.) 304.632/4-III/11/95,
2.)
304.632/5-III/11/95, 3.) 304.632/3-III/11/95 und
4.)
304.632/2-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 141,25 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind nach ihren Antragsbehauptungen Staatsangehörige Kroatiens. Sie beantragten am 14. Jänner 1994 (Datum des Einlangens) die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen. Als derzeitigen Wohnsitz gaben sie jeweils eine Adresse in Österreich an.
Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, jeweils vom 6. November 1995, wurden diese Anträge gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. In den Begründungen der erstinstanzlichen Bescheide heißt es, die Beschwerdeführer hätten sich im Zeitraum vom 8. November 1993 bis 28. Dezember 1994 ohne Bewilligung im Bundesgebiet aufgehalten. Dafür seien sie auch bereits bestraft worden. Am 28. Dezember 1994 seien die Beschwerdeführer ausgereist. Seit 24. Jänner 1995 hätten sie neuerlich ihren Wohnsitz an einer Adresse in Österreich genommen.
Die Beschwerdeführer erhoben Berufung. Darin führten die Beschwerdeführer aus, der Ehegatte der Viertbeschwerdeführerin lebe seit 28 Jahren im Bundesgebiet und verfüge über eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung. Die Beschwerdeführer hätten sich in Bosnien aufgehalten. Sie hätten fliehen müssen, um ihr Leben zu retten. Im Jänner 1994 seien die gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen gestellt worden. Die Beschwerdeführer hätten sich kurzzeitig bei einer Schwägerin der Viertbeschwerdeführerin in Kroatien aufgehalten. Diese Unterkunft hätten sie verlassen müssen. Sie hätten nicht nach Bosnien zurückkehren können, sodaß sie im Jänner 1995 nach Österreich eingereist seien.
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 3. Jänner 1996 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Begründend heißt es in den angefochtenen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend, aufgrund der auch auf den eigenen Angaben der Beschwerdeführer beruhenden Aktenlage, insbesondere auch aufgrund ihrer Meldung beim Gemeindeamt Pasching stehe fest, daß die Beschwerdeführer sich im Zeitraum vom 8. November 1993 bis 28. Dezember 1994 und sodann wieder seit 24. Jänner 1995 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Die Beschwerdeführer hätten in dieser Zeit auch unrechtmäßig ohne Aufenthaltsbewilligung einen Wohnsitz im Inland begründet. Aus diesen Erwägungen ergebe sich, daß die Beschwerdeführer - ungeachtet ihrer kroatischen Staatsangehörigkeit - auch während der ersten drei Monate nach ihrer jeweiligen Einreise nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen seien.
Die Richtigkeit dieser Sachverhaltsfeststellungen seien insbesondere auch daraus abzuleiten, daß die Beschwerdeführer am 3. Oktober 1994 vom Gendarmerieposten Pasching im Inland angetroffen worden seien. Gegen den Zweitbeschwerdeführer sei am 27. August 1994 eine Anzeige erstattet worden. Die Viertbeschwerdeführerin sei am 7. November 1994 zu einer Vernehmung vor der erstinstanzlichen Behörde erschienen. Sie habe auch am 7. November 1995 die erstinstanzlichen Bescheide eigenhändig übernommen.
Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen überwögen die öffentlichen Interessen an der Versagung der Bewilligung die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden. Die Beschwerdeführer machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften jeweils mit dem Antrag geltend, die angefochtenen Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und über sie erwogen:
§ 5 Abs. 1 AufG lautet:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 FrG lautet auszugsweise:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Im Zeitpunkt der von der belangten Behörde festgestellten Einreisen der Beschwerdeführer stand jeweils das im Verhältnis der Republik Österreich zur Republik Kroatien pragmatisch weiter angewendete Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, in Kraft. Es wurde mit Wirksamkeit vom 1. August 1995 durch das Abkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 487/1995, abgelöst.
Art. 1 und 3 des erstgenannten Abkommens lauteten auszugsweise:
"Artikel 1
(1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Artikel 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerk des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.
(2) Den Personen, die sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen, können die zuständigen Behörden dieses Vertragsstaates die Aufenthaltsberechtigung verlängern.
...
Artikel 3
...
(3) Der Grenzübertritt aufgrund dieses Abkommens ist jugoslawischen Staatsbürgern, die Inhaber eines der nachstehend angeführten gültigen Reiseausweise sind, gestattet:
a) Reisepaß (persönlicher oder Familienreisepaß)"
Art. 1 und 3 des Abkommens BGBl. Nr. 487/1995 lauten:
"Artikel 1
Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Artikel 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerke des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.
...
Artikel 3
...
(3) Der Grenzübertritt aufgrund dieses Abkommens ist kroatischen Staatsbürgern, die Inhaber eines der nachstehend angeführten gültigen Reiseausweise sind, gestattet:
a) Reisepaß (persönlicher oder Familienreisepaß)"
Die Beschwerdeführer treten der mit ihren eigenen Angaben im Bewilligungsantrag übereinstimmenden, im angefochtenen Bescheid getroffenen Annahme, sie seien Staatsangehörige Kroatiens, nicht entgegen. Sie bekämpfen jedoch die Feststellung betreffend ihren unrechtmäßigen Aufenthalt in den im jeweils angefochtenen Bescheid angeführten Zeiträumen und behaupten, die diesbezügliche Schlußfolgerung sei aus der Meldung der Beschwerdeführer an einer inländischen Adresse allein nicht zu ziehen. Dabei verkennen die Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde sich bei ihren Feststellungen nicht allein auf die Tatsache der Meldung im Inland stützte, sondern auch auf die eigenen Angaben der Beschwerdeführer in ihren Berufungen und auf die übrigen in den oben wiedergegebenen Bescheidbegründungen ausführlich dargelegten Umstände. Diesen schlüssigen Darlegungen der belangten Behörde treten die vorliegenden Beschwerden nicht mit konkreten Argumenten entgegen. Insoweit die Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwerfen, sie habe es verabsäumt, weitere Nachforschungen anzustellen, unterlassen sie es darzulegen, zu welchen anderen Ergebnissen sie dadurch gelangt wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, daß eine unrechtmäßige Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet die Annahme rechtfertigen, ein weiterer Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259). Gleiches gilt für einen längerdauernden unberechtigten Aufenthalt im Anschluß an den dreimonatigen rechtmäßigen Aufenthalt nach sichtvermerksfreier Einreise (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0269). Jedenfalls der letztgenannte Tatbestand liegt im Falle der Beschwerdeführer vor. Daß diese überdies einen Hauptwohnsitz im Inland ohne die in § 1 Abs. 1 AufG vorgesehene Bewilligung begründeten, unterstützt die gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG getroffene Gefährdungsprognose.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführer erweist sich auch der Eingriff in die durch die Anwesenheit des Ehegatten der Viertbeschwerdeführerin und Vaters der übrigen Beschwerdeführer im Bundesgebiet begründeten familiären Interessen unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der öffentlichen Ordnung und dem damit verbundenen Recht des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK als gerechtfertigt, weil sich die Beschwerdeführer im Anschluß an eine - vom Gesetz nicht zum Zweck der Einwanderung vorgesehene - sichtvermerksfreie Einreise unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
Aus diesen Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des insgesamt gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190661.X00Im RIS seit
16.10.2001