Entscheidungsdatum
27.08.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1Spruch
L518 2124555-1/23E
L518 2124552-1/20E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 18.05.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus Steininger als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten im Zeitpunkt der Verkündung durch RA Dr. Michael DREXLER, nunmehr vertreten durch Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 14.03.2016, Zlen. 1001661805-14089613 und 1001661500-14089621, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.05.2020 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ bis „bP2“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Georgien und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 08.02.2014 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) Anträge auf internationalen Schutz ein.
Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Ehegatten.
I.2.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 1 im Wesentlichen Folgendes vor:
„Unser Hauptgrund liegt darin, dass meine Ehefrau vor 20 Jahren von Abchasien (Georgien) nach XXXX (Georgien) flüchten musste. Sie hatte in XXXX ein Wohnhaus. Vor ca. 2 Jahren wurde das Haus zum Großteil von der georgischen Behörde abgerissen (mit Bagger beschädigt). Sie (meine Frau) musste damals auch eine Strafe bezahlen. Es blieb nur mehr 1 Zimmer übrig, indem wir bis zu unserer Ausreise wohnten. Der Landeshauptmann ( XXXX ) teilte uns mit, dass wir das Haus zur Gänze niederreißen müssen. Ich habe meine Frau am XXXX 2014 „standesamtlich“ geheiratet. Eine beglaubigte Abschrift (Kopie) unserer Heiratsurkunde haben wir mit. Da wir kein Haus mehr hatten, haben wir uns entschlossen, Georgien ( XXXX ) zu verlassen und nach Österreich zu reisen. (flüchten). Als weiteren Grund gebe ich an, dass meine Frau und ich beide an Hepatitis C erkrankt sind und wir in Georgien nicht die notwendige ärztliche Hilfe erhalten. Auch deshalb haben wir uns für Österreich entschlossen, da wir hier die ärztliche Betreuung, Medikamente etc. erhoffen. Das sind alle meine (unsere) Fluchtgründe, andere oder weitere habe ich (wir) nicht. Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich war schon einmal in Europa und zwar im Mai 2013 für 2 Wochen in Polen in der Stadt XXXX . Ich habe mich dort mich dort legal mit einem RP und Visum aufgehalten. Damals war ich auf einem Seminar für „Logo-Therapeuten“ (für Menschen mit Hunden). Ich habe keinen Asylantrag gestellt. Zu Hause haben wir kein Dach über den Kopf, wir haben nichts und bekommen auch nicht die notwendige ärztliche Hilfe.“
I.2.2. Vor der belangten Behörde brachte die bP 1 zum Fluchtgrund im Wesentlichen in zwei länger dauernden Einvernahmen vor, dass sie sowohl mit der Nachbarin wegen eines Grundstückstreites und deren Verwandten verfolgt worden sei als auch von Polizisten und einem Staatsanwalt wegen einer Zeugenaussage zu einem Raubüberfall. Zudem hätte die bP 1 eine Verfolgung durch den Leibwächter eines Patriarchen zu gewärtigen, mit welchem die bP 1 ebenfalls Probleme gehabt hätte.
Die bP 2 bestätigte im Wesentlichen die Angaben der bP 1, legte selbst Unterlagen vor und gab zudem an:
LA: Wann und was war der ausschlaggebende Grund, dass Sie beschlossen haben, auszureisen?
VP: Ich habe noch einen Grund vorzubringen. Davon weiß mein Mann nichts. Ein Mann namens XXXX hat mich zu Hause, in der XXXX aufgesucht. Er hat sich als entfernter Verwandter ausgegeben und hat mich um eine Übernachtung gebeten. Er hat am Telefon gesprochen und ich habe mitbekommen, dass er mit Männern telefoniert hat und mit ihnen für den nächsten Tag einen Treffpunkt bei der U-Bahnstation XXXX ausgemacht hat. Ich habe später erfahren, dass er an dem Tag, bevor er zu mir kam, einen Raubüberfall begangen hat. An dem Abend ist ein Freund von XXXX zu uns gekommen. Er hieß XXXX . Ich war zwar in der Küche, bekam aber mit, wie sie den Raufüberfall besprochen haben. Wie sie eine armenische Familie überfallen haben, eine schwangere Frau mit einem heißen Bügeleisen gefoltert haben und von der Familie das Geld und Gold mitgenommen haben. Ich habe Angst bekommen, konnte mir aber nichts anmerken lassen, weil ich wusste, dass dieser XXXX ist eine dubiose Person und hat sogar einen Mord begangen. Am nächsten Morgen wollte mir XXXX ein Handy schenken, er hat mir gewarnt, dass ich das Handy zwei Monate lang nicht einschalten sollte. Als er gegangen ist, habe ich das Handy zur Polizei gebracht und ihn anonym angezeigt. Also bei der Polizei habe ich über den Raufüberfall gesprochen und habe den Polizisten gesagt, ich weiß, wer das gemacht hat, aber sie dürfen mich nicht nennen. XXXX hat das später mitbekommen, vielleicht durch das Telefon, das er mir geschenkt hat. Polizei hat alle Beschuldigten festgenommen, sie wurden zu 20 bzw. 25 Jahre Haft verurteilt. Das war im Jahr 2003 oder 2004. XXXX wurde nach 10 Jahren durch die neue Regierung enthaftet. Er ist meiner Schwester bei einer Beerdigung begegnet und bedrohte mich durch sie. Er hat ihr ausrichten lassen, dass er meine Stirn durchschießen wird und mein Mann kann mir nicht helfen.
LA: Wann war das?
VP: Im Oktober 2013, glaube ich, da war die Bedrohung. Zu Silvester 2014 hat mich ein Mann angerufen, das war aber nicht XXXX , da ich seine Stimme sonst erkannt habe. Ich glaube, er hat einen Mann anrufen lassen. Er sagte mir, dass er nächstes Jahr mein Grab aufsuchen wird, weil ich als Hure sie bei der Polizei angezeigt hätte.
LA: Gab es von 2003 bis zu jenem Augenblick Bedrohungen von XXXX ?
VP: Nein, sie waren in Haft und damals waren die Haftbedingungen sehr streng. Befragt gebe ich an, dass ich glaube, dass XXXX im Jahr 2013 freigelassen wurde, wann genau weiß ich nicht. Das waren meine Fluchtgründe aber hinzukommen noch die Fluchtgründe meines Mannes. Das alles hat dazu geführt, dass wir beschlossen haben, auszureisen.
I.2.3. Vorgelegt vor dem BFA wurde von den bP:
? Georgischer Personalausweis der bP 1 und 2
? Heiratsurkunde
? Geburtsurkunde
? Medizinische Unterlagen österreichischer Krankenhäuser und Ärzte zur bP 1 und bP 2
? Anordnung des Justizministeriums über die Demontage eines Gebäudes ausgest. XXXX .2012
? Mitteilung über die Einleitung eines Strafverfahrens ausgest. XXXX 2014
Bescheinigung XXXX 2014 d. Innenministerium Polizeiabteilung an XXXX : Es wird bescheinigt, dass das Strafverfahren betr. der Schlägerei vom XXXX 2012 zum Nachteil der bP unter Aktenzahl N…….. eingeleitet wurde.
? Mitteilung über Verfahrensstand der Polizeiabteilung XXXX .2013
Bescheinigung XXXX .2013 der Polizeiabteilung der Stadt XXXX wird bescheinigt, dass das Ermittlungsverfahren betreffend Anfertigung und Fälschung von Sitzungsprotokollen betreffend den Fall XXXX eiterhin anhängig ist.
? ?XXXX 2014 ausgest. Polizeibeamter XXXX ; Bestätigung ausgestellt an die Vertretung ( XXXX ) der bP 1, dass am XXXX 2013 die Polizei von den bP über eine Gasvergiftung in Kenntnis gesetzt wurde.
? Verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Beschwerde ausgest. XXXX 2011
? Verwaltungsbehördliche Entscheidung betreffend der Demontage des Gebäudes vom XXXX 2011
? Kopie Nr.: XXXX 2013 Fr. XXXX wird gewarnt, nicht mit XXXX und mit weiteren Personen in Kontakt zu treten, ausgest. Von Polizei Abteilung Bezirk XXXX
? Nr.: XXXX 2014 Polizei warnt XXXX und bP 2 nicht in Kontakt zu treten. Ausgest. Von Polizei Abteilung Bezirk XXXX .
? Nr. XXXX 2013 Polizei Abteilung XXXX wird gewarnt, nicht mit XXXX und mit weiteren Personen in Kontakt zu treten
? ?XXXX 2014 vom Polizeiabteilung XXXX : Strafsache Nr… bzgl. Fälschung des Versammlungsaktes „ XXXX “ – Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet, gem. Artikel 362 Teil 1
? Urteil über den illegalen Besitz einer Waffe und Munition
? Waffenbesitzkarte XXXX 2003, gültig bis XXXX 2006 und alte Waffenbesitzkarte XXXX
? Div. Diplome über die Ausbildung als Hundetrainer
? Mitteilung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen XXXX 2014 Polizei Bezirk XXXX (Ehegatte der Nachbarin wurde bestraft gemäß Angaben der bP 1)
? Gerichtsurteil des Stadtgerichtes XXXX 2014
? Schreiben vom Kassationsgericht (Oberster Gerichtshof) vom XXXX - es konnte keine Entscheidung hinsichtlich der Beschwerde getroffen werden, da die Kassationsgebühr von 300 Lari nicht entrichtet wurden und daher die Aufforderung an die VP binnen 7 Tagen 300 Lari zu entrichten und darüber einen Beleg vorzulegen nicht erfüllt wurde.
? Vollzugsentscheidung des georgischen Justizministeriums vom XXXX 2014 - die bP 2 wird aufgefordert, binnen 7 Tagen das Gebäude freiwillig abzureißen, andernfalls wird die Behörde das Gebäude selbst abreißen
? Vollzugsbüro des georgischen Justizministeriums vom XXXX 2014 – an die Vertreterin der bP - der Beschwerde wird nicht Folge geleistet und das Vollzugsverfahren wird nicht eingestellt.
? Entscheidung des Berufungsgerichtes vom XXXX : Berufungsgegner: Rathaus XXXX – Aufsichtsamt, Berufungswerber: bP 2; Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben – die Entscheidung des Rathauses vom XXXX 2011 bleibt unverändert.
? Link – Bericht vom XXXX 2008 über den Überfall auf einen Geldtransporter, in welchem die bP 1 als Zeuge genannt wird
? Schreiben des Ministeriums für die aus den besetzten Territorien zwangsweise Vertriebenen ausgest. XXXX 2011
? 2 USB Stick
Gemäß Übersetzung der Inhalte:
1. Video aus 2001: Inhalt ist die Ermordung eines Journalisten, die bP 1 kommt am Ende des Videos vor und berichtet über die allgemein ihrer Meinung nach schlechten Zustände in Georgien. Sie sei in dieser Sache nicht bedroht gewesen, aber in einer anderen und war die bP 1 damals bei der Polizei.
2. Video aus 2004: Inhalt ist ein Banküberfall, die bP 1 trat bei Polizei und Gericht als Zeuge auf, wollte aber mit den Journalisten nicht über den Vorfall sprechen.
3. Video privat von bP 1 gemacht: Gespräch mit Beamten von Flüchtlingsministerium, in welchem die bP 1 die Vorfälle des Grundstückstreites mit der Nachbarin aus seiner Sicht schildert und um Hilfe bittet. Der Beamte fühlt sich nicht zuständig.
4. Unterlagen zur Verbesserungsbedürftigen Hepatitis Behandlung in Georgien
5. Videos zum georgischen Patriarchen, welcher vom Bürgermeister und Beamten aufgesucht wurde, da er sich für Verbesserte Haftbedingungen in den Gefängnissen einsetzt, die bP 1 wird nicht erwähnt.
6. Video aus 2007, auf welchen die bP 1 von einer Frau im Zusammenhang mit Zueignung von Grundstücken beschimpft wird. Anwesende Beamte teilen der bP 1 mit, dass sie zwar im Recht sei, sich aber der Frau gegenüber benehmen solle.
7. Weitere PDF Dateien zu den Vorfällen, insbesondere zur Wohnung der bP, Bereicherungsvorwürfen gegenüber der bP1 und Menschenrechtsverletzungen
8. MP3 Dateien: Gespräche zwischen bP 1 und unbekannter Person bezüglich Druckausübung auf die bP 1 seit der Aussage vor Gericht und im Zusammenhang mit den Vorfällen um den Patriarchen.
9. Generelle Informationen zu Georgien inkl. Berichte über Gesundheitswesen und Rechtsschutz und Probleme mit herrenlosen Hunden in Georgien
10. Video über Nachbarschaftsstreit zwischen bP und Nachbarin
11. Videos über Polizeieinsatz im Hof mit Nachbarin
12. Diverse Fotos, auch welchem die bP nicht zu sehen sind
Von der bB wurde eine Anfrage über die Staatendokumentation gestellt. Deren Ergebnis hinsichtlich Behandlungsmöglichkeiten in Georgien langte am 27.01.2016 bei der bB ein.
I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei.
Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen gewährt.
In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.
I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP 1) :
Eine Verfolgung bzw. Gefährdung Ihrer Person wegen des Grundstückstreites war aufgrund Ihrer Angaben nicht festzustellen. Sämtliche Anbringen, Anzeigen und Ermittlungen wurden über die Polizei bzw. Gerichte abgewickelt. Durch Ihre zahlreich in Vorlage gebrachten Schriftstücke war ersichtlich, dass sich die georgischen Behörden mit Ihrem Streit auseinandergesetzt haben und dass die Polizei auch Ermittlungsschritte bzgl. der Vorfälle (Übergriffen) gesetzt hat. So wurde auch der Ehemann von XXXX wegen des Übergriffes auf Ihre Person strafrechtlich verurteilt. Eine – wie von Ihnen behauptete – nichtvorhandene Tätigkeit der Polizei bzw. keine Durchführung von Ermittlungsschritten der Polizei - war aufgrund der in Vorlage gebrachten Schreiben nicht festzustellen.
Eine Verfolgung Ihrer Person wegen der Aufnahmen bei der Vermessung des Grundstückes durch die Polizei im Jahr 2011war nicht glaubhaft nachvollziehbar, da bis zu Ihrer Ausreise keine gezielten Schritte gegen Ihre Person seitens der Polizeibeamten gesetzt worden waren, zumal Sie sich bei den von Ihnen in Vorlage brachten Videoaufnahmen gegenüber den Polizeibeamten äußert aggressiv gezeigt haben, weshalb die Polizei Grund genug gehabt hätte – hätten sie dies mit Absicht vor – gegen Sie polizeiliche Schritte zu unternehmen bzw. Sie wegen aggressiven Verhaltens in Verwahrungshaft einzusperren. Dies wurde jedoch nicht gemacht, weshalb eine gezielte Verfolgung Ihrer Person seitens der Polizeibehörden bzw. Polizeibeamten nicht glaubhaft nachvollziehbar war.
Auch die Verfolgung Ihrer Person durch den Staatsanwalt XXXX war aufgrund der von Ihnen vorgelegten Schreiben nicht glaubhaft nachvollziehbar. Es konnte keinesfalls festgestellt werden, dass der Staatsanwalt Sie gezwungen hätte, eine Falschaussage zu machen, da in diesem Prozess laut vorliegendem Video des USB-Stick ersichtlich ist, dass Ihre Aussage eine „unbedeutende“ war, da der Kronzeuge eine andere Person war und durch dessen Aussage das Urteil entstanden war, weshalb ein Druck auf Ihre Aussage in Betrachtung der Gesamtsituation weder plausibel noch glaubhaft nachvollziehbar war.
Ihre Ausführungen, dass Sie angeblich bis 2004 in der Staatskanzlei für interne Kontrolle gearbeitet haben und deshalb eine Gefährdung Ihrer Person vorliegen würde, war für die erkennende Behörde nicht glaubhaft nachvollziehbar. Es war weder plausibel noch mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen in Einklang zu bringen, dass die Behörde, die Sie angeblich für eine Aussage benötigt und deshalb unter Druck setzen möchte, 3 Jahre zuwartet, zumal Sie den Vorfall im Jahr 2007 wiederrum auf die Initiative von XXXX zurückgeführt haben. Dieses Komplott würden Sie deshalb vermuten, da Sie wegen illegalen Waffenbesitzes, Ihrer Meinung nach, zu Unrecht verurteilt worden waren. Dazu muss jedoch angemerkt werden, dass Sie auch in Österreich bei einem unrechtmäßigen Waffenbesitz eine Strafe bekommen würden und stellt eine solche Maßnahme keineswegs eine politische Verfolgung Ihrer Person dar.
Aber auch Ihr Vorbringen hinsichtlich der Verfolgung durch die Leibwächter des Patriarchen namens XXXX waren in Betrachtung der Gesamtsituation nicht glaubhaft nachvollziehbar.
So hätten Sie gemeinsam mit dem Enkel des Patriarchen gegen die Leibwächter ausgesagt und war daher nicht glaubhaft, dass nun Sie als Person von diesen Leibwächtern verfolgt werden würden, obwohl der Hauptzeuge – der Enkel des Patriarchen – nach wie vor im Heimatland lebt und dessen Aussage mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit mehr Gewicht hat, als die Ihrige. Ihre Angaben zu der Korruptheit der Leibwächter waren sehr vage gehalten, führten Sie auch an, dass die Leibwächter seit Jahren korrupt gewesen wären und niemand hätte gegen sie etwas unternommen. Aufgrund der Gesamtsituation war nun nicht glaubhaft, dass Sie gerade vor der Ausreise nach all den Jahren diese Korruption aufdecken wollten und dass in diesem Zusammenhang Ihrer Aussage mehr Bedeutung zukommen sollte, jedoch der eigentliche Hauptzeuge – der mit dem Patriarchen gemeinsam wohnt und sicherlich mehr Einfluss auf ihn hat wie Sie – ungehindert im Heimatland leben kann. Da Sie jedoch die Verfolgung durch die Leibwächter in der ersten Einvernahme nicht angeführt haben, jedoch diese Verfolgung anscheinend der fluchtauslösende Grund für Ihre Ausreise war, gewann die erkennende Behörde den Eindruck, dass Sie Ihr Vorbringen mit der ins Treffen geführten Verfolgung durch die Leibwächter steigern wollten. Gaben Sie auch in der ersten Einvernahme konkret an, keine weiteren Fluchtgründe mehr zu haben, weshalb die nun ins Treffen geführte Verfolgung Ihrer Person durch die Leibwächter nicht glaubhaft nachvollziehbar war.
Unter Betrachtung der Gesamtsituation war eine nachhaltige Verfolgung Ihrer Person durch die Leibwächter nicht glaubhaft und war die Audio-Aufnahme vom Gespräch mit dem Enkel des Patriarchen als Gefälligkeitsaussage zu werten und nicht als Beweis für eine nachhaltige Verfolgung, da ansonsten auch der Enkel des Patriarchen von einer solchen Verfolgung betroffen wäre, zumal der Enkel eigentlich den Hauptzeugen darstellt.
Anzumerken war, dass – ginge man von einer wahren Bedrohung aus -. Sie sich jederzeit wegen der Bedrohung durch die Leibwächter an die Polizei wenden hätten können, wie Sie es schon im Fall des Grundstücksstreites gemacht haben und wo auch ausreichend durch die Vorlage von Dokumenten dokumentiert wird, dass die Polizei entsprechende Maßnahmen ergriffen hat wie z.B. Untersagung durch die Polizei mit jemanden in Kontakt zu treten bzw. Verurteilung des XXXX , weshalb eine Schutzfähigkeit durch die georgischen Behörden gegeben war.
Aufgrund o.a. Ausführungen war für die erkennende Behörde nicht glaubhaft, dass Sie aus Furcht vor Verfolgung Ihrer Person das Land verlassen haben und waren aus der Gesamtbetrachtung der von Ihnen geschilderten Situation weder eine Verfolgung bzw. Gefährdung Ihrer Person noch asylrelevanten Gründe erkennbar.
Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die bB im Hinblick auf die bP 2 Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP 2) :
Eine Verfolgung bzw. Gefährdung Ihrer Person wegen des Grundstückstreites war aufgrund der Angaben Ihres Mannes und Ihrer Angaben nicht festzustellen. Sämtliche Anbringen, Anzeigen und Ermittlungen wurden über die Polizei bzw. Gerichte abgewickelt. Durch Ihre zahlreich in Vorlage gebrachten Schriftstücke war ersichtlich, dass sich die georgischen Behörden mit Ihrem Streit auseinandergesetzt haben und dass die Polizei auch Ermittlungsschritte bzgl. der Vorfälle (Übergriffen) gesetzt hat. So wurde auch der Ehemann von XXXX wegen des Übergriffes auf Ihren Mann strafrechtlich verurteilt. Eine – wie von Ihnen behauptete – nichtvorhandene Tätigkeit der Polizei bzw. keine Durchführung von Ermittlungsschritten der Polizei - war aufgrund der in Vorlage gebrachten Schreiben nicht festzustellen.
Brachten Sie auch zahlreiche Schreiben der Polizei in Vorlage, wo z.B. XXXX die Kontaktaufnahme mit Personen untersagt wird, Schreiben, indem das Einleiten eines Ermittlungsschreibens bestätigt wird und div. Gerichtsbeschlüsse.
Eine mangelnde Schutzfähigkeit des georgischen Staats war nicht festzustellen und war auch eine Verfolgung Ihrer Personen – toleriert durch die georgischen Behörden – nicht glaubhaft nachvollziehbar.
Da auch im Verfahren Ihres Gatten eine nachhaltige Verfolgung seiner Person nicht glaubhaft nachvollziehbar war, war unter Betrachtung Ihres eigenen Vorbringens unter Heranziehung der Angaben Ihres Gatten keinesfalls eine Verfolgung Ihrer Person glaubhaft, vielmehr bezogen sich Ihre Angaben lediglich auf einen jahrlangen Nachbar- und Grundstücksstreites wo es unter anderem auch wahrscheinlich zu teilweisen Übergriffen der Streitparteien gekommen war. Jedoch war nicht glaubhaft, dass die Polizeibehörden die strafrechtlichen Übergriffe nicht geahndet hätten, da dies durch die von Ihnen bzw. Ihrem Gatten in Vorlage gebrachten Dokumente eindeutig belegt wurde z.B. wurde der Ehemann von XXXX wegen des Übergriffes strafrechtlich verurteilt
Aber auch Ihr Vorbringen hinsichtlich Ihrer Verfolgung durch den Bekannten XXXX waren in Betrachtung der Gesamtsituation nicht glaubhaft nachvollziehbar.
Erstens gaben Sie diesen Fluchtgrund in der ersten Einvernahme nicht an, obwohl Sie dezidiert nach all Ihren Fluchtgründen gefragt worden sind und gewann die erkennende Behörde daher den Eindruck, dass Sie Ihr Vorbringen damit steigern wollten. Zweitens waren Ihre Angaben zu der angeblichen Verfolgung sehr vage gehalten, sodass keinesfalls von einer wahren Begebenheit auszugehen war.
Hätte ein brutaler Verbrecher die Absicht, sich an Ihnen zu rächen, so hätte er sich nicht damit begnügt, Sie zweimal zu warnen bzw. seine Absicht in Aussicht zu stellen. So ein Szenario lässt sich mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht in Einklang bringen und war daher Ihr Vorbringen als nicht glaubhaft zu bewerten gewesen.
Anzumerken war, dass – ginge man von einer wahren Bedrohung aus -. Sie sich jederzeit wegen der Bedrohung an die Polizei wenden hätten können, wie Sie es schon im Fall des Grundstücksstreites gemacht haben und wo auch ausreichend durch die Vorlage von Dokumenten dokumentiert wird, dass die Polizei entsprechende Maßnahmen ergriffen hat, weshalb von einer mangelnden Schutzfähigkeit der georgischen Behörden nicht auszugehen war.
Aufgrund o.a. Ausführungen war für die erkennende Behörde nicht glaubhaft, dass Sie aus Furcht vor Verfolgung Ihrer Person das Land verlassen haben und waren aus der Gesamtbetrachtung der von Ihnen geschilderten Situation weder eine Verfolgung bzw. Gefährdung Ihrer Person noch asylrelevanten Gründe erkennbar.
In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.
I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen.
I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb Rückehrentscheidung und Abschiebung in Bezug auf Georgien zulässig sind.
I.4. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsätzen innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die Länderfeststellungen mangelhaft wären und sich die bB nicht entsprechend mit den Erkrankungen der bP auseinandergesetzt habe. Personen, welche an HIV erkrankt sind, würden in der georgischen Gesellschaft stigmatisiert und diskriminiert werden. Es wurde aus einem Bericht von USDOS aus dem Jahr 2014 und einer Entscheidung des BVwG hierzu zitiert. Durch die Erkrankung sei nicht nur der Zugang zur medizinischen Versorgung an sich, sondern auch der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert. Auch von ihren eigenen Familien würden die bP großteils gemieden. Die Angaben in der Erstbefragung seien vom nur schlecht russisch sprechenden Dolmetscher teilweise nicht richtig übersetzt worden. Die bP würden in Georgien aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von Rache bedrohten ohne Aussicht auf staatlichen Schutz verfolgten Personen asylrelevant verfolgt. Es wurde zur Korruption innerhalb der georgischen Partei aus Berichten zitiert. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stünde den bP nicht offen. Ua. wurde der Antrag gestellt, die Frist für die freiwillige Ausreise zu verlängern.
Vorgelegt mit der Beschwerde wurde von den bP:
? Psychologischer Befund bP 1 aus 2015 (kein ernstafter Befund konnte erhoben werden, da Hinweise auf mangelnde Anstrengungsbereitschaft vorlagen und die bP Beschwerden in allen Störungsbildern angab)
I.5. Die Beschwerdevorlage langte am 12.04.2016 beim BVwG, Außenstelle Linz ein.
I.6. Mit Schreiben vom 05.10.2016, 29.04.2016, 21.07.2016 und 03.08.2016 wurden Empfehlungsschreiben (ua. Empfehlungsschreiben des Hausarztes der bP sowie ein Empfehlungsschreiben der Arzthelferin) und ein Therapieplan für die bP 1 vorgelegt.
I.7. Am 14.03.2020 langte die angeforderte Anfragebeantwortung beim BVwG ein.
I.8. Mit Schreiben vom 20.03.2020 wurde die Bevollmächtigung des RA Dr. Drexler bekannt gegeben.
I.9. Mit Schreiben vom 17.05.2020 wurde das Vollmachtsverhältnis zur Deserteurs- und Flüchtlingsberatung gekündigt. Vorgelegt wurden medizinische Unterlagen und Unterlagen zur Integration.
I.10. Für den 18.05.2020 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde – in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.
Für den Fall, dass gegenwärtig Bescheinigungsmittel nicht zugänglich sind, weil sie sich beispielsweise noch im Herkunftsstaat befinden, wurden die bP eingeladen, ehestmöglich die erforderlichen Schritte zu setzen, damit diese zugänglich werden und sie im Anschluss daran vorzulegen. Für diesen Fall wurde auch ersucht, dem erkennenden Gericht bekannt zu geben, welche Bescheinigungsmittel die bP beabsichtigen vorzulegen, wo sich diese gegenwärtig befinden und wann mit deren Vorlage gerechnet werden kann.
Vorgelegt in der Verhandlung wurde von den bP:
? Empfehlungsschreiben
? Einstellungszusagen
? medizinische Unterlagen, zur bP 1 insbesondere: Einen Befundbericht des Dr. Wimmer vom 31.10.2019, Einen ambulanten Arztbrief vom 05.02.2020, Ein Befundbericht des Internistenzentrums vom 03.02.2020, Weiteres Schreiben des Internistenzentrums vom 16.08.2019, Schreiben der Hepatitisambulanz vom 02.04.2014, Unfallchirurgischer Brief vom 18.08.2016; Zur bP 2 insbesondere: Auszug aus der Krankengeschichte in Georgien, Ein ärztliches Diagnoseschreiben des XXXX , Schreiben des XXXX , psychologischer Befund vom 04.10.2019, Ein Arztbrief vom 20.01.2017
? Schreiben der österreichischen Präsidentschaftskanzlei
? Dokument IWPR betreffend COVID-19
? The CIRIGHITS Data project
? Statistiken
? Kriminalstatistik
? Human Rights Report 2019
Die bP gaben an, dass sie mit den vorgelegten allgemeinen Reports und Statistiken nur zeigen wollen, dass in Georgien nicht alles in Ordnung ist.
Sie hätten diese Reports nur vorgelegt, als Entgegnung zu den den übermittelten Länderfeststellungen.
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.
Die Beschwerden wurden spruchgemäß als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.
Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.
I.11. Mit Schreiben vom 19.05.2020 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt.
I.12. Mit Mail vom 14.07.2020 wurden Vollmachten der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung vorgelegt.
I.13. Mit Schreiben vom 16.07.2020 wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter das Vollmachtsverhältnis gekündigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien
II.1.1.1. Bei den bP handelt es sich um Georgier, welche vor ihrer Ausreise in XXXX lebten und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen. Die bP 1 hat in XXXX die Schule besucht und im Anschluss in verschiedenen Bereichen im öffentlichen Dienst gearbeitet sowie eine künstlerische Ausbildung absolviert. Von 2004 bis 2013 hat sie selbstständig als Hundetrainer gearbeitet.
Die bP 2 hat in Abchasien die Schule besucht und vor ihrer Ausreise als Verkäuferin gearbeitet und zuletzt gemeinsam mit der bP 1 als Hundetrainerin. Sie hatte bis zu ihrer Heirat mit der bP 1 einen Flüchtlingsstatus in Bezug auf Abchasien in Georgien inne.
Die bP standen in einem Rechtsstreit wegen der von der bP 2 errichteten Flüchtlingsunterkunft, in welcher sie vor der Ausreise lebten. Sie verloren die Gerichtsverfahren und wurde das Haus nach behördlichem Auftrag abgerissen.
Die bP sind junge, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.
Familienangehörige leben nach wie vor in Georgien. Ein Sohn der bP 1 aus erster Ehe lebt in Georgien sowie die Eltern, Onkel und Tanten. Mit dem Sohn und den Eltern besteht regelmäßiger Kontakt. Der Sohn ist Student und lebt in der Eigentumswohnung seiner Mutter, die Eltern erhalten eine Pension. Zwei Schwestern der bP 2 sowie Cousins leben mit ihren Familien in Georgien.
II.1.1.2. Die bP2 leidet an folgender Erkrankung:
Hepatitis C, HIV, Leberfibrose und arterieller Hypertonie. Sie geht alle 3 Monate zur Kontrolle ins Krankenhaus und ist die Hepatitis inzwischen ausgeheilt. Sie erhält zudem ca. monatlich eine Therapie wegen einer aktuell mittelgradigen depressiven Symptomatik. Wegen der HIV Infektion ist sie in Österreich seit November 2014 in Behandlung, derzeit kann HIV (Infektion im Stadium A3 nach CDC) stets unter der Nachweisgrenze, vorerst mit den Medikamenten descovy+tivicay gehalten werden. Danach erhielt sie Genvoya und Rosuvastatin sowie Vitamin D. Sie steht in Österreich in einer Antiretroviralen Therapie, bei welcher bereits einmal im August 2019 eine Medikamentenumstellung erfolgte. Eine Herzuntersuchung 2020 blieb ohne auffälligen Befund. Der frauenärztliche Befund zeigte ein Uterus Myom und eine atrophe Kolpitis und erfolgte in diesem Zusammenhang keine weitere regelmäßige Behandlung, sondern wurden lediglich altersentsprechende Kontrollen vereinbart. Ihr wurde ein österreichischer Behindertenpass ausgestellt.
Die bP 1 leidet an folgender Erkrankung:
Ausgeheilte Hepatitis C, Pankreatitis, Astigmatismus (Hornhautverkrümmung) und Leberfibrose 4 (=Leberzirrhose), 2016 wurde nach einem Fahrradunfall ein Unterschenkelbruch versorgt.
Die bP 1 wurde wegen der Leberzirrhose bzw. Hepatitis C bereits in Georgien behandelt. Aktuell hat die bP1 zweimal jährlich Kontrollen der Leberwerte und nimmt Medikamente (Legalon, bei Bedarf Pantoloc und Seractil sowie Vitamin D) ein und macht eine Diät.
Die genannten Erkrankungen sind in Georgien behandelbar und haben die bP auch Zugang zum georgischen Gesundheitssystem. Soweit sie im Falle einzelner Behandlungen mit einem Selbstbehalt belastet werden, steht es ihnen im Falle der Bedürftigkeit frei, die Kostenübernahme des Selbstbehaltes durch den Staat zu beantragen. Es können alle ausländischen Medikamente in Georgien grundsätzlich beschafft werden.
Die volljährigen bP haben Zugang zum georgischen Arbeitsmarkt und es steht ihnen frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen.
Ebenso haben die bP Zugang zum – wenn auch minder leistungsfähige als das österreichische- Sozialsystem des Herkunftsstaates und könnten dieses in Anspruch zu nehmen.
Darüber hinaus ist es den bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Die Personen, die sich im Laufe der letzten 14 Tage ua. in Österreich aufhielten, sind bei der Einreise nach Georgien verpflichtet, eine 14-tägige Quarantäne anzutreten (https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/georgien/+&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=at).
Am 19.08.2020 waren in Georgien 1361 Corona-Falle bekannt (https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf69. Die georgischen Behörden erarbeiteten einen Aktionsplan zur Eindämmung der Infektion der Bürger mit dem Virus COVID-19 (https://stopcov.ge/en).
II.1.1.3. Die bP halten sich seit 6 Jahren in Österreich auf.
Die bP haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung und haben Deutschkurse besucht, jedoch keine Prüfung abgelegt und sprechen mäßig Deutsch. Sie haben erst 2019 an Informationsveranstaltungen über den ÖIF teilgenommen und sind strafrechtlich unbescholten.
Die bP 1 geht unentgeltlich mit Hundes des Tierschutzvereines sowie von Nachbarn spazieren. Die bP 2 hat im Quartier sowie bei ihrem Hausarzt bei Reinigungsarbeiten unentgeltlich mitgeholfen und zuletzt 2020 einmal für einen Dienstleistungsscheck iHv EUR 51 gearbeitet. Sie hat Kontakt mit einer pflegebedürftigen Dame gehabt. Es liegen Einstellungszusagen für die bP vor.
Die Identität der bP steht nicht fest.
Bei den volljährigen bP handelt es sich um mobile, arbeitsfähige Menschen. Einerseits stammen die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den bP auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Georgien
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
II.1.2.1. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
1. Politische Lage
Letzte Änderung am 5.2.2020
In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewonnen hatte, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 4.2.2019).
Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt (FH 4.2.2019).
Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).
Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 4.2.2019).
Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei „Georgischer Traum“ sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die „Vereinigte Nationale Bewegung“ (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die „Allianz der Patrioten Georgiens“ (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der „Georgische Traum“ 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016).
Die Änderungen zu einem reinen Verhältniswahlrecht wurden vom Parlament für die übernächsten, 2024 stattfindenden Wahlen beschlossen (KP 23.11.2019a; vgl. RFE/RL 28.11.2019). Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bereits bei der für 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollten (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019). Die notwendige Drei-Viertel-Mehrheit zur Abänderung des Wahlgesetzes für die Wahl 2020 kam infolge des parlamentarischen Abstimmungsverhaltens der Regierungspartei „Georgischer Traum“ nicht zustande (KP 23.11.2019a, vgl. NZZ 20.11.2019).
Als Reaktion demonstrierten ab Mitte November zeitweise Tausende im Zentrum von Tiflis Die Polizei löste die Blockade des Parlamentsgebäudes am 18.11.2019 unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern auf und nahm etliche Demonstranten fest (RFE/RL 28.11.2019, NZZ 20.11.2019, JAMNews 20.11.2019, KP 23.11.2019a). Bei neuerlichen Demonstrationen am 25.11.2019 waren rund 30 Menschen festgenommen worden, nachdem die Protestierenden versucht hatten die Eingänge des Parlamentsgebäudes zu blockieren (ZO 26.11.2019). Dies wiederholte sich am 28.11.2019 (RFE/RL 28.11.2019).
Quellen:
? CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019
? DW – Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019
? JAMnews (20.11.2019): Protests in Tbilisi continue after dispersal – demonstrators plan to disrupt parliament, https://jam-news.net/protests-in-tbilisi-continue-after-dispersal-demonstrators-plan-to-disrupt-parliament/, Zugriff 22.11.2019
? FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 12.8.2019
? KP – Kaukasische Post (23.11.2019a): Vorhängeschlösser und Wasserwerfer ersetzen den politischen Diskurs, http://www.kaukasische-post.com/?p=3078, Zugriff 17.1.2020
? KP – Kaukasische Post (23.11.2019b): Welches Wahlrecht für Georgien?, http://www.kaukasische-post.com/?p=3075, Zugriff 17.1.2020
? NZZ – Neue Zürcher Zeitung (20.11.2019): Georgiens Politiker manövrieren sich in eine Sackgasse, https://www.nzz.ch/international/georgien-proteste-nach-gebrochenem-versprechen-ld.1522982, Zugriff 22.11.2019
? OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia – Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019
? RFE/RL – Radion Free Europe/Radion Liberty (28.11.2019): Georgian Police Cordon Off Parliament Building To Prevent Opposition Rally, https://www.rferl.org/a/georgian-police-cordon-off-parliament-building-to-prevent-opposition-rally/30297334.html, Zugriff 2.12.2019RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019
? RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019
? Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen – derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019
? Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019
? ZO – Zeit Online (26.11.2019): Zahlreiche Festnahmen bei regierungskritischen Protesten, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-11/georgien-tbilissi-proteste-wahlsystem-reform, Zugriff 2.12.2019
2. Sicherheitslage
Letzte Änderung am 12.9.2019
Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).
Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).
Quellen:
? EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019
? EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019
2.1. Regionale Problemzone: Abchasien
Letzte Änderung am 5.2.2020
Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich [1992; Time 23.7.2012] – unterstützt von Russland – als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in dem sich de facto ein politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär, sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur in einem sehr geringen Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 keine mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/minegrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/minegrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, der Besetzung öffentlicher Stellen, dem Zugang zu Bildung oder bei der Gesundheitsfürsorge). Erschwernisse gibt es beim Übertritt der administrativen Grenze nach Georgien. Ziel ist es offenbar, die georgische Bevölkerung entweder zur Aufgabe der georgischen Staatsangehörigkeit oder zum Verlassen ihrer angestammten Heimat zu veranlassen (AA 19.10.2019).
In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992-93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019). Die abchasischen Behörden verfolgen eine Politik, die den rechtlichen Status von ethnischen Georgiern im Distrikt Gali bedroht. Sie schlossen Dorfschulen und zwingen georgische Schüler, ausschließlich in russischer Sprache zu lernen (USDOS 13.3.2019).
Die abchasischen Behörden und russische Streitkräfte schränken weiterhin die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung entlang der administrativen Grenzlinie (ABL) ein, gleichwohl sie Flexibilität bei Reisen nach Georgien aus medizinischen Gründen, zwecks Pensionsleistungen, Bildung, etc. zeigen. Dorfbewohner, die sich unerlaubt der administrativen Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch die Grenzschutzbeamten der Russischen Föderation. Russische Grenzschutzbeamte entlang der ABL mit Abchasien setzen die Vorschriften der abchasischen Behörden mittels Festnahmen und Geldbußen durch (USDOS 13.3.2019).
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat keinen Zugang zu Gefängnissen und Haftanstalten in Abchasien. Die Zustände dort gelten als chronisch schlecht (USDOS 13.3.2019).
Im März 2019 nahm der UN-Menschenrechtsrat erneut eine Resolution an, die große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in Abchasien ausdrückte, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen (AA 19.10.2019; vgl. FH 4.2.2019).
Während die Volksmeinung einen Einfluss auf die abchasische Innenpolitik hat, ist das Funktionieren der politischen Institutionen Abchasiens fast ausschließlich von der wirtschaftlichen und politischen Unterstützung aus Moskau abhängig. Die ethnisch georgische Bevölkerung ist regelmäßig von Wahlen und politischer Repräsentation ausgeschlossen. Im Jahr 2017 argumentierten die abchasischen „Behörden“, dass die Mehrheit der Einwohner des Distrikts Gali georgische Staatsbürger seien und daher nicht wählen dürften (FH 4.2.2019).
Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf. Allerdings behindert die Korruption innerhalb der Parteien deren demokratie- politische Funktion. Im Allgemeinen wird das Vereinigungsrecht geachtet. Ähnliches gilt für das Versammlungsrecht. Politische Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft organisieren regelmäßig Proteste (FH 4.2.2019).
Im Jänner 2020 kam es in Abchasiens Hauptstadt Sokhumi zu heftigen Protesten gegen den De-Facto-Präsidenten Raul Khajimba. Ihm wurde von den Demonstranten vorgeworfen, bei seiner Wiederwahl im September 2019 nicht die erforderliche Stimmenmehrheit erzielt zu haben. Die Demonstranten stürmten das Präsidentengebäude und forderten seinen Rücktritt. Nach Vermittlung durch die Russische Föderation trat Khajimba zurück. Die Wahlbehörde annullierte das Wahlergebnis vom September 2019 und kündigte eine Wahlwiederholung für den 22.3.2020 an (RFE/RL 14.1.2020; vgl. AJ 9.1.2020).
Hinsichtlich der Religionsfreiheit erfährt die georgisch-orthodoxe Kirche Restriktionen und Diskriminierung. Die Zeugen Jehovas sind als extremistische Organisation klassifiziert und seit 1995 verboten (USDOS 21.6.2019, vgl. FH 4.2.2019). Obgleich Vorsteher der muslimischen Gemeinde in der Vergangenheit angegriffen wurden, dürfen Muslime ihren Glauben frei praktizieren (FH 4.2.2019).
Nepotismus und Korruption, die oft auf Clan- und ethnischen Bindungen beruhen, haben erhebliche Auswirkungen auf die abchasische Justiz. Die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen ist nach wie vor uneinheitlich. Das Strafrechtssystem wird durch den eingeschränkten Zugang der Angeklagten zu qualifiziertem Rechtsbeistand, Verletzungen des ordentlichen Verfahrens und langwierige Untersuchungshaft untergraben (FH 4.2.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2019042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020
? AJ – Al Jazeera (9.1.2020): Crowds storm president's office in Georgia's breakaway Abkhazia, https://www.aljazeera.com/news/2020/01/crowds-storm-president-office-georgia-breakaway-abkhazia-200109154012926.html, Zugriff 17.1.2020
? FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/abkhazia, Zugriff 20.8.2019
? RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (14.1.2020): Picking Up The Pieces Of Abkhazia's Latest Political Crisis, https://www.rferl.org/a/abkhazia-political-crisis-explainer/30376986.html, Zugriff 17.1.2020
? Time (23.7.2012): Paradise Lost: 20 Years of Independence in Abkhazia, https://time.com/3790443/paradise-lost-20-years-of-independence-in-abkhazia/, Zugriff 5.2.2020
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 20.8.2019
? USDOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011145.html, Zugriff am 20.8.2019
3. Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung am 5.2.2020
Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).
Die Stärkung eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der Regierung und wird fortgesetzt. NGOs begleiten den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch mit. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wenig ausgeprägt. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis [zum Regierungswechsel] 2012 erkenn