TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/29 L515 2235830-1

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Veröffentlicht am 29.10.2020
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Entscheidungsdatum

29.10.2020

Norm

BEinstG §14 Abs6
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs5

Spruch


L515 2235830-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 4.3.2020, Zl. OB: XXXX zu Recht erkannt:

A) Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang

1.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge als "bP" bezeichnet) gehört dem Kreis der begünstigten Behinderten an.

Im Rahmen eines amtswegig eingeleiteten Prüfungsverfahrens zur Frage, ob in Bezug auf die bP die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten noch vorliegen, wurde sie –nachdem sie einer entsprechenden Ladung in der Vergangenheit nicht nachkam- für den 3.3.2020 zu einer ärztlichen Untersuchung (ein)geladen. Auf dem entsprechenden Schreiben ist im Briefkopf das Sozialministeriumservice, Büro Ärztlicher Dienst samt Adresse genannt. In der (Ein)ladung ist der Arzt und dessen Ordinationsadresse des die Untersuchung durchführenden Arztes genannt. Im Schreiben wurde der Gesetzestext, welcher die Folgen einer unterlassenen Entsprechung der Aufforderung ohne triftigen Grund in allgemeiner Form wiedergegeben.

1.2. Die bP erschien zum angegebenen Zeitpunkt nicht in der Ordination, worauf ohne die Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens von Amts wegen festgestellt wurde, dass sie mit Ablauf des Monats, der auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides folgt, nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört.

Die bB ging davon aus, dass die bP der Untersuchung ohne triftigen Grund iSd § 14 Abs. 6 BEinstG fernblieb.

1.3. Die bP brachte gegen den angefochtenen Bescheid eine Beschwerde ein und brachte hierin zusammengefasst vor, dass sie sehr wohl erscheinungswillig war, ihr aber ein Versehen unterlief und sie in der Annahme, die Untersuchung fände am Sitz des Sozialministeriumservice anstatt, dorthin anstatt in die Ordination des Arztes kam. Sie hätte diesen Umstand auch einer Bediensteten der bB unverzüglich mitgeteilt, welche ihr zugesagt hätte, diesen Irrtum aktenkundig zu vermerken.

1.4. Die bB leitete ein Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ein und lud die bP nochmals zu einer ärztlichen Untersuchung, dieses Mal am Sitz der Behörde, wobei die bP der (Ein)ladung nachkam.

In einem ärztlichen Gutachten wurde ein Grad der Behinderung von 30 % festgestellt. Eine Entscheidung im Beschwerdevorentscheidungsverfahren erging nicht. Die bB legte schließlich die Akte vor.

1.5. Im Rahmen einer nicht öffentlichen Beratung am 28.10.2020 beschloss der erkennende Senat, den angefochtenen Bescheid zu beheben.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen (Sachverhalt):

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem beschriebenen Verfahrenshergang. Hieraus ergibt sich, dass die bP für den 3.3.2020 zu einer ärztlichen Untersuchung zur Ordinationsadresse des untersuchenden Arztes geladen wurde, sie jedoch aufgrund eines Versehens am Sitz des Sozialministeriumservice erschien. Sie war gewillt, am Verfahren mitzuwirken und teilte ihr Versehen noch am Sitz der Behörde einer Bediensteten mit.

3. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Dass die bP am Ladungstermin nicht in der Ordination des Arztes erschien, ergibt sich aus den Wahrnehmungen der bB und den Angaben der bP.

Das der bP ein Versehen unterlief und sie anstatt in der genannten Ordinationsadresse –im Willen, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts in der ihr aufgetragenen Form mitzuwirken- am Sitz der Behörde erschien ergibt sich aus den schlüssigen Angaben der bP, welche die bB im Beschwerdeverfahren –etwa im Rahmen einer Stellungnahme zu den Beschwerdeangaben- nicht entgegentrat.

Im Beschwerdeverfahren sind sowohl die bB, als auch die bP Verfahrensparteien, welchen sowohl die Rechte, als auch die Pflichten einer Partei zukommen. Zu diesen Pflichten zählten auch die Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren, bzw. die Förderung des Verfahrens (vgl. etwa § 39 Abs. 2a AVG) und steht es dem Gericht frei, eine allfällige unterlassene Mitwirkung im Verfahren bzw. die Passivität einer Verfahrenspartei der freien Beweiswürdigung –idR zum Nachteil der sich passiv verhaltenden Partei- zu unterziehen (VwGH 26.2.2002, 2001/11/0220; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 172 mwN).

In seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 befasste sich der EuGH mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts –bei entsprechender Untätigkeit der Behörde- der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen. Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben. Der EuGH führte weiters aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, doch sind die dem Urteil zu Grunde liegenden grundsätzlichen Erwägungen nach ho. Ansicht jedoch auch auf den gegenständlichen Fall übertragbar.

Im Lichte der getroffenen Ausführungen steht es dem ho. Gericht frei, die Äußerung der bP, sie wäre aus einem Versehen am Sitz der Behörde erschienen und die mit diesem Vorbringen korrespondierende Passivität der bB ohne weitere gerichtliche Ermittlungen dahingehend zu würdigen, dass die bP tatsächlich aufgrund eines Versehens nicht an der Ordinationsadresse, sondern am Sitz der Behörde erschien und sie diesen Umstand unverzüglich einer Bediensteten der bB mitteilte.

4.Rechtliche Beurteilung:

4.1.Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

–        Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

–        Behinderteneinstellungsgesetz BEinstG, BGBl. Nr. 22/1970 idgF

–        Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

–        Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

–        Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

4.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG idgF entscheidet in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten der §§ 8, 9, 9a und 14 Abs. 2 das Bundesverwaltungsgericht durch den Senat.

Gemäß § 19b Abs. 3 BEinstG idgF sind die Vertreterinnen oder Vertreter der Arbeitgeber bei Senatsentscheidungen nach Abs. 2 von der Wirtschaftskammer Österreich zu entsenden. Die Vertreterin oder der Vertreter der Arbeitnehmer wird von der Bundesarbeitskammer entsandt. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gemäß § 19b Abs. 6 BEinstG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Abs. 3 dritter und vierter Satz sind anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gemäß § 19b Abs. 7 BEinstG haben die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) in Verfahren nach Abs. 2, 4 und 6 für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozial- und Arbeitsrechts) aufzuweisen.

In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 19b Abs. 1 BEinstG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet.

Bedingt durch den Umstand, dass im § 19b Abs. 1 BEinstG eine Senatszuständigkeit in Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 BEinstG normiert ist, fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung des § 19b Abs. 3 BEinstG in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Schlussfolgernd ist das angeführte Gericht durch Senatsrichterentscheidung in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

4.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1 im Generellen und in den Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

4.4. Gemäß § 2 Abs 1 BEinstG sind begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH.

Nach § 14 Abs. 2 BEinstG hat, wenn ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vorliegt, auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

4.5.1. Wenn ein begünstigter Behinderter oder ein Antragswerber ohne triftigen Grund einer schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zu einer zumutbaren ärztlichen Untersuchung nicht entspricht oder sich weigert, die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen, ist das Verfahren gem. § 14 Abs. 6 BEinstG einzustellen oder das Erlöschen der Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2 Abs. 1 und 3) auszusprechen. Er ist nachweislich auf die Folgen seines Verhaltens hinzuweisen.

4.5.2. Die Bestimmung des § 14 Abs. 6 BEinstG stellt vorrangig (neben der eingeräumten Möglichkeit, hierdurch vom Kreis der begünstigen Behinderten freiwillig auszuscheiden) eine Sanktion für fehlendes Mitwirken im Verfahren dar (Erk. d. VwGH, 2009/11/0009) und stellt nicht jedes Fernbleiben ein Fernbleiben ohne triftigen Grund dar. So kann das Fernbleiben gerechtfertigt oder zumindest entschuldigt sein.

Sowohl dem AVG als auch dem BEinstG ist im oa. Zusammenhang die förmliche "Annahme einer Entschuldigung" fremd (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetz I² (1998)E 58 zu § 19 AVG [auch wenn sich die dortigen Ausführungen auf § 19 AVG beziehen, sind sie aufgrund der ähnlichen Interessenslage auch im gegenständlichen Fall anwendbar]).

Das Vorliegen eines allfälligen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes ist von der Behörde [dem Gericht] von Amts wegen zu erforschen (Erkenntnis des VwGH vom 30. Jänner 2004, Zl. 2003/02/0223, sowie das Erkenntnis des VwGH vom 19. März 2003, Zl. 2001/03/0025, beide Erk. mwN) und ist sie hier mangels der Existenz einer Sondernorm auf die allgemeinen Bestimmungen, welche den Gang des Ermittlungsverfahrens regeln, zu verweisen.

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge befreit der Verfahrensgrundsatz, dass die Verwaltungsbehörde von Amts wegen vorzugehen hat, die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten (VwGH 03.09.2003, 2001/03/0178; 20.04.2007, 2007/02/0085). Der VwGH geht auch davon aus, dass es dem Geladenen obliegt, das Hindernis der Teilnahme an der Verhandlung konkret darzulegen (VwGH 25.04.2008, 2007/02/0356).

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall einerseits die bB zu ermitteln gehabt hätte, warum die bB nicht zur Untersuchung erschien (ihre sichtliche Annahme, sie sei ohne triftigen Grund der Einladung nicht nachgekommen, um hierdurch die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts zu vereiteln bzw. zumindest erheblich zu erschweren erweist sich als unzulässig antizipierend) und wäre davon auszugehen, dass sie in diesem Fall bereits im Rahmen dieser Ermittlungen den nunmehr in der Beschwerde vorgetragenen Grund erfahren hätte, soweit ihr dieser nicht ohnehin aufgrund der Vorsprache der bP bei einer Bediensteten der bB bekannt war.

Zum anderen hatte die bP die Gründe für ihr Fernbleiben konkret darzulegen, was sie sichtlich auch machte.

4.5.3. Gem. § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG ist das ho. Gericht berechtigt, die Entscheidung der belangten Behörde zu beheben. Die Behörden sind in diesem Fall verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

§ 28 Abs. 5 VwGVG stellt einen eigenen Tatbestand dar, welcher das Gericht ermächtigt, angefochtene Bescheide durch Erkenntnis zu beheben (vgl. Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Aufl, Anm. 17 zu § 28 VwGVG).

Bei einer Aufhebung gem. § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG handelt es sich –im Gegensatz zur Behebung und Zurückverweisung gem. § 28 Abs. 3 VwGVG- um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheids in Form eines Erkenntnisses. Die Behebungsgründe werden gesetzlich nicht genannt. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 66 Abs. 4 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Aufl, Rz 17ff zu § 28); Hengstschläger/Leeb, AVG, Manz Kommentar, Rz 97 zu § 66 [Abs. 4], führen mwN auf die höchstgerichtliche Judikatur aus: "Hätte der angefochtene Bescheid nicht ergehen dürfen, weil nach den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften in der anhängigen Rechtssache die Erlassung eines Bescheides entweder im unterinstanzlichen Verfahren überhaupt unzulässig war oder während des Berufungsverfahren unzulässig geworden ist, oder hätte ihn die betroffene Behörde (mangels Zuständigkeit) nicht erlassen dürfen und kann der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch die Kassation des zu Unrecht ergangenen Bescheides hergestellt werden, hat die Rechtsmittelbehörde den Bescheid gem. § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos, dh ohne eine darüber hinausgehende Sachentscheidung, zu beheben".)

Da im gegenständlichen Fall kein Sachverhalt vorliegt, welcher im Sinne des § 14 Abs. 6 BEinstG zu sanktionieren (gewesen) wäre, war ein Vorgehen der bB iSd genannten Bestimmung rechtswidrig, weshalb der angefochtene Bescheid spruchgemäß zu beheben war.

4.5.4. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass es nach Ansicht des ho. Gerichts nicht ausreicht, im Rahmen der Belehrung über die Folgen des Fernbleibens ohne triftigen Grund im gegenständlichen Fall lediglich den Gesetzestext wiederzugeben, zumal in diesem Text alternativ zwei verschiedene mögliche Fälle zusammengefasst beschrieben werden, welche zu verschiedenen Konsequenzen führen und es im gegenständlichen Fall für die bP nicht klar war, welche konkreten Konsequenzen in ihrem Fall eintreten (so könnte die Belehrung auch so verstanden werden, dass das amtswegige Verfahren zur Neufeststellung des Grades der Behinderung [im Sinne der bP] im Falle es Nichterscheinens eingestellt wird).

4.5.5. Eine meritorische Entscheidung über den Grad der Behinderung kommt im gegenständlichen Fall nicht in Frage, weil dieser Umstand nicht vom Beschwerdegegenstand umfasst ist.

4.6. Eine Verhandlung war nicht durchzuführen, weil der angefochtene Bescheid behoben wurde. Ebenso war der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage als geklärt anzusehen.

4.7. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. So orientiert sich das Gericht Hinsichtlich der Auslegung des § 14 Abs. 6 BEinstG, ebenso wie in Bezug auf die Frage der Zulässigkeit der Behebung eines angefochtenen Bescheides gem. § 28 Abs. 1 (iVm Abs. 5) VwGVG an der zitierten einheitlichen Judikatur des VwGH, sowie an der Vorgängerbestimmung des § 66 Abs. 4 AVG und der hierzu eindeutigen Judikatur. Ebenso lässt der eindeutige Wortlaut der genannten Bestimmungen keine anderslautende Auslegung als die hier getroffene zu.

Die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG waren somit nicht gegeben.

Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

ärztliche Untersuchung ersatzlose Behebung Grad der Behinderung Ladungen Rechtswidrigkeit triftige Gründe Versehen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L515.2235830.1.00

Im RIS seit

12.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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