TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/30 L501 2231563-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


L501 2231563-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Frau XXXX , VSNR. XXXX , gegen den vom Sozialministeriumservice mit Schreiben vom 11.10.2019 versandten Behindertenpass, OB XXXX , wegen

A)

I. dem festgestellten Grad der Behinderung zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben und der Grad der Behinderung (GdB) mit siebzig (70) von Hundert (vH) festgestellt.

II. der Nichtvornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision gegen die Spruchpunkte I. und II. ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) beantragte mit am 22.05.2019 bei der belangten Behörde eingelangten Schreiben die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie eines Parkausweises.

In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 28.07.2019 wird von einem namentlich konkret angeführten Allgemeinmediziner, basierend auf der klinischen Untersuchung am 09.07.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Pos.Nr.

GdB

01

anhaltende Depression

Position 03.06.02 mit 60% angenommen aufgrund der chronifizierten Depressio, die Affizierbarkeit und der Antrieb ist herabgesetzt, die Arbeitsfähigkeit ist nicht gegeben, regelmäßige fachärztliche Kontrollen, medikamentöse Dauertherapie, zusätzlich Schmerzmedikation wegen der somatoformen Schmerzstörung

03.06.02

60

02

Diabetes mellitus Typ Ii

Position 09.02.01 mit 20% angenommen aufgrund des medikamentös behandelten DM Typ II, mäßig überhöhte Blutzuckerspiegel, begleitende Blutfetterhöhung

09.02.01

20

03

Gebärmutterverlust

Position 08.03.02 mit 10% angenommen aufgrund der Entfernung der Gebärmutter bei Descensus, die Blasenstörung dabei miterfasst, keine aufwändige Inkontinenzversorgung

08.03.02

10

Gesamtgrad der Behinderung

60 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: die führende Gesundheitsschädigung stellt die chronifizierte Depressio mit somatoformer Schmerzstörung unter Punkt 1 dar, eingestuft mit 60%; Punkt 2 ist ausreichend behandelt und steigert nicht; Punkt 3 ist geringfügig

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: die Hernia umbilicalis ist saniert, keine weiteren Refluxbeschwerden mehr vorliegend, ein Ekzemleiden nicht festgestellt

Mit Schreiben vom 29.07.2019 brachte die belangte Behörde der bP gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit ein, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht fristgerecht ein.

Gegen den vom Sozialministeriumservice mit Schreiben vom 11.10.2019 versandten Behindertenpass erhob die bP fristgerecht Beschwerde, in der sie im Wesentlichen weitere Beschwerden, wie Kraftlosigkeit beider Arme, schmerzende Beine, Wirbelsäulenbeschwerden und weitere erforderliche Operationen geltend machte. Weitere Befunde wurden vorgelegt.

In dem von der belangten Behörde im Hinblick auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung sodann eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 13.12.2019 wird von einem namentlich konkret bezeichneten Arzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, basierend auf der klinischen Untersuchung am 10.12.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Pos.Nr.

GdB

01

Depressive Störung;

Fachärztlich diagnostizierte depressive Störung mit medikamentöser Dauertherapie, unveränderte Einschätzung zum Vorgutachten;

03.06.02

60

02

Wirbelsäulenbeschwerden

Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen, kein neurologisches Defizit, regelmäßige Schmerzmedikation notwendig, anhaltende Therapiebedarf;

02.01.02

40

03

Schulterbeschwerden rechts;

Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen mit Einriss der Rotationsmanschette, Schmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit, operative Sanierung bereits terminisiert;

02.06.03

20

04

Hüftgelenksbeschwerden beidseits

Radiologisch nachgewiesene geringgradige degenerative Veränderungen, klinisch freie Beweglichkeit

02.05.08

20

05

Nicht insulinpflichtiger Zuckerkrankheit;

Medikamentöse Monotherapie, unveränderte Einschätzung zum Vorgutachten

09.02.01

20

06

Kniegelenksbeschwerden links;

Zustand nach Gelenksspiegelung links, radiologisch nachgewiesene geringgradige degenerative Veränderungen, klinisch freie Beweglichkeit;

02.05.18

10

07

Zustand nach Gebärmutterentfernung;

Unveränderte Einschätzung zum Vorgutachten

08.03.02

10

Gesamtgrad der Behinderung

70 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Führend ist das Leiden Nummer 1 mit 60 %. Das Leiden Nummer 2 steigert, da es das Gesamtbild verschlechtert, um eine Stufe. Die übrigen Leiden steigern wegen Geringfügigkeit nicht weiter. Somit ergibt sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 %.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: dyshydrotisches Ekzem: klinisch unauffällig, kein aktueller dermatologischer Fachbefund vorliegend; Hernia umbilicalis: klinisch unauffällig, kein aktueller Fachbefund vorliegend;

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Leiden Nummer 1 (depressive Störung): unveränderte Einschätzung zum Vorgutachten

Leiden Nummer 2 (Wirbelsäulenbeschwerden): neu hinzugekommen, steigerungswürdig

Leiden Nummer 3 (Schulterbeschwerden rechts): neu hinzugekommen, nicht steigerungswürdig

Leiden Nummer 4 (Hüftgelenksbeschwerden beidseits): neu hinzugekommen, nicht steigerungswürdig

Leiden Nummer 5 (Zuckerkrankheit): unveränderte Einschätzung zum Vorgutachten

Leiden Nummer 6 (Kniegelenksbeschwerden links): neu hinzugekommen, nicht steigerungswürdig

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung: Der Gesamtgrad der Behinderung steigt von 60 % auf 70 % durch neu hinzugekommenes Leiden Nummer 2.

Mit Schreiben vom 16.12.2019 brachte die belangte Behörde der bP gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit ein, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. In ihrer Stellungnahme kündigte die bP eine weitere Knie-OP an sowie weitere Befunde. Am 27.12.2020 langte ein weiterer MR Befund ein.

In dem von der belangten Behörde sodann eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 06.04.2020 wird von einem namentlich konkret bezeichneten Facharzt für Orthopädie, basierend auf der klinischen Untersuchung am 05.03.2020, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Pos.Nr.

GdB

01

Depressive Störung

Vom Vorgutachten übernommen

03.06.02

60

02

Wirbelsäulenbeschwerden

Unverändert wie im Vorgutachten

02.01.02

40

03

Bewegungseinschränkung der rechten Schulter nach kurz zurückliegender Operation

Unveränderte Einschätzung bei Bewegungseinschränkung

02.06.03

20

04

Hüftgelenksbeschwerden beidseits

Unverändert

02.05.08

20

05

Nicht insulinpflichtige Zuckerkrankheit

Vom Vorgutachten übernommen

09.02.01

20

06

Kniegelenksbeschwerden links

Das linke Kniegelenk zeigt keine Entzündungszeichen, bei Bandstabilität und entsprechend der Beweglichkeit wird die Einschätzung durchgeführt.

02.05.18

10

07

Zustand nach Gebärmutterentfernung;

Unverändert

08.03.02

10

Gesamtgrad der Behinderung

70 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das führende Leiden Pos.1 wird weiterhin durch Pos.2 um 10% angehoben da es wechselwirkend verstärkt.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Keine weiteren Leiden angegeben

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Unverändert

Da das Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit erledigt werden konnte, wurde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 04.06.2020 zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom 06.07.2020 wurde der bP das Sachverständigengutachten 06.04.2020 im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Die bP erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Pos.Nr.

GdB

01

Depressive Störung;

Fachärztlich diagnostizierte depressive Störung mit medikamentöser Dauertherapie, chronifiziert, die Affizierbarkeit und der Antrieb ist herabgesetzt, die Arbeitsfähigkeit ist nicht gegeben, regelmäßige fachärztliche Kontrollen, zusätzlich Schmerzmedikation wegen der somatoformen Schmerzstörung

03.06.02

60

02

Wirbelsäulenbeschwerden;

Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen, kein neurologisches Defizit, regelmäßige Schmerzmedikation notwendig, anhaltende Therapiebedarf;

02.01.02

40

03

Bewegungseinschränkung der rechten Schulter nach kurz zurückliegender Operation

02.06.03

20

04

Hüftgelenksbeschwerden beidseits;

Radiologisch nachgewiesene geringgradige degenerative Veränderungen, klinisch freie Beweglichkeit

02.05.08

20

05

Nicht insulinpflichtige Zuckerkrankheit

Medikamentöse Monotherapie, mäßig überhöhter Blutzuckerspiegel, begleitende Blutfetterhöhung

09.02.01

20

06

Kniegelenksbeschwerden links

Das linke Kniegelenk zeigt keine Entzündungszeichen, bei Bandstabilität und entsprechend der Beweglichkeit wird die Einschätzung durchgeführt.

02.05.18

10

07

Zustand nach Gebärmutterentfernung

Entfernung der Gebärmutter bei Descensus, die Blasenstörung dabei miterfasst, keine aufwändige Inkontinenzversorgung

08.03.02

10

Gesamtgrad der Behinderung

70 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das führende Leiden unter lfd. Nr. 01 wird durch Leiden unter lfd. Nr. 02 um 10% angehoben, da es wechselwirkend verstärkt. Die übrigen Leiden steigern wegen Geringfügigkeit nicht weiter.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: dyshydrotisches Ekzem: klinisch unauffällig; Hernia umbilicalis: klinisch unauffällig

2.       Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.

Die von der belangten Behörde eingeholten - in ihren Einschätzungen übereinstimmenden - medizinischen Gutachten sind ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Die vorliegenden Funktionseinschränkungen wurde von den Sachverständigen im Rahmen der jeweiligen klinischen Untersuchung unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der klinischen Untersuchung jeweils vorliegenden medizinischen Unterlagen erhoben und den entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Die Sachverständigen berücksichtigten bei ihrer Einschätzung jeweils die im Vergleich zum Vorgutachten seitens der bP neu vorgelegten Befunde sowie die zwischenzeitig durchgeführten medizinischen Behandlungen, wodurch die Änderung des GdB von 60 vH auf 70 vH begründet ist.

Die bP ist den gutachterlichen Ausführungen weder auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten noch hat sie weitere Befunde vorgelegt, die die Annahme zulassen würden, die Schlussfolgerungen der Sachverständigen seien unzutreffend. Die gutachterlichen Ausführungen wurden von der bP zudem weder bestritten noch wurden Ungereimtheiten oder Widersprüche aufgezeigt, die eine Beeinspruchung auch ohne einem Entgegentreten auf gleichem fachlichen Niveau ermöglicht hätten (vgl. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).

Da die Sachverständigengutachten auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehen, werden sie in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A)

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

–        Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

–        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

–        In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen. (§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Spruchpunkt I.

Da im Hinblick auf den - wie gezeigt unbedenklichen - Inhalt der Sachverständigengutachten ein Grad der Behinderung von 70 (siebzig) vH (von Hundert) festzustellen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Spruchpunkt II.

Gemäß § 1 Abs. 1 iVm Abs. 6 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen hat der Behindertenpass nach Form und Inhalt dem in der Anlage A enthaltenen Muster zu entsprechen; im Behindertenpass sind die möglichen Zusatzeintragungen sohin jeweils bei Vorliegen der Voraussetzungen auf der Rückseite in Form von Piktogrammen oder in Form von Schriftzügen gesondert einzutragen. Gemäß § 45 Abs. 2 BBG kommt dem ausgestellten Behindertenpass nun zwar Bescheidcharakter zu, allerdings kann in der Nichteintragung eines begehrten Zusatzvermerks kein bescheidmäßiger Abspruch über die Vornahme einer solchen Zusatzeintragung erblickt werden; u.a. auch, weil Bescheide gemäß § 58 Abs. 2 AVG zu begründen sind, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird.

Gemäß Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die zur "Sache des Berufungsverfahrens" ergangene Rechtsprechung auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu übertragen. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist sohin - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des "Spruchs" der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. B 17.12.2014, Ra 2014/03/0049). Die in Beschwerde gezogene Nichteintragung des begehrten Zusatzeintrags ist gemäß obiger Darlegung nicht von der gegenständlichen behördlichen Entscheidung mitumfasst. Das Bundesverwaltungsgericht war aufgrund dieser Beschränkung nicht befugt, den von der bP beantragten Zusatzvermerk zum Gegenstand seiner Entscheidung zu machen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit einer Antragstellung bei der belangten Behörde besteht.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Betreffend den festgestellten GdB handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten Verfahrensgegenstand Zurückweisung Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L501.2231563.1.00

Im RIS seit

12.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten