TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/4 L501 2230263-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2020
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Entscheidungsdatum

04.11.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


L501 2230263-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Frau XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 12.02.2020, OB XXXX , betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses
I. zu Recht erkannt und II. beschlossen:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung (GdB) vor.

II. Der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision gegen die Spruchpunkte I. und II. ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Am 14.02.2019 gab die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) das ausgefüllte Formular „Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Antrag gilt auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. Vornahme der Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“) persönlich im Sozialministeriumservice ab.

In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 30.04.2019 wird von einer namentlich konkret bezeichneten Allgemeinmedizinerin, basierend auf der klinischen Untersuchung am 29.04.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Abnützungen der Lendenwirbelsäule.

Bandscheibenvorfälle L1/2, L4/5 und L5/S1, geringe Dauerschmerzen, Belastungsschmerzen mit Auslasssymptomatik linkes Bein, negativer Nervendehnungstest, keine Lähmungserscheinungen, Schmerzmittelbedarfsmedikation (zweimal pro Monat

02.01.02

30

02

Hüftgelenksabnützungen beidseits.

Zustand nach Prothesenoperation links, Verbesserung der Beugefunktion, ausreichende Drehbewegung, beidseits keine Streckeinschränkung, rechts gelegentlich Belastungsschmerzen

02.05.08

20

03

Endgradige Bewegungseinschränkung rechtes Schultergelenk.

Schmerzen bei Linksseitenlage, bei Überkopfbewegungen im Status endgradige Bewegungseinschränkung

02.06.01

10

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Führendes Leiden ist Position 1 und bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Erhöhte Blutfette, keine Medikation; Asthma bronchiale, anamnestisch seit der Kindheit bestehend, in deutlicher Besserung, Bedarfsmedikation, kein Lungenfacharztbefund vorliegend.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Erstgutachten

Mit Schreiben vom 02.05.2019 brachte die belangte Behörde der bP gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit ein, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. In ihrer Stellungnahme vom 13.05.2019 schilderte die bP die sich durch die Hüftdysplasie und die Bandscheibenvorfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule ergebenden Probleme und die Erleichterung, die sich ergeben würde, wenn sie unmittelbar beim Arzt parken könnte. Eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihr nicht möglich, da sie die Strecken zum nächsten Ziel möglichst kurz halten müsse und ein Weg von einem Kilometer wäre nicht tragbar. Beiliegend übersandte sie ein Attest ihres Orthopäden.

In dem sodann von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 15.09.2019 wird von einem namentlich konkret bezeichneten Facharzt für Orthopädie, basierend auf der klinischen Untersuchung am 25.07.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Knorpelschaden der rechten Hüfte, Zustand nach Totalendoprothese links

Die aus jetziger Sicht doch deutliche Rotationseinschränkung in beiden Hüftgelenken ergibt aus orthopädischer Sicht den erhöhten Rahmen im Vergleich zum Vorgutachten.

02.05.08

40

02

Abnützungen der Lendenwirbelsäule.

Unveränderte Einschätzung bei degenerativen Veränderungen ohne Nervenwurzelirritation oder neurologischem Defizit

02.01.02

30

03

Endgradige Bewegungseinschränkung linkes Schultergelenk.

Hier ist das linke Schultergelenk betroffen, es wurde im Vorgutachten falsch angegeben

02.06.01

10

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das führende Leiden aus Pos. 1 wird durch Pos. 2 auf 50% angehoben, da es die Funktionalität im täglichen Leben zusätzlich verschlechtert.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: keine weiteren Leiden angegeben

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Die Verschlechterung der Hüftrotation ändert das Leiden Pos. 1 von 20% auf 40%.

Mit Schreiben vom 16.09.2019 brachte die belangte Behörde der bP gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit ein, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. In ihrer Stellungnahme vom 29.09.2019 wies die bP daraufhin, dass sie sehr wohl unter extrem schmerzhaften Nervenwurzelirritationen leide, was beispielsweise auch im Befund vom 15.05.2017 attestiert werde; die Auslasssymptomatik des linken Beines werde auch im Gutachten vom 30.04.2019 angeführt. Des Weiteren wurde begründet, warum die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorlägen.

Mit Schreiben vom 16.10.2019 übermittelte die bP den Befund eines Facharztes für Lungenkrankheiten vom 16.09.2019 sowie Befunde aus den Jahren 1977 bis 1985, des Weiteren MRT/LWS-Befunde von 2003 bis zum 15.05.2017. Mit Schreiben vom 05.11.2019 übermittelte die bP einen aktuellen LWS – Befund vom 28.10.2019 eines Facharztes für Neurochirurgie mit dem Ersuchen, ihr großes Wirbelsäulenleiden verbunden mit dem Auslassen des Beines im Gesamtgrad der Behinderung entsprechend zu bewerten und ihr die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zuzusprechen.

In dem sodann von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 12.12.2019 wird von einem namentlich konkret bezeichneten Arzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, basierend auf der klinischen Untersuchung am 05.12.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Flexion der linken Hüfte bis über 90° schmerzfrei möglich, IR/AR 20-0-50° endlagig mit Schmerzangabe im Bereich der LWS, kein Leistendruckschmerz, blande Narben, rechts Flexion bis knapp 100° möglich, IR/AR 10-0-50° mit diskreten IR-Schmerz und diskretem Leistendruckschmerz

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Wirbelsäulenbeschwerden;

Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorfällen, kein radikuläres neurologisches Defizit, belastungsabhängige Schmerzen, keine regelmäßige Schmerzmedikation

02.01.02

30

02

Hüftgelenksbeschwerden beidseits;

Hüftprothese links 05/2018, radiologisch nachgewiesene Dysplasiekoxarthrose rechts,

02.05.08

20

03

Schulterbeschwerden rechts;

Geringgradig schmerzhaft eingeschränkte Schulterbeweglichkeit, kein aktueller radiologischer Befund vorliegend;

02.06.01

10

04

Allergisches Asthma bronchiale;

Beschwerden hauptsächlich im Frühjahr, Medikation bei Bedarf, fachärztlich diagnostiziert, derzeit keine pulmonale Beeinträchtigung

06.05.01

10

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das Leiden Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung mit 30 %. Die übrigen Leiden steigern wegen Geringfügigkeit nicht weiter.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

- Nervenwurzelirritationen: in keinem der vorliegenden Befunde oder bisher durchgeführten Gutachten wurde jemals ein neurologisches Defizit (Gefühlsstörung, Kraftverlust, Reflexabschwächung) im Sinne einer Nervenwurzelirritation dokumentiert. Auch im radiologischen Befund vom 15.05.2017 werden keine morphologischen Veränderungen der Nervenwurzeln im Sinne von "Irritationen" (Schwellung, Ödem) beschrieben.

- Auslassen des Beines: Laut Angaben der Patientin hat sie "das Gefühl", das Bein würde auslassen, ein wirkliches Sturzgeschehen gibt sie nicht an, es finden Sie auch in den Unterlagen keine dokumentierten Verletzungen durch Stürze

- Asthmaanfall durch Schock nach Sturz: über ein solches Vorkommnis liegen keine fachärztlichen Befunde vor

- intermittierende Gangstörung durch Auslassen des linken Beines: anhand der vorliegenden Befunde keine korrekte Einschätzung möglich

In der sofortigen Beantwortung der Leitenden Ärztin der belangten Behörde vom 22.01.2020 wird sowohl das Gutachten vom 15.09.2019 als auch das Gutachten vom 12.12.2019 als schlüssig, nachvollziehbar und ausreichend begründet bewertet.

Mit Schreiben vom 22.01.2020 brachte die belangte Behörde der bP gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit ein, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. In ihrer Stellungnahme vom 08.02.2020 wies die bP darauf hin, dass sie nie die Aussage „ein Gefühl“ des Auslassens des Beines getroffen habe, sondern explizit bei jeder Untersuchung über die Tatsache des Auslassens berichtet habe. Abschließend verweist sie auf das beiliegende Attest ihre Hausärztin, in dem die Probleme des Bewegungsapparates beschrieben und der Kraftverlust des Beines geschildert und bestätigt werde.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid stellt die belangte Behörde fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 30 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen. Neben Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde ausgeführt, dass die dem Bescheid beiliegenden, einen Teil der Begründung bildenden Sachverständigengutachten samt sofortiger Beantwortung als schlüssig erkannt und der Entscheidung zugrunde gelegt worden seien.

In ihrer mit Schreiben vom 16.03.2020 fristgerecht erhobenen Beschwerde hebt die bP die unterschiedliche Beurteilung ihrer Hüftprobleme in den Gutachten vom 15.09.2019 und vom 12.12.2019 hervor und weist auf die Bewertung in der sofortigen Beantwortung hin, wonach beide Gutachten schlüssig seien. Hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel moniert sie die Nichtberücksichtigung des Attestes ihrer Hausärztin, in dem der Kraftverlust des Beines und die Blockierung im Hüftgelenk dargestellt würden. Abschließend stellt sie den Antrag, auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 vH sowie die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die bP erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Sie ist österreichische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz im Inland.

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Knorpelschaden der rechten Hüfte, Zustand nach Totalendoprothese links

Linke Hüfte: Extension-Flexion: 0 - 90° Innen-Außenrotation: 5 - 0 - 20°, Abduktion: 40°

Rechte Hüfte: Extension-Flexion: 0 - 90° Innen-Außenrotation: 5 - 0 - 5°, Abduktion: 40°

Wahl des oberen Grenzwertes aufgrund der deutlichen Rotationseinschränkung in beiden Hüftgelenken.

02.05.08

40

02

Wirbelsäulenbeschwerden.

Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorfällen, kein radikuläres neurologisches Defizit, belastungsabhängige Schmerzen, keine regelmäßige Schmerzmedikation

02.01.02

30

03

Endgradige Bewegungseinschränkung linkes Schultergelenk.

02.06.01

10

04

Allergisches Asthma bronchiale;

Beschwerden hauptsächlich im Frühjahr, Medikation bei Bedarf, fachärztlich diagnostiziert, derzeit keine pulmonale Beeinträchtigung

06.05.01

10

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das führende Leiden der lfd. Nr. 01 wird durch lfd. Nr. 02 auf 50% angehoben, da es die Funktionalität im täglichen Leben zusätzlich verschlechtert.

II.2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.

Die Gutachten dem Bereich der Orthopädie vom 15.09.2019 und vom 12.12.2019 sind laut der sofortigen Beantwortung vom 22.01.2020 schlüssig und nachvollziehbar, sodass aufgrund der zeitweise (vgl. Sachverständigengutachten vom 15.09.2019) vorliegenden deutlichen Rotationseinschränkung in beiden Hüftgelenken die Pos. Nr. 02.05.08 abweichend von den Gutachten vom 30.04.2019 und 12.12.2019 mit 40 vH festzulegen ist. Bestätigt wird dies zudem durch die im Gutachten vom 15.09.2019 enthaltene Begründung für die Abweichung zu dem im Gutachten vom 30.04.2019 für die mit 20 vH vorgenommene Einschätzung der Pos. Nr. 02.05.08: „Die aus jetziger Sicht doch deutliche Rotationseinschränkung in beiden Hüftgelenken ergibt aus orthopädischer Sicht den erhöhten Rahmen im Vergleich zum Vorgutachten“.

Die hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens in ihren Einschätzungen übereinstimmenden Gutachten aus dem Bereich der Orthopädie vom 15.09.2019 und vom 12.12.2019 zeigen den aktuellen Gesundheitszustand der bP in nachvollziehbarer Weise auf. Die vorliegende Funktionseinschränkung wurde von den Sachverständigen im Rahmen ihrer klinischen Untersuchung unter Berücksichtigung der im Akt einliegenden Befunde erhoben. Soweit die bP vorbringt, sie leide sehr wohl unter extrem schmerzhaften Nervenwurzelirritationen, so ist auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Gutachten vom 12.12.2019 hinzuweisen, wonach in keinem der vorgelegten Befunde oder bisher durchgeführten Gutachten jemals ein neurologisches Defizit (Gefühlsstörung, Kraftverlust, Reflexabschwächung) im Sinne einer Nervenwurzelirritation dokumentiert sei; auch in dem von der bP als Beweis angeführten radiologischen Befund vom 15.05.2017 würden keine morphologischen Veränderungen der Nervenwurzeln im Sinne von "Irritationen" (Schwellung, Ödem) beschrieben. Zum vorgebrachten „Auslassen des Beines“ wird in diesem Gutachten festgehalten, dass die bP ein wirkliches Sturzgeschehen nicht angibt und es sich auch in den Unterlagen keine dokumentierten Verletzungen durch Stürze finden.

Bestätigt wird diese Einschätzung durch den von der bP zuletzt vorgelegten Befund vom 28.10.2019 eines Facharztes für Neurochirurgie, in dem sich selbst unter dem Punkt Beschwerdesymptomatik die Wendung „ohne radikuläres sensomotorisches Defizit“ findet und zusammenfassend festgehalten wird, dass sich auf den vorliegenden LWS MR Bildern kein sicheres morphologisches Substrat für die Beschwerdesymptomatik finde und die Ursache der von der bP beschriebenen, intermittierenden „giving way“ des linken Beines anhand der Bilder unklar sei.

Wenn die bP vorbringt, die Auslasssymptomatik des linken Beines werde auch im Gutachten vom 30.04.2019 angeführt, so ist festzuhalten, dass dies zwar korrekt ist, aber diese Feststellung weder dem laut Gutachten erhobenen Befund noch den vorgelegten medizinischen Unterlagen, vielmehr nur den geschilderten Beschwerden (vgl. Pkt. „Derzeitige Beschwerden“ entnommen wurde.

Die seitens der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 15.09.2019 und vom 12.12.2019 sind ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Sie basieren auf den im Rahmen der klinischen Untersuchungen jeweils erhobenen Befund, sind ausführlich begründet und beziehen die zu den Untersuchungszeitpunkten vorgelegten Beweismittel mit ein. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf die diesbezüglichen unter Punkt I. wiedergegebenen sachverständigen Ausführungen verwiesen.

Die bP hatte im Rahmen des seitens der belangten Behörde gewährten Parteiengehörs Gelegenheit, die Darlegungen der Sachverständigen in geeigneter Weise, etwa mit einem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten zu widerlegen; dies hat sie jedoch unterlassen. Soweit sie in ihrer Beschwerde (betreffend die gewünschte Vornahme der Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) auf den Arztbrief ihrer Hausärztin vom 04.02.2020 verweist, ist festzuhalten, dass in diesem keine Befundung aufscheint, es diesem sohin an Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit mangelt und es keine taugliche Grundlage für eine Entscheidung darstellt. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen – wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden – vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine Äußerung – wie der vorgelegte Arztbrief vom 04.02.2020 -, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar (vgl. VwGH vom 17.02.2004, 2002/06/0151).

Die Vorbringen der bP waren daher nicht geeignet, die gutachterlichen Beurteilungen zu entkräften bzw. eine weitere Beweisaufnahme zu bedingen. Sie hat nicht konkret und mit näherer Begründung die Unschlüssigkeit der Gutachten dargelegt (vgl. VwGH vom 05.10.2016, Ro 2014/06/0044).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Sachverständigengutachten vom 15.09.2019 und vom 12.12.2019. Da sie auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehen, werden sie in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A)

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

–        Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

–        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

–        In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen. (§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Spruchpunkt I.: Im Hinblick auf den - wie gezeigt unbedenklichen - Inhalt der Sachverständigengutachten ist ein Grad der Behinderung von fünfzig (50) von Hundert (vH) festzustellen. Dem Antrag der bP auf Feststellung eines GdB von 50 vH war sohin spruchgemäß stattzugeben.

Spruchpunkt II.: Gemäß Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die zur "Sache des Berufungsverfahrens" ergangene Rechtsprechung auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu übertragen. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist sohin - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des "Spruchs" der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. B 17.12.2014, Ra 2014/03/0049). Der Antrag auf Eintragung des begehrten Zusatzeintrags ist nicht von dem verfahrensgegenständlichen Bescheid mitumfasst. Das Bundesverwaltungsgericht war aufgrund dieser Beschränkung nicht befugt, den von der bP beantragten Zusatzvermerk zum Gegenstand seiner Entscheidung zu machen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten Verfahrensgegenstand Zurückweisung Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L501.2230263.1.00

Im RIS seit

12.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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