Entscheidungsdatum
11.11.2020Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I408 2236350-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Italien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.09.2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Am 01.09.2020 wurde der Beschwerdeführer, ein italienischer Staatsbürger bei einem Ladendiebstahl betreten. Über eine ECRIS-Abfrage wurde festgestellt, dass er bereits in Italien massiv straffällig geworden ist und dort bereits acht strafgerichtliche Verurteilungen aufweist.
Am 03.09.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers von der belangten Behörde zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes statt (AS 181)
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 10.09.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Es wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub gewährt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Nach Zustellung des Bescheides am 16.09.2020 wurde ihm die überwachte Ausreise aus dem Bundesgebiet nach Italien gestattet.
Am 28.09.2020 erhielt die belangte Behörde die Verständigung von der Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer.
Mit per E-Mail am 09.10.2020 eingebrachten Schriftsatz bekämpfte der Beschwerdeführer diesen Bescheid über seine Rechtsvertretung und beantragte neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Herabsetzung der Befristung des Aufenthaltsverbotes.
Die Beschwerde sowie der Behördenakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.10.2020 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der ledige und in Österreich strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist italienischer Staatsbürger und führt die im Spruch genannte Identität.
Der Beschwerdeführer war in Österreich seit 13.11.2019 bei seinem Bruder gemeldet. Er ging hier keiner geregelten Arbeit noch und war nur kurzfristig vom 20.07.2020 bis 18.08.2020 in einer Pizzeria als Arbeiter gemeldet. Es bestehen auch keine berücksichtigungswürdigen familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich und der Beschwerdeführer hat das Bundegebiet bereits verlassen.
Am 01.09.2020 wurde der Beschwerdeführer von einer Supermarktverkäuferin beim Versuch Spirituosen zu stehlen betreten und dieser Sachverhalt wurde zwischenzeitlich beim Bezirksgericht XXXX zur Anklage gebracht (AS 335).
Sein Bruder, bei dem er in Österreich lebte, wurde schon Ende Mai 2020 bei einem Ladendiebstahl im selben Geschäft betreten (AS 209 ff). Dieser Ladendiebstahl des Bruders wurde zur Anklage gebracht und gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen, welches zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen ist.
Der Beschwerdeführer weist in Italien acht Vorstrafen wegen Diebstahl, Suchtgift, fahrlässige schwere Körperverletzung, schwerer Diebstahl, unerlaubter Besitz von Waffen, Munition und Sprengstoff, Raub, Hehlerei sowie Flucht au Gewahrsam auf. Die deshalb verhängten Haftstrafen ergeben ein Ausmaß von 107 Monaten. Zuletzt war er von November 2017 bis Mai 2018 in Haft (AS 183).
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Behördenaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Staatsangehörigkeit, Wohnsitzmeldung, Fehlen berücksichtigungswürdiger familiärer und sozialer Anknüpfungspunkte in Österreich, sowie Familienstand des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.
Die Feststellungen zu seinem persönlichen Umfeld in Österreich sind dem Behördenakt entnommen. Der Ladendiebstahl seines Bruders, ist dem entsprechenden Abschlussbericht der Polizeiinspektion XXXX vom 29.06.2020 (AS 209) entnommen. Der Beschwerdeführer wurde zwar am 01.09.2020 von einer Zeugin als die beim damaligen Diebstahl geflüchtete, zweite Person identifiziert (AS 221), dieser Vorwurf aber nicht in den Strafantrag aufgenommen. Das gegen seinen Bruder zwischenzeitlich erlassene und in Rechtskraft erwachsene Aufenthaltsverbot wurde vom BFA telefonisch bestätigt.
Die im Zuge seiner Einvernahme am 03.09.2020 angeführte Beziehung zu einer Freundin, von der er weder Geburtsdatum, noch genaue Wohnadresse nennen konnte, erreich keine derartige Intensität, dass dem Beschwerdeführer ein schützenswertes Privat- oder Familienleben zukommen würde. Die beantragte Einvernahme der Freundin konnte unterbleiben, zumal nicht einmal der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde von einer Lebensgemeinschaft, wie in der Beschwerde behauptet, gesprochen hat.
Die Feststellungen zu den in Österreich betretenen Diebstählen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Abschlussbericht der Polizeiinspektion XXXX vom 06.09.2020 (AS 207 ff).
Die Feststellungen zu seinen Verurteilungen in Italien ergeben sich aus dem vorliegenden ECRIS-Auszug und wurden von ihm bei seiner Einvernahme auch nicht in Abrede gestellt (AS 186).
Die daraus resultierenden Verurteilungen, insbesondere wegen wiederholten Diebstählen, Drogenkonsums, fahrlässiger schwerer Körperverletzung, Hehlerei und unerlaubten Besitzes von Waffen sind zweifelsfrei dokumentiert. Wenn in der Beschwerde moniert wird, dass das österreichische Strafrecht den Straftatbestand „Flucht aus Gewahrsam“ nicht kennt, kann der Verurteilung trotzdem ein gestörtes Verhältnis zur vorliegenden Rechtsordnung entnommen werden.
Aus seinem Vorleben in Italien sowie seinem Auftreten in Österreich resultiert die Feststellung, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Auch wenn keine strafgerichtliche Verurteilung vorliegt, ergibt sich aus dem in Österreich dokumentierten Verhalten des Beschwerdeführers zweifelsfrei, die hohe kriminelle Energie, die sich schon in Italien manifestiert hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:
(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB).
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billig oder dafür wirbt.
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner italienischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, zudem das Vorliegen der Voraussetzung eines durchgehenden Aufenthaltes im Bundesgebiet weder seit mehr als 5 noch 10 Jahren festgestellt werden konnte, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 1. und 2. Satz FPG für Unionsbürger zu Anwendung.
Gegen den Beschwerdeführer als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG sohin nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN).“ (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039)
Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).
Aufenthaltsverbote knüpfen tatbestandsmäßig nicht an einen (aktuellen) Inlandsaufenthalt an und sind somit auch dann möglich, wenn sich der betreffende Fremde (schon) im Ausland befindet. (vgl. VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0237)
Dem angefochtenen Aufenthaltsverbot liegt im Wesentlichen die in Österreich dokumentierten Ladendiebstähle zu Grunde, die zu einem beim Bezirksgericht XXXX anhängigen Strafverfahren geführt haben, und die fehlende Erwerbstätigkeit zu Grunde. Im Hinblick auf die rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Italien, u.a. wegen Diebstählen, Raub, Hehlerei Suchtgiftdelikten und Körperverletzung in Verbindung mit seiner Straffälligkeit in Österreich ist die von der belangten Behörde erstellte Gefährdungsprognose nicht zu beanstanden. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer auch nicht in der Lage war, einen ausreichenden Unterhalt über eine legale Beschäftigung oder einen ausreichenden Versicherungsschutz nachzuweisen.
Das familiäre und private Interesse des Beschwerdeführers am Aufenthalt im Bundesgebiet konnte somit im Lichte einer durch Art. 8 EMRK gebotenen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen.
Zur Befristung des Aufenthaltsverbotes ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall ein Aufenthaltsverbot nach Maßgabe von § 67 Abs. 2 FPG höchstens für die Dauer von zehn Jahren verhängt werden kann. Nichtsdestotrotz ist auch im Fall des Beschwerdeführers eine Einzelfallbetrachtung iSd § 67 Abs. 1 und 2 FPG anzustellen.
Der Beschwerdeführer wurde in Italien mehrmals einschlägig verurteilt, war dort in Haft und wurde auch in Österreich zweimal bei Ladendiebstählen betreten. Unter Berücksichtigung der persönlichen und objektiven Umstände des Beschwerdeführers ist das verhängte Aufenthaltsverbot im Ausmaß von fünf Jahren nicht zu beanstanden.
3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, geht vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Anhand seines Gesamtfehlverhaltens zeigte der Beschwerdeführer unzweifelhaft, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es ist der belangten Behörde daher beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zum Schutz der Bevölkerung erforderlich und dringend geboten ist.
Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.
Ergänzend wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer bereits am 16.09.2020 das Bundesgebiet verlassen hat.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Nach § 21 Abs 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen - trotz Vorliegens eines Antrags - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann allerdings im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des oder der Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm oder ihr einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. zuletzt VwGH 16.10.2019, Ra 2018/18/0272).
Dem Beschwerdeführer wurde ihm Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde die Möglichkeit einer Stellungnahme gegeben und wurde er zudem persönlich einvernommen und ausführlich zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt. Zudem blieb die Straftat selbst unbestritten und wurde das gesamte Vorbringen vom erkennenden Gericht berücksichtigt. Die im gegenständlichen Fall wesentlichen Feststellungen sind unbestritten, insbesondere die Verurteilung des Beschwerdeführers in Italien sowie die privaten Verhältnisse. Aufgrund der festgestellten Verstöße gegen die italienische Rechtsordnung und das gesetzte negative Verhalten in Österreich hätte auch die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nichts am Ausgang des Verfahrens ändern können. Somit lag kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vor (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/002).
Im vorliegenden Fall konnte daher in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
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ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2236350.1.01Im RIS seit
12.02.2021Zuletzt aktualisiert am
12.02.2021